| Titel: | Miscellen. | 
| Fundstelle: | Band 102, Jahrgang 1846, Nr. , S. 163 | 
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                        Miscellen.
                        Miscellen.
                        
                     
                        
                           Nach einem neuen Princip erbaute Locomotiven.
                           Von dem k. k. Hauptmann Fr. Freisauff v. Neudegg,
                              gewesenem Lehrer der Prinzen Söhne des erlauchten Erzherzogs Karl in den
                              Kriegswissenschaften, ist ein Bewegungsprincip zur Bewirkung einer vollkommenern fortschreitenden Bewegung der
                              Schienenbahn-Trains auf ebenen und geneigten Bahnen erfunden und als
                              praktisch erprobt worden. Der berühmte Mechaniker und Techniker Günther zu Wiener-Neustadt, aus dessen dortiger
                              Locomotivenfabrik die meisten von den im Betrieb der südlichen Staatsbahn
                              befindlichen Dampfwagen hervorgehen, hat sich für die vollkommene Leistungsfähigkeit
                              der nach diesem Princip erbauten Locomotiven ausgesprochen und den Bau von
                              dergleichen Dampfwagen auf eigene Rechnung und Haftung übernommen. Dieses so
                              scharfsinnige wie einfache Bewegungsprincip beruht auf der vollkommenen
                              Unabhängigmachung der fortschreitenden Bewegung eines ganzen
                              Schienenbahn-Trains von der Größe der Adhäsion der Treibräder des Dampfwagens
                              an die Schienen, und Umgestaltung der Wagenräder zu Treibrädern mittelst der
                              Uebertragung der bewegenden Kraft des Dampfwagens auf ihre Achsen und der hiedurch
                              bewirkten Fortbewegung durch ihre eigene Adhäsion. Durch die somit bewerkstelligte
                              Locomotivwerdung jedes einzelnen Wagens eines Trains,
                              welcher sich von der eigentlichen Locomotive nur dadurch unterscheidet, daß die
                              bewegende Kraft nicht selbständig wirkend auf ihm angebracht ist, sondern von dieser
                              durch Uebertragung gewonnen wird, kann der Train jede
                              Steigung der Bahn bewältigen, welche der eigentliche Dampfwagen allein, je nach dem
                              Adhäsionsvermögen seiner Treibräder, d.h. je nach dem Verhältniß der durch die
                              Bahnsteigung bewirkten Verminderung des Drucks desselben auf die Schienen,
                              zurückzulegen vermag. Den über die gleitende Reibung angestellten Versuchen zufolge
                              beträgt diese Steigung, welche ein nach dem erwähnten Princip bewegter Train
                              zurücklegen kann, drei bis vier Zoll auf die Klafter (= 3 bis 4' auf 72'), was ein
                              Verhältniß ist womit man selbst bei der Führung von für die Befahrung mit
                              gewöhnlichen Wagen bestimmten Bergstraßen ausreicht. Betreffs der Sicherheit bei der
                              Thalfahrt solcher Trains ist vom Erfinder eine Bremsvorrichtung erdacht und erprobt
                              worden, die den erforderlichen Widerstandspunkt außerhalb
                              der Bahn hat, so daß ein einziger Trainlenker den stärksten Wagenzug der Thalfahrt
                              ganz gefahrlos zu leiten und durchwegs eine gleichförmige Geschwindigkeit zu
                              behaupten im Stande ist. Die in der Günther'schen
                              Dampfwagenfabrik zu Wiener-Neustadt nach diesem Freisauff'schen Princip erbaute Probe-Locomotive vermag als Minimum
                              ihrer Leistungsfähigkeit auf einer Steigung von 1/40 eine Brutto-Last von
                              1200 Centn. mit einer Geschwindigkeit von wenigstens anderthalb deutschen Meilen
                              auf- und abwärts vollkommen gefahrlos fortzuschaffen. Die aus einer zu
                              geringen Adhäsion der Locomotiv-Treibräder erwachsenen Gebrechen und
                              Schranken des Schienenbahnbetriebs scheinen somit gänzlich beseitigt, und gemäß
                              diesem Freisauff'schen Bewegungsprincip für jede
                              beliebige Last die zu ihrer Fortschaffung erforderliche Adhäsionsstärke zu Gebot zu
                              stehen. Ob der atmosphärische Schienenbahnbetrieb, mit
                              dessen Einführung vornehmlich behufs der Bergfahrt man hie und da in Deutschland
                              umgehen soll, dieser Freisauff'schen Erfindung gegenüber
                              sich zu halten im Stande seyn dürfte, ist eine Frage, deren Lösung die nächste
                              Zukunft bringen wird. (Allg. Ztg. Nr. 273.)
