| Titel: | Dr. Romershausen's geruchloser Abtritt. | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XXX., S. 149 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXX.
                         Dr. Romershausen's geruchloser Abtritt.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II.
                        Romershausen's geruchloser Abtritt.
                        
                     
                        
                           Die Anlage geruchloser Abtritte in den Wohnungen ist seit
                              langer Zeit eine schwierige Aufgabe des Bauwesens gewesen – sie ist für
                              Gesundheit und Annehmlichkeit des Lebens von größter Wichtigkeit; denn reine Luft – vorzüglich in den Schlafzimmern – ist die erste Bedingung
                              menschlichen Gedeihens, und die fortwährende Verunreinigung derselben durch
                              Einmischung giftiger und irrespirabler Gasarten führt unausbleiblich zum Siechthume
                              und wirkt feindlich zerstörend auf den gesammten Organismus, abgesehen von der
                              großen Unannehmlichkeit, wodurch üble Gerüche uns warnend belästigen und quälen. Man
                              hat daher von jeher vielfache, zum Theil sehr scharfsinnig construirte und künstlich
                              verwickelte Apparate angegeben und ausgeführt, um die Abtritte geruchlos
                              herzustellen, allein, so viel ich weiß, ist es noch nicht auf eine dauerhafte und
                              genügende Weise gelungen. Wenn diese Vorrichtungen auch im neuen Zustande das
                              Erforderliche leisteten, so scheiterten sie doch bald an der Wandelbarkeit ihrer
                              künstlichen Zusammensetzung und an der an sich ekelhaften und daher so leicht
                              vernachlässigten Behandlung der Excremente. Ueberdieß sind die meisten derselben zu
                              wenig der physikalischen Beschaffenheit der zu beseitigenden Stoffe angemessen, als
                              daß sie ein befriedigendes Resultat geben könnten. Viele Hausbesitzer sahen sich
                              dadurch veranlaßt, diese „Bequemlichkeiten“ außerhalb des
                              Hauses anzulegen; sie machten sie dadurch zur größten Unbequemlichkeit und zur Veranlassung unvermeidlicher
                              Erkältungskrankheiten.
                           Ich selbst habe früher vielfache und zum Theil kostbare Versuche zur Beseitigung
                              dieses Uebelstandes gemacht, namentlich bei meinen Bestrebungen zur Luftreinigung der im Kriege verpesteten Lazarethe;Luftreinigungsapparat zur Verhütung der
                                    Ansteckung in Lazarethen und Krankenhäusern von E. Romershausen. Ein Beitrag für die verwundeten vaterländischen
                                    Krieger. Halle, bei Kümmel, 1815. das Resultat derselben war später die Anlage eines Abtritts in meiner engen
                              Schlafkammer, welcher unter keiner atmosphärischen Beschaffenheit den geringsten
                              Geruch verbreitet und verbreiten kann. Er hat sich durch 10jährigen, doppelten und
                              in der untern Etage sehr
                              häufigen Gebrauch, selbst bei jahrelang vernachlässigter Reinigung, aufs
                              vollkommenste bewährt und dasselbe auch bei mehreren andern ihm nachgebildeten
                              Anlagen erwiesen.
                           Das naturgemäße Princip, worauf die Anlage gegründet ist,
                              und worauf jede solche Anlage gegründet werden muß, ist folgendes:
                           Alle specifisch leichteren Gasarten steigen unaufhaltsam in
                                 der atmosphärischen Luft auf, während die schwerern zu Boden sinken und daselbst
                                 die leichtern verdrängen, und zwar mit einer Kraft, welche das Verhältniß ihrer
                                 specifischen Schwere angibt.
                           Ohne die in der Kloakgrube durch Gährung und Fäulniß der
                              Excremente sich entwickelnden Gase hier einer
                              überflüssigen Untersuchung zu unterwerfen, wollen wir nur erwägen, daß die meisten
                              dieser Gasverbindungen leichter als die atmosphärische Luft sind und also in
                              derselben aufsteigen. Denn wenn wir das specifische Gewicht
                                 der Atmosphäre = 1,000 setzen, so ist das Gewicht des
                           Ammoniakgases = 0,591,
                           des Schwefelammoniums = 0,883 und
                           des Stickstoffgases = 0,972.
