| Titel: | Ueber die Ursache der Fixirung der Quecksilberdämpfe beim Daguerreotypproceß und die Erzeugung von Bildern durch feste, flüssige und gasförmige Körper; von August Waller. | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XXXVII., S. 174 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber die Ursache der Fixirung der
                           Quecksilberdämpfe beim Daguerreotypproceß und die Erzeugung von Bildern durch feste,
                           flüssige und gasförmige Körper; von August Waller.
                        Aus dem Philosophical Magazine, Februar 1846, S.
                              94.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. III.
                        Waller, über die Erzeugung von Bildern durch feste, flüssige und
                           gasförmige Körper.
                        
                     
                        
                           Wird ein Stück Glas mit einer Auflösung von phosphorsaurer Ammoniak-Talkerde
                              überstrichen und mit irgend einem harten Körper Striche darauf gezogen, so werden
                              dieselben bekanntlich bald darauf dadurch sichtbar, daß das Salz sich auf sie
                              niederschlägt. Berzelius, welcher dieser Thatsache in
                              seinem Lehrbuch der Chemie (IV. Bd. S. 305 4te Auflage 1836) erwähnt, sagt, daß Wollaston ihre Benutzung zur Reaction auf das Vorkommen
                              von Talkerde in einer Flüssigkeit vorschlug, wozu man sich ihrer seitdem auch häufig
                              bediente. Nach Berzelius ist „die Ursache
                                 hievon eine mechanische und besteht wahrscheinlich darin, daß sich die Facetten
                                 der kleinen Krystalle (womit das Glas überzogen wird) in einer andern Richtung
                                 auf das Gezeichnete wenden, aus Gründen, von welchen wir uns nicht so genau
                                 Rechenschaft geben können.“ In letzter Zeit erwähnte Prof. Liebig dieses Gegenstandes in seiner
                              Pflanzen-Physiologie, §. 157. Er schreibt diese Wirkungen einem
                              Zustand unbeständigen Gleichgewichts der verschiedenen Partikelchen zu, woraus die
                              Flüssigkeit besteht, welches gestört wird, wenn irgend eine dynamische Wirkung
                              hervorgebracht wird, die kräftig genug ist, um die schwachen Anziehungskräfte oder
                              die Trägheit der in Auflösung befindlichen Molecüle zu überwältigen. Derselben
                              Ursache schreibt er die plötzliche Erstarrung zu, welche beim Schütteln von Wasser
                              eintritt, das sich unter dem Gefrierpunkt noch flüssig erhalten hatte; ferner die
                              Fällung einer Mischung von Kali und Weinsteinsäure, so wie auch die Detonation des
                              Knallpulvers durch die Berührung mit irgend einem festen Körper. Keiner dieser
                              ausgezeichneten Beobachter aber bemerkt, daß er diese Erscheinungen einer
                              mikroskopischen Untersuchung unterzogen habe, was doch das einzige Mittel ist, um
                              die von Berzelius aufgestellte Hypothese zu prüfen.
                           Ich beabsichtige im Folgenden einige Beobachtungen mitzutheilen, welche ich
                              anstellte, um den Einfluß der Molecularwirkung auf die Fällung salziger Körper, wie
                              man sie bei dem phosphorsauren Doppelsalz beobachtete, näher kennen zu lernen und zu zeigen, daß ein
                              gleicher Einfluß bei gasförmigen und dampfförmigen Körpern stattfindet, ferner um
                              einige bis jetzt unerklärte Erscheinungen aufzuhellen, wie z.B. die Fixirung des
                              Quecksilberdampfs bei dem Daguerreotypproceß, welche offenbar von einer ähnlichen
                              Ursache abhängt.
                           Um das phosphorsaure Doppelsalz zu erhalten, benütze ich in der Regel eine Auflösung
                              von 10 Gran phosphorsaurem Natron und 3 Gran kohlensaurem Ammoniak in 1 1/2 Unzen
                              Wasser. Ich zog diese Mischung vor, weil ihre Bestandtheile leichter zu haben sind
                              und die Atmosphäre weniger auf sie einwirkt, als auf das phosphorsaure Ammoniak. Die
                              Talkerdelösung bestund gewöhnlich in einigen Granen schwefelsaurer Talkerde
                              (Bittersalzes) in eben so viel Wasser wie oben aufgelöst.
                           Man gießt eine kleine Menge der ersten Mischung auf ein Stück Glas und setzt ihr
                              einige Tropfen der Talkerdelösung zu; läßt man dieß ruhig stehen, so überzieht sich
                              die Oberfläche der Flüssigkeit in einigen Minuten mit einer dünnen Haut und auf dem
                              Glase kommen ganz kleine glänzende Krystalle zum Vorschein; zieht man aber, ehe
                              diese Krystalle Zeit hatten sich zu bilden, irgend einen festen Körper, z.B. ein
                              Glasstäbchen oder eine reine Feder, über das Glas durch die Flüssigkeit, so wird
                              sein Lauf bald nachher sichtbar. Die so entstehenden Bilder sind doppelte, ein
                              oberes und ein unteres.