                           
                        
                           Jones' Apparat zum Concentriren der Schwefelsäure.
                           Beim gewöhnlichen Verfahren die Schwefelsäure in gläsernen Retorten zu concentriren,
                              geschieht es nicht selten, daß dieselben springen, besonders wenn man nicht besorgt
                              ist, eine hohe Temperatur im Laboratorium zu unterhalten, um zu verhindern, daß auf die stark
                              erhitzten Retorten kalte Luftströme einwirken. Um diesem Uebelstand zu begegnen,
                              befolgt Eden Jones zu Bristol folgendes Verfahren,
                              welches er sich am 27. Nov. 1845 Patentiren ließ: er benutzt ein Gefäß (einen Hut),
                              Protector genannt, aus Eisenblech oder Steinzeug, von cylindrischer oder beliebiger
                              Form, welches die Glasretorte vollkommen einhüllt und 4 bis 5 Zoll weiter und höher
                              als dieselbe ist, so daß also die gläserne Retorte während der Operation in einer
                              Atmosphäre von heißer Luft eingeschlossen ist. Dieses (zwar nicht neue, aber doch
                              nicht allgemein bekannte) Verfahren hat den Vortheil, daß die Schwefelsäure in
                              kürzerer Zeit und mit geringerem Aufwand von Brennmaterial concentrirt werden kann
                              und die gläsernen Retorten länger dauern. (London Journal of
                                 arts, Jul. 1846, S. 420.)
                           
                        
                           Ueber ökonomisch vortheilhaftere Verwendung des
                              Rhamninextracts gegen Gelbholz- und Quercitronextract in der Druck-
                              und Färbekunst; von Dr. W. H. v. Kurrer.
                           Im zweiten Augustheft dieses Journals (Bd. CI S. 300) habe ich die Art und Weise
                              auseinandergesetzt, wie Rhamninextract statt der im Preise so hochstehenden
                              levantischen Gelbbeeren in der Druck- und Färbekunst verwendet werden kann,
                              ohne der vergleichenden Versuche zu gedenken, wie sich dieses neue Farbmaterial im
                              Preise bei der Verwendung gegen Gelbholz- oder Quercitronextract verhält, das
                              ich nun hier beleuchten will. Vom Rhamninextract mit 20 Proc. Wassergehalt kommen
                              die 100 Pfd. Wiener Gewicht auf 90 Gulden Conventionsmünze zu stehen, während vom
                              Gelbholzextract bei uns die 100 Pfd. 135 Gulden Conventionsgeld kosten. Da nun
                              ersterer reichhaltiger an gelbem Pigment als letzterer ist, und außerdem damit auch
                              schönere und dauerhaftere Farben erzeugt werden, so ergibt sich, daß der
                              Rhamninextract in doppelter Hinsicht einen entschiedenen Vorzug vor dem
                              Gelbholzextract verdient, einmal: weil weniger davon für die Darstellung der
                              verschiedenen Farben erforderlich wird, das anderemal: weil die Farben viel
                              lebhafter und dauerhafter erhalten werden, auch sich die gelbe Farbe auf Schafwolle
                              durch längere Einwirkung der Luft und des Lichts nicht bräunt.
                           In Hinsicht auf die Verwendung des Quercitronextracts, welcher nur 40° B.
                              stark im Handel vorkommt, während Rhamninextract nicht mehr als 20 Proc. Wasser
                              beigemischt enthält, tritt in ökonomischer Beziehung ganz dasselbe Verhältniß wie
                              bei der Verwendung des Gelbholzextracts ein. Vergleichende Versuche, welche darüber
                              in böhmischen und preußischen Kattundruckereien angestellt wurden, haben als
                              Resultat ergeben, daß eine Maaß Druckfarbe (Dampfgelb oder Dampfgrün) mit
                              Quercitronextract fast um die Hälfte des Preises theurer zu stehen kommt, als die
                              mit Rhamninextract bereitete. Es liefert dieses den evidentesten Beweis, daß der
                              Rhamninextract einen entschiedenen Vorzug vor Gelbholz- oder
                              Quercitronextract in der Zeugdruckerei einzunehmen vermag.