                           Diese durch ihre giftige und ätzende Beschaffenheit die Athmungswerkzeuge aufs
                              nachtheiligste reizende und die Geruchsnerven stechend beleidigende Gasgemische
                              durchdringen also nothwendig die obern Räume der Wohnungen und zerstören nachgerade
                              die Gesundheit der Bewohner. (Vergl. Orfila's allgem.
                              Toxikologie Bd. II S. 416.)
                           Denken wir uns nämlich eine dichte hölzerne oder metallene Röhre, die unten in einem
                              Behälter endet, welcher die Excremente in sich schließt, und die oben am Sitze des
                              Abtritts mit einer nach oben sich öffnenden freien Klappe
                              verschlossen ist: so wird es von selbst einleuchten, daß die machtvoll eintretende
                              Gährung und Fäulniß der Excremente diese Röhre bald mit der sich verdichtenden Gasmenge erfüllt, welcher der sorgfältigste
                              Klappenverschluß weicht, und der nur ein, unmöglich
                              anzubringender, luftdichter Hahnverschluß widerstehen könnte. Dabei werden die
                              leichteren Gase durch die in der Kloakengrube sich sammlenden schwerern kohlensäure- und schwefelwasserstoffhaltigen Gemische unaufhaltsam emporgedrängt und
                              durchdringen bei ihrer Feinheit alle angränzenden Räume.
                           Ist im andern Fall der Behälter unten mit einer Oeffnung versehen, so fließen zwar die schwerern Gasarten ungehindert ins Freie; allein die auf
                              dieser Oeffnung lastende Atmosphäre bewirkt alsdann durch ihre nahe um die Hälfte
                              größere Schwere dasselbe, und eindringende Windstöße befördern
                              noch diese Wirkung. Aus eben diesem Grunde wird dieser Uebelstand auch wenig
                              vermindert, wenn die ununterbrochen aufsteigende Röhre
                              mit mehreren Seitenöffnungen versehen wird, oder wenn
                              besondere Ableitungscanäle neben und über den Sitz des Abtritts hinauf angebracht
                              werden.
                           Unter diesen in der Natur der Sache liegenden Umständen scheiterten seither alle noch
                              so künstlichen mechanischen Vorrichtungen, um die
                              Wohnungen von diesen verpestenden Dünsten zu befreien. Man suchte daher durch
                              umständliche Trennung der festen von den flüssigen Theilen der Excremente den Gährungsproceß und
                              die Gasbildung zu vermindern, oder auch die Stoffe selbst
                              auf chemischem Wege zu zersetzen und zu desinficiren; allein alle diese noch so
                              sinnreichen Anstalten sind zu fortdauerndem Gebrauche von wenig praktischem Werthe,
                              da sie theils zu kostbar, theils wegen ihrer ekelhaften Behandlung bald
                              vernachlässigt werden.
                           Ein wirklich praktisch-brauchbarer, geruchloser Abtritt
                                 muß selbstthätig bei dauerhafter Construction, ohne alle Beihülfe, selbst bei
                                 nachlässiger Behandlung, die schädlichen Ausdünstungen von dem Innern der
                                 Wohnungen auf kostenlose Weise abhalten und entfernen.
                           Dieses leistet nun folgende auf obiges Princip gegründete, höchst einfache und
                              überall bei neuen und alten Gebäuden leicht ausführbare Einrichtung, welche Fig. 55
                              anschaulich macht.
                           Das vierseitige von Holz mit ausgemauertem Fachwerk erbaute Abtrittsgehäuse
                              B ruht auf einer gewöhnlichen gut ausgemauerten Kloakgrube, welche zum Behuf der Reinigung mit einem
                              dichten in einen Falz einfallenden Thürverschluß versehen ist, welcher das
                              Eindringen der Luft von unten so viel als möglich verhindert. Dieses Abtrittsgehäuse
                              wird bei neuen Gebäuden ins Innere gelegt, so daß von außen nur die Oeffnung des
                              Faches m, n, r sichtbar ist. Diese Oeffnung kann als
                              Fensterblende mit Stäben oder durch irgend ein gefälliges Gitterwerk verziert und
                              verschleiert werden.