                           Die obern Bilder erscheinen auf der Oberfläche der
                              Flüssigkeit selbst; man sieht sie sogleich nach dem Durchziehen der Feder durch die
                              Flüssigkeit, während die untern Bilder erst einige Augenblicke später sichtbar
                              werden. Da sie auf einer beweglichen Oberfläche gebildet wurden, so sind sie keine
                              vollkommenen Darstellungen der gemachten Züge, und werden durch jede Bewegung der
                              Flüssigkeit verändert oder verzogen. Ist die Salzauflösung schwach, so verschwinden
                              sie oft ein paar Augenblicke nach ihrer Bildung und lösen sich wieder in der
                              Flüssigkeit auf. Ist die Flüssigkeit concentrirter, so verschwinden sie ebenfalls in
                              Folge der Hautbildung an der Oberfläche. Die Erzeugung dieser Bilder scheint von der
                              chemischen Beschaffenheit des zum Zeichnen angewandten Körpers unabhängig zu seyn.
                              Man kann sie unabhängig von den untern erhalten, wenn man einen Faden sanft über die
                              Oberfläche der Flüssigkeit hinzieht, ohne daß er mit der Oberfläche des Glases in
                              Berührung kommt.
                           Die untern Bilder werden auf der Oberfläche des Glases,
                              unter den obern, erzeugt. Ein paar Secunden, nachdem die Züge auf dem Glas gemacht
                              worden sind, beginnen sie zu erscheinen und werden allmählich deutlicher. Der
                              Zeitraum, welcher bis zu ihrem Sichtbarwerden verstreicht, hängt von der Stärke der Auflösung ab. Ist
                              sie concentrirt, so erscheinen sie sogleich, ist sie aber schwach, so vergehen
                              mehrere Minuten bevor sie sichtbar werden.
                           Um Bilder hervorzubringen, müssen die Züge immer nach der Vermischung der beiden
                              Auflösungen gemacht werden; unter keinen andern Umständen war ich im Stande sie
                              hervorzubringen. Wenn z.B. die Züge auf einem vollkommen trockenen, oder einem etwas
                              befeuchteten und gleich darauf mit der Lösung überzogenen Glase gemacht werden,
                              erscheinen keine Bilder. Dieß ist auch der Fall, wenn die Züge entweder in der
                              Talkerde- oder in der phosphorsauren Auflösung gemacht werden, bevor man sie
                              miteinander vermischt.
                           Das Hindurchführen irgend eines festen Körpers durch die geeignete Auflösung auf Glas
                              verursacht die Bildung einer Ablagerung. Holz, Glas, Schiefer und andere dergleichen
                              Substanzen wirken alle gleich kräftig, aber metallische Substanzen sind weniger
                              wirksam. Auch können andere polirte Flächen statt der Glastafel gewählt werden; ich
                              brachte diese Bilder auf Quarz und Achat eben so gut hervor.
                           Eine Verschiedenheit des krystallinischen Gefüges übt keinen Einfluß aus, doch
                              scheinen sich die Bilder auf polirtem Silber und Kupfer schwieriger zu erzeugen als
                              auf einer Glasfläche.
                           Ein sehr schwacher Grad von Reibung verursacht die Erzeugung eines Bildes, obwohl ein
                              mäßiger Grad von Druck noch günstiger ist.
                           Die Elektricität übt keinen Einfluß bei der Erzeugung dieser Bilder aus. Bei einem
                              Versuch brachte ich, um die Reibung zu vermindern, zwei feine Spiraldrähte mit einer
                              zur Zersetzung des Wassers hinlänglich starken Batterie in Verbindung. Diese Drähte
                              wurden in verschiedenen Richtungen durch die Auflösung geführt und die Spuren des
                              Durchgangs der beiden Pole waren gleichmäßig sichtbar ohne allen Unterschied; als
                              sie dann von der Batterie losgemacht und eben so angewandt wurden, brachten sie
                              dieselben Wirkungen hervor. Es ist merkwürdig, mit welcher Treue die Züge von Linien
                              auf diese Weise sichtbar werden. Buchstaben, so mit einer Feder gebildet, kommen
                              viel treuer zum Vorschein, als wenn man sie mit Tinte auf Papier schreibt, und es
                              können Linien gebildet werden, die mit bloßem Auge kaum sichtbar sind. Die
                              mikroskopische Betrachtung zeigt diese außerordentliche Genauigkeit in viel höherem
                              Grade, als man erwarten sollte; denn eine einfache Linie wird so, als wäre sie in
                              eine Anzahl paralleler Linien zerlegt, welche den Berührungspunkt zwischen den zwei
                              festen Körpern darstellen (siehe Fig. 43). Diese Linien
                              bestehen aus sehr kleinen und verworrenen Krystallen von unregelmäßigem Aussehen,
                              welche zusammenhängen. 
                              Ihr Durchmesser variirt von 0,02 Millimetern bis 0,04. Zwischen diesen
                              Parallellinien sieht man oft andere noch kleinere.
                           Die andern Krystalle, welche sich durch die gewöhnlichen Krystallisationskräfte über
                              den unberührten Theilen des Glases absetzen, sind viel größer, als irgend einer von
                              diesen. Wenn man den Punkt, wo zwei Linien sich durchschneiden, unter dem Mikroskop
                              untersucht, so kann man diese Erscheinung wahrnehmen. Während krystallinische Massen
                              in der Bildung begriffen sind, kann man unmöglich die Ablagerung von Krystallen an
                              andern Stellen des Glases verhindern; wenn man aber, während letztere noch frisch
                              sind, schnell Wasser darüber strömen läßt, so werden dadurch die unregelmäßigen
                              Krystalle größtentheils weggeschafft, während die Bilder beinahe unversehrt
                              zurückbleiben. Es ist daher klar, daß dieselbe Kraft, welche diese Ablagerung
                              bewirkt, auch verursacht, daß sie der Oberfläche des Glases stärker anhängen als die
                              andern Krystalle. Eine andere Methode die Verschiedenheit ihrer Adhärenz
                              nachzuweisen besteht darin, daß man die Auflösung auf dem Glase eintrocknen läßt und
                              sie dann mit dem Bart einer Feder sanft überfährt, wodurch die meisten
                              unregelmäßigen Krystalle hinweggenommen werden und die Bilder zurückbleiben.
