| Titel: | Ueber Theorie und Praxis der neuen Dungmethoden; von Prof. Dr. Julius Schloßberger in Tübingen. | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XXIX., S. 130 | 
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                        XXIX.
                        Ueber Theorie und Praxis der neuen Dungmethoden;
                           von Prof. Dr. Julius
                              Schloßberger in Tübingen.Der Hr. Verfasser war in der letzten Zeit in Edinburgh bei dem
                                 chemisch-landwirthschaftlichen Verein für Schottland theils als
                                 praktischer Chemiker, theils als Lehrer vorzüglich mit der neueren
                                 Agriculturchemie beschäftigt. Von dort aus sandte er an die königl.
                                 Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins in Stuttgart eine sehr
                                 lehrreiche Abhandlung „über die chemisch-landwirthschaftlichen
                                    Bestrebungen in Schottland mit besonderer Rücksicht auf Theorie und Praxis
                                    der neuen Dungmethoden“, welcher Aufsatz sich im Correspondenzblatt des
                                       landwirthschaftlichen Vereins abgedruckt findet. Der
                                 Auszug daraus, welchen wir mittheilen, ist Riecke's Wochenblatt 1846, Nr. 5 und
                                    6 entnommen.A. d. R.
                           
                        Ueber Theorie und Praxis der neuen Dungmethoden.
                        
                     
                        
                           Es fehlt noch viel dazu, daß in unserem Vaterlande dem großartigen Einflusse, den die
                              neuesten chemischen Lehren auf die gesammte Landwirthschaft auszuüben bestimmt
                              scheinen, so recht die allgemeine Aufmerksamkeit, geschweige denn die gebührende
                              Anerkennung zu Theil geworden wäre.
                           Anders in Großbritannien und Schottland. Niemand wird diese Länder die Heimath der
                              Enthusiasten nennen. Im Gegentheil, kalte kluge Berechnung, praktischer Sinn und das
                              vielleicht nirgends so unverhohlen und allgemein ausgesprochene Bestreben des
                              Geldmachens fast als ausschließlichen Lebensberufs: dieß sind so sehr überall
                              gekannte Nationaleigenschaften der großen brittischen Nation, daß eine weitere
                              Auseinandersetzung darüber als eine Wortverschwendung erscheinen müßte. Bei diesen
                              Männern der That und Berechnung nun hat die Aussaat der modernen Chemie in ihren
                              agriculturistischen Bemühungen ihre glänzendsten Wurzeln geschlagen und ihre
                              vielversprechendsten Keime entfaltet. Es ist hier unter den großen Grundbesitzern
                              der Adels- und Geldaristokratie fast zur Sache des guten Tons geworden, den
                              neuen chemischen Theorien in der Bewirthschaftung ihrer Felder ein vorzügliches
                              Gewicht einzuräumen und praktische Beweise für oder gegen die Richtigkeit derselben
                              sich zu verschaffen. Doch schließe hieraus Niemand, daß dieser Eifer nur eine
                              vorübergehende Laune der Vornehmen sey, die sich um den Verlust von Tausenden nicht
                              zu kümmern haben und bei denen nun einmal die Caprice der Mode es erheische, dem
                              Chemiker in seinen Verbesserungs-Tendenzen im Ackerbau ein hulvolles Patronat
                              zu verleihen. Nein, es sind ebenso und noch viel mehr die kleinen Gutsbesitzer, dann
                              vorzüglich Leute aus der Classe der Pächter, welche den neuen chemischen Nachschlagen so
                              vertrauensvoll als eifrig entgegen kommen und mit unermüdlicher Geduld und
                              Gewissenhaftigkeit Versuche über Versuche anstellen im Ringen
                                 nach dem Ideal des Ackerbaues, nämlich dem höchsten
                                 Bodenertrag neben geringster Erschöpfung desselben.
                           Liebig's Agricultur-Chemie und seine chemischen
                              Briefe gehören zu den populärsten Schriften in Schottland; auch Boussingault's neuestes Werk (Economie rurale, Paris 1844)J. B. Boussingault, die Landwirthschaft in ihren
                                    Beziehungen zur Physik, Chemie und Meteorologie. Deutsch bearbeitet von Dr. Gräger. Halle,
                                    1844. wurde sogleich ins Englische übertragen und wird von den Landwirthen
                              eifrigst studirt. Von des genialen H. Davys'
                              Agricultur-Chemie ist eine neue Auflage erschienen, mit zahlreichen Noten
                              ausgestattet, um dieses classische Buch den neuesten Fortschritten der Wissenschaft
                              anzupassen. Von Johnston ist ein umfangreiches Werk
                              erschienen (Lectures on agricultural chemistry and geology.
                                 Edinb. and London 1844)J. F. W. Johnston's Anfangsgründe der praktischen
                                    Agricultur-Chemie und Geologie. Aus dem Englischen. Mit einem Vorwort
                                    von Prof. Dr. Schulze
                                    in Eldena. Neubrandenburg, 1845., das mit großer Klarheit unser ganzes gegenwärtiges Wissen in der
                              landwirthschaftlichen Chemie darzustellen sich bemüht. Populäre Auszüge davon, sowie
                              die einschlagenden Schriften Solly's, Petzholdt's u.a. in
                              allgemein verständlicher Sprache erfreuen sich des weitesten Leserkreises, und eine
                              zahlreiche Schaar landwirthschaftlicher Journale ist unablässig bemüht, die modernen
                              Theorien zu verbreiten, Versuche darnach anzuregen und über die Erfolge
                              umständlichen Bericht zu erstatten.
                           Der thatsächliche Beleg, wie allgemein dieser Eifer für die neuen Lehren ist sind die
                              großartigen landwirthschaftlichen Vereine, deren wesentlichstes Bestreben es ist, zu
                              den Versuchen nach chemischen Principien durch Preise, öffentliche Belobungen
                              u.s.w., sowie durch Versammlungen und Schriften auf das lebhafteste aufzumuntern.
                              Sieht man doch in Schottland einen gewissen Schatz chemischer Kenntnisse für so
                              werthvoll, ja unentbehrlich für jeden Landbauer an, daß man chemisch-landwirthschaftliche Lehren zu einem Element des Volksunterrichts zu machen sich angelegentlich bemüht, und
                              schon sind eine große Anzahl Dorfschulmeister mit den nochwendigsten Kenntnissen und
                              Apparaten hiezu ausgestattet.Gegenwärtig (September 1845) werden in der Highschool zu Edinburgh Vorlesungen über Agricultur-Chemie
                                    vor einer zahlreichen Versammlung von Volksschullehrern, und eigens für sie
                                    eingerichtet, gehalten.
