| Titel: | Ueber ein einfaches Mittel, gewöhnliches Schreibpapier ohne vorangegangene chemische Behandlung in ungemein hohem Grade elektrisch zu machen; von Dr. Adolph Poppe. | 
| Autor: | Dr. Adolph Poppe [GND] | 
| Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. LXXX., S. 353 | 
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                        LXXX.
                        Ueber ein einfaches Mittel, gewöhnliches
                           								Schreibpapier ohne vorangegangene chemische Behandlung in ungemein hohem Grade
                           								elektrisch zu machen; von Dr. Adolph
                              									Poppe.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									VII.
                        Poppe, über ein einfaches Mittel, Schreibpapier stark elektrisch zu
                           								machen.
                        
                     
                        
                           Es ist eine längst bekannte Thatsache, daß gewöhnliches Papier, insbesondere
                              									Schreibpapier, negativ-elektrisch wird, wenn man es in recht trockenem
                              									Zustande reibt. Cavallo hat diese Eigenschaft schon im
                              									vorigen Jahrhundert am Papier nachgewiesen, und andern ist es gelungen den
                              									elektrischen Zustand des nach vorhergehender Erwärmung geriebenen Papiers bis zum
                              									Funkengeben zu steigern, woran sich sofort Vorschläge zur Construction von
                              									Elektrisirmaschinen aus Papier oder Pappdeckel knüpften. Indessen erscheinen nach
                              									allen vorhandenen Notizen die seitherigen Versuche und Beobachtungen über das
                              									elektrische Verhalten des gewöhnlichen unpräparirten Papiers von keinen so
                              									auffallenden Resultaten begleitet, daß man es im entferntesten gewagt hätte, die
                              									Papierelektricität der Glas- oder Harzelektricität an die Seite zu stellen;
                              									selbst in den ausführlicheren Lehrbüchern der Physik findet man die Fähigkeit des
                              									Papiers, durch Reibung elektrisch zu werden, als eine unbedeutende Erscheinung nur
                              									vorübergehend erwähnt. Und doch besitzen wir in dem gewöhnlichen Papier einen Stoff,
                              									der, wie aus nachstehenden Versuchen und Beobachtungen hervorgeht, bei geeigneter
                              									Behandlung auf eine höchst einfache Weise in so hohem Grade elektrisch gemacht
                              									werden kann, daß er sich als eine der ergiebigsten Quellen der Elektricität, welche
                              									selbst der Glas- und Harzelektricität nichts nachzugeben scheint,
                              									herausstellt.
                           Ein Blatt Papier auf einem Ofen oder an einem Feuer erwärmt, und ehe es erkaltet, auf
                              									einer wollenen Unterlage oder mit einem wollenen Reibzeug gerieben, zeigt sich stark
                              									elektrisch; kleine Papierschnitzel werden angezogen; nähert man der Papierfläche den
                              									Knöchel des Fingers, so vernimmt man das Knistern eines kleinen überspringenden
                              									Funkens. Dieß ist eine Erscheinung, wie sie wohl schon mehrfach beobachtet worden
                              									ist. Aber die zur Hervorbringung einer größtmöglichen Wirkung wesentlich beitragende
                              									Grundbedingung, nämlich Reibung des Papiers, während dasselbe
                                 										in inniger Berührung mit einem guten und möglichst glatten Elektricitätsleiter
                                 										sich befindet und dieser stark und gleichmäßig erhitzt wird, scheint den
                              									seitherigen Beobachtern entgangen zu seyn.