                           Andere Substanzen, welche ähnliche Ablagerungen bilden
                                 können. – Chlorplatin und salpetersaures Kali vermischt, bilden ein
                              Doppelchlorid, von welchem mit derselben Leichtigkeit wie mit dem phosphorsauren
                              Doppelsalz Bilder erhalten werden können. Der einzige Unterschied ist, daß das
                              Doppelchlorid in Form von Oktaedern etc. niederfällt. Auflösungen von Weinsteinsäure
                              und salpetersaurem Kali setzen Krystalle von doppeltweinsteinsaurem Kali ab, die
                              beinahe eben so leicht als das phosphorsaure Doppelsalz obere und untere Bilder
                              erzeugen. Die untern unterscheiden sich in einer Hinsicht von jenen des
                              phosphorsauren Doppelsalzes, daß sie nämlich bald nach ihrer Bildung ihre Adhäsion
                              am Glase zu verlieren scheinen und die geringste Bewegung der Flüssigkeit ihre
                              Ablösung verursacht; und wenn man einen Satz niederschrieb, so hat man die seltsame
                              Erscheinung, daß Fragmente von Wörtern und Buchstaben zerstreut untereinander
                              herumschwimmen. Auch unter dem Mikroskop sind sie verschieden; man beobachtet
                              weniger Parallellinien und die Krystalle sind größer und ungleich in Größe.
                              Aetzkalilauge, einer Auflösung von Weinsteinsäure zugesetzt, erzeugt ganz dieselben
                              Bilder. Aetznatron und Weinsteinsäure geben dasselbe Resultat, doch muß die
                              Auflösung viel concentrirter seyn.
                           Durch gasförmige Körper erzeugte Bilder. – Diese
                              Züge werden eben so hervorgebracht, wie die krystallinischen, indem man mit einem festen Körper über ein
                              Stück Glas fährt, welches mit einer gashaltigen Flüssigkeit bedeckt ist, wo sie dann
                              sogleich durch die sich absetzenden Gasblasen sichtbar werden. In Folge der
                              specifischen Schwere der Gase sind diese Bilder nicht sehr dauerhaft, indem das sie
                              erzeugende Gas nach kurzer Zeit an die Oberfläche steigt. Als allgemeine Regel gilt,
                              daß die Ingredienzien, durch deren Vermischung das Gas gebildet wird, sachte
                              zusammengebracht und so verdünnt werden daß, welches Gas sich immer bilden möge, es
                              in der Flüssigkeit aufgelöst bleibt. Ich war erstaunt zu finden, wie viel Gas auf
                              diese Weise in Auflösung gehalten werden kann, und da die meisten Gase in dieser
                              unbeständigen Weise aufgelöst werden können, so vermögen auch alle solche Züge zu
                              liefern; durch Versuche habe ich mich überzeugt, daß dieß der Fall ist mit
                              Kohlen-, Essig- und Salzsäure.
                           Um Kohlensäure zu erhalten, benütze ich in der Regel basisch kohlensaures Natron und
                              Weinsteinsäure. Essigsaures Ammoniak diente, um Essigsäure frei zu machen, und die
                              Salzsäure wurde aus Kochsalz und Schwefelsäure erhalten. Eine Züge zu bilden fähige
                              Mischung hat die Eigenschaft, ihr Gas in Blasen zu entwickeln, wenn sie mit irgend
                              einer trockenen Fläche in Berührung gebracht wird; wenn man z.B. eine auf einem
                              Glasstreifen gebildete derartige Mischung über einen Theil der Oberfläche
                              ausbreitet, der vorher nicht benetzt worden war, so werden auf diesem Fleck
                              augenblicklich Gasblasen entwickelt, obgleich an keiner andern Stelle solche gesehen
                              werden. Dieselbe Wirkung wird auch hervorgebracht mit Champagner, Selterser-
                              und andern aufbrausenden Wassern, welche jedoch nicht die Eigenschaft haben
                              gasförmige Züge zu bilden. Jede, sowohl metallische als nichtmetallische, Oberfläche
                              bewirkt die Trennung des Gases von der Flüssigkeit, und ich konnte keinen
                              Unterschied bemerken, wenn die Oberfläche vollkommen glatt, oder wenn sie rauh
                              war.