                              
                           
                           Doch die großartigste Folge der neuerlangten Einsicht von der unermeßlichen
                              Wichtigkeit der Chemie für die Landwirthschaft ist die Gründung des
                              chemisch-landwirthschaftlichen Vereins für Schottland, eine wohl in ihrer
                              Art, jedenfalls in ihrer Ausdehnung einzige Erscheinung. Es dürfte darum eine etwas
                              speciellere Schilderung der Geschichte, der Tendenzen und Erfolge dieser
                              Gesellschaft nicht ohne ein allgemeines Interesse seyn. Sie entstand 1842 auf den
                              Antrieb einiger Landwirthe in der Provinz Midlothian, die besonders in der Zeit der
                              Bedrängniß den Werth der Unterstützung der Wissenschaft für ihre Kunst hatte kennen
                              lernen. Ihr Plan, der sich anfangs darauf beschränkte, einen Chemiker zur Analyse
                              ihrer Boden- und Düngerarten und zu ihrer eigenen Belehrung anzustellen,
                              stieß zuerst auf Schwierigkeiten, doch diese steigerten nur ihren Eifer, und im
                              Julius 1842 hatten sie schon 30 Landbesitzer und 60 Pächter zur Theilnahme an ihrem
                              Plane bewogen. Im December 1842 constituirte sich die Gesellschaft förmlich unter
                              Vorsitz von Lord Melville. Die leitenden Grundsätze ihrer
                              Vereinigung wurden nun in weiterem und höherem Sinne aufgefaßt und dahin
                              festgesetzt: einen Chemiker von anerkannter Tüchtigkeit zu berufen, der seine ganze
                              Zeit und Thätigkeit den Zwecken des Vereins zu widmen
                              habe. Als solche wurden ausgesprochen: 1) die Verbreitung unseres gegenwärtigen
                              theoretischen und praktischen Wissens in Bezug auf Landwirthschaft durch
                              Vorlesungen, Besprechungen, Schriften, Correspondenz und Bekanntmachungen; 2)
                              Ausdehnung des bisherigen Wissens durch Speculation, durch Versuche des Landmanns
                              auf dem Felde und des Chemikers im Laboratorium; durch den letzteren Anregung zu
                              Versuchen im Großen, sowie Erklärung der Erscheinungen und Beobachtungen dabei,
                              endlich Rath zum möglichst sicheren Gelingen des Experiments; 3) Analysen von
                              Boden- und Düngerarten u.s.w. im Interesse der Mitglieder, und Rachschläge an
                              die letzteren im Betreff der speciellen Culturen je nach der Bodenbeschaffenheit
                              u.s.w. Zum Chemiker wurde Professor Johnston aus Durham
                              gewählt, und es trat derselbe seine Stelle an Martini 1843 an. In dem kurzen
                              Zeitraume von seinem Antritt bis auf das laufende Jahr wurde nun schon manche schöne
                              Frucht in diesem Felde gewonnen und besonders die Saat zu größeren Erfolgen
                              ausgestreut. In den halbjährigen Berichten, die der Verein veröffentlicht, wurden
                              schon zahlreiche Stimmen praktischer Landwirthe laut, worin diese mit Freude und
                              dankbarer Anerkennung von den Erfolgen und Vortheilen sprechen, die sie dem Chemiker
                              des Vereins verdanken. Es waren bis Januar 1845 schon 384 Analysen im Laboratorium
                              gemacht und 53 Vorlesungen gehalten worden; letztere wurden mit großem Eifer besucht, und
                              selbst Landwirthe sehr entfernter Gegenden und zum Theil aus den höchsten Ständen
                              traten dem Vereine bei. Eine große Anzahl von Versuchen im Großen waren schon
                              durchgeführt, zu einer ungleich größeren für die nächste Zukunft die Anregung
                              gegeben worden. Die wichtigste Unterstützung ließ den Zwecken dieser Gesellschaft
                              ein anderer, ungleich größerer Verein, nämlich die
                              Hochland-Agriculturgesellschaft, angedeihen. Es ist dieses wohl der größte
                              landwirthschaftliche Verein in der Welt, der die ganze schottische Aristokratie zu
                              seinen Mitgliedern zählt und über sehr bedeutende Geldmittel verfügt.
                           Es haben dann auch diese vereinten Bemühungen eine Reihe trefflicher Versuche über
                              die neuen chemischen Vorschläge im Ackerbau hervorgerufen und in manchen Punkten
                              dadurch auch wiederum die Theorie schon ansehnlich gefördert. Das anschaulichste
                              Beispiel davon mag eine Schilderung der neuen Dungmethoden,
                                 sowie ihre Vergleichung und Rückwirkung auf die althergebrachten und überall
                                 üblichen liefern – eine Schilderung, die, da sie eines der
                              allerwichtigsten Capitel des Ackerbaues betrifft, wohl in etwas detaillirterer Form
                              nicht ohne Interesse und einigen Nutzen auch für unsere deutschen Landwirthe seyn
                              dürfte.
                           Erst den neuen Bestrebungen in der Chemie und Physiologie der Pflanzen verdanken wir
                              eine klare Einsicht über die Bestimmung und Wirkungsweise des Düngers. Erst seitdem
                              die Ueberzeugung allgemein geworden ist, daß der Dünger nicht als Reizmittel, wie
                              man öfters sagen hörte, durch einen Rest in ihm (dem organischen nämlich) vermöge
                              seines Ursprungs zurückgebliebener Lebenskraft wirke, sondern daß wir in ihm der Pflanze diejenigen Bestandtheile zuführen, die sie aus
                              Luft und Boden nicht, oder
                              nicht in der zu einem reichen Ertrage nöthigen Menge
                              aufnehmen kann; erst seit dieser Zeit läßt sich an eine rationelle Düngerlehre
                              denken, welche die Principien feststellt, nach denen der Werth verschiedener
                              Düngstoffe für verschiedene Culturen sich bestimmen läßt und neue Düngerarten zu
                              gewinnen sind. Nach der ebenerwähnten Umgestaltung unseres Begriffes von Dünger muß
                              man die Idee eines universellen Düngers entschieden
                                 aufgeben, und die Erfahrung bestätigte schon in den wenigen Jahren, seit
                              welchen die neuen Ansichten die Oberhand gewonnen, den aus der Theorie consequent
                              gezogenen Schluß, daß im allgemeinen immer derjenige Dünger am fruchtbarmachendsten
                              wirken müsse, der am speciellsten dem Boden diejenigen Bestandtheile rückerstattet,
                              an denen er durch wiederholte Ernten vorzugsweise erschöpft worden ist. Daher die
                              vergleichungsweise allgemeinste Nützlichkeit der Excremente des Menschen und der gezüchteten Thiere, da
                              sie so zu sagen die Asche unserer allgemeinsten Culturen, der Getreidearten,
                              Leguminosen, Wurzelgewächse und Gräser enthalten, eben weil diese Pflanzen ihnen zur
                              wichtigsten Nahrung gedient haben. Selbst der neueste von Liebig in seinem an die Landwirthe Großbritanniens gerichteten Pamphlete
                              beschriebene, in England patentirte DüngerPolytechn. Journal Bd. XCVIII S.
                                       444. kann unmöglich ein Universaldünger seyn und hat wohl vor den andern bis
                              jetzt versuchten künstlichen Düngerarten nur den, allerdings sehr großen Vorzug, daß
                              er in zweckmäßiger Mischung gerade diejenigen unorganischen Bestandtheile in
                              reichlicher Quantität enthält, an welchen unsere gewöhnlichen Boden arten am leichtesten durch die gewöhnlichen Culturen erschöpft
                              werden.
                           Eine der allgemeinsten und einen tiefen Blick in die Wirkungsweise des Düngers
                              gestattenden Eintheilungen ist die chemische, in organischen und unorganischen. In
                              Rücksicht hierauf steht unsere neue Düngerlehre, so jung sie selbst auch ist, schon
                              in ihrer zweiten Phase. Es galt nämlich noch vor kurzer Zeit, und nachdem man schon
                              zu der Einsicht gelangt war, daß der wesentliche Zweck des Düngers in der Zufuhr von
                              Nahrung für die Pflanzen bestehe, für ein unbestreitbares Axiom, daß der Dünger
                              ausschließlich oder hauptsächlich die organischen, dem
                              Boden durch die Ernten entzogenen Bestandtheile wiedererstatte. Es war auch diese
                              Voraussetzung die naheliegendste, so lange man die Meinung hegte, daß die
                              unorganischen Bestandtheile der Pflanzen nur ganz unbestimmte und zufällige
                              Beimengungen seyen, und also die Pflanzen wesentlich nur aus den organischen
                              Elementen bestehen, sowie daß sie etwa nach Art der Thiere organische Materien
                              aufsaugen und assimiliren können. Sowie aber die Chemie genauere Aschenanalysen
                              unserer Futterpflanzen lieferte und dadurch einen Vergleich mit der Zusammensetzung
                              unserer Bodenarten ermöglichte, wie es besonders durch Sprengel, Saussure und Berthier geschah, so war
                              dadurch eine Reform vorbereitet, die gerade auf eine extreme entgegengesetzte Lehre
                              hinzuführen scheint.