                           Die Einrichtung des obern Theils des eigentlichen Abtritts
                              ist sodann folgende: sie ist zunächst durch einen festen, nach der Oeffnung m, n, r schräg hinauflaufenden Brettverschlag
                              x, x von dem untern Theil völlig gesondert und dicht
                              verschlossen. Diesen schrägen Brettverschlag durchbricht nun die vierseitige kurze
                              Röhre des Sitzes C. Sie ist hier von Holz ausgeführt und
                              im Innern durchgängig mit Zink- oder Kupferblech beschlagen. h, h sind metallene Querleisten zur Abweichung des Urins. c, d ist eine leichte Holzklappe, welche die Röhre C von Unten
                              verschließt; sie ist auf der innern Fläche z, so weit
                              sie die Röhre unten verdeckt, gleichfalls mit Metallblech beschlagen. Wird diese
                              Klappe wie in Fig.
                                 55 verschlossen, so tritt sie zwischen zwei auf dem schrägen
                              Brettverschlag angebrachte Längenleisten und bildet so gegen den untern Theil des
                              Abtritts einen völlig dichten Verschluß. Auf der Klappe selbst sind zur Verhütung
                              des Verwerfens bei o und p
                              einige Einschiebeleisten eingelegt. Bei c ist dieselbe
                              mit einem Scharnier versehen, um welches sie sich nach dem punktirten Bogen dg öffnet und gegen die freie Oeffnung nach außen
                              m, n anlegt.
                           Vermittelst eines zweiten Scharniers b ist diese Klappe
                              mit dem Eisenstäbchen b, a beweglich verbunden, welches
                              sowohl unten den Brettverschlag, als auch oben das Sitzbrett durchbricht und bei a vermittelst eines bequemen Handgriffs auf und nieder
                              bewegt werden kann. Ist diese Führungsstange, wie hier in
                              der Zeichnung, aufgezogen, so greift der hakenförmige Ansatz e derselben auf die etwas vorstehende Eisenplatte des Deckelscharniers und
                              hält so die untere Klappe d, c geschlossen; wird
                              hingegen der Handgriff a zurückgestoßen, so verläßt der
                              Eingriff e seinen Stützpunkt, und die Klappe öffnet sich
                              und fällt nach der Bogenlinie dg gegen die
                              Oeffnung m, r, n zurück.
                           Diese Bewegung der so leicht als möglich gefertigten untern
                                 Klappe vermittelst dieses Handgriffs a ist
                              unstreitig für Privathäuser die einfachste und
                              zweckmäßigste. Man gewöhnt sich sehr bald daran, bei dem Gebrauch des Abtritts
                              zugleich mit der Oeffnung des obern Deckels auch die Stange herabzustoßen und
                              nachher bei dem Schließen des Deckels dieselbe wieder aufzuziehen und dadurch auch
                              die untere Klappe wieder zu schließen. Diese Einrichtung hat den Vortheil, daß von
                              schwächlichen Personen und bei Krankheiten u.s.w. der Abtritt, zur Abhaltung des
                              Luftzugs mit Verschluß der untern Klappe, wie ein Nachtstuhl gebraucht werden kann, wobei die glatte
                              Metallfläche durch Aufgießen von Wasser leicht und schnell wieder gereinigt werden
                              kann.
                           Für Gasthäuser und andere öffentliche Anstalten, wo man diese regelrechte Behandlung
                              des Apparats nicht erwarten kann, kann nach Beschaffenheit der Localität leicht eine
                              solche Einrichtung getroffen werden, daß sich gleichzeitig mit der Bewegung des
                              obern Deckels D auch die untere Klappe c, d selbstthätig öffnet und schließt.
                           Bei dieser auf die oben entwickelte physikalische Beschaffenheit der Gasarten
                              gegründeten Einrichtung ist an sich schon die Unmöglichkeit einleuchtend, daß durch die vollkommen isolirte Röhre
                              C das geringste Geruchspartikel in die Wohnung eindringen kann.