                           Das Eintauchen eines Stückes Brod in Champagner, um das Aufbrausen zu erneuern, ist
                              nur ein Beispiel der Berührung einer frischen Oberfläche mit dem Gas; in kurzer Zeit
                              hört das Brod auf, diese Wirkung hervorzubringen; wird aber ein frisches Stück
                              hineingebracht, so erneuert sich das Aufbrausen wie zuvor. Der Unterschied in der
                              Wirkung zwischen diesem und einem Stück Metall hat seinen Grund lediglich in der
                              größern Ausdehnung der Oberfläche, welche die Höhlungen des Brodes darbieten. Die
                              Entwickelung von Dampf aus siedendem Wasser mittelst Platinblechs oder sonst einer
                              festen Substanz, hat ebenfalls keinen andern Grund. Nach sehr kurzer Zeit hört diese
                              Wirkung auf, wenn sie nicht durch eine frische Oberfläche erneuert wird. Die natürlichste Erklärung
                              dieser Erscheinungen ist, sie einer Molecularwirkung des festen Körpers auf das Gas,
                              wahrscheinlich mechanischer Natur, zuzuschreiben, welche nur sehr kurze Zeit
                              andauert, wie denn der feste Körper ein droit de
                                 domicile in der Flüssigkeit erwirbt und völlig träge wird. Hr. Legrand, der die genauesten Versuche über den Siedepunkt
                              der Salzlösungen angestellt hat, bemerkt, daß das Platin nach wenigen Augenblicken
                              nicht mehr im Stande ist, das Fortdauern des Siedens zu unterhalten, sobald alle
                              Luft von seiner Oberfläche vertrieben worden ist; Zink und Eisen hingegen wirken so
                              lange fort als sie in der Flüssigkeit sind, was er ihrer Eigenschaft, das Wasser zu
                              zersetzen, zuschreibt.
                           Ehe ich das Stattfinden derselben Wirkung bei Körpern in dampf- oder
                              dunstförmigem Zustande nachweise, will ich eine kleine Abschweifung hinsichtlich der
                              Constitution der Dämpfe überhaupt machen.
                           Die Benennung Dampf wird gewöhnlich Körpern in dreierlei verschiedenen Zuständen
                              beigelegt: 1) dem des in der Atmosphäre zerstreuten temporären Gases; 2) dem
                              mechanisch in ihr schwebender flüssiger Theilchen; 3) dem auf gleiche Weise in ihr
                              schwebender fester Theilchen. Den beiden letztern kann, um richtiger zu sprechen,
                              die Benennung „Dünste“ gegeben werden. Der erste dieser
                              Zustände entspricht der Auflösung in einer Flüssigkeit, die beiden andern dem der
                              Suspension in einer solchen. Als Beispiele vom ersten haben wir die Wasserdämpfe, so
                              lange sie unsichtbar sind, die Bromdämpfe etc.; vom zweiten, das Wasser im
                              Nebeldunst, im Nebel etc.; und vom dritten die Dämpfe von Arsenik und
                              Quecksilbersublimat. In jedem dieser Zustände besitzen die Körper das Vermögen, eine
                              bestimmte krystallinische Form und zwar beim Erstarren, anzunehmen. Die
                              Eigenschaften der gasförmigen Körper sind so gut bekannt, daß es unnöthig ist, hier
                              dabei zu verweilen.
                           Die zweite Classe nun, oder die flüssigen kugelförmigen Dämpfe oder Dünste, welche,
                              wie gesagt, jene unter den Namen Nebel, Nebeldunst, oder Wolken bekannten
                              Anhäufungen bilden, sind es, auf welche ich hier näher einzugehen im Begriff bin, da
                              sich auf sie die Theorie der Fixirung der Quecksilberdämpfe bei der Daguerreotypie
                              beschränkt. Man glaubte ehedem, daß der Dampf oder Dunst aus außerordentlich kleinen
                              Kügelchen flüssigen Wassers bestehe, und aus Newton's
                              Werken geht hervor, daß dieß seine Ansicht war. Einer andern Ansicht zufolge, die,
                              so ich nicht irre, zuerst von de Saussure aufgestellt
                              wurde, bestehen diese Dämpfe aus sehr kleinen Bläschen, die in verjüngtem Maaßstabe
                              der gewöhnlichen Seifenblase genau gleichen. Diese Ansicht erhielt die Zustimmung
                              von Fresnel und Berzelius, und
                              findet gegenwärtig
                              allgemeinen Glauben. Als Beweis dafür gelten vorzüglich Saussure's Beobachtungen, welcher behauptet, daß er auf hohen Bergen, oder
                              in den Wolken diese Luftbläschen mit unbewaffnetem Auge entdecken konnte und sie
                              platzen sah, wenn sie in Berührung mit einander kamen. Berzelius empfiehlt die Untersuchung des Wasserdampfs über einer dunkeln
                              Fläche, wie über der Tinte, mittelst einer Linse von kurzer Brennweite. Er sagt, man
                              entdecke auf diese Weise Bläschen, welche in ihrer Größe von 1/4500 bis zu 1/2780
                              Zoll variiren und zuweilen, wo sie aneinander gerathen, platzen. Das Hangen (oder
                              Schweben) der Wolken wird ebenfalls als ein Beweis für die Bläschentheorie
                              angesehen, indem behauptet wird, daß flüssige Kügelchen in solchen Lagen vermöge
                              ihres specifischen Gewichts zu Boden fallen würden. Fresnel vergleicht die Kügelchen wirklich mit kleinen Ballons, welche
                              sich, je nach der Temperatur der in ihnen enthaltenen Luft, ausdehnen oder
                              zusammenziehen.
                           Ein mehrtägiger Aufenthalt im Kloster auf dem St. Bernhard gab mir Gelegenheit die
                              von Saussure angeführten Beobachtungen über die Wolken zu
                              wiederholen, wie sie auch (in kalter Jahreszeit) mit den Londoner Nebeln angestellt
                              werden können. Kügelchen von verschiedenen Größen können unter diesen Umständen mit
                              freiem Auge häufig in allen Richtungen schwimmend unterschieden werden. Ich gab mir
                              alle Mühe mich von ihrer bläschenartigen Structur zu überzeugen, war dieß aber durch
                              directe Beobachtungen nicht im Stande. Bei mikroskopischen Untersuchungen ist es oft
                              sehr schwierig, über das Vorhandenseyn einer dünnen, durchsichtigen Membran (Haut)
                              zu entscheiden; um so schwieriger ist es, sich über die blasenartige oder sphärische
                              Structur in beständiger Bewegung befindlicher Kügelchen auszusprechen; und ich
                              glaube, daß wenn kleine Kügelchen und Bläschen mit einander vermischt werden
                              könnten, wir zur Zeit kein Mittel besäßen, sie von einander zu unterscheiden.