                           Liebig stürzte die Humus-Theorie, und indem er,
                              vielleicht zu weit gehend, den Pflanzen das Vermögen durchaus absprach, organische
                              Materien als solche zu ihrer Nahrung zu verwenden, bewies er jedenfalls zur Evidenz
                              die hohe Wichtigkeit, oder besser Unentbehrlichkeit der
                                 mineralischen Bestandtheile für die Vegetabilien, sowie noch weiter die Nothwendigkeit bestimmter Basen, Säuren und Salze für bestimmte Gewächse. Es steht dieses letztere Gesetz so wenig im
                              Widerspruch mit der ebenfalls von Liebig entdeckten
                              Möglichkeit der Substitution verwandter unorganischer Bestandtheile durch einander
                              in der Pflanzenernährung, daß eigentlich eine wahre Substitution nur beim Bestehen
                              des obigen allgemeinen Gesetzes gedacht werden kann.
                           Der Einfluß dieser neuesten Lehren ist so bedeutend, daß unter den neuen Vorschlägen
                              und Versuchen im Capitel des Düngers, in Schottland wenigstens, die organischen
                              Dungmittel ganz in Hintergrund treten und man manche unserer anerkannt
                              vortrefflichsten Düngstoffe, wie den gewöhnlichen Stallmist, die Excremente von
                              Menschen und Thieren (also auch den Guano) nur wegen ihres Reichthums an werthvollen
                              unorganischen Bestandtheilen (Alkalien, Ammoniaksalzen, Phosphaten) oder als Quelle
                              von diesen (Ammoniak) so fruchtbar machend wissen will. So viel ist sicher, daß die
                              Dungversuche mit Knochen es wenig wahrscheinlich machen, daß der organischen
                              Substanz derselben ein sehr bedeutender Antheil an der fruchtbarmachenden Kraft
                              derselben zugemessen werden dürfe, und selbst in Bezug auf die größte Zahl unserer
                              thierischen und vegetabilischen, als Dungmittel von Bedeutung anerkannten Abfälle läßt
                              sich wenigstens fragen, ob sie nicht vorzugsweise durch ihren meist beträchtlichen
                              Gehalt an wichtigen unorganischen Bestandtheilen so nützlich auf die Pflanzen wirken.
                           Es ist kaum ein Zweifel mehr darüber möglich, daß die Kohlensäure der Luft und des Bodens unter gewöhnlichen Verhältnissen hinreicht, der
                              Pflanze selbst in ihrem üppigsten Gedeihen den nöthigen
                                 Kohlenstoff zu liefern. Für den nicht weniger unentbehrlichen Sauer-
                              und Wasserstoff ist ohnehin bei der Allgegenwart des Wassers auf unserem Planeten
                              die Quelle auf den ersten Blick ersichtlich. Dagegen schien es viel eher möglich,
                              daß es, besonders unter den durch die Cultur herbeigeführten künstlichen
                              Verhältnissen, an dem zu einem reichen Ertrag erforderlichen Stickstoffvorrath fehlen könnte, wenn wir diesen nicht künstlich der
                              Pflanze darböten.
                           Je mehr sich die Ansicht feststellte, daß der Stickstoff der Luft weder von Pflanzen
                              noch Thieren zur Bildung von stickstoffigen Substanzen verwendet werden könne, um so
                              näher lag der Gedanke, daß die so außerordentlich kleine Menge von Ammoniak in Luft
                              und Boden nicht hinreichen könne, den so sehr gesteigerten Ansprüchen einer
                              weitgetriebenen Cultur, deren Hauptbestreben es gerade ist, die stickstoffigen
                              Materien in reichlichster Menge zu erzeugen, Genüge zu leisten, und daß daher hier
                              die Hauptaufgabe des Düngers darin bestehe, die Pflanze mit
                                 einer reichlichen Quantität Ammoniak zu versehen. Diese Doctrin erfreut sich
                              gegenwärtig einer sehr allgemeinen Anerkennung; doch werden auch schon bedeutende
                              Stimmen laut, die selbst dem Ammoniak die ihm hiedurch zugetheilte hohe Wichtigkeit
                              als Düngerbestandtheil bestreiten und auch hier ein in der Luft für alles Bedürfniß
                              der Pflanzen daran hinreichendes Vorrathsmagazin erblicken wollen. Selbst Liebig scheint sich zu dieser letzteren Ansicht sehr
                              hinzuneigen, indem er z.B. am Schlusse seines oben citirten Pamphlets die Hoffnung
                              ausspricht, den Gehalt an Ammoniaksalzen in seinem neuen Dünger und damit den Preis
                              des letzteren in Zukunft wohl sehr vermindern, ja für die Pflanzen mit sehr
                              entwickelten Blättern das Ammoniak vielleicht ganz daraus weglassen zu können. Doch
                              hierüber wie in den jetzt so zahlreich durch unsere chemische Düngerlehre sich
                              darbietenden Fragen ähnlicher Art steht erst von der Zukunft und dem sehr
                              vervielfältigten Experiment ein entscheidendes Urtheil zu erwarten.
                           
                        
                           1) Versuche mit
                                 Alkalisalzen.
                           Unter diesen steht seiner allgemeinen Verbreitung und Wohlfeilheit wegen das Kochsalz oben an, eine derjenigen Düngerarten, welche die
                              Erfahrung viele Jahrhunderte früher in die Agricultur einführte, ehe die Theorie den
                              eigentlichen Grund ihrer Wirkung (ihr Alkali) aufhellte und feststellte. Vielleicht
                              nirgends wurde es so allgemein und in solcher Menge als Dünger angewandt als in
                              Großbritannien, und doch ist es so recht eigentlich ein Dungmittel für Binnenländer;
                              auch stellte sich in den britischen Versuchen sein Erfolg im allgemeinen überall als
                              ein günstiger heraus, wo nicht der Boden durch die See selbst oder die Seewinde
                              schon an und für sich mit der hinreichenden Menge dieses Salzes versehen war. Neue
                              mit Auswahl unternommene Versuche von Turner und Wilson und Flemming erwiesen
                              vorzüglich seine Nützlichkeit für Gras und Getreide, und zwar äußert es auf
                              letzteres nach Hannam und Gardiner hauptsächlich den Einfluß, daß es die Körner schwerer und von
                              besserer Qualität erzeugt, während es auf das Stroh vergleichungsweise wenig Wirkung
                              zeigt. In trockenen Jahrgängen (also auch Gegenden) konnte von ihm, wie von
                              salinischen Düngerarten überhaupt, am wenigsten Nutzen bemerkt werden, ja in manchen
                              Fällen wurde dabei durch Salzdüngung sogar Schaden gethan (Flemming u.a.), doch traten diese Verhältnisse in dem meist an
                              Feuchtigkeit überreichen Schottland nur sehr selten ein.
