| Titel: | Ueber Begränzung der Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge; von den HHrn. Piobert und Sainte-Preuve. | 
| Fundstelle: | Band 102, Jahrgang 1846, Nr. LXIV., S. 337 | 
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                        LXIV.
                        Ueber Begränzung der Geschwindigkeit der
                           Eisenbahnzüge; von den HHrn. Piobert und Sainte-Preuve.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1846 Nr.
                              1069.
                        Piobert und Sainte-Preuve, über Begränzung der
                           Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge.
                        
                     
                        
                           Der Unglücksfall, dessen Schauplatz der Sumpf zu Fampoux war, mußte natürlich zu
                              Mittheilungen unserer Ingenieurs führen über die von der Mechanik dargebotenen
                              Mittel, in Zukunft solche Jammerscenen zu verhüten; und wirklich wurde dem Institut
                              und der Société d'Encouragement angezeigt,
                              daß diese Mittel gefunden seyen.
                           Hr. Morin, Mitglied der
                              Akademie der Wissenschaften, verlangte, daß alle Trains mit Apparaten versehen
                              werden, welche anzeigen, ob die Maschinenführer das ihnen durch die Reglements
                              vorgeschriebene Maximum der Geschwindigkeit überschritten haben. Sein College, Hr.
                              Piobert, wollte, daß man
                              weiter gehe und sich nicht damit begnüge, zu wissen, ob dieses Maximum überschritten
                              worden sey; sondern daß man einen Indicator habe, der alle auf den verschiedenen
                              Punkten der Bahn erreichten Geschwindigkeiten aufzeichne; aber auch diese genügen
                              ihm noch nicht; vorzüglich wünscht er Begränzer (limitateurs), d.h. Apparate, die unabhängig von dem
                              Willen des Maschinenführers, verhindern, daß die vorgeschriebene Geschwindigkeit
                              überschritten werde; drittens bemerkt Hr. Piobert, daß beim Fahren über Viaducte, Erddämme, Krümmungen und
                              alle andern gefährlichen Stellen, kein so hohes Maximum der Geschwindigkeit
                              angenommen werden dürfe als in den geraden Theilen der Bahn und in der Ebene. Es
                              sind folglich begränzende Apparate nothwendig, welche der
                              Geschwindigkeit an jeder Stelle die entsprechende Gränze von selbst setzen.
                           Das Problem, um welches es sich hier handelt, war hiemit von Hrn. Piobert vollkommen angegeben, es ist
                              aber nicht bekannt worden, daß er zu dessen Lösung durch Aufsuchung der praktischen
                              Mittel beigetragen habe.
                              Schon mehrere französische und englische Ingenieure hatten indessen in
                              Erfindungspatenten, in Druckschriften, in den Eisenbahndienst betreffenden
                              Reglements, die beiden Grundprincipien der mechanischen Beschränkung der
                              Geschwindigkeit und der localen Beschränkung derselben durch die Wirkung an dem
                              Boden befestigter Organe niedergelegt.
                           So hatten die englischen Ingenieurs eine dritte Schiene angewandt oder mit
                              Abbildungen beschrieben, welche auf irgend einem Punkte der Bahn einem an der
                              Locomotive angebrachten Röllchen ein schwaches Hinderniß in den Weg legt, dieses
                              Röllchen zum Drehen bringt und dabei in die Höhe hebt und so die theilweise
                              Verschließung des Hahnes bewirkt, welcher den Uebergang des bewegenden Dampfes aus
                              dem Kessel in den Pumpenstiefel der Maschine vermittelt. Andere Ingenieurs brachten
                              am Rande der Bahn verschiedene Organe an, die, auf einen von der Locomotive
                              getragenen Hebel wirkend, ebenfalls die ganze oder theilweise Verschließung des
                              Dampfüberganges zur Folge haben. Allerdings, wir wiederholen es, findet hier das
                              Doppelprincip der localen Beschränkung statt; allein es fehlt noch viel zur Lösung
                              des Piobert'schen Problems.
                           Hr. Sainte-Preuve,
                              welcher sich schon seit dem J. 1843 mit diesem Gegenstand beschäftigt, ging in
                              Details der Ausführung ein, welche in seinen Mittheilungen an das Institut und die
                              Société d'Encouragement niedergelegt
                              sind.
                           Ich wollte, sagt derselbe, die Geschwindigkeit durch das Spiel mechanischer Organe
                              begränzen, welche von den auf den Locomotiven befindlichen Maschinenführern
                              unabhängig sind, und nehme diese Gränze so, wie die Polizei-Reglements sie
                              vorschreiben sollen. Möchte doch eine Verordnung, wie dieß auch Hr. Piobert wünscht, geradezu
                              vorschreiben, daß beim Befahren einer Krümmung, irgend einer gefährlichen Stelle,
                              die Geschwindigkeit auf die halbe, das Drittheil oder jeden andern Bruchtheil des
                              gegenwärtig allgemein vorgeschriebenen Maximums von 36 Kilometern reducirt werde,
                              und die mechanischen Organe, welche ich gegenwärtig verfertigen lasse, werden dann
                              in der That das Spiel der Locomotive und die geeignete Bewegung jedes Waggons
                              innerhalb dieser örtlichen Begränzung halten.