                           Was den Rhamninextract noch gegen levantische oder persische Gelbbeere anbelangt, so
                              stellt sich das Verhältniß im Ersparen des Preises zu Gunsten des Extracts bei den
                              verschiedenen Dampfdruckfarben für Baumwollen-, Halbwollen- und Mousseline de laine-Fabricate von 35 bis 50 Proc.
                              Gewinn dar.
                           
                        
                           Vervollkommnung des Otto'schen Verfahrens zur Bereitung der explosiven Baumwolle.
                           Mit der Bereitung explosiver Baumwolle nach dem Verfahren des Professors Otto beschäftigt, haben wir uns bemüht, eine bequemere
                              und weniger kostspielige Darstellungsart der, in so bedeutender Menge
                              erforderlichen, höchst concentrirten Salpetersäure zu finden. Denn da eine
                              hinlänglich schnelle und vollständige Durchtränkung der so lockeren Baumwolle eine
                              große Menge der mit Mühe bereiteten Säure in Anspruch nimmt, die aus der Baumwolle wieder
                              ausgepreßte Säure aber einen großen Theil ihrer Wirksamkeit verloren hat, wodurch
                              die Kosten zu einer exorbitanten Höhe heranwachsen, so besteht für jetzt die
                              Hauptaufgabe darin, in dem Verbrauche der Salpetersäure Beschränkungen und in ihrer
                              Gewinnung Vereinfachungen anzubringen. Wir haben nun gefunden, daß man sich zu dem
                              vorliegenden Zwecke der gewöhnlichen im Handel vorkommenden rauchenden Salpetersäure
                              bedienen kann, wenn man ihr eine kleine Menge rauchendes Vitriolöl zusetzt, wodurch
                              sie, in Folge von Wasserentziehung, augenblicklich zu dem erforderlichen Grade von
                              Concentration gelangt. Nach unsern, freilich erst eintägigen Erfahrungen, ist ein
                              Raumtheil Vitriolöl hinreichend, um drei bis vier Raumtheile rauchende Salpetersäure
                              hinlänglich zu entwässern. Es versteht sich, daß die Säuren aufs innigste gemengt
                              werden müssen, weil sonst das in Folge der größeren Schwere zu Boden sinkende
                              Vitriolöl eine Zersetzung der Baumwolle bedingen könnte. Die aus der Baumwolle
                              wieder ausgepreßte Säure ist nun keineswegs verloren, sondern kann durch neuen
                              Zusatz einer kleinen Menge Vitriolöl auf den vorherigen Concentrationsgrad
                              zurückgebracht, und so mehreremale wieder benutzt werden. Wie viele Male eine solche
                              Auffrischung der gebrauchten Säure zulässig seyn wird, müssen fernere Erfahrungen
                              zeigen. Würde nun die Baumwolle nach der Tränkung zwischen einem Paar kleiner Walzen
                              von geeignetem Material (etwa Platin) stark ausgepreßt, so würde sich der Verbrauch
                              an Salpetersäure wahrscheinlich auf ein Minimum reduciren lassen. Ein im höchsten
                              Grade explosives Präparat haben wir gewonnen, als die in der gemischten Säure
                              behandelte, ausgewaschene und getrocknete Baumwolle zum zweitenmale in derselben,
                              nur mit ein wenig Vitriolöl aufgefrischten Säure getränkt wurde. Vorläufige
                              Schießversuche mit der von uns präparirten Baumwolle haben sehr befriedigende
                              Resultate gegeben.
                           Hannover, den 13. October 1846.
                           Direktor Karmarsch. Dr. Heeren.
                           Durch die Vermittlung der HHrn. Sellier in Leipzig ist mir Gelegenheit geworden, in Schönebeck Theil
                              zu nehmen an Versuchen zur Darstellung größerer Mengen des interessanten explosiven Präparats. Der Besitzer der renommirten
                              chemischen Fabrik zu Schönebeck hatte für diese Versuche das Erforderliche zur
                              Verfügung gestellt, und die HHrn. A.