                           Auch die Empfehlung des schwefelsauren Natrons
                              (Glaubersalz) ist nicht neu, sondern wurde von Dr. Home schon vor hundert Jahren gemacht. Dagegen konnte
                              erst durch die neueren Fortschritte in der chemischen Fabrication seine Anwendung im
                              Großen als düngende Substanz möglich und vortheilhaft werden. Seine Wirkung scheint
                              sehr mit der des Kochsalzes überein zu kommen, vielleicht hat es durch seine Säure
                              noch eine besondere günstige Wirkung auf die Hülsenfrüchte. Flemming, Hannam u.a. hatten alle Ursache, mit seiner Wirkung auf Wiesen,
                              Cerealien, Kartoffeln u.s.w. zufrieden zu seyn und in vergleichenden Versuchen
                              übertraf es z.B. für Bohnen mehrmals den Guano. Der Preis desselben erlaubt seine
                              ausgedehnteste Anwendung, indem manche chemische Fabriken in England jetzt den
                              Centner davon für 8 Sh. (4 fl. 48 kr.) liefern.
                           In Betreff der kohlensauren Alkalien ist nicht sehr viel
                              zu sagen. Das kohlensaure Kali ist meist zu theuer, dagegen ist die Soda jetzt wohlfeil genug, um bei den hohen
                              Getreidepreisen mit Vortheil als Dünger benützt zu werden. Sie hat nach Johnston nicht nur den Vortheil, daß sie in einem sehr
                              leicht zersetzbaren Salze der Pflanze einen der wichtigsten mineralischen
                              Bestandtheile (Natron) liefert, sondern durch ihr Auflösungsvermögen für Humus und
                              Kieselerde auch die Aufnahme anderer Nährstoffe vermittelt; derselbe Autor schätzt
                              bei einer zweckmäßigen Bewirthschaftung des Landes, wo diesem alle Abfälle u.s.w.
                              zurückerstattet werden, eine Menge von 40 Pfd. Soda per
                              Acre für völlig hinreichend, um alles während vierjähriger Rotation durch die Ernten
                              entzogene Alkali dem Boden wieder zu ersetzen.
                           Unter allen den zahlreichen Vorschlägen von neuen alkalinischen Dungstoffen hat wohl
                              keiner eine so allgemeine Aufmerksamkeit und so viele, zum Theil geradezu
                              widersprechende Behauptungen hervorgerufen, als der in Betreff der salpetersauren Alkalien. Liebig hat in der fünften Auflage seiner Agriculturchemie der Frage, ob
                              die Salpetersäure als Nahrungsmittel für die Pflanzen
                              anzusehen sey, ein eigenes Capitel gewidmet und kommt darin zu der Schlußfolgerung
                              daß jene Bedeutung dieser Säure für die Vegetabilien mindestens zweifelhaft sey. Boussingault hält es gegenwärtig für unmöglich zu
                              entscheiden, ob die Salpetersäure in der That ein Hülfsmittel für die Vegetation
                              sey, doch scheint er sich zu einer bejahenden Antwort hierauf hinzuneigen. Dagegen
                              spricht Johnston seine Ueberzeugung unumwunden dahin aus,
                              daß die Pflanze ebenso fähig sey, die Salpetersäure zu zersetzen und ihren
                              Stickstoff sich anzueignen, als sie wie Jedermann zugestehe, aus Kohlensäure und
                              Schwefelsäure den Sauerstoff abscheide und das Radical dieser Säuren fixire.
                              Demgemäß schlägt er die Hülfe salpetersaurer Salze zu Erzielung einer sehr kräftigen
                              und nahrungsreichen
                              Vegetation sehr hoch an, wenn er auch nicht in Abrede stellen will, daß ein Theil
                              der günstigen Wirkung dieser Salze oft ihren Basen zuzuschreiben seyn dürfte.
                           Lassen wir die Versuche der Landwirthe in dieser kitzlichen Frage ein Wort
                              mitsprechen! Es haben dieselben im allgemeinen nachgewiesen daß die salpetersauren
                              Alkalien als Dünger, in zweckmäßiger Art angewendet, besonders durch die lebhaft
                              grüne Farbe, die sie den Stengeln und Blättern mittheilen, sowie durch eine
                              bedeutende Begünstigung der Halm-(Stroh-)Bildung sich auszeichnen,
                              während die Samen der Getreidearten dabei meist nichts gewannen (Campbell, Barclay, Stevenson, Hannam u.a.). Im Gegentheil
                              schien sich bei den Körnern eher eine Vermehrung der Hülle (Spreu) auf Kosten des
                              Inhalts herauszustellen. Es scheint sich hienach durchaus kein günstiger Einfluß auf
                              Vermehrung der eigentlich nährenden Bestandtheile der Cerealien zu ergeben, und
                              dadurch wird die Ansicht derjenigen sehr erschüttert, die dem Stickstoff jener Säure
                              die Hauptwirkung beilegen wollen. Die Versuche von Daubeny und Hyet, nach welchen bei der
                              Salpeterdüngung in dem geernteten Getreide eine ansehnliche Vermehrung des
                              Klebergehalts sich finden sollte, hält Johnston selbst
                              für nichts bedeutend, da sie durchaus isolirt stehen und jeder der obigen Beobachter
                              nur eine Analyse vornahm. Dagegen scheint das Düngen mit salpetersauren Alkalien
                              besonders günstig auf armem Boden zu geschehen, wo die gefährliche Zeit für die
                              Pflanze die jüngste Periode ihres Wachsthums ist; es haben diese Salze hier den
                              Effect, daß sie durch ihren, die Holzfaserbildung u.s.w. störenden Einfluß die
                              Pflanze rasch in eine Periode der kräftigeren Vegetation überführen, in welcher dann
                              das Weitergedeihen weniger problematisch ist. Es ist dieser Nutzen nach vielen
                              Versuchen als festgestellt zu betrachten und besonders an Getreide, Rüben u.s.w.
                              beobachtet worden. Dagegen soll auf reicherem Boden, besonders wo ohnehin die Strohbildung schon von selbst sehr üppig ist, das Düngen
                              mit den genannten Salzen durchaus unzweckmäßig seyn. – Auf Gras scheint ihre
                              Wirkung rücksichtlich der Quantität des Heues meist sehr günstig (wie die aller
                              Alkalien); auch wurde von verschiedenen Seiten die Beobachtung gemacht, daß das Vieh
                              das auf so gedüngten Wiesen erzeugte Gras besonders gierig fraß (wie ja überhaupt
                              das Vieh salinische Würze seines Futters liebt). – Ein gewisser Grad von
                              Feuchtigkeit scheint zum guten Erfolg der genannten Düngungsweise nothwendig,
                              dagegen vereiteln starke Regengüsse leicht alle Wirkung, indem sie diese so äußerst
                              löslichen Salze auswaschen; gerade wegen dieser hohen Löslichkeit wurde auch nie
                              eine Nachwirkung dieser
                              Salze auf spätere Ernten beobachtet, außer wo sie z.B. wegen anhaltender Trockenheit
                              im ersten Jahr nicht zur Verwendung gelangen konnten.
                           Der Unterschied in der Wirkung zwischen dem gemeinen Salpeter (Kalisalz) und dem
                              jetzt in so unerschöpflicher Menge in Chili vorgefundenen salpetersauren Natron
                              scheint meist wenig bedeutend, ja Bishop u.a.
                              beobachteten völlig gleichen Effect.
                           
                        
                           2) Versuche mit
                                 Ammoniaksalzen.
                           An die Salze mit fixen alkalischen Basen schließen sich am besten die des flüchtigen
                              Alkali an.
