| Titel: | Ueber die Vortheile des Gehalts des Trinkwassers an doppelt-kohlensaurem Kalk und die Nachtheile seines Gehalts an andern Kalksalzen; von Alph. Du Pasquier-. | 
| Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. LXXXVII., S. 469 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXXXVII.
                        Ueber die Vortheile des Gehalts des Trinkwassers
                           an doppelt-kohlensaurem Kalk und die Nachtheile seines Gehalts an andern
                           Kalksalzen; von Alph. Du
                              Pasquier-.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1846 Nr.
                              1021.
                        Du-Pasquier, über die Vortheile des Gehalts des Trinkwassers
                           an doppelt-kohlensaurem Kalk.
                        
                     
                        
                           Ich las mit um so größerm Interesse die Abhandlung des Hrn. Boussingault über die Knochenbildung beim
                              Schweine,Man vergl. S. 421 in diesem Bande des polytechn. Journals. weil das Resultat seiner schönen Arbeit meine schon längst geäußerten
                              Ansichten über das Trinkwasser vollkommen bestätigt, und im Widerspruch steht mit
                              der Meinung vieler, daß jenes Wasser als das beste zu
                                 betrachten sey, welches die wenigsten mineralischen Bestandtheile aufgelöst
                                 enthält.
                           Hr. Boussingault überzeugte
                              sich durch Versuche mit jungen Schweinen, daß das Wasser dem Organismus, namentlich
                              zur Knochenbildung, einen großen Theil des erforderlichen Kalks liefert, welcher in
                              den Nahrungsmitteln nicht in hinreichender Menge vorhanden ist. Er mußte daher die
                              in den meisten Wässern enthaltenen Kalksalze für sehr
                                 nützlich, wo nicht als absolut nothwendig erklären, woraus folgt, daß die am wenigsten Kalksubstanzen führenden Wässer bei
                                 weitem nicht die besten für die Gesundheit sind.
                           Schon seit acht Jahren bekämpfte ich obige irrige Ansicht, besonders in meiner
                              Schrift über das Quell- und Flußwasser.Traité des eaux de source et des eaux de
                                       rivière 1838–1839.
                              
                           Das absolut reine, destillirte Wasser ist nicht angenehm zu trinken, hat einen faden
                              Geschmack, drückt außerdem, wie die Erfahrung lehrt, auf den Magen und macht zu
                              Indigestionen geneigt. Doch tragen nicht alle im Wasser enthaltenen fremdartigen
                              Bestandtheile zu seiner Trinkbarkeit bei, einige davon theilen ihm schädliche Eigenschaften mit.
                           Zu den nützlichen Bestandtheilen gehören: 1) der Sauerstoff aus der Atmosphäre; 2) die Kohlensäure, welcher, als Bestandtheil des
                              Trinkwassers, die gehörige Aufmerksamkeit noch nicht geschenkt wurde; 3) das Chlornatrium (Kochsalz), von welchem die tägliche
                              Erfahrung lehrt, daß es die Verdauung anregt; endlich 4) 
                              der doppelt-kohlensaure Kalk, welchem ich den
                              ersten Rang unter den nützlichen Bestandtheilen einräume.
                           Zu den schädlichen Substanzen hingegen zähle ich: die
                              organischen Stoffe, besonders im Zustand der Fäulniß; 2) den
                                 schwefelsauren Kalk (Gyps); 3) die übrigen
                                 Kalksalze, wie salzsauren und salpetersauren
                                 Kalk, wenn sie in etwas reichlicher Menge vorhanden sind.
                           Hierin stehe ich mit Hrn. Boussingault in scheinbarem Widerspruch. Derselbe hatte nämlich bei
                              seiner Untersuchung nur den Einfluß der Mineralsubstanzen auf die Knochenbildung im
                              Auge, und mußte daher die Kalksalze im Ganzen genommen als die erdige Basis der
                              Knochen liefernd betrachten. Ich hingegen, da meine Untersuchung auf das Trinkwasser
                              gerichtet war, mußte die Kalksalze (mit Ausnahme des doppelt-kohlensauren
                              Kalks), obgleich sie zur Knochenbildung dienen können, für schädlich erklären, weil
                              sie das Wasser gypshaltig machen, d.h. sich schwer in den Magen legen, die Seife zersetzen und das Gemüse beim
                                 Kochen hart machen, was dessen Verdauung sehr erschwert. Ein Wasser kann
                              sogar sehr viel doppelt-kohlensauren Kalk enthalten (die Mineralwässer
                              ausgenommen) und wird beim Eingießen von Seifenauflösung doch nur opalisiren, aber keine Klümpchen von unlöslicher Kalkseife
                                 bilden; es hat alle oben angeführten Fehler nicht, regt vielmehr die Verdauung an, wie das kohlensaure Natron und liefert das
                              Material zur Knochenbildung, wie nicht nur daraus zu schließen ist, daß dieses Salz
                              in der Regel 3/4 oder 4/5 der Kalkverbindungen im Wasser ausmacht, sondern auch
                              daraus, daß es sich am leichtesten zu assimiliren
                                 scheint. Der kohlensaure Kalk beträgt nämlich 1/5 von den mineralischen
                              Bestandtheilen der Knochen und der phosphorsaure Kalk ungefähr 4/5 letzterer ist
                              aber ein basisches Salz, welches seinen Kalküberschuß
                              leichter aus dem doppelt-kohlensauren Kalk einem leicht zersetzbaren Salz,
                              als aus einem neutralen Kalksalz mit mächtiger Säure, z.B. dem schwefelsauren Kalk,
                              schöpfen kann.
                           Um den doppelt-kohlensauren Kalk im Wasser zu entdecken, ist die alkoholische Tinctur des Campecheholzes das
                              empfindlichste Reagens; die kleinsten Spuren dieses Salzes werden durch dieselbe
                              nachgewiesen, ohne daß die anderen Kalksalze auf dieses Reagens einwirken. Das
                              oralsaure Ammoniak, dessen man sich gewöhnlich bedient, fällt den Kalk aus allen
                              seinen Verbindungen und läßt daher über das in dem zu prüfenden Wasser
                              vorherrschende Salz in Ungewißheit.
                           