                           
                           Man breite einen Bogen gewöhnliches Schreibpapier auf einer ebenen und glatten
                              									Metallplatte, die man von unten erhitzt, z.B. auf der oberen horizontalen Platte
                              									eines geheizten Ofens aus, und reibe das Papier, nachdem man sich von seiner
                              									vollkommenen Trockenheit überzeugt hat, mit einem Stück Leinwand oder einer
                              									gewöhnlichen Kleiderbürste, sorge aber dafür, daß es sich während dieser Operation
                              									auf der metallenen Unterlage nicht verschiebe, so wird man folgende Erscheinungen
                              									beobachten. Schon nach den ersten Strichen haftet die Papierfläche ziemlich fest an
                              									der Metallplatte. Berührt man das an der Platte klebende Papier an beliebigen
                              									Stellen mit einem Elektricitätsleiter, so findet nirgends eine elektrische Entladung
                              									oder Ueberströmung statt, man bemerkt keine Spur eines freien elektrischen
                              									Zustandes. In dem Augenblicke aber, wo man den Papierbogen in paralleler Lage von
                              									der Metallplatte rasch abhebt oder vielmehr abreißt, zeigt er sich in einem
                              									merkwürdigen Grade elektrisch; Papierschnitzel sieht man aus einer Entfernung von 1
                              									bis 1 1/2 Fuß angezogen; nähert man die Papierfläche dem Gesicht, so hat man schon
                              									in bedeutendem Abstande jenes eigenthümliche Gefühl, wie wenn man in Spinnengewebe
                              									gerathen wäre; bei Annäherung des Knöchels springt laut knisternd ein 5 bis 6 Zoll
                              									langer elektrischer Funke über. Unmittelbar nach dem Abheben erscheint das
                              									elektrische Fluidum auf beiden Seiten des Papiers negativ und gleich stark
                              									vertheilt, obgleich die obere Seite, so lange der Bogen noch mit der Metallfläche in
                              									Berührung war, keine Spur von Elektricität zeigte.
                           Da es bei diesem Versuche wesentlich ist, das Papier parallel zur Unterlage und unter
                              									straffer Spannung abzuheben, so leimt man an zwei gegenüberliegende Stellen
                              									desselben tannene Leisten, oder noch besser, man zieht das Papier auf einen leichten
                              									tannenen Rahmen oder Reif und isolirt diesen an den Stellen, wo man ihn anfaßt,
                              									durch Seide. Zieht man den geriebenen Bogen längs der Unterlage ab, so erhält man
                              									nur geringe Spuren von Elektricität.
                           Als Reibzeug eignen sich: Leinwand, Wolle, Baumwolle, Pelz, eine Bürste, die flache
                              									Hand, am zweckmäßigsten, wie es scheint, Leinwand, Seide dagegen nicht. Wenige
                              									leichte hin- und hergeführte Striche mit einem solchen Reibzeuge reichen hin,
                              									den elektrischen Zustand des Papiers auf das Maximum zu bringen; ein einziger Strich
                              									mit der flachen Hand über die Papierfläche bewirkt bereits elektrische Funken von 3
                              									bis 4 Zoll Schlagweite. Am höchsten steigerte ich den elektrischen Zustand des
                              									Papiers, als ich dasselbe, in Ermangelung einer besseren Unterlage, zuerst auf der
                              									rauhen Platte eines geheizten Ofens, dann nach gehörigem Abheben zum zweitenmale in Berührung
                              									mit der polirten Fläche eines Tisches rieb. So erhielt ich aus einem Bogen
                              									Maschinenpapier von 2 1/2 Quadratfuß Oberfläche beim zweiten Abheben Funken von 10
                              									Zoll Schlagweite. Im Dunkeln nehmen sich diese elektrischen Phänomene brillant aus.
                              									Ist der Papierbogen stark elektrisirt, so bemerkt man unmittelbar nach dem Abheben
                              									von der Unterlage Funken, die wie Blitze von gewissen Stellen des Papiers zu andern
                              									fahren; der bei Annäherung des Knöchels überspringende Funke erscheint, wie sich
                              									dieses voraussetzen läßt, als ein nach der Papierfläche divergirender Strahlenkegel,
                              									dessen Spitze am Knöchel einen compacten leuchtenden Stern bildet. Durch
                              									Ueberspringen des ersten Funkens ist nur ein gewisser Theil der an der Papierfläche
                              									haftenden Elektricität entladen; denn man erhält nachher noch an vielen Stellen
                              									kleinere Funken von 2 bis 3 Zoll Schlagweite, und fährt man im Dunkeln mit den
                              									Fingern über die Papiersfläche hin, so bezeichnet ein knisternder Lichtstreifen den
                              									Weg derselben.