                           Wie sich die Lehre über den Ursprung des Stickstoffs in den Pflanzen jetzt gestaltet hat, scheint
                              allgemein das Ammoniak, wo nicht als die einzige, so doch
                              die bei weitem wichtigste Stickstoffquelle für die Vegetation anerkannt. Dagegen ist
                              der große Streit darüber noch schwebend, wie dieses Ammoniak von den Pflanzen
                              aufgenommen werde, ob sie, wie Liebig annimmt, dasselbe
                              vorzugsweise (direct oder indirect) aus der Atmosphäre schöpfen, oder ob, wie Boussingault aus seinen (mit vielem Grund von Liebig angegriffenen) Versuchen folgert, nur ein sehr
                              kleiner Theil unserer Culturgewächse (die Leguminosen) diese Fähigkeit besitzt,
                              während alle andern in Bezug hierauf ganz an den Boden
                              gewiesen sind, oder ob endlich die in gewissem Sinne vermittelnde Ansicht von Mulder die wahre ist, die da lehrt, daß in dem Boden bei
                              Gegenwart feuchter, faulender Substanzen der Stickstoff der
                                 eingeschlossenen Luft fortdauernd sich in Ammoniak umwandle und so den
                              Pflanzen Ammoniaksalze auch bei stickstofffreiem, aber Humus lieferndem Dünger
                              dargeboten werden. Solche große Streitfragen erheben sich gewöhnlich, wenn ein
                              bedeutender Fortschritt der Wissenschaft bevorsteht; auf der andern Seite läßt sich
                              leicht begreifen daß, so lange solche elementare Fragen der landwirthschaftlichen
                              Theorie ganz unentschieden sind, von dieser kaum ein durchaus bestimmender oder
                              leitender Einfluß auf die Praxis gehofft werden könne. Daher ist auch eine
                              entscheidende Beurtheilung der Ammoniakdüngung im gegenwärtigen Augenblick
                              unmöglich.
                           Während nämlich Liebig Ammoniaksalze (sowie den Humus) als
                              die vergleichungsweise entbehrlichsten Bestandtheile
                              unserer Düngstoffe ansieht, die nur in Bezug auf das Moment der Zeit (d.h.
                              Beschleunigung der Entwickelung in einer gegebenen Zeit) für die Cultur von
                              Bedeutung seyen, und behauptet daß von Ammoniak wie von Kohlensäure ein auch durch
                              die üppigste Cultur unerschöpflicher Vorrath in der Luft aufgehäuft sey, so erblicken Johnston u.a. in jenen Salzen die wichtigste Pflanzennahrung und daher das bedeutendste Hülfsmittel für
                              unsere Culturgewächse, das allerwichtigste Düngmaterial. Letztere Ansicht erkennt
                              daher auch den verschiedenen Ammoniaksalzen ungefähr denselben
                                 Werth zu, bestimmt folglich ihre Wahl nur nach den Nebenwirkungen ihrer
                              Säuren und besonders nach dem Preise der einzelnen Salze.
                           Die Düngversuche mit Ammoniaksalzen konnten erst in
                              neuerer Zeit in größerem Maßstabe und mit Aussicht auf Gewinn vorgenommen werden,
                              seitdem wohlfeile und äußerst reichliche Quellen des
                              Ammoniaks aufgefunden worden sind. Das aus dem Harn dargestellte Ammoniaksulphat von
                              Turnbull enthält nach seiner Bereitungsweise (die
                              Referent selbst in der großen chemischen Fabrik desselben zu Glasgow mit ansah) alle
                              die fixen Alkalien und Phosphate des Harns, und seine fruchtbarmachenden Wirkungen
                              dürfen daher durchaus nicht seinem Ammoniak allein zugeschrieben werden. Dagegen
                              wird jetzt bei der Gasbeleuchtung mit Steinkohlen eine ganz unglaublich scheinende
                              Menge von Ammoniak als Nebenproduct gewonnen und mit der hier erhaltenen, an
                              verschiedenen Ammoniaksalzen mehr oder weniger reichen Flüssigkeit, gas liquor genannt, sind die meisten Düngversuche
                              angestellt worden. Etwas Theer, der ihr beigemischt ist, soll der Vegetation
                              durchaus keinen Schaden, andererseits aber den Vortheil bringen, daß er die
                              schädlichen Larven im Boden vertilge.
                           Leider ist auch durch die Versuche der Landwirthe über die eigentliche Wirkung der
                              Ammoniakdüngung noch wenig vollkommen festgestellt. Im allgemeinen hatte diese
                              Düngung (gerade wie die mit salpetersauren Salzen) einen entschiedenen Einfluß auf
                              die Chlorophyllbildung, indem Stengel und Blätter viel lebhafter und dunkler grün
                              erschienen. Auf Cerealien, Gras und Kartoffeln wurde von Hannam, Chatterly, Flemming, Kuhlmann, Schattenmann u.a. eine günstige
                              Einwirkung wahrgenommen, wobei nach den französischen Beobachtern der Ertrag an
                              stickstoffhaltigen, also eigentlich nährenden Substanzen immer um so reicher war, je
                              größer der Ammoniakgehalt der angewandten Düngstoffe. Sehr merkwürdig ist die
                              übereinstimmende Angabe englischer und französischer Landwirthe, daß auf Klee und
                              Luzerne durchaus kein nützlicher Einfluß davon bemerkt werden konnte. Sehr
                              vortheilhaft scheint es, das ammoniakalische Wasser der Gasfabriken mit seinem
                              doppelten Volum der von den Knochen einer Leimfabrik abgegossenen sauren Flüssigkeit
                              zu vermischen, wo dann Salmiak mit den Phosphaten gemengt erhalten wird. Schattenmann fand es rathsam die Ammoniaksalze erst dann auf das Land zu
                              bringen, wenn die Pflanzen schon etwas erstarkt waren, da die ganz jungen Pflänzchen
                              dadurch eingingen. Von mehreren Landwirthen (besonders Chatterly) wird hervorgehoben, daß eine kleinere Menge Ammoniaksalz (z.B.
                              28 Pfd. per Acre) einen viel lohnendern Ertrag gab als
                              eine ungleich größere (z.B. 140 Pfd.); es bemerkte Chatterly dabei besonders vermehrte Aehrenbildung und schwereres Korn.
                           
                        
                           3) Versuche mit sogenannten organischen
                                 Düngerarten.
                           Es könnte wohl keine passendere Stelle für einige Bemerkungen über den sogenannten organischen Dünger gefunden werden, als wenn
                              man dieselben an die Lehre von der Ammoniakdüngung
                              anknüpft. Sehen doch einige der bedeutendsten Chemiker und Landwirthe den potentiellen und wirklichen Gehalt an Ammoniak als das
                              bei weitem wichtigste Moment in der Beurtheilung jener Düngstoffe an, so sehr, daß
                              es in Frankreich Sitte wird, den Werth derselben geradezu nach ihrem Gehalt an
                              Stickstoff zu taxiren. Liebig widerspricht dieser Doctrin
                              mit Entschiedenheit und behauptet, wie es scheint, mit siegreichen Gründen, daß es
                              durchaus oder vorzüglich nur der Gehalt an Alkalien und
                              Phosphaten sey, der jenen Substanzen (menschlichen
                              und thierischen Excrementen, also auch Guano, dann einer Masse von thierischen und
                              pflanzlichen Abfällen) ihren hohen Werth als Dünger verleihe. – Schon oben
                              wurde erörtert, wie sehr die Idee eines Universaldüngers
                                 unstatthaft ist; es scheint zweckmäßig, diesen wichtigsten Grundsatz
                              unserer neuen Düngerlehre hier ausdrücklich zu wiederholen, denn Ammoniaksalze
                              können der Natur der Sache nach die fixen Alkalien und die Phosphate nicht ersetzen.