                           Ich konnte nie das von Saussure erwähnte Platzen der
                              Kügelchen wahrnehmen, doch kann man zuweilen, bei schwacher Bewegung der Luft, zwei
                              größere Kügelchen gegen einander schwimmen und dann plötzlich verschwinden sehen,
                              was sich durch die Annahme erklären läßt, daß sich die beiden (vollen) Kügelchen in
                              eines vereinigen, welches dann zu schwer ist, sich länger schwebend zu erhalten, wo
                              dann dessen rasches Niederfallen es dem Auge entrückt.
                           Als Einwurf gegen die Bläschentheorie kann geltend gemacht werden, daß wenn das
                              Häutchen äußerst dünn wird, das Bläschen nicht länger mehr wahrgenommen werden
                              könnte, als die Spitze einer Luftblase vor dem Bersten, oder der mittlere schwarze Fleck eines
                              Systems Newton'scher Farbenringe. Man wird unten sehen,
                              daß die Dampfkügelchen sich in krystallinischer Gestalt abzusetzen vermögen, was
                              eine ruhige Ablagerung von Theilchen erheischt, wie sie kaum möglich wäre, wenn die
                              in jedem enthaltene Luft im Moment seiner Krystallisation zu entweichen hätte.
                           Ich bemühte mich, die Wasserkügelchen auf Glas und andern Substanzen zu fixiren, um
                              mich dadurch in den Stand zu setzen, sie mikroskopisch zu betrachten; in Folge ihrer
                              flüchtigen Natur aber und anderer Ursachen gelang mir dieß nicht. Doch gelingt es
                              beinahe mit jeder andern flüchtigen Substanz leicht, und ich untersuchte deren
                              mehrere auf diese Weise, ohne die geringste Spur einer bläschenartigen Structur zu
                              entdecken. Quecksilber setzt sich in Gestalt kleiner Kügelchen mit Metallglanz an,
                              die einen Durchmesser von 1/509 Millimeter haben und in welchen ich bei der
                              sorgfältigsten Untersuchung nie eine innere Höhlung entdeckte.Damit Andere, welche sich von der Richtigkeit meiner Resultate überzeugen
                                    wollen, unter gleichen Umständen operiren wie ich, muß ich bemerken, daß die
                                    Quecksilberdämpfe in einem Kasten, wie er zum Daguerreotypiren dient,
                                    entwickelt wurden, und daß man das Quecksilber, nachdem es auf 72° R.
                                    erhitzt worden war, wieder abkühlen ließ. Drei Versuche wurden auf diese
                                    Weise angestellt; bei den zwei ersten wurde die Glasplatte 4 Zoll, bei der
                                    dritten 8 Zoll über dem Quecksilber angebracht. Das Aussehen der Kügelchen
                                    war allemal dasselbe; wenn ein Unterschied in ihrer Größe stattfand, so
                                    waren die vom letzten Versuche eher etwas größer. Bei einem andern Versuche,
                                    wo statt der Glasplatte eine Daguerreotypplatte genommen wurde, war das
                                    Aussehen der Kügelchen in jeder Hinsicht dasselbe. Der Art ihrer Ablagerung
                                    zufolge scheinen sie einen Einfluß aufeinander auszuüben, da sie oft in
                                    Gruppen von drei oder vier und mehr angetroffen werden. Hr. Roß behauptete, daß diese Kügelchen sich in
                                    hexagonalen Gruppen ablagern; allein mit vorgefaßten Ideen kann man sich
                                    sehr leicht solche Formen schaffen, gerade wie Dreiecke oder jede andere
                                    einfache geometrische Figur, namentlich wenn die von dem katoptrischen
                                    Mikroskop unzertrennlichen Täuschungen zu den physiologischen hinzukommen.
                                    Diese Neigung unserer Phantasie, welche Müller in
                                    seinem Lehrbuch der Physiologie gut erklärte, geht so weit, daß Gruppen von
                                    Kügelchen anbelangend, ich jederzeit anrathen möchte, sie unter der
                                    mikroskopischen Camera lucida zu entwerfen und sie einige Zeit zur späteren
                                    Besichtigung bei Seite zu legen. Ich werde später auf diesen Gegenstand
                                    zurückkommen.
                              
                           Schwefelblumen bestehen aus festen Kügelchen, deren mehrere zusammenhangen; läßt man
                              ein gelindes Auflösungsmittel darauf wirken, so werden sie äußerlich aufgelöst und
                              es bleibt ein regelmäßiges Oktaeder zurück. Ein interessanter Versuch kann mit
                              Salmiakdämpfen angestellt werden, welche immer entstehen, wenn Salzsäure und
                              Ammoniak zusammengebracht werden. Ueber zwei kleine Fläschchen, deren jedes eine
                              dieser Substanzen enthält, wird eine Glocke gestürzt; über der Oberfläche der Säure
                              sieht man in geringem Abstand die Salzdämpfe, welche sich nach Verlauf von ein paar
                              Stunden zu einer schneeweißen Haut verdichtet haben, welche die Mündung der Flasche
                              vollkommen verstopft. Diese Decke ist so zart, daß die geringste Bewegung ihr
                              Hineinfallen in die Flüssigkeit bewirkt.
