| Titel: | Bericht des Hrn. Vauvilliers über eine Wagenconstruction zum Transportiren von Lasten, welche von Hrn. Fusz erfunden wurde. | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. LXVI., S. 356 | 
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                        LXVI.
                        Bericht des Hrn. Vauvilliers über eine Wagenconstruction zum
                           Transportiren von Lasten, welche von Hrn. Fusz erfunden wurde.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Jan. 1846, S. 3.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Fusz, über eine Wagenconstruction zum Transportiren von
                           Lasten.
                        
                     
                        
                           Hr. Fusz (Mechaniker zu Paris,
                              rue des
                                 Deux-Portes-Saint-André-des-Arts
                                 No. 4) erfand einen Wagen zum Transportiren von Lasten, bei dessen
                              Construction auf folgende Punkte besonders gesehen wurde:
                           1) es sollte bei demselben Stoß und Schlag vermieden werden;
                           2) die Zugkraft, um einen Wagen von gegebenem Gewicht zu bewegen, sollte kleiner
                              seyn, als die Zugkraft welche bei den bis jetzt bekannten Wagen erforderlich
                              ist;
                           3) das Hängenbleiben der Wagen aneinander sollte vermieden werden, so wie das der
                              Räder;
                           4) die Deichsel- oder Gabelpferde, welche unter der Last stürzen könnten,
                              sollten geschützt seyn;
                           5) die Räder sollten sich selbst bremsen, wenn der Wagen einen Abhang hinunter fährt,
                              und zwar durch die Kraft, mit welcher das Gabelpferd den einlaufenden Wagen
                              aufhalten will;
                           6) das Auf- und Abladen sollte erleichtert und das Umwerfen der Wagen
                              vermieden werden dadurch, daß der Schwerpunkt des Wagens und seiner Belastung so
                              tief als möglich gelegt wird;
                           7) endlich sollten die Räder dauerhafter, als es nach der gewöhnlichen
                              Constructionsmethode der Fall ist, und das Wakeligwerden
                              derselben vermieden werden.
                           Hr. Fusz construirte nach
                              seinen Ideen einen Wagen, womit gebrannter und gemahlener Gyps transportirt wird, in
                              der Absicht, während des Transports das Verstauben und den daraus hervorgehenden
                              Verlust zu vermindern.
                           1) Um das Stoßen und Schlagen zu vermeiden, hängt er den Kasten, welcher die Ladung
                              enthält, an Federn. Er verbindet mit den Enden der Tragbäume bis zu welchen sich der
                              Kasten seiner Länge nach erstreckt, eiserne, nach oben gekrümmte Bögen, so daß er
                              dadurch einen Körper von ziemlich gleicher Tragfähigkeit erhält. Die Bögen sind unten durch eine Lage
                              von Eschenholz verdoppelt, und das Ganze liegt auf zwei viertheiligen Federn von
                              seiner Erfindung, wodurch die Wagen eine sanftere oscillirende Bewegung in
                              verticaler Richtung erhalten. Die beiden Federn sind symmetrisch auf jeder Seite der
                              Achse angebracht, und liegen auf einem festen eisernen Träger, der auf die Achse
                              aufgeschraubt ist und mit dessen Enden die Mitten der Federn verbunden sind.
                           Jeder Tragbaum und der Kasten ist noch an den Bogen mit seiner Verdoppelung durch
                              vier schief liegende eiserne Träger angehängt, von denen zwei auf jeder Seite der
                              Achse liegen.
                           Der Wagenkasten ist demnach mittelst vier Hängefedern, deren Biegsamkeit den Stoß und
                              Schlag zum Vortheil der zu transportirenden Waare aufhebt, von der Achse
                              getragen.
                           2) Da die Last unter der Achse liegt, konnte Hr. Fusz den Rädern einen größeren Durchmesser
                              geben, als die gewöhnlichen Wagenräder haben. Daraus folgt dann innerhalb gewisser
                              Gränzen ein größerer Nutzeffect der angewandten Zugkraft. Die Radspeichen sind auf
                              der Nabe versetzt, d.h. sie liegen in zwei Reihen, welche ziemlich weit von einander
                              entfernt sind, wodurch die Räder eine größere Widerstandsfähigkeit erhalten, so daß
                              die Speichen in der Nabe nicht lose oder wackelig werden können, und dieselbe durch