                              Nun hat die Natur fast überall, wo sie einen an Stickstoff reichen Dünger darbietet,
                              denselben mit Alkalien und Phosphaten im voraus gemengt, und es ist hier wie
                              gewöhnlich Aufgabe der Kunst, wenn sie Gutes produciren will, die Natur nachzuahmen;
                              wollen wir daher mit Ammoniaksalzen oder Ammoniak liefernden Substanzen recht
                              zweckmäßig düngen, so haben wir denselben Alkalien und Phosphate beizumischen, so
                              weit solche nicht schon in den ersteren enthalten sind. Ueberhaupt hat die Kunst
                              überall da nachzuhelfen, wo der Boden an irgend einem wesentlichen
                              Pflanzenbestandtheil durch unsere Culturen zu verarmen droht, und auf diese
                              vielseitige oder allseitige Aufmerksamkeit auf die
                              Wünsche und Erfordernisse der Verhältnisse scheint allein eine wirklich rationelle
                              Düngmethode gegründet werden zu können.
                           
                        
                           
                           4) Versuche mit Kalk und seinen
                                 Salzen.
                           Durch die Praxis ist der Kalk, gebrannt oder als Carbonat, schon lange als eines der wichtigsten
                              Hülfsmittel für die Cultur unserer Felder in unsern Düngervorrath eingebürgert. Die
                              Theorie, die denselben lange nur als Reizmittel wollte gelten lassen, hat endlich
                              auch eine totale Umänderung erlitten und steht jetzt hier wohl mehr, als in allen
                              übrigen Abschnitten der Düngerlehre, mit der Erfahrung der Praktiker in schönstem
                              Einklang. Ueber den physikalischen Nutzen des Kalkens und Mergelns für steifen Thon
                              – oder sumpfigen Moorboden – hat, besonders durch unsern
                              verdienstvollen Schübler, der Landwirth schon seit
                              längerer Zeit klare Einsicht gewonnen. In den letzten Jahrzehnten hat nun aber auch
                              die Analyse diesen Gegenstand aufgehellt, indem sie
                              nachwies, daß jeder fruchtbare Boden, und wiederum die
                              Asche jeder unserer Culturpflanzen Kalk enthält, ja
                              die Aschenanalysen, besonders der Gießener Schule, haben eine Reihe von Gewächsen
                              kennen gelehrt, in denen Kalk die bei weitem vorherrschende mineralische Substanz
                              bildet (hieher gehören Leguminosen, Tabak und Hanf).
                           Nicht minder wurde die zersetzende Kraft des Kalks auf die
                              alkalihaltigen Silicate und ebenso auf vegetabilische, in manchen Bodenarten angehäufte
                              Materien, die sich in einem für die Culturpflanzen nicht verwendbaren, oder gar
                              schädlichen Zustande befinden, in klares Licht gesetzt, und so wurden große, früher
                              durchaus unfruchtbare Districte (wie Haide- und Moorgegenden) in fruchtbares
                              Land umgeschaffen. Die wohl in keinem Lande zahlreicher als in Großbritannien
                              angestellten Dungversuche mit Kalk haben seine Nützlichkeit für alle unsere Culturen
                              dargethan, so weit der Boden von Natur aus stiefmütterlich mit Kalk versehen ist;
                              die geognostische Beschaffenheit ist also hier die beste Rathgeberin. Gerade in
                              England aber traten auch die Folgen einer in Maaß und
                              Zeit übertriebenen Kalkdüngung am offenbarsten hervor,
                              wie sie sich in übermäßiger Auflockerung des Bodens, und vor allem in seiner tiefen
                              Erschöpfung überall da besonders äußerten, wo Kalk so ziemlich ausschließlich
                              angewandt wurde. Es wurde so recht das Sprüchwort bewahrheitet, daß übermäßiges
                              Kalken der Felder die Väter reich und die Enkel arm mache.
                           Alles dieses ist an sich einleuchtend und wohl auch in Deutschland nur zu oft erprobt
                              worden. Anders in Betreff des Gypsens. War bei dem
                              kaustischen und kohlensauren Kalke in seiner Anwendung als Dünger Theorie und Praxis
                              möglichst einverstanden und die Deutung der Wirkung fast unbestreitbar, so muß in Bezug auf den
                              schwefelsauren Kalk das gerade Gegentheil behauptet
                              werden. Seit Pfarrer Mayer in Kupferzeit das Gypsen so
                              sehr in Mode brachte, wurden so viele Versuche damit zum Theil von den
                              unterrichtesten Landwirthen aller Länder unternommen, daß über seinem Effect
                              praktisch kaum mehr ein Zweifel herrscht. Dagegen hat sich gerade seine Wirkung als
                              so eigenthümlich und sein Nutzen als so beschränkt auf ganz bestimmte Culturen
                              herausgestellt, daß an der Theorie davon bis jetzt die
                              scharfsinnigsten Naturforscher sich vergeblich scheinen
                                 abgemüht zu haben. Die Ansicht, daß der Gyps als ein specifisches
                              Reizmittel wirke, war natürlich auch hier eine Zeitlang als Erklärung angesehen, so
                              lange man nicht bedachte, daß der an sich schon nicht recht klare Begriff von
                              Reizung doch wenigstens ein Analogon von Nerven
                              voraussetze.
                           Gegen Liebig's geniale Theorie, daß durch den Gyps das
                              kohlensaure Ammoniak zersetzt und als schwefelsaures Ammoniak fixirt werde, ist
                              gerade die so specialisirte Wirkung des Gypsens der bedeutendste Einwurf, indem sich
                              durchaus nicht einsehen läßt, warum diese Fixation des Ammoniaks den Getreidefeldern
                              und Wiesen nicht eben so zu statten kommen sollte, als den Leguminosen. Nun ist aber
                              durch die zahlreichsten Erfahrungen in den verschiedensten Gegenden festgestellt,
                              daß gewöhnlich das Gypsen auf Cerealien und Wieswachs durchaus keinen Nutzen bringt.
                              – Reil und Davy
                              erblickten im Gyps einen wesentlichen Bestandtheil eben
                                 derjenigen Pflanzen, auf welche er so bestimmt fördernd einwirke; Boussingault aber fand zwischen dem Ertrage von gegypstem
                              und von nicht gegypstem Boden fast keinen Unterschied in der Quantität von
                              schwefelsauren Salzen, und hat auch seine frühere Meinung zurückgenommen, daß
                              nämlich der Gyps den Leguminosen am meisten zusage, weil sie die schwefelreichsten
                              Culturpflanzen seyen. Er glaubt nämlich jetzt, daß dieselben nicht mehr Schwefel
                              fixiren, als eben die Cerealien auch (doch fanden Fresenius und Will in der Asche von Erbsen
                              3–4, in der von Cerealien nur 1/2 Procent Schwefelsäure, nach Liebig's Annalen 1844), und daß auch ohne Gypszufuhr die
                              Pflanzen immer eine hinreichende Quantität von Sulphaten im Boden vorfinden dürften,
                              um die so äußerst kleine Quantität Schwefel für ihre Proteinsubstanzen zu erlangen.
                              Boussingault ist daher jetzt zu der Ansicht gekommen,
                              daß der Gyps nur durch seinen Kalkgehalt wirke, wie denn
                              auch schon Schwerz bemerke, daß in Flandern Kalk als
                              Ersatz für Gyps zum Düngen genommen werde. Aber auch diese neueste Erklärung reicht nicht
                              aus; oder warum sollte der Gyps nicht, ebenso wie der Kalk, auch günstig auf Wiesen
                              und Getreide wirken?
                           
                        
                           5) Versuche mit phosphorsauren Salzen,
                                 besonders Knochen.
                           Unter allen unorganischen Salzen scheinen die Phosphate, besonders der phosphorsaure
                              Kalk, die bedeutsamsten für die thierische Oekonomie zu seyn. Nicht nur allein
                              nämlich daß dieselben die mineralische Grundlage des Skeletts bilden, stehen sie
                              auch in ganz wesentlichem Zusammenhang mit den das Blut und die thierischen Gewebe
                              zusammensetzenden stickstoffhaltigen Materien so sehr, daß letztere nie ohne Phosphate im Thierkörper vorgefunden werden.
