| Titel: | Versuche zur Bestimmung des Einflusses, welchen das Kochsalz, dem Futter zugesetzt, auf die Entwickelung des Viehes hat; von Boussingault. | 
| Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. LXIX., S. 308 | 
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                        LXIX.
                        Versuche zur Bestimmung des Einflusses, welchen
                           								das Kochsalz, dem Futter zugesetzt, auf die Entwickelung des Viehes hat; von Boussingault.
                        Im Auszug aus den Comptes rendus, Nov. 1846, Nr.
                              									21.
                        Boussingault, über Kochsalz-Zusatz beim
                           								Viehfutter.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich verzehren die grasfressenden Thiere das Salz begierig; auch wird es, wo
                              									in Europa und Südamerika die Viehzucht im Großen betrieben wird, für unentbehrlich
                              									gehalten. Doch gibt es, wenn auch die meisten Viehzüchter diese Meinung theilen, doch auch
                              									solche, und an ihrer Spitze Hrn. Mathieu de Dombasle,
                              									welche die absolute Nothwendigkeit des Salzes zur Erhaltung des Rindviehes in Abrede
                              									stellen.
                           Das Chlornatrium (Kochsalz) enthält einen Bestandtheil, das Natron, welcher sich in
                              									allen thierischen Flüssigkeiten wieder findet. Auch kann in physiologischer Hinsicht
                              									angenommen werden, daß zur Ernährung ein Natronsalz erforderlich, ja unentbehrlich
                              									sey. Gewiß wurde aber die nährende Kraft des Salzes sehr übertrieben: so glaube ich
                              									z.B. nicht, daß 3 Kilogr. Heu, welchem Salz zugesetzt wurde, ebenso nahrhaft seyen
                              									wie 4 Kilogr. Heu ohne Salz, oder daß als Zusatz zum Futter 1 Kilogr. Salz 10
                              									Kilogr. Fleisch oder Fett entwickle. Man findet nirgends den Beweis für diese
                              									Behauptungen und unter Beweis verstehe ich bei den landwirthschaftlichen Fragen ein
                              									mittelst der Wage erhaltenes bestimmtes Resultat; da aber auch von der
                              									entgegengesetzten Meinung kein Beweis vorliegt, suchte ich durch directe Versuche
                              									den Einfluß des Salzes auf die Ernährung des Viehes zu ermitteln.
                           Drei junge Stiere von ungefähr gleichem Alter und Gewicht wogen zusammen 434 Kilogr.
                              									und wurden 44 Tage lang jeden Tag mit 3 Proc. ihres Gewichts Heu und Grummet
                              									gefüttert, welchem 34 Gramme Kochsalz per Kopf zugesetzt
                              									waren. Drei andere junge Stiere gleicher Beschaffenheit, zusammen 407 Kil. wiegend,
                              									wurden zu derselben Zeit mit derselben Ration gefuttert, erhielten aber kein
                              									Salz.
                           Nach dieser Zeit wurden die Stiere gewogen; die Gewichtszunahme der drei erstern
                              									gegen die der drei letztern war aber für nichts anzuschlagen.
                           Beide Abtheilungen von Stieren waren vollkommen gesund geblieben. Um mich aber auch
                              									mit Gewißheit über die Wirkungen aussprechen zu können, welche eine lange
                              									fortgesetzte Entziehung des Salzes zur Folge hätte, sorgte ich dafür daß die drei
                              									letzteren Stiere keinen Antheil an dem im Stall vertheilten Salz erhielten, und daß
                              									ihr Gesundheitszustand und ihre Fortpflanzungsfähigkeit beobachtet wurden, bis sie
                              									zur Fleischbank wanderten.
                           Wie zu erwarten war, tranken die Stiere, welche Salz erhielten, mehr als die andern,
                              									und zwar jene 41,16 Liter, diese 32,86 Liter.
                           Beim Futtern des Viehes ist es oft wünschenswerth daß das Futter in möglichst kurzer
                              									Zeit in den Körper kommt. Es mußte daher ermittelt werden, ob die Abtheilung welche
                              									Salz erhielt, ihre Ration schneller verzehrte als die andere. Nach dem Mittel aus
                              									acht Versuchen mit jeder Abtheilung war eine Ration, die von der zweiten, ohne Salz
                              									gefütterten Abtheilung in 3 Stunden 37 Minuten verzehrt wurde, von der ersten schon
                              									in 3 Stunden 22 Minuten aufgefressen; demnach hätte das Salz den Appetit gesteigert,
                              									woraus denn zu begreifen wäre, wie dieser Körper beim Mästen nützlich wirken
                              									kann.
                           Im Verlauf dieser Untersuchungen war es einmal der Fall, daß das vertheilte Grummet
                              									sehr schlecht war, so daß die im Stall befindlichen 60 Stück Vieh es nur mit größtem
                              									Widerwillen fraßen, mit Ausnahme der drei Stiere der ersten Abtheilung; diese
                              									verzehrten ihre Ration gänzlich. Es ist dieß ein neuer Beweis für die Brauchbarkeit
                              									des Salzes, um zu bewirken daß verdorbenes Futter verzehrt werde.
                           Wenn nun das Salz auch nicht zur Gewichtsvermehrung beim lebenden Thier beiträgt, so
                              									folgt daraus noch nicht, daß das Kochsalz nicht in physiologischer Hinsicht, nämlich
                              									um die Verdauung zu befördern, einen Bestandtheil der Nahrungsmittel ausmachen
                              									müsse; es kann zu diesem Zweck ausreichend, besonders wenn man keine Mastung
                              									beabsichtigt, im Futter von Natur aus vorhanden seyn. Heu, welches ich in dieser
                              									Absicht chemisch untersuchte, gab 6 Proc. Asche und diese 4,3 Proc. Chlornatrium; da
                              									nun die Tagesration eines Stiers der zweiten Abtheilung 4,31 Kilogr. Heu betrug, so
                              									enthält dasselbe 259 Gr. Mineralsubstanzen und unter diesen 11 Gramme Kochsalz, den
                              									in 11 Litern getrunkenen Wassers enthaltenen Gramm ungerechnet. Diese 12 Gramme
                              									scheinen für einen Stier dieser Größe hinlänglich zu seyn, weil ihr Gewicht durch
                              									die große Dosis Kochsalz nicht vermehrt wurde. Man macht sich überhaupt keine
                              									Vorstellung von den salzigen Bestandtheilen des Futters; so erhält eine Milchkuh
                              									täglich mit 18 Kilogr. desselben Heues nahezu 50 Gramme Kochsalz. Ob diese Quantität
                              									zur Milchbildung und zum Mästen des Viehes hinlänglich ist, behalte ich einer
                              									späteren Untersuchung vor.