                           In allen diesen Fällen besitzen die Dünste das Vermögen, viel längere Zeit suspendirt
                              zu bleiben, als man nach der Verschiedenheit ihrer specifischen Schwere von
                              derjenigen der Luft erwarten sollte, was auch mit den Dünsten anderer Körper,
                              vorzüglich aber dem Rauche, der Fall ist. Es läßt sich dieß nur durch die
                              unaufhörliche Bewegung der Luft, selbst in geschlossenem Raume und durch die
                              Elasticität der festen und flüssigen Theilchen erklären. Die festen Theilchen
                              anbelangend, kann dieß leicht angenommen werden; hinsichtlich der flüssigen
                              Kügelchen aber findet wahrscheinlich eine dem Schlagen eines festen, elastischen
                              Balls ähnliche Wirkung statt, welcher, nachdem er breit geschlagen wurde,
                              zurückprallt kraft seines Strebens, seine ursprüngliche Gestalt wieder
                              anzunehmen.
                           Die Ursachen, welche auf verschiedene Dämpfe und Dünste fixirend wirken, sind
                              dieselben wie jene, welche die Fällung fester Theilchen in einer Auflösung
                              herbeiführen, wie z.B. scharfe Spitzen irgend einer Art, sehr kleine Fasern,
                              vorzüglich aber das Vorhandenseyn eines als Kern wirkenden krystallinischen
                              Theilchens. Nicht leitende Substanzen, wie Wollentuch, Hutfilz, Spinnengewebe etc.,
                              überziehen sich mit wässerigen Kügelchen, ohne daß Regen fiel, während in der Nähe
                              befindliche polirte Oberflächen keine solche Ablagerung darbieten.
                           Nachdem wir nun das Vorhandenseyn einer krystallinischen Kraft in den Dämpfen
                              dargethan haben, schreiten wir zum Beweis des Einflusses einer Kraft, welche dieses
                              Gleichgewicht auf dieselbe Weise stört, wie in den obenerwähnten Salzlösungen. Die
                              Reibung eines festen Körpers auf Glas hinterläßt auf letzterm Spuren, welche
                              unsichtbar bleiben, bis darauf gehaucht wird.
                           Viele Körper besitzen diese Eigenschaft, der Speckstein oder Seifenstein aber in
                              besonders hohem Grade. Man kann über die durch Speckstein hervorgebrachten Züge mit
                              ziemlicher Reibung hinfahren, ohne die Sichtbarkeit der Spuren zu beeinträchtigen,
                              wenn wiederholt darauf gehaucht wird. Das Glas kann sogar bedeutend erhitzt werden,
                              ohne sie anzugreifen. Untersucht man die mit dem Speckstein geriebenen Theile mit
                              dem Mikroskop, so kann, so wenig wie mit dem freien Auge, irgend eine materielle
                              Ursache für die Ablagerung von Dämpfen an diesen Stellen entdeckt werden, was
                              wahrscheinlich von der Durchsichtigkeit des Minerals herrührt, welches nach solcher
                              Verdünnung auf die Lichtstrahlen nicht einzuwirken vermag. Wurden die Spuren durch
                              Anhauchen zum Vorschein gebracht, so muß man sie mit einem andern Stück Glas
                              bedecken, welches die Verdampfung des Wassers verhindert und gestattet, sie unter
                              das Mikroskop zu bringen. Die vom Speckstein unberührten Stellen zeigen die schon
                              erwähnten Erscheinungen. Auf den von dem Stein hervorgebrachten Linien sind die
                              Wassertröpfchen verschiedentlich vertheilt; ihre langen Durchmesser sind parallel
                              zur Richtung der Linien. Diese kleinen Tröpfchen gleichen sehr den aus einer
                              Flüssigkeit abgesetzten Gaskügelchen, und der einzige Unterschied zwischen ihnen
                              besteht in der Abweichung von der Kugelform in den flüssigen Strichen, welche
                              offenbar von der Eigenschaft des Wassers, das Glas zu befeuchten, herrühren.
                           Offenbar ist also die secundäre Ursache dieser Bilder eine Verschiedenheit in der
                              Stellung der kleinen Wassertropfen, welche das Licht anders reflectiren als die
                              andern Tropfen, die auf den andern Stellen des Glases unregelmäßig vertheilt
                              sind.
                           Es gibt noch ein anderes Verfahren Dämpfe zu fixiren. Es besteht darin, einen Körper
                              auf eine ebene Fläche, z.B. diejenige eines Metall- oder auch Glasspiegels zu
                              legen; nach kurzer Zeit findet man, daß die bloße Berührung eine Molecularwirkung
                              hervorgebracht hat, weil der von dem Gegenstand eingenommene Fleck auf dieselbe
                              Weise, wie die Specksteinbilder, durch Anhauchen sichtbar wird. Diese Beobachtung
                              ist um so interessanter, da sie als Verbindungsglied zwischen den Wirkungen einer
                              mechanischen Kraft und denen durch andere Agentien verursachten dient.
                           Hrn. Hunt's Versuche zeigten, daß die Wärme ebenfalls zur
                              Fixirung von Dämpfen beitragen kann.