                              Seitdem nun die neueste Chemie die Lehre von der Gleichheit (oder größten
                              Aehnlichkeit) zwischen den stickstoffhaltigen Substanzen unserer Nahrungspflanzen
                              und den sogenannten Proteingebilden des Thierkörpers (Faser-, Eiweiß-,
                              Käsestoff) aufgestellt und es mehr als wahrscheinlich gemacht hat, daß das Thier
                              letztere Gebilde nicht erzeugen kann, sondern immer mittelbar oder unmittelbar von
                              den Pflanzen erhält (Liebig), seitdem ferner nachgewiesen
                              ist, daß der Gehalt an solchen Proteinstoffen in unsern Nahrungsmitteln aus dem
                              Pflanzenreiche in geradem Verhältnisse steht zu ihrem Gehalt an Phosphaten –
                              nach diesen Entdeckungen kann über die außerordentliche
                                 Wichtigkeit dieser Salze für die unsere Nahrung liefernden Pflanzen kein
                              Zweifel mehr aufkommen. Es muß überdieß eine Zufuhr an den Phosphaten um so nöthiger
                              erscheinen, wenn wir bedenken, daß die meisten
                                 Bodenarten, im natürlichen Zustande, vergleichungsweise nur höchst kleine Mengen davon enthalten, also daran so leicht und frühe durch die auf ihnen gebauten Vegetabilien erschöpft werden, und dieses wiederum am meisten durch
                              unsere häufigsten und nährendsten Culturpflanzen, nämlich die ihrer Samen wegen
                              gebauten Getreidearten und Hülsefrüchte.
                           Auch hier ist merkwürdigerweise die Praxis längere Zeit der Theorie vorausgeeilt,
                              indem schon seit vielen Jahren Großbritannien die beträchtlichsten Mengen von Knochen (im Jahr 1827 betrug die Einfuhr 40000 Tonnen,
                              und Huskisson schätzte ihren Werth auf 100000 bis 200000
                              Pfd. St.) zur Düngung seiner Felder vom Continente einführt. Doch wird jetzt auch von Seiten der Wissenschaft (vor allen Liebig) die hohe Wichtigkeit der Düngung mit Phosphaten
                              vollkommen aufgefaßt und nachdrücklichst hervorgehoben, so sehr, daß einige
                              englische Chemiker (Daubeny u.a.) vorgeschlagen haben,
                              ein phosphorsauren Kalk in großer Menge enthaltendes Mineral aus dem spanischen Binnenlande als Dünger einzuführen, ein Vorschlag – der kürzlich
                              in Irland in ziemlich großem Maaßstabe schon ausgeführt worden ist. Liebig berechnet, daß 8 Pfd. Knochen so viel
                              phosphorsauren Kalk und Bittererde enthalten, als durch 1000 Pfd. Heu oder
                              Weizenstroh dem Boden entzogen wird, und wiederum 20 Pfd. der ersteren 1000 Pfd.
                              Weizen- oder Haberkörner mit der nöthigen Menge Phosphorsäure versehen
                              können, daß endlich die Düngung eines Morgen Landes mit 60 Pfd. frischen Knochen
                              hinreicht, um dasselbe mit einer für drei Ernten (Runkelrüben, Weizen und Roggen)
                              hinreichenden Quantität Phosphaten auszustatten. Er wies bei dieser Gelegenheit
                              darauf hin, von welch großer Bedeutung eine feine
                                 Zertheilung der Knochen für die volle Aeußerung ihrer fruchtbarmachenden
                              Kraft sey, und da eine Auflösung die möglichste Zertheilung darstellt, schlug er
                              bekanntlich vor, die gepulverten Knochen mit Schwefelsäure zu digeriren dann mit
                              viel Wasser zu verdünnen und die saure Flüssigkeit vor dem Pflügen auf die Aecker
                              auszusprengen.
                           Dieser Vorschlag fand unter den brittischen Landwirthen
                              lebhafte Aufmerksamkeit, und der Erfolg der von ihnen angestellten praktischen Versuche damit scheint die von der
                              Wissenschaft gemachte Voraussetzung glänzend zu bestätigen. Das Journal of the royal agricultural Society of England
                              1845 enthält drei werthvolle Berichte über solche im Großen ausgeführte Experimente
                              mit der Knochenlösung, nämlich von dem Herzog von Richmond, von Purchas und von
                              Hannam. Sie fanden alle das Verhältniß eines Theils
                              Säure auf zwei Theile Knochenmehl als das vortheilhafteste, sowie daß eine ziemlich
                              geringe Menge dieses neuen Düngers (so 40 Pfd. Knochenmehl, 20 Pfd. Schwefelsäure
                              per Acre) die bedeutendste Wirksamkeit äußerte. In
                              Betreff der anzuwendenden Säure scheinen Schwefelsäure und Salzsäure etwa gleich
                              zweckmäßig, nur ist bei letzterer sehr in Betracht zu ziehen, daß dadurch eine
                              ansehnliche Menge Chlorcalcium erzeugt wird – ein Salz, welches eine so
                              außerordentliche Anziehungskraft für Wasser hat. Sehr nützlich fand Hannam, wenn statt des Wassers zur Verdünnung des sauren
                              Knochenbreies die in den Dunggruben sich sammelnde Flüssigkeit angewandt wurde
                              – ein praktischer Handgriff, der bei dem Gehalt dieser letzteren an Alkalien,
                              Ammoniak u.s.w. höchst zweckmäßig gewählt scheint. Derselbe treffliche Landwirth
                              ermahnt seine Collegen recht ernstlich, sich durch die etwas größere Mühe der
                              Anwendung eines flüssigen (wegen der nöthigen hohen Verdünnung) sehr voluminösen
                              Dungmittels nicht abschrecken zu lassen, indem dieselben durch den Erfolg sich
                              reichlich bezahlt finden würben. Er empfiehlt zum Austheilen der sauren Flüssigkeit
                              auf dem Felde einen
                              etwa nach Art der Säemaschinen eingerichteten Karren. Große Erfolge wurden von
                              dieser Düngmethode besonders im letzten Jahre an Rüben
                              beobachtet.
                           Eine sehr bedeutende Meinungsverschiedenheit hat sich über den Antheil entsponnen,
                              der an der nicht zu läugnenden hohen fruchtbarmachenden Kraft der Knochendüngung
                              ihrem etwa 1/3 betragenden Gehalte an organischer
                                 Substanz (Knorpel) zuzuschreiben sey. Schon Sprengel, dann Liebig u.a. haben den Nutzen der
                              letzteren für ganz untergeordnet und geringfügig erklärt, ja viele Landwirthe gehen
                              in dieser Ansicht so weit, daß sie in der Knorpelsubstanz des Knochens ein Hinderniß
                              seines Zerfallens, seiner gleichförmigen Vertheilung und damit seiner düngenden
                              Kraft erblicken und daher die Anwendung gebrannter
                                 Knochen vorziehen. In Cheshire werden die Knochen vor ihrer Verwendung als
                              Dünger längere Zeit gekocht; es wird hiedurch ihr Fett und ein großer Theil Leim
                              entfernt, und dennoch soll dieser Dünger an Wirksamkeit dadurch nur gewinnen. Johnston ist der entgegengesetzten Meinung; er betrachtet
                              die organische Grundlage der Knochen für die Düngwirkung derselben als höchst
                              bedeutend und erklärt die in Cheshire vorwaltende Ansicht der Landwirthe
                              folgendermaßen: durch das Kochen werde der Knochen allerdings ärmer an Gallerte und
                              daher jedenfalls sein Totaleffect als düngende Substanz vermindert, dagegen werde
                              eben durch das Kochen im Wasser auch das Fett der Knochen entfernt, so sein
                              Zerfallen und das Verwesen der noch zurückgebliebenen Gallerte befördert, und daher
                              lasse sich eine für die erste Zeit bedeutende Wirksamkeit wohl erklären, deren Dauer
                              aber jedenfalls viel kürzer sey. Letzterer Satz wird durch Hannams und Anderer Versuche bestätigt, welche die Wirkung der gebrannten
                              Knochen viel weniger anhaltend fanden, als die der nicht gebrannten. Uebrigens soll
                              nach Johnston die Erstwirkung der Knochendüngung immer
                              auf Rechnung ihrer Knorpel zu schreiben seyn (als einer Ammoniakquelle), wobei er
                              sich auf die Analysen lange im Boden begrabener Knochen von Marchand stützt, welcher in diesen nur eine große Verminderung der
                              organischen Substanz, dagegen fast denselben Gehalt an den mineralischen
                              Bestandtheilen wie in den frischen Knochen auffand.