                              die Speichenlöcher nicht zu sehr geschwächt wird. Sie können demnach leichter
                              gemacht werden, so daß das zu ziehende Gewicht, und also auch die Zugkraft
                              verringert wird.
                           Hr. Fusz hat endlich das
                              Gewicht seines leeren Wagens auf 800 Kilogramme herunter gebracht, während die
                              gewöhnlichen Wagen 2000–2500 Kilogr. wiegen.
                           3) Das Hängenbleiben der Wagen an einander, wie das Ineinandergerathen der Räder ist
                              beinahe unmöglich gemacht, weil die Naben und die Achsen höher liegen und mit den
                              Naben der gewöhnlichen Wagen nicht zusammentreffen können, und weil außen an den
                              Seiten der Tragbäume noch Abweiser angebracht sind, welche eine schiefe Ebene
                              bilden, über die äußere Kreisfläche der Räder vorstehen und die Räder von
                              begegnenden Wagen, welche sich zu sehr nähern sollten, abweisen.
                           4) Wenn die Last auf einem Wagen über der Achse liegt, so kommt der Schwerpunkt
                              derselben nach vorn zu liegen, wenn das Pferd stürzt, und dasselbe wird dann durch
                              die Last niedergedrückt. Bei der Anordnung des Hrn. Fusz verändert sich die Lage des Schwerpunkts
                              viel weniger und das Pferd ist keiner Gefahr ausgesetzt, weil bei derselben die Deichsel das
                              Bestreben hat in die Höhe zu gehen und also dem Pferd das Aufstehen erleichtert.
                           5) Das Bremsen der Räder geschieht durch Druck auf die Radreife, und zwar durch den
                              Widerstand welchen das Pferd darbietet, wenn der Wagen Abhänge hinab einläuft. (Hr.
                              Fusz erhielt im Jahr 1837
                              für sein Bremssystem einen Theil des Montyon'schen
                              Preises.)
                           6) Wenn die Last unter der Achse liegt, ist sie in den meisten Fällen leichter
                              auf- und abzuladen, als bei den gewöhnlichen Fuhrwerken. Das Umfallen der
                              Wagen muß viel seltener vorkommen; denn die Verticallinie, in welcher der
                              Schwerpunkt liegt, kann nur in sehr seltenen Fällen über die Berührungsfläche des
                              Rades mit der Straße hinausfallen.
                           7) Das Versetzen der Speichen in den Naben ist das beste Mittel das Wackeligwerden
                              derselben zu verhüten.
                           Hr. Fusz behauptet, daß in
                              Folge seiner Aufhängung die Last beständig eine horizontale Lage beibehalte. Dieß
                              ist jedoch nicht vollkommen richtig; denn der Boden des Kastens bleibt weder
                              beständig horizontal, noch behält er immer seine gleiche Lage in Beziehung zur
                              Achse. Bei der Bewegung des Systems auf schiefen oder holperigen Flächen geben die
                              Federn auf der einen Seite mehr nach als auf der anderen, schwingen mit der Achse
                              und verhüten bis zu einem gewissen Grade, daß sich der Kasten so schief legt, als
                              wenn er nicht an Federn aufgehängt wäre. Hr. Fusz wollte demnach vielleicht nur sagen, daß
                              der Schwerpunkt der Last weniger verrückt wird, als bei den gewöhnlichen Wagen.
                           Hr. Fusz wies nach, daß sein
                              leerer Wagen nur 790 Kilogr. wiegt, und daß ein einziges Pferd im Stande ist 100
                              Säcke Gyps auf demselben zu ziehen, so daß dann der beladene Wagen 3790 Kilogr.
                              wiegt. Auch wurden von mehreren Geschäftsleuten und Gypshändlern Zeugnisse
                              vorgelegt, durch welche erwiesen wird, daß dieselben 85 bis 100 Säcke Gyps auf dem
                              neuen Wagen mit einem einzigen Pferd transportirten, während sie auf ihre
                              gewöhnlichen Wagen nur 55 Säcke aufladen können.
                           Ueber die von Hrn. Fusz in
                              Anwendung gebrachten Anordnungen läßt sich folgendes bemerken:
                           Die Anwendung von Rädern mit großem Durchmesser ist bei Blockwagen und Schleppwagen,
                              z.B. für Kanonen, längst gebräuchlich, und bei denselben wird die Last ebenfalls
                              unter die Achse gehängt.
                           Das Versetzen der Radspeichen in zwei Reihen auf der Nabe ist bekannt und schon
                              früher in manchen Fällen angewandt worden.
                           
