| Titel: | Ueber eine neue Verfälschung des im Handel vorkommenden Alizaris und über den Alizari und Krapp der Auvergne; von Prof. Girardin zu Rouen. | 
| Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XCVIII., S. 420 | 
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                        XCVIII.
                        Ueber eine neue Verfälschung des im Handel
                           								vorkommenden Alizaris und über den Alizari und Krapp der Auvergne; von Prof. Girardin zu Rouen.
                        Aus dem Technologiste, Jan. 1847, S.
                              								160.
                        Girardin, über Verfälschung des Alizaris.
                        
                     
                        
                           §. 1. Die Rothfärber unseres Departements, welche sich noch des Alizaris, d.h. der ganzen Krappwurzel bedienen, Pflegen
                              									diese Wurzeln Personen zum Zerreiben zu geben, welche Krappmüller (mouliniers) genannt werden.
                           Im J. 1843 erhielt Hr. Berrubé, Färber zu Maromme,
                              									als er sich Auvergner Alizaris bediente, welchen er bei einem Hrn. D. hatte mahlen
                              									lassen, so schlechte Resultate beim Krappfärben, daß er nicht zweifelte, sein
                              									Alizari sey von seinem Krappmüller verfälscht worden. Darin bestärkte ihn der
                              									Umstand, daß alle seine Gewerbsgenossen, welche zum Färben ebenso viel Alizari
                              									genommen hatten, der aber anderwärts gemahlen worden war, vortreffliche Resultate
                              									erhielten. Er stellte damals gegen D. Klage auf Schadenersatz beim Handelsgericht zu
                              									Rouen, welches drei Schiedsrichter aufstellte, nämlich die HHrn. Brionne, Kaufmann, Maltet,
                              									Färber zu Rouen, und Lemarchand, Färber zu Bapeaume, um sich über die Streitsache zu
                              									informiren und das Gericht über die Sachlage aufzuklären.
                           Die drei Schiedsrichter wendeten sich nach geschehener Berathung an mich mit der
                              									Bitte, den verdächtigen Alizari chemisch zu untersuchen und sie über die wahre Natur
                              									desselben aufzuklären. Zugleich schickten sie mir:
                           1) ein Paket gemahlenen Alizaris aus den von der Mühle des Hrn. D. zu Hrn. Berrubé zurückgekommenen Ballen genommen;
                           
                           2) ein Paket gemahlenen Alizaris, aus den zu jener Zeit noch bei dem Krappmüller
                              									befindlichen acht Ballen;
                           3) ein Paket Alizari, aus den bei Hrn. D. unberührt gebliebenen drei Ballen genommen