                           Soweit ich diesen Gegenstand bis jetzt zu verfolgen Gelegenheit hatte, sind es
                              									folgende Bedingungen und Umstände, von welchen der Grad des elektrischen Zustandes,
                              									den das Papier erreichen kann, wesentlich abhängt:
                           1) Die Gattung des Papiers selbst. Wie sich das
                              									elektrische Verhalten verschiedener Papiersorten unter gleichen übrigen Umständen
                              									herausstellt, darüber fehlen vor der Hand noch genauere vergleichende
                              									Untersuchungen, indem sich die bisherigen Beobachtungen auf die am Papier
                              									hervorgerufenen elektrischen Erscheinungen im allgemeinen bezogen. Nur so viel ist
                              									gewiß, daß die Appretur des Papiers mit thierischem oder vegetabilischem Leim einen
                              									wesentlichen Antheil an den in Rede stehenden Erscheinungen hat, indem sich
                              									ungeleimtes Papier in Vergleich mit geleimtem nur in geringem Grade elektrisch
                              									zeigt.
                           2) Die Größe der geriebenen Fläche. Daß die Quantität der
                              									angehäuften Elektricität dem Inhalte der geriebenen Oberfläche proportional sey,
                              									unterliegt wohl keinem Zweifel.
                           3) Die elektrische Leitungsfähigkeit der Unterlage, auf welcher
                                 										das Papier gerieben wird. Es wurde bereits oben bemerkt, daß das Papier in
                              									Berührung mit einem guten Elektricitätsleiter gerieben werden müsse, wenn der
                              									elektrische Zustand das Maximum erreichen soll. Schon die Theorie fordert diese
                              									Bedingung. Die negativ-elektrische Atmosphäre, womit sich das geriebene
                              									Papier umgibt, zerlegt nämlich die neutrale Elektricität des Metalls, indem sie die
                              									+ E des letzten, ohne sich jedoch mit derselben
                              									vereinigen zu können,
                              									anzieht, und die – E abstößt. Die – E des Papiers ist somit an die + E der Unterlage vollständig gebunden; daher das oben erwähnte Ankleben an
                              									die Unterlage und der Mangel eines freien elektrischen Zustandes an der oberen
                              									Seite, so lange das Papier noch auf dem Leiter liegt. Weil nun aber die – E des Papiers in dem Momente ihres Auftretens an die +
                              										E der Unterlage gebunden wird und gegen die letztere
                              									hin in einem Zustande zunehmender Verdichtung sich befindet, so ist das Papier im
                              									Stande, eine größere Menge von – E aufzunehmen,
                              									als es könnte, wenn die – E nicht an die
                              									Unterlage gebunden, d.h. wenn die Unterlage selbst ein schlechter Leiter oder ein
                              									Nichtleiter wäre. Hebt man nun das Papier von der warmen Metallplatte rasch ab, so
                              									verbreitet sich die elektrische Materie, die nun nicht mehr gebunden ist,
                              									augenblicklich gleichmäßig auf beiden Seiten des Papiers, und äußert die oben
                              									erwähnten Wirkungen.
                           Die Beobachtung, daß die Elektricität des Papiers durch die Metallfläche, auf der es
                              									liegt, nicht abgeleitet wird, stimmt mit dem bekannten Gesetz überein, daß zwischen
                              									zwei breiten Flächen, von denen die eine nicht leitend, die andere aber leitend ist,
                              									keine merkliche Mittheilung stattfindet. Nach Entfernung des Papiers von der
                              									Unterlage, auf der es gerieben wurde, verliert sich der stärkere Grad der
                              									Elektricität in freier Luft bald. Legt man dagegen das elektrisch gemachte Papier
                              									auf einen recht glatten Elektricitätsleiter, oder nähert die Papierfläche demselben
                              									bis auf wenige Linien, so kann die Elektricität längere Zeit zurückgehalten werden,
                              									indem sie nun durch die entgegengesetzte Elektricität der Unterlage gebunden ist. Zu
                              									diesem Bindemittel eignet sich schon ein glatter Halbleiter, z.B. die polirte
                              									Oberfläche eines Möbels.