                                 Rose und Bering
                              haben mit der aufopferndsten Güte, für welche ich denselben den innigsten,
                              herzlichsten Dank sage, die Versuche mit mir ausgeführt. Bei der Bereitung des
                              Präparats durch Einlegen der Baumwolle in rauchende Salpetersäure zeigte sich der
                              von mir schon öfter hervorgehobene Uebelstand: daß die Masse im Wasser sich
                              schwierig zertheilen läßt und sich verfilzt, im hohen Grade, wenn nur irgend
                              beträchtliche Mengen auf einmal ins Wasser gebracht wurden. Dieser Uebelstand
                              verschwand sofort, als, anstatt der reinen Salpetersäure, ein Gemenge aus
                              Salpetersäure und Schwefelsäure angewendet wurde, wie es gleichzeitig von Knop in Leipzig und Heeren und
                              Karmarsch in Hannover empfohlen worden ist. Wir haben
                              in das Gemenge aus gleichen Gewichtstheilen der beiden Säuren so viel Baumwolle
                              gegeben, als davon getränkt werden konnte, sie nach einigen Minuten ausgepreßt, dann
                              den Preßrückstand in ein Faß mit Wasser geworfen, welches durch Rührhölzer in
                              Bewegung gesetzt wurde, und es ist nie eine Spur von Verfilzung wahrzunehmen
                              gewesen. Das gut ausgewaschene und gehörig getrocknete Präparat war von nicht
                              explosiver Baumwolle kaum zu unterscheiden und zeigte sich äußerst kräftig. In die
                              einmal benutzte Säure haben wir ein zweites- und drittesmal Baumwolle
                              gebracht und dadurch ein anscheinend nicht minder kräftiges Präparat erzielt. Die
                              genutzte Säure und die Waschwässer kamen in die Schwefelsäurekammer. Die Anwendung
                              der Schwefelsäure bei der Fabrication der explosiven Baumwolle ist ein überaus
                              wichtiger Fortschritt, und ich freue mich, daß es sobald so gekommen, wie ich in den
                              ersten Mittheilungen sagte, wo ich nämlich hervorhob, daß die Resultate einer
                              Entdeckung sehr schnell zur Vollkommenheit gelangen, wenn sich Viele mit derselben
                              beschäftigen. Die Bereitung der explosiven Baumwolle läßt sich unter Anwendung von
                              Schwefelsäure so bequem und leicht ausführen und ist dabei so billig, daß gewiß
                              binnen nicht sehr langer Zeit sehr große Quantitäten des explosiven Präparats werden
                              dargestellt werden.
                           In Beziehung auf die Benutzung des Präparats zum Werfen von Projectilien aus Gewehren
                              will ich mir die folgende Bemerkung erlauben. Wenn man eine kleine Menge des Präparats auf
                              einem Teller abblitzen läßt, so bleibt kein Rückstand oder doch nur ein kaum
                              bemerkenswerther Anflug eines solchen. Verbrennt man aber auf derselben Stelle
                              wiederholt kleine Kügelchen, so findet man doch, daß einzelne Partikelchen
                              unverbrannt umhergestreut wurden, welche den Schaben in Papieren gleichen. Bringt
                              man dann einen Tropfen Wasser auf die Stelle, so reagirt dasselbe als Säure auf
                              Lackmuspapier. Ein, wenn auch schwacher, säuerlicher Dunst tritt auch bei dem
                              Aufblitzen auf. Verbrennt man wiederholt kleine Theilchen des Präparats auf der
                              Hand, so färbt sich allmählich die Haut gelb, und läßt man eine geringe Menge
                              desselben in einer Glasröhre explodiren, so entstehen im Innern derselben röthliche
                              Dämpfe. Dieß alles deutet an, daß bei dem Verbrennen das Präparats
                              Stickstoff-Oxyd gebildet wird, welches dann mit der feuchten Luft
                              Salpetersäure gibt. Man wird also mit der größten Sorgfalt zu untersuchen haben, ob
                              durch sehr oft wiederholtes Schießen ein beachtenswerther Ansatz sich in den
                              Gewehren bildet, und ob durch diesen das Metall angegriffen wird. Möglich auch, daß
                              es weit schwieriger ist, als man glaubt, die letzten Antheile der Säure
                              auszuwaschen, und daß die erwähnten Erscheinungen in einer Unvollkommenheit des
                              Präparats ihren Grund haben.