                           Man bereitet obige Tinctur, kalt oder warm, aus frisch geschnittenem, gelblichem Campecheholz. Ist letzteres dunkelroth, so hat
                              es sich durch die Einwirkung der Luft oder der Feuchtigkeit schon verändert und
                              liefert kein gutes Reagens mehr. Der Alkohol muß mit dem Färbestoff wohl gesättigt
                              werden, so daß die Flüssigkeit eine dunkelbraune Farbe besitzt. – Man bringt
                              3–4 Tropfen davon in ein Glas voll Wasser; wenn es die mindeste Spur von
                              doppeltkohlensaurem Kalk enthält, so nimmt es eine schöne
                                 violette Farbe an, und zwar eine um so dunklere, je mehr es von dem Salz
                              enthält. In reinem, oder mit einer Auflösung eines andern Kalksalzes versetztem
                              destillirten Wasser bringt das Reagens nur eine schwache gelbe
                                 Färbung hervor; dasselbe ist der Fall bei Wasser, welches anfangs
                              Kalk-Bicarbonat enthielt, das man aber so lange kochen ließ, daß jenes
                              Kalksalz vollkommen zersetzt wurde, deßgleichen, wenn man das Kalksalz mit ein paar
                              Tropfen irgend einer Säure sättigte. Der doppeltkohlensaure Kalk wirkt demnach
                              allein auf den Färbestoff (das Hämatin), gleich den Alkalien.
                           Daß das kohlensaure Kali und Natron ebenso auf die Campecheholz-Tinctur
                              reagiren, vermindert ihren Werth als Reagens auf das Kalk-Bicarbonat nicht,
                              da bekanntlich jene Salze im Wasser nicht (?) vorkommen. Sollte übrigens einmal der
                              Fall eintreten, daß hierüber ein Zweifel entstünde, so brauchte man das Wasser nur
                              kochen zu lassen, bis alles Kalk-Bicarbonat zersetzt ist; war nur letzteres
                              vorhanden, so wird das Wasser durch das Reagens bloß gelb gefärbt, violett aber,
                              wenn es nebenbei noch ein kohlensaures Alkali enthielt.
                           Ich habe also dargethan:
                           1) daß der doppelt-kohlensaure Kalk nicht mit den andern in den Trinkwassern
                              enthaltenen Kalksalzen verwechselt werden darf;
                           2) daß er als ein nützlicher Bestandtheil des Wassers betrachtet werden muß, weil er
                              das Verdauungsgeschäft befördert, gleich dem doppelt-kohlensauren Natron, und
                              überdieß hauptsächlich den Kalk zur Knochenbildung liefert;
                           3) daß der doppelt-kohlensaure Kalk im Wasser durch
                              Campecheholz-Tinctur leicht zu entdecken ist.