                           3) Die Beschaffenheit der Oberfläche der bindenden
                                 										Unterlage. Je glatter die Metalloberfläche ist, eine je innigere Berührung
                              									zwischen dieser und dem Papier stattfindet, desto größer die Wirkung. Hier möchte
                              									man eher das Gegentheil vermuthen und sich zu der Annahme veranlaßt finden, daß
                              									unter solchen Umständen die Ausgleichung beider entgegengesetzten Elektricitäten
                              									befördert und somit die Wirkung vermindert würde. Allein man bedenke daß, wie glatt
                              									und polirt auch die Unterlage seyn möge, doch immer die Anzahl der Berührungspunkte
                              									in Vergleich mit den Punkten, in welchen die Berührung nicht stattfindet, unendlich
                              									gering ist. Findet nun auch an den wenigen Berührungsstellen eine Ausgleichung der
                              									beiden entgegengesetzten Elektricitäten statt, die sich jedoch wegen der schlechten
                              									Leitungsfähigkeit des erwärmten und trocknen Papiers nur auf diese Stellen
                              									erstrecken kann, so erscheinen auf der andern Seite unendlich viele Punkte der Papierfläche dem
                              									Metalle mehr genähert, ohne daß eine Berührung erfolgen kann; die attractiven
                              									Wirkungskreise der entgegengesetzt elektrischen Elemente beider Körper sind einander
                              									näher getreten; in Folge dieser Annäherung offenbart sich ein höherer Grad
                              									elektrischer Spannung und das Papier qualificirt sich zur Aufnahme einer
                              									verhältnißmäßig größeren Elektricitätsmenge. Fig. 43 wird die Wahrheit
                              									des Gesagten näher veranschaulichen. Die rauhe Beschaffenheit des Papiers und der
                              									Unterlage ist durch Wellenlinien versinnlicht, von denen die obere die rauhe Fläche
                              									des Papiers, die untere diejenige des Metalls im Profil darstellt. Die Berührung
                              									beider Flächen findet in den Punkten a, b, c u.s.w.
                              									statt. An diesen Punkten wird eine Vereinigung beider entgegengesetzten
                              									Elektricitäten erfolgen, d.h. das am Papier haftende negativ-elektrische
                              									Element in a, b oder c wird
                              									sich an dieser Stelle mit einem gleich großen positiv-elektrischen Elemente
                              									des Metalls zu einem neutralen Elemente vereinigen, wogegen die Vereinigung aller
                              									zwischen a und b, zwischen
                              										b und c u.s.w.
                              									befindlichen entgegengesetzt elektrischen Elemente, z.B. der Elemente + d und – d, + e und – e u.s.w.
                              									durch den die Räume zwischen den Berührungsstellen ausfüllenden Nichtleiter, nämlich
                              									die erwärmte Luft, verhindert wird. Diese Elemente befinden sich nun in einem
                              									Zustande elektrischer Spannung, sie binden sich gegenseitig vermöge der ihnen
                              									inwohnenden Attractivkraft. Man sieht zugleich, wie die Anzahl der nicht in Contact
                              									gelangenden Punkte in Vergleich mit den im Contact befindlichen Punkten unendlich
                              									groß seyn muß. Angenommen nun, man hätte anstatt der rauhen Metallfläche eine
                              									vollkommen glatte, deren Profil durch die Linie xy
                              									dargestellt seyn mag, so erscheinen offenbar beide Flächen, und somit die
                              									attractiven Wirkungskreise der entgegengesetzt elektrischen Elemente einander näher
                              									gerückt. Die gegenseitige Bindung wird daher energischer und das Papier im Stande
                              									seyn eine größere Menge negativ-elektrischen Stoffes aufzunehmen.