                           Dr. Otto.
                           Als ich explodirende Baumwolle nach der Vorschrift des Hrn. Dr.
                              Knop in Leipzig bereitete, nahm ich bei meinen Versuchen
                              wahr, daß wenn man zur Bereitung der Säuremischung statt der englischen, rauchende
                              Schwefelsäure anwendet, man viel weniger von letzterer Säure braucht. Die Reaction
                              der Einwirkung der Säuren auf die Baumwolle ist zwar stürmischer, und man bemerkt
                              sogar bisweilen eine Schwärzung der Masse, allein sie verschwindet wieder und
                              liefert beim Auswaschen dann ein völlig weißes Präparat, welches bei scharfem
                              Trocknen sich von außerordentlicher Wirksamkeit zeigte. Bei weiter fortgesetzten
                              Untersuchungen gelang es mir heute, auch dem feinen
                                 Flachse diese explodirende Eigenschaft zu ertheilen. Mein Verfahren ist
                              folgendes: ich vermische in einer Schale so schnell als möglich rauchende
                              Schwefelsäure mit rauchender Salpetersäure in dem Verhältnisse, daß ich ein Viertel
                              rauchende Schwefelsäure weniger anwende als rauchende Salpetersäure, bringe ferner
                              diese Mischung in einen Cylinder und lasse den Flachs 8 Minuten in der
                              Säuremischung, worauf der Flachs herausgenommen und so lange in gewöhnlichem Wasser
                              gewaschen wird, bis er das Lackmuspapier nicht mehr röthet, worauf derselbe wie die
                              Baumwolle gut getrocknet wird. Der so erhaltene Flachs brennt wie die explodirende
                              Baumwolle sehr schnell ab und läßt sich wie jene auch zum Schießen, wie Versuche
                              bewiesen, anwenden.
                           Dr. W. Artus,außerordentl. Professor in Jena.
                           (Hannover'sche Zeitung und Deutsche Allgem. Zeitung.)
                           
                        
                           Zur Geschichte der Schießbaumwolle.
                           Es war zu erwarten, daß das Verfahren des Hrn. Prof. Otto zur Bereitung der explosiven Baumwolle bald
                              auch auf andere Körper, welche im wesentlichen aus vegetabilischem Faserstoff
                              bestehen, angewandt werden wird. So hat Hr. Medicinalrath und Apotheker Dr. Bley in Bernburg bereits
                              das explosive Product mit Hobelspänen und Sägespänen, zumal weicher Holzarten,
                              dargestellt, welche – wie er in der Allgem. Preuß. Zeitung berichtet –
                              wenn sie mit rauchender Salpetersäure übergossen und hernach ausgewaschen und
                              getrocknet werden, ebenfalls die explodirende Eigenschaft besitzen, sich leicht
                              entzünden und im Feuergewehre, so wie bei Steinsprengungen das Pulver ersetzen.
                              – Dr.
                              Artus in Halle bereitete explosiven Flachs (siehe
                              oben).
                           Bald nachdem Hr. Pelouze in der
                              franz. Akademie der Wissenschaften auf den wahrscheinlichen Zusammenhang seiner
                              Untersuchung über das Xyloidin mit Schönbein's Entdeckung aufmerksam gemacht hatte (Comptes rendus vom 21. Septbr.), richtete ein Mechaniker
                              in Paris, welcher in Folge dieser Belehrung die Behandlung der Baumwolle mit rauchender
                              Salpetersäure versucht haben dürfte, folgendes arrogante Schreiben an die Redaction
                              des Moniteur industriel (Nr. 1074 vom 11. October 1846):
                              „Man beschäftigt sich im Publicum viel mit Versuchen, welche in
                                 England über ein neues Pulver angestellt wurden, dessen Basis die Baumwolle ist.
                                 Frühere Arbeiten, wovon ich nichts veröffentlichte (!), setzten mich in den
                                 Stand, auf der Stelle das Problem der Darstellung
                                 eines energischen Knallstoffs mit dem vegetabilischen Faserstoff, z.B.