                              Die aus dem untern Abtrittsgehäuse
                              B aufsteigenden leichteren
                                 Gase können sich hier nie verdichten, sondern entweichen ihrer Natur gemäß schnell und unmerklich in der Richtung s, r durch das offene Fach
                              m, n in den höhern Luftraum.
                              Auch die Röhre C bleibt hier völlig geruchlos, da die Wände derselben bei ihrer Weite und Kürze von den Excrementen nie
                              verunreinigt werden und der Urin durch die Metallleiste h so abgeleitet wird, daß er ohne die Wandung zu berühren in B hinabfließt. Diese Geruchlosigkeit ist so sicher und vollkommen,
                              daß auch die feinste Nase selbst im Innern dieser Röhre
                              C keine Spur einer beleidigenden Ausdünstung wahrnehmen
                              kann, wie sich dieses bei mehreren bereits jahrelang im Gebrauch befindlichen
                              Anlagen dieser Art bestätigt hat.
                           Wo sich Gelegenheit findet, kann auch die kurze Röhre C
                              cylindrisch aus festgebranntem Thon mit dauerhafter Glasur im Innern angefertigt und
                              zwischen das obere Sitzbrett und den untern schrägen Brettverschlag eingefugt
                              werden. Schon ein alter weiser Baumeister (Milizia in den
                              Grundsätzen der bürgerl. Baukunst II Th. 2. Bd. 5. Absch. §. 13) schlägt vor,
                              die innere Fläche der Abtrittsröhren um der Reinlichkeit willen aus Marmor zu verfertigen; – und Leger sagt, wenn man den glänzenden Marmor der Ueppigkeit opfert, so
                              sollte man auch da, wo es darauf ankommt die Gesundheit der Menschen vor Schaden zu
                              sichern, mit einigen Stücken polirten Marmors nicht geizen. Diese thönerne gutglasirte Röhre vertritt nun aber den Marmor
                              vollkommen; es kann sich keine Feuchtigkeit einsaugen, und sie kann ohne Mühe
                              vermittelst eines Borstenwisches sauber ausgescheuert und völlig geruchlos erhalten
                              werden. Diese Einrichtung wird daher selbst in dem elegantesten Damenschlafzimmer ihre geheime Gegenwart nicht im geringsten
                              verrathen und im Krankenzimmer weit vorzüglicher die
                              Stelle der Nachtstühle vertreten. Sie verdient daher die
                              allgemeinste Empfehlung.
                           Sollen mehrere Abtritte dieser Art nebeneinander gelegt werden, so wird das untere
                              Abtrittsgehäuse B nicht durch Scheidewände getrennt,
                              sondern die Oeffnung m, n, r zur Ableitung der Gase
                              bildet alsdann ein fortlaufendes, nur durch die stehenden Tragsäulen der einzelnen
                              Apartements unterbrochenes und durch ein passendes Gitterwerk verblendetes Oblongum.
                              Die kurzen Röhren C werden in den gemeinschaftlichen
                              schrägen Brettverschlag eingelassen und jede derselben mit der Verschlußklappe c, d versehen. Gesonderte enge in den unteren Raum der Kloakgrube
                              hinabgeführte Röhren sind in vielfacher Hinsicht nachtheilig und verwerflich.
                           Wenn sich nun auch die hier dargestellten Abtrittsanlagen nach der Localität in
                              Nebensachen ändern, so wird doch jeder Baukundige das physikalische Princip
                              derselben überall bewahren können. Er wird sich leicht darüber verständigen, daß
                              durch diese einfache, praktisch bewährte und unmittelbar sichere Einrichtung einem
                              großen und wesentlichen Bedürfniß für die Gesundheit, das Wohlseyn und die
                              Annehmlichkeit unseres häuslichen Lebens für immer abgeholfen ist, da ein jeder
                              jetzt bestehender Abtritt mit geringen Kosten dahin abgeändert werden kann. Der
                              Verfasser wünscht daher zum Besten seiner Mitmenschen, daß sie das Mißtrauen und die
                              Scheu vor allem Neuen nicht abhalten möge, von dieser wohlthuenden Einrichtung
                              allgemeinen Gebrauch zu machen, und bittet namentlich die obern Baubehörden hierin
                              seiner menschenfreundlichen Absicht förderlich zu seyn.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