                           4) Die Art, wie das geriebene Papier von der Unterlage, an der
                                 										es haftet, entfernt wird. Zieht man dasselbe längs der Oberfläche des
                              									bindenden Metalls ab, anstatt es abzureißen, so erhält man nur sehr geringe Spuren
                              									von Elektricität, indem während des Abziehens ein sehr großer Theil der Punkte
                              									beider Flächen, welche, so lange das Papier unbeweglich auf der Metallfläche lag,
                              									durch eine dünne Luftschichte von einander getrennt waren, nun mit einander in
                              									Berührung kommen und die Vereinigung ihrer entgegengesetzten Elektricitäten
                              									gestatten.
                           
                           5) Der Hitzegrad der Unterlage. Die hygroskopische Natur
                              									des Papiers verlangt die Erwärmung als eine für größere elektrische Wirkungen
                              									wesentliche Bedingung. Das Papier mag für das Gefühl noch so trocken erscheinen, so
                              									enthält es doch in kaltem Zustande eine ziemliche Portion Feuchtigkeit gebunden, die
                              									der elektrischen Erregbarkeit hemmend entgegentritt, bei der Erwärmung aber frei
                              									wird und entweicht. Es bedarf zwar nur einer mäßigen Erwärmung des als Unterlage
                              									dienenden Leiters, um bereits glänzende elektrische Erscheinungen am Papier
                              									hervorzurufen, doch steigert sich der elektrische Zustand mit der Erhöhung des
                              									Wärmegrades. Hat dagegen die Hitze des Metalls einen gewissen Grad erreicht, wo das
                              									Papier eben sich zu bräunen beginnt, so tritt der eigenthümliche Umstand ein, daß
                              									das Papier die Fähigkeit durch Reiben in Berührung mit der Unterlage elektrisch zu
                              									werden, beinahe ganz und gar verliert. Aus einer elektrisch gemachten Papierfläche,
                              									die man über die in solchem Grade erhitzte Platte eines Ofens hält, strömt die
                              									Elektricität schon in einer Entfernung von 1 bis 2 Zollen durch die Luft in die
                              									Platte über, wie wenn die erhitzte Luft nun zum Leiter geworden wäre, und ein
                              									elektrisches Papierblatt, auf die überhitzte Platte gelegt, verliert beinahe
                              									augenblicklich alle Elektricität, während dasselbe auf einer mäßiger erhitzten
                              									Platte fest anklebt und seine Elektricität stundenlang behält.
                           Bis hieher hatte ich immer angenommen, das Papier werde in Berührung mit einer heißen Metallfläche gerieben. Indessen erhält man
                              									gleichfalls sehr befriedigende Resultate, wenn man das Papier auf irgend eine
                              									geeignete Weise stark und gleichmäßig erwärmt und, ehe es ganz erkaltet, oder Zeit
                              									hat die Feuchtigkeit aus der Luft an sich zu ziehen, auf irgend einer nicht erwärmten aber glatten Unterlage, z.B. einem
                              									polirten Tisch, am besten aber auf einer Metallplatte reibt.
                           Einfacher Papierelektrophor von großer Wirksamkeit. So
                              									ergiebig nun die Elektricitätsquelle ist, die wir an dem auf die besprochene Weise
                              									behandelten Papier besitzen, so ist doch ihre directe Benützung zur Hervorbringung
                              									intensiverer Wirkungen etwas umständlich. Um z.B. eine Leidener Flasche durch
                              									directe Mittheilung stark zu laben, muß der Papierbogen öfters von neuem erwärmt und
                              									gerieben werden. Zum Glück besitzen wir in dem Princip der elektrischen Vertheilung
                              									und Bindung ein Mittel, mit Hülfe einer elektrischen Papierfläche
                              									Elektricitätsmengen anzuhäufen und zu concentriren, ohne daß das Papier dabei selbst
                              									an Elektricität verliert; mit einem Wort, das Princip des Elektrophors ist es,
                              									dessen Anwendung im vorliegenden Falle ein sehr geeignetes Mittel darbietet, von der
                              									Papierelektricität einen ungemein wirksamen Gebrauch zu machen.