                                 Baumwolle, Lein, Flachs, Holz etc. zu lösen. Um Frankreich den Besitz dieser
                                 Entdeckung zu sichern, habe ich ein Erfindungspatent genommen, welches alle
                                 Versuche, die man von nun an über diesen Gegenstand vornehmen wollte, unnütz
                                 macht. Ich habe der neuen Substanz (!) die Benennung Fulmi-coton (Knall-Baumwolle) beigelegt. Sie wird
                                 unverzüglich von den competentesten Personen geprüft werden; aber schon seit dem
                                 8. Octbr. hat die Akademie der Wissenschaften durch ihren beständigen Secretär,
                                 Hrn. Arago, über diesen
                                 Gegenstand eine Mittheilung erhalten. A. Morel.“
                              
                           Die Versuche, welche in Stanmore unter der Leitung des Hrn. Prof. Schönbein in Gegenwart des
                              Präsidenten der ostindischen Compagnie und vieler Officiere und Sachverständigen mit
                              der Pulverbaumwolle angestellt wurden, bewährten alle Eigenschaften derselben,
                              welche sie vor dem gewöhnlichen Schießpulver auszeichnen und die schon in der
                              wissenschaftlichen Versammlung zu Southampton erprobt wurden (man vergl. S. 86 im
                              vorhergehenden Heft des polytechn. Journals). Während eine mit 54 1/2 Gran
                              Salpeterpulver geladene Büchse eine Kugel bei einer Entfernung von 40 Yards durch 7
                              einen Zoll dicke Bretter jagte, trieb eine mit nur 40 Gran Pulverbaumwolle geladene
                              Büchse die Kugel durchs 8te Brett; bei einem zweiten Versuch mit einer frischen
                              Büchse schlug die Kugel sogar bei einer Entfernung von 90 Yards durch 8 Bretter. Die
                              mit der Schönbein'schen Schießbaumwolle im Woolwicher
                              Zeughause angestellten Experimente haben nach englischen Zeitungen für den Erfinder
                              den Auftrag herbeigeführt, eine größere Quantität derselben anzufertigen, womit in
                              Gegenwart des Comité Versuche mit schwerem Geschütz augestellt werden sollen.
                              Die Zeugen der mit Büchsen gemachten Versuche (wobei die Ladung auf das Minimum
                              reducirt war) versichern, daß weder Knall noch Rauch, noch ein
                                 Stoßen des Gewehrs bemerklich war, und daß sie überhaupt vom Schuß nichts
                              wahrgenommen, bis sie die Wirkungen der Kugel sahen.
                           Wie die Ober-Postamts-Zeitung aus Frankfurt a. M. vom 11. Oct.
                              berichtet, ist den beiden Professoren Dr. Schönbein und Dr. Böttger, den gemeinschaftlichen Erfindern der
                              Schießwolle, von Seiten des deutschen Bundes in der am 1. Oct. abgehaltenen 30sten
                              Sitzung für deren sowohl in staatlicher wie technischer Beziehung hochwichtige
                              Erfindung eine Belohnung von 100,000 Gulden für den Fall zuerkannt, daß dieselbe bei
                              der demnächst von der Militärcommission der Bundesversammlung unter Zuziehung der
                              Festungsbehörden von Mainz vorzunehmenden technischen Prüfung sich in jeder
                              Beziehung als geeignet bewährt, das Schießpulver nicht nur vollkommen zu ersetzen,
                              sondern auch noch mehrere Vortheile vor demselben darzubieten.
                           Hr. Dr. R. Böttger bezeichnet
                              in einer in der Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung vom 17. Oct.
                              eingerückten Erklärung in Bezug auf die Publication des Hrn. Prof. Otto, dessen Bereitungsart der
                              Schönbein-Böttger'schen Schießwolle als eine vermeintliche, wonach also das Verfahren der ersten Erfinder von Otto's Methode wesentlich
                              verschieden ist. Daß aber beide Producte hinsichtlich ihrer chemischen Constitution
                              verschieden sind (wie ein anonymer Artikel in der
                              Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung glauben machen will, worin Otto's Präparat als ein bloßes
                              Gemisch von Braconnot's
                              Xyloidin mit untermengten Fäserchen von Schönbein's und Böttger's Schießwolle erklärt wird), ist nicht wahrscheinlich, da
                              die nach Otto's Verfahren
                              bereitete Schießwolle, womit jetzt in ganz Deutschland geknallt wird, sich eben so
                              wirksam erweist als diejenige Schönbein's, und unter dem Mikroskop keinen Unterschied von guter
                              gewöhnlicher Baumwolle zeigt; übrigens kann diese Frage nur durch die
                              Elementar-Analysen entschieden werden.