                           Wenn die englischen Ingenieure den Uebergang eines Theils des von dem Dampfkessel
                              kommenden Dampfes durch die Wirkung einer dritten Schiene oder durch sonst ein an
                              dem Boden befestigtes mechanisches Mittel aufhalten, so erfüllen sie hiemit nur einen Theil
                              des Erfordernisses. Damit diese theilweise, begränzte Abschließung die geeignete
                              Verminderung der Geschwindigkeit an der jeweiligen Stelle, wo sich der Train
                              befindet, sicher bewirken könnte, müßte die Ladung dieses Trains immer dieselbe
                              seyn, und es dürften die Widerstände durch die Reibung an den Schienen, durch
                              Einwirkung des Windes, nicht verschieden seyn, wie sie es beständig sind; endlich
                              müßte auch die Hitze im Feuerraum, die Dampfbildung sich immer gleich bleiben. Weit
                              davon entfernt aber, verändern sich die Elemente des Widerstandes und der Kraft
                              beständig. Diese Lösung des Problems ist mithin ungenügend.
                           Abgesehen von dieser localen Beschränkung der Geschwindigkeit (welche übrigens auch
                              auf andere Weise erreicht werden kann, als nach Angabe der englischen Ingenieure),
                              muß aber auch auf ebenen Stellen ohne Curven die Geschwindigkeit des Zuges
                              unabhängig vom Locomotivführer beschränkt werden, d.h. es muß locale Organe und Geschwindigkeits-Organe geben.
                           1) Organe der Geschwindigkeit. Jedermann kennt die
                              Regulatoren mit Centrifugalkraft, deren man sich zur Beschränkung der
                              Geschwindigkeit bei stationären Dampfmaschinen bedient; auch besitzen wir jetzt von
                              Molinié einen Blasebalg-Regulator,
                              welcher bereits in vielen Werkstätten den Watt'schen
                              Regulator verdrängte; endlich ist aus Poncelet's Werken die Beschreibung eines von ihm erdachten
                              Moderators (Regulators) mit Metallfeder, comprimirter Luft etc. bekannt, welcher die
                              beiden obigen ersetzen kann. Nun läßt sich jeder dieser Moderatoren offenbar auf
                              Locomotiven eben so gut anwenden, wie bei stehenden Dampfmaschinen; durch Riemen
                              oder auf andere Weise mit den Achsen der Wägen in Verbindung gesetzt, können sie den
                              Dampfübergang vollkommen absperren, sobald die Geschwindigkeit der Räder das in den
                              Reglements vorgeschriebene Maximum erreicht. In seltenen Fällen, bei nur kurzen
                              Eisenbahnlinien, die gar keine gefährlichen Stellen haben, braucht nur ein einziges
                              Geschwindigkeits-Maximum vorgeschrieben zu seyn, und die Geschwindigkeits-Organe reichen zur Begränzung
                              hin; in den gewöhnlichen Fällen aber ist, wie unten gezeigt werden wird, ihre
                              Wirkung mit derjenigen der örtlichen Organe zu
                              verbinden.
                           2) Oertliche (locale) Organe. Angenommen es sey die von
                              den englischen Ingenieuren vorgeschlagene dritte Schiene vorhanden, so modificirt
                              Hr. Sainte-Preuve durch
                              die Wirkung des an dieser Schiene sich reibenden Röllchens die Ausdehnung des von
                              dem Dampfhahn unter dem
                              Einfluß des Geschwindigkeits-Moderators zu machenden Spiels in der Art, daß
                              dieses je nach der vom Train erreichten Stelle mehr oder weniger reducirte Spiel die
                              Geschwindigkeit in dem durch die Dimensionen der dritten Schiene an dieser Stelle
                              bestimmten Grade beschränkt. – Ohne hierauf näher einzugehen, erwähnen wir
                              noch, daß Hr. Sainte-Preuve in Uebereinstimmung mit dem Civilingenieur Hrn.
                              Giraut die Möglichkeit
                              aussprach, die dritte Schiene durch die beiden gewöhnlichen zu ersetzen. Die Reibung
                              der Wagenräder oder eines besondern mit Holz überzogenen Röllchens kann eine Art
                              Zählvorrichtung in Gang setzen, welche an irgend einer Stelle der Bahnlinie den
                              Mechanismus functioniren macht, der die Rolle der localen Organe versieht. Indessen
                              anerkennt Hr. Sainte-Preuve selbst, daß dieß ein sehr subtiler Apparat wäre
                              und scheint seiner nur Erwähnung gemacht haben zu wollen.
                           Ist nun das zweifache Spiel der örtlichen und der Geschwindigkeits-Organe
                              einleuchtend, so müssen wir noch eines neuen, von Hrn. Sainte-Preuve mitgetheilten
                              Geschwindigkeits-Organes, eines neuen Moderators, erwähnen, welcher sich von
                              denen Watt's, Molinié's und Poncelet's dadurch unterscheidet,
                              daß er nicht mit den Achsen der Waggons in Verbindung gesetzt zu werden braucht, was
                              den Mechanismus sehr vereinfacht und Störungen nicht so leicht möglich macht. Dieser
                              neue Moderator, welcher bei stehenden Dampfmaschinen keine Anwendung fände, besteht
                              in einer Art Pendel, welches zur Senkrechten eine mehr oder weniger große Neigung
                              annimmt, je nachdem die Geschwindigkeit des Trains größern Wechsel erfährt, und
                              folglich den Dampfhahn oder die Klappe mehr oder weniger zu verschließen vermag.
                              Dieser, dem Gesetze der Trägheit entsprechenden Wirkung, welche aus dem fraglichen
                              Moderator ein ganz neues mechanisches Organ macht, würde sich der Widerstand der
                              Luft beigesellen, wenn das Trägheitspendel nicht in einem Kasten eingeschlossen
                              wäre, um es gegen die veränderliche Einwirkung der Luft zu schützen.