                           Man spanne daher einen Bogen Papier auf einen dünnen hölzernen Rahmen oder Reif, und
                              									mache dasselbe auf die beschriebene Weise elektrisch. Dann hebe man, wenn man es
                              									nicht vorzieht den Versuch auf der heißen Unterlage selbst, auf der das Papier
                              									gerieben wurde, anzustellen, den Rahmen von dieser rasch ab, und lege ihn auf eine
                              									in Bereitschaft gehaltene blanke Metallplatte oder auch auf eine polirte Holzfläche
                              									so, daß zwischen dem Papier und der Unterlage eine dünne Luftschichte sich befindet;
                              									auf dieser Unterlage wiederhole man die Operation des Reibens. Setzt man nun einen
                              									gewöhnlichen an seidenen Schnüren hängenden Elektrophordeckel auf die Papierfläche,
                              									berührt denselben mit dem Finger, und hebt ihn darauf in die Höhe, so gibt derselbe
                              									einen starken Funken; dieselbe Erscheinung wiederholt sich stundenlang, so oft man
                              									den Deckel aufsetzt, berührt und wieder abhebt, ganz in derselben Weise, wie bei dem
                              									gewöhnlichen Harzelektrophor, nur in weit stärkerem Grade. Die Wirksamkeit eines
                              									solchen Elektrophors nach einmaliger Reibung des Papiers ist zwar nicht so permanent
                              									wie die eines Harzelektrophors, allein da sie weit intensiver ist, so zeigt sich der
                              									Papierelektrophor desto geeigneter, in gewissen Fällen die Elektrisirmaschine zu
                              									ersetzen.
                           Zu diesem Versuche, den ich zuerst in einer der Versammlungen des physikalischen
                              									Vereins dahier anstellte, bediente ich mich eines ungefähr 3 Linien dicken tannenen,
                              									mit Maschinenpapier überspannten Rahmens, dem ich, um ihn den Dimensionen der
                              									rectangulären Ofenplatte, auf welcher das Papier gerieben wurde, anzupassen, eine
                              									Breite von 14 Zoll und eine Länge von 22 Zoll gab. Der Rahmen wurde, nachdem das
                              									Papier in Berührung mit der heißen Metallfläche gerieben worden war, abgehoben und
                              									auf dieselbe Fläche so aufgesetzt, daß zwischen dem Papier und dem Metall ein
                              									Zwischenraum von der Dicke des Rahmens blieb. Sämmtliche Anwesende waren überrascht
                              									von der Intensität und erschütternden Wirkung der elektrischen Funken, welche man
                              									mittelst dieses einfachen Apparats fortwährend in unverminderter Stärke erhielt. Der
                              									blecherne Elektrophordeckel hatte 10 Zoll Durchmesser und die Schlagweite der aus
                              									ihm gezogenen Funken betrug 1 1/2 bis 2 Zoll. Berührte man mit der einen Hand den
                              									Ofen und mit der andern den aufgehobenen Deckel, so empfing man einen Schlag wie aus
                              									einer mäßig geladenen Leidener Flasche. Eine Leidener Flasche wurde mit wenigen
                              									Huben stark geladen. Um noch ziemlich starke Funken zu erhalten, war es nicht einmal
                              									nöthig, den Deckel auf die elektrische Papierfläche aufzusetzen, sondern es genügte,
                              									denselben in einem Abstand von einigen Zollen vom Papier zum erstenmal und dann in
                              									einer größeren Entfernung zum zweitenmale zu berühren. Aus solchen Wirkungen einer
                              									Papierfläche von ungefähr nur 2 Quadratfuß Inhalt läßt sich auf die erstaunliche
                              									Wirkung einer größeren, z.B. vier- oder sechsmal so großen Oberfläche
                              									schließen.