                           
                              Δ
                              
                           
                        
                           
                           Ueber elektrisches Papier.
                           Bekanntlich hat Hr. Prof. Schönbein bei seinen Versuchen über die Erzeugung von Schießwolle
                              die Entdeckung gemacht, daß die Pflanzenfaser in eine vollkommen durchsichtige
                              farblose, dem Glas ähnliche Materie übergeführt und das gewöhnliche Papier in einen
                              Zustand versetzt werden kann, in welchem es wasserfest ist und pergamentartige
                              Eigenschaften besitzt) das so veränderte Papier zeichnet sich ganz besonders durch
                              sein elektrisches Verhalten aus (man vergl. darüber polytechnisches Journal Bd. C S. 379).
                           Hr. C. Grüel, Inhaber eines
                              physikalischen Magazins in Berlin (Spittelmarkt Nr. 14), zeigt in der Vossischen
                              Zeitung vom 14. Oct. an, daß er sich mit der Anfertigung dieses Papiers beschäftigt,
                              zu dessen ausgezeichneten Eigenschaften auch diejenige gehört, in noch höherem Grade als die Schießbaumwolle zu explodiren,
                                 sowohl durch Entzündung als durch Percussion. Er fertigt das Papier in
                              dreierlei Gestalt, Pergament-, Papier- und glasähnlich.
                           Die zweite Gattung ist für die elektrischen Versuche die geeignetste. Wenn 5 bis 6
                              Blätter solchen Papiers (wovon Hr. Grüel der Redaction des polytechn. Journals Proben eingesendet hat)
                              auf eine Glastafel gelegt, auf der einen Seite festgehalten, dann mit dem trockenen
                              Daumen der anderen Hand mehrmals gestrichen werden, erhält man einen sehr wirksamen
                              Elektrophor. Läßt man ein solches geriebenes Blatt in der Nähe kleiner
                              Hollundermark-Kügelchen herunterhängen, so gewährt das Heraufrollen der
                              Kugeln eine nette Erscheinung.
                           
                        
                           Aräostaten-Meteore.
                           Eine neue Gattung Luftballons, welche seit den Green'schen
                              Luftfahrten in Berlin daselbst beliebt geworden zu seyn scheinen, und nur etwa halb
                              so viel als die aus Goldschlägerhaut bestehenden kosten, sind aus Papier verfertigt,
                              welches nach einer eigenthümlichen Behandlung kaum von seiner Leichtigkeit
                              eingebüßt, ein fast glasähnliches Ansehen gewonnen, und die Fähigkeit erlangt hat,
                              die zur Füllung benutzten Gase sehr vollkommen zurückzuhalten.
                           Der Durchmesser beträgt circa 20'', daher der Inhalt etwas mehr als 4000 Kubikzoll;
                              das Gewicht des ganzen Ballons ist aber nur 2 Loth; daher schon die halbe Füllung an
                              dem Brenner einer Steinkohlen-Gaslampe genügt, ihn zum Steigen zu
                              bringen.
                           Der Inhaber des physikalischen Magazins, Hr. Grüel in Berlin, wo dieselben zu haben sind,
                              zeigte uns eine Vorrichtung, wodurch es möglich zu machen ist, einen gefüllten
                              Ballon hoch in der Luft, in einer dem Auge eben noch erreichbaren Höhe mit höchst
                              glänzender Feuererscheinung, nach Belieben auch mit Detonation, zu entzünden. Das
                              Experiment ist um so weniger gefährlich, als die Zündung mit gänzlicher Zerstörung
                              des Balls und seiner schnellen Verwandlung in Aschentheilchen durchaus sicher
                              erfolgt, und jenes unfreiwillig herbeigeführte Verbrennen in geringer Höhe nicht
                              stattfinden kann, was die freie Luftfahrt der Mongolfièren mit Recht zu einem
                              bedenklichen Versuch macht.
                           Daß letzterer übrigens nicht von unerfahrenen, sondern mit solchen Dingen vertrauten
                              Leuten anzustellen seyn möchte, ist aus der dem Ballon beigefügten
                              Gebrauchs-Anweisung ersichtlich, gewährt aber, namentlich bei Hellem
                              Mondschein, recht viel Vergnügen. C.