                           Ein auf Glas durch den Hauch gebildetes derartiges Bild hat, unter dem Mikroskop
                              betrachtet, genau dasselbe Aussehen, wie die durch Speckstein hervorgebrachten. Es
                              hat dieselbe Schwierigkeit, die thermographischen Bilder durch Quecksilberdämpfe auf
                              Glas hervorzubringen, wie dieß mit den Specksteinbildern der Fall ist, welche die
                              Eigenschaft, Quecksilberdämpfe zu fixiren, nur in sehr geringem Grade besitzen. Es
                              scheint sonach, daß die Eigenschaft des Wassers, das Glas zu benetzen, die Ursache
                              ist, daß es eine größere Neigung hat eine Ablagerung herbeizuführen als das
                              Quecksilber, welches das Glas nicht benetzt. Die Ursache der Erzeugung
                              thermographischer Bilder ist offenbar jener ähnlich, welche die Absetzung eines
                              festen Körpers aus einer Flüssigkeit bewirkt.
                           Die Fixirung der Quecksilberdämpfe beim Daguerreotypproceß, welche so vieles Interesse erregte und
                              so viele Theorien hervorrief, ist bloß ein anderes Beispiel der Kraft, welche die
                              Ablagerung fester und gasförmiger Theilchen aus einer Flüssigkeit bewirkt und so
                              viele andere Wirkungen hervorbringt. In diesem Falle wirken die chemischen
                              Lichtstrahlen auf dieselbe Weise, wie eine mechanische Wirkung und der Wärmestoff
                              eine gewisse moleculare Störung verursachen. Durch Moser's Entdeckungen ist erwiesen, daß diese Strahlen die Eigenschaft
                              besitzen, beinahe auf jeden Körper in der Weise zu wirken, daß er fähig wird, die
                              Theilchen verschiedener Dämpfe zu fixiren. So können einfache Mineralien, Glas etc.
                              zum Fixiren des Quecksilberdampfs gebracht werden.
                           Doch scheint es daß Silber, Gold, Kupfer etc., welche Amalgame bilden, oder mit
                              andern Worten, durch Quecksilber benetzt werden, diese Eigenschaft in höherm Grade
                              besitzen als andere Körper, welche nicht von demselben befeuchtet werden; gerade so,
                              wie wir gesehen haben, daß das Glas die Eigenschaft, Wasserdampf zu fixiren, im
                              höchsten Grad besitzt. Die Richtigkeit dieser Theorie des Daguerreotypprocesses
                              zugegeben, werden wir natürlich auf die Untersuchung geführt, ob dasselbe Agens
                              nicht auch die Fixirung von Theilchen im Zustande der Auflösung oder des Dampfes in
                              derselben Art, wie durch einfache mechanische Wirkung, bewirken könne. Nach einigen
                              ungenügenden Versuchen gelang es mir endlich, diese Thatsachen deutlich darzuthun.
                              Die Auflösung, welche den Einfluß des Lichts am augenscheinlichsten zeigt, ist die
                              des neutralen Chlorgoldes. Einige Grane dieses Salzes in einer Unze Wasser
                              aufgelöst, setzen am Licht und zwar an der dem Lichte zunächst befindlichen Seite
                              des Glases kleine Krystalle von metallischem Glanze ab.
                           Die Eigenschaft des Lichts, die Ablagerung gasförmiger Dämpfe zu verursachen, kann
                              dadurch gezeigt werden, daß man etwas Jod in eine mit einem Glasstöpsel versehene
                              Flasche bringt. Nachdem es einige Stunden dem Sonnenschein ausgesetzt war,
                              erscheinen an der dem Lichte zunächst befindlichen Seite kleine schwarze Krystalle,
                              welche ihre Lage je nach der ausgesetzten Seite des Glases verändern. Eine andere
                              Substanz, welche diese Wirkung noch besser zeigt, ist der Kampher, von welchem ein
                              Stück, bloß mit einer Glasplatte bedeckt, nachdem es eine oder zwei Stunden dem
                              Lichte ausgesetzt war, Krystalle absetzt, welche dieselben Erscheinungen darbieten
                              wie das Jod. Durch längeres Aussetzen werden diese Krystalle sehr zahlreich und sehr
                              schön. Ich benutzte diese Eigenschaft zur Construction eines Instruments um die
                              chemischen Lichtstrahlen zu messen. Da die darauf bezüglichen Details unserm
                              Gegenstande fremd wären, spare ich sie für eine andere Gelegenheit auf, will aber hier nur darthun, daß
                              diese Erscheinungen von den Ablagerungen, welche durch Strahlung verursacht werden,
                              unabhängig sind, denn
                           1) bilden sich die Krystalle an der Seite, welche der Wirkung des directen oder
                              zerstreuten Lichtes ausgesetzt ist;
                           2) werden sie während der Nacht nicht gebildet, wo doch die Wärmeausstrahlung der
                              Erde groß genug ist, um die Ablagerung von Wasser zu verursachen;
                           3) verhindert grünes Glas, welches die photographische Wirkung verzögert, auch diese
                              Ablagerung.
                           Bei einem Versuche, welchen ich noch fortsetze, wurde eine Flasche von gewöhnlichem
                              blaßgrünem Glas gegen Norden, und eine andere von weißem Glas gegen Süden gestellt.
                              Die erstere überzog sich mit kleinen Krystallen von beiläufig einem Millimeter
                              Durchmesser, welche eine Woche lang stationär blieben; die letztere überzog sich mit
                              baumartigen Verzweigungen, die täglich anwachsen.
                           Mehrere verwandte, bisher noch unerklärte Erscheinungen finden, wie ich glaube, durch
                              diese Molecularwirkungen ihre Erklärung.
                           Die Bildung des Hagels scheint mir ein Beispiel einer völlig gleichen Wirkung zu
                              seyn, wie die, welche die Ablagerung der festen Bestandtheile gasförmiger und
                              flüssiger Theilchen verursacht. Wenn wir den Einfluß dieser Kraft auf die
                              kugelförmigen Wasserdämpfe zugeben, so ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, daß
                              gewisse Zustände in der Natur eintreten können, wo diese Dämpfe diesem Einflusse
                              mehr unterworfen sind, als wir es bei unsern unvollkommenen Experimenten finden. Wir
                              haben gesehen, daß eine Glaubersalz-Auflösung, oder Wasser in reinem
                              Zustande, durch Wärme-Entziehung in einen solchen Zustand unbeständigen
                              Gleichgewichts gebracht werden können, daß die geringste störende Einwirkung sie
                              augenblicklich in den festen Zustand überführt.
                           Nehmen wir nun an, daß die Kügelchen, welche die Wolken bilden, in einen ähnlichen
                              Zustand versetzt werden können, so haben wir Data genug, um alle Erscheinungen bei
                              der Hagelbildung zu erklären. Jeder Kern, der sich innerhalb einer Wolke bildet, die
                              sich in diesem Zustande befindet, würde um sich herum die Ablagerung aller zunächst
                              befindlichen Theilchen bewirken; und die Größe der Hagelkörner würde von der Dicke
                              der Wolke abhängen, durch welche sie dringen müssen. Bei dem Sturm zu Oedenburg im
                              J. 1825 wurden im Centrum Schwefelkiese gefunden, die wie ein Kern gewirkt hatten,
                              um welchen die Krystallisation stattfand. Wo das Centrum nicht von einem
                              fremdartigen Körper dieser Art gebildet ist, besteht derselbe aus einem
                              undurchsichtigen Kern von schwammiger Natur, wie gefrorner Schnee, was leicht zu
                              erklären ist. Die
                              Aufeinanderfolge concentrischer Lagen würde dadurch verursacht, daß die Theilchen
                              durch Schichten flüssiger Kügelchen passiren, die nicht alle von gleicher Temperatur
                              sind; und das strahlige Gefüge deutet auf eine vom Centrum ausgehende allmähliche
                              Zunahme krystallinischer Wirkung. Die Temperatur der Hagelkörner, die in der Regel
                              unter dem Gefrierpunkt liegt, ist eine weitere Bestätigung dieser Ansicht.
                           Die Bildung der Butter ist ebenfalls höchst wahrscheinlich ein Beispiel von
                              Molecularwirkung derselben Art. Es ist bekannt daß, nachdem der Rahm eine gewisse
                              Zeit lang gerührt wurde, die Kügelchen sich plötzlich vereinigen und dadurch die
                              Butter bilden. Die plötzliche Erscheinung dieses Products ist um so merkwürdiger, da
                              sie bei verschiedenen Temperaturen stattfindet, obgleich bei einigen schneller als
                              bei anderen, und nicht allmählich, wie man erwarten sollte; daher sie durchaus nicht
                              durch Wärme verursacht werden kann, welche durch Reibung entwickelt wurde. Die
                              genauesten Beobachtungen waren nicht im Stande irgend eine materielle Veränderung im
                              Aussehen der Fettkügelchen im Augenblick vor der Butterbildung wahrzunehmen. Man
                              kann fast nicht zweifeln, daß sie durch irgend eine moleculare Wirkung in den
                              Kügelchen in Folge des beständigen Umrührens erzeugt wird.
                           Einige der permanentesten Gase bieten ebenfalls bei ihrer Einwirkung auf Platin und
                              andere Metalle mit den obigen verwandte Erscheinungen dar. Nach Dulong und Thenard hat frisch
                              geschlagenes Platinblech die Eigenschaft, bei gewöhnlicher Temperatur auf ein
                              Gemisch von Wasserstoff und Sauerstoff zu wirken; nachdem es aber einige Minuten der
                              Luft ausgesetzt worden, verliert es diese Eigenschaft völlig, die ihm jedoch dann
                              durch Erhitzung in einem bedeckten Tiegel in höherem Grad als zuvor wieder gegeben
                              werden kann. Wird es in einem bedeckten Gefäß, so daß die Luft ausgeschlossen ist,
                              aufbewahrt, so behält es diese Eigenschaft ohne Abnahme 24 Stunden lang.
                           Mit einer gewöhnlichen Feile gemachte Platinfeilspäne haben unmittelbar nach ihrer
                              Erzeugung dieselbe Eigenschaft und behalten sie etwa eine Stunde lang. Man hat auch
                              beobachtet, daß eine hohle Platinkugel die Eigenschaft besitzt, verschiedene Gase zu
                              verdichten und zu absorbiren, die sich in der Regel bei einer Temperatur unter dem
                              Siedepunkt entbinden. (Pouillet, Lehrbuch der Physik,
                              §. 131). Die Einwirkung der Gase auf Platin in obenerwähnten Fällen gleicht
                              derjenigen der Kohlensäure auf Glas, mit dem Unterschied, daß nicht nur bloße
                              Linien, sondern die ganze Oberfläche des Metalls ihren Einfluß ausübt und daß die
                              Gase selbst unsichtbar sind.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