                           Die großen Räder haben die gewöhnlich gebräuchlichen nicht verdrängt, sey es nun,
                              weil sie im Allgemeinen schwerer oder weniger dauerhaft sind.
                           Das Versetzen der Radspeichen auf der Nabe geschieht ebenfalls nicht sehr häufig,
                              vielleicht weil die Räder schwieriger auszuführen und deßhalb theurer würden.
                           Das Aufhängen der Last unter die Achse geschieht ziemlich häufig, aber nur in
                              besonderen Fällen, und kann, wenn Substanzen von geringem specifischem Gewicht
                              transportirt werden sollen, nicht wohl angewandt werden.
                           Im Allgemeinen scheinen die Leute welche mit den Transport von Waaren zu thun haben,
                              diejenigen Wagen vorzuziehen, welche man zum Transportiren der verschiedensten
                              Lasten benützen kann, und die Bequemlichkeit im Auf- und Abladen, die
                              Sicherheit der Deichselpferde und die kleinere Gefahr des Umwerfens weniger hoch zu
                              schätzen, als die Dauerhaftigkeit, rohe Arbeit, und die Gewohnheit an die Fuhrwerke,
                              welche sie besitzen.
                           Außerdem behaupten sie, daß ein Fuhrwerk dessen Schwerpunkt tief liegt, sich weniger
                              leicht fährt, als eines bei welchem der Schwerpunkt hoch liegt.
                           Die Anschaffung- und Unterhaltungskosten der Federn sind dabei auch ein
                              beachtenswerther Umstand. Hr. Fusz bringt deßhalb selbst Gypswagen in Vorschlag, bei denen die
                              Federn weggelassen werden sollen.
                           Wenn man die Bewegung eines Wagens mit Federn aufmerksam beobachtet, so entdeckt man
                              sehr merkliche verticale und seitliche Erschütterungen, aus denen man schließen
                              kann, daß die Dimensionen der Holz- und Eisentheile so reducirt sind, daß sie
                              die nöthige Dauer für die Länge nicht haben. Abgesehen von den Federn, der Art der
                              Bremsung und von den Abweisern – Erfindungen des Hrn. Fusz – findet man an dem Wagen desselben
                              praktische Anordnungen, welche zwar in gewissen Fällen schon früher angewandt
                              wurden, die aber Hr. Fusz
                              sinnreich benützte. Die Zeugnisse, welche er besitzt, sprechen für sein System, und
                              es wäre zu wünschen, daß dasselbe häufiger angewandt würde, damit die Vortheile,
                              welche daraus hervorgehen sollen, sich auch durch die Erfahrung bewähren können.
                           
                        
                           Erklärung der Abbildungen.
                           Fig. 9
                              Seitenansicht des Gypswagens.
                           Fig. 10
                              verticaler Querdurchschnitt.
                           
                           Fig. 11
                              Gabeldeichsel im Grundrisse.
                           Fig. 12 eine
                              viertheilige Feder, besonders gezeichnet.
                           Dieselben Buchstaben bezeichnen in allen Ansichten denselben Gegenstand.
                           a, a eiserner Bügel oder Bogen, der durch eine Unterlage
                              von Eschenholz verdoppelt ist.
                           b, b Vereinigungspunkte dieses Bogens mit den Tragbäumen
                              c, c des Wagens.
                           d, d Räder von 2,50 Meter Durchmesser. e Radachse.
                           f, f vierfache Federn, durch die Bänder g, g vereinigt, und einerseits an dem eisernen Bogen a, andererseits an den Trägern h befestigt, welche auf die Achse geschraubt sind. Von den vier Federn
                              liegen zwei auf jeder Seite des Wagens.
                           k, k Hängeschienen, die oben an den Bogen a und unten an die Tragbäume c,
                                 c befestigt sind.
                           l Kasten für die Ladung.
                           m, m Rollen, welche an den Deichselarmen befestigt sind
                              und über welche eine Schnur n geht, die an den Hebel o angebunden ist, mit welchem man eine Zugstange in
                              Verbindung bringt, die eine Platte p trägt, welche gegen
                              den Radreif drückt und als Bremse dient.
                           r Ring an der Schnur n,
                              welcher an dem Kummet befestigt wird. Sobald der Wagen bei einem Abhange einlaufen
                              und dem Pferde vorauseilen will, spannt sich die Schnur n an und wirkt dann auf die Bremsen p.
                           Fährt der Wagen hingegen auf ebener Straße, so können sich die Räder frei bewegen und
                              die Bremse ist außer Thätigkeit.
                           i, i Abweisevorrichtungen oder Flügel, welche eine
                              schiefe Ebene bilden und an den Tragbäumen befestigt sind. Sie haben die Bestimmung
                              das Hängenbleiben der Wagen an einander zu vermeiden.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