                           Doppeltwirkender Papierelektrophor. Man lege eine runde,
                              									oder eine rectanguläre an den vier Ecken abgerundete Eisenblechplatte (wo möglich
                              									mit umgebogenen Rändern) auf eine isolirte Unterlage, z.B. einen Isolirschemel,
                              									mache das auf einen Rahmen oder Reif gespannte Papier auf die beschriebene Weise
                              									elektrisch, lege es auf die Eisenblechplatte, und auf das Papier einen gewöhnlichen
                              									Elektrophordeckel von entsprechenden Dimensionen. Durch die – E des Papiers wird nun die + E der Unterlage und des Deckels zugleich gebunden, die – E derselben zurückgestoßen. Berührt man jetzt den
                              									Deckel, während er auf dem Papier liegt, mit der einen und die isolirte Unterlage
                              									mit der andern Hand, so wird man dadurch die freie – E aus beiden Metallplatten ableiten, so daß in denselben nur noch + E, an das – E des
                              									Papiers gebunden, vorhanden ist. In diesem Zustande kann man die ganze Anordnung in
                              									einem warmen und trockenen Zimmer, ohne bedeutende Abnahme der Wirkung, mehrere
                              									Stunden liegen lassen. Hebt man nun den Deckel in die Höhe, so wird bei Annäherung
                              									eines Leiters ein starker positiv-elektrischer Funke überspringen, aber auch
                              									aus der Unterlage wird man einen eben so starken Funken erhalten, obgleich die + E des Metalls noch an die – E des Papiers gebunden ist. Der Grund der letzteren
                              									Erscheinung liegt offenbar darin, daß derjenige Theil der – E des Papiers, welcher an die + E des aufliegenden Deckels gebunden war, nach Abhebung des letztern frei
                              									wird, wodurch die bereits positiv-elektrische Unterlage im Stande ist eine
                              									weitere dieser frei gewordenen – E entsprechende
                              									Menge + E aufzunehmen; sie erscheint daher doppelt so
                              									stark elektrisch als vorher, und gibt nach Abhebung des Papiers einen Funken von
                              									erhöhter Intensität. Die Figuren mögen diesen Vorgang in der gehörigen Reihenfolge
                              									versinnlichen.
                           In Fig. 44
                              									stellt Nr. 1 das Papier in Contact mit beiden Metallflächen dar, und zwar vor der
                              									Berührung der letzteren durch einen Leiter. Die – E der beiden Metalle zeigt sich hier frei, indem die + E derselben an die – E des Papiers gebunden ist. Nr. 2 zeigt die Anordnung, nachdem durch
                              									Berührung die freie – E beider Metalle abgeleitet
                              									worden ist; beide enthalten jetzt nur noch + E. In Nr. 3
                              										ist der Deckel mit
                              									seiner + E gehoben, so daß jetzt der + E der metallenen Unterlage die doppelte Menge –
                              										E des Papiers gegenübersteht; das Bestreben dieser
                              									– E sich mit + E zu
                              									vereinigen, erscheint nunmehr nicht gesättigt. Nr. 4 endlich zeigt den Zustand der
                              									Anordnung, nachdem der Deckel und die Unterlage durch einen Leiter berührt worden
                              									ist. Der Deckel gab einen Funken, indem sich seine + E
                              									mit der – E des Leiters zu neutraler E vereinigte, die Unterlage, indem zu der + E, welche sie schon hatte, noch eine gleiche Menge + E hinzutrat, um das attractive Streben der durch den
                              									Deckel nicht mehr gebundenen – E des Papiers zu
                              									befriedigen. Nach Abnahme des Papiers von der Unterlage wird man daher aus dieser
                              									einen doppelt so starken Funken erhalten.
                           Zusammengesetzter Papierelektrophor. Da die Erwärmung und
                              									Handhabung eines Papierelektrophors von großen Dimensionen manche Schwierigkeit und
                              									Unbequemlichkeit darbieten mag, so könnte man einen Elektrophor aus mehreren
                              									Papierflächen construiren, die der Reihe nach elektrisch gemacht und dann in ein
                              									geeignetes Gestell über einander eingeschoben würden. Eine gleiche Anzahl isolirter,
                              									unter sich aber in leitender Verbindung stehender Deckel würde zugleich auf alle
                              									Papierflächen niedergelassen und aufgehoben.
                           Frankfurt a. M. den 15. Febr. 1847.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