                           Mag es aber nun mit der Wirksamkeit des Knochenknorpels beim Düngen sich verhalten
                              wie da will, so ist doch so viel entschieden, daß wir in unsern Ernten, in dem Vieh,
                              der Milch und dem Käse, die wir ausführen, jährlich dem
                              Boden höchst beträchtliche Quantitäten von Phosphorsäure entziehen, und daß daher in
                              allen solche Producte ausführenden Bezirken die Zufuhr von Knochen als Dünger
                              durchaus ein Princip
                              jeder rationellen Bewirthschaftung bilden müsse. Die lange Dauer der Wirksamkeit der
                              Knochendüngung (die, wie Johnston selbst angibt, oft auf
                              zehn bis selbst zwanzig Jahre hinaus nicht zu verkennen ist) spricht in vorzüglichem
                              Grade dafür, daß der Hauptantheil an der Wirkung dem mineralischen Bestandtheile
                              derselben möchte beizulegen seyn.Ein Verfahren von Dr. Stenhouse in Glasgow, um auf eine sehr ökonomische Methode die
                                    phosphorsauren Salze des Harns in einer für landwirthschaftliche Zwecke
                                    passenden Form zu gewinnen, wurde im polytechnischen Journal Bd. XCVIII S. 448 mitgetheilt.A. d. R.
                              
                           –––––––––––
                           In Bezug auf die Concentration des Düngers und die dadurch
                              herbeigeführte Ersparniß an Zeit, Mühe und Kosten haben die neuen Anwendungen
                              chemischer Principien in der That schon höchst Bedeutendes geleistet, und wenn wir
                              auch noch nicht an demjenigen Ziele angelangt sind, das Sir Humphry Davy prophezeihte: „wo man nämlich für die zur
                                 Düngung eines Acre hinreichende Düngerquantität in der Rocktasche genügend Raum
                                 finden werde“, so erscheint doch schon jetzt dieser Ausspruch des
                              großen englischen Naturforschers nicht mehr so fabelhaft, daß er jetzt noch fürchten
                              müßte, dieselbe beißende Antwort zu erhalten, die ihm vor einigen Jahrzehnten
                              geworden: „daß dann auch der Ertrag (die Ernte) in der Westentasche werde
                                 heimgebracht werden können.“
                              
                           Sollen die Versuche mit den neuen Düngstoffen eine entscheidende Beurtheilung und eine werthvolle Vergleichung mit den althergebrachten und überall üblichen Düngmethoden möglich machen, so
                              erfordern sie so viele zum Theil minutiöse Aufmerksamkeit, so mannichfache
                              Kenntnisse, endlich so viele Opfer an Zeit, Mühe und Geld, daß verhältnißmäßig nur
                              wenige unserer vaterländischen Landwirthe bei der
                              gegenwärtigen Sachlage im Stande seyn möchten, dieselben mit Erfolg auszuführen.
                              Dagegen scheint es um so mehr eine Anforderung an die hohen Gönner der Landwirthschaft, und dann besonders an
                              die landwirthschaftlichen Lehranstalten, solche Versuche
                              mit den von der neuen Chemie vorgeschlagenen einfachen und gemischten Düngstoffen
                              auch in Deutschland in größerem Maaßstabe zu veranlassen.
                           Es gehört aber zur Anstellung solcher Versuche die ganze Energie und Genauigkeit
                              eines Hannam und anderer ausgezeichneter brittischer
                              Landwirthe. Es müssen vor allem die physikalische und chemische Beschaffenheit des Bodens, sowie die mineralischen Bestandtheile (Asche) der zu bauenden Gewächse
                              ins Auge gefaßt und aus beiden Factoren mit Zuratheziehung des Klima's u.s.w. die specielle Düngerart
                                 abgeleitet werden. Dabei ist auf Jahrgang und
                              eine Unzahl individueller Verhältnisse, namentlich aber auch auf zweckmäßige Behandlung der Pflanze, von der Wahl des
                              Samens und der Saatzeit an bis zur Entscheidung über die Methode und Zeit des
                              Erntens hindurch, gehörig Acht zu geben. Nicht weniger nothwendig ist, sich über die
                              Aechtheit des zu erprobenden Düngers zu vergewissern,
                              denn welches Resultat kann z.B. aus einem Düngerversuche mit Chilisalpeter gezogen
                              werden, wenn derselbe, wie Madden in einem Falle fand, 26
                              Proc. Kochsalz beigemengt enthält! Der Dünger muß in zweckmäßiger Zeit und Art auf
                              das Land geschafft werden, und bei seiner Austheilung, sowie wenn er eine besondere
                              Zubereitung erfordert (z.B. Vermischen mit einer Säure wie bei der obenbeschriebenen
                              Knochendüngung, oder Mengen verschiedener Salze u.s.w.) sollte der experimentirende
                              Landwirth durchaus selbst
                                 zugegen seyn, da hier gewöhnlich die größten Irrthümer und Nachlässigkeiten
                              vorkommen. Die Versuche dürfen nicht in zu kleinem
                              Maaßstabe vorgenommen werden, und müssen immer in vergleichender Weise geschehen, letzteres in der Art, daß ein möglichst
                              gleichförmiges Stück Land in verschiedene Felder getheilt wird, von denen einige mit
                              dem neuen, andere mit dem herkömmlichen Dünger beschickt werden. Ueber die einzelnen
                              Erscheinungen der Entwickelung und des Reifens der Pflanzen dabei muß ein genaues Register geführt und namentlich bei der Schätzung des Ertrags eine
                              mehr als gewöhnliche Umsicht beobachtet werden. Maaß und Gewicht sind die einzigen
                              zuverlässigen Anhaltspunkte der Taxation, und selbst sie müssen in einzelnen Fällen
                              eine Modification erleiden, indem bei einzelnen Culturen namentlich auch eine
                              besondere Bestimmung des Wassergehaltes (so bei
                              Kartoffeln u.s.w.) oder z.B. des Klebers (als eigentlich nährenden Bestandtheils der
                              Cerealien) unumgänglich nothwendig ist, wenn ein ganz sicheres Urtheil über den
                              Werth der zu erprobenden Düngmethode soll gefällt werden können. Manche dieser
                              Anforderungen können nur durch einen wissenschaftlichen
                                 Chemiker erfüllt werden, und es kann wohl kaum mehr Gegenstand der Frage
                              seyn, daß ein solcher in jedem nach den modernen Anforderungen eines
                              wissenschaftlichen Betriebs der Landwirthschaft eingerichteten größeren Institute,
                              besonders einer Muster- und Lehranstalt, ganz unentbehrlich seyn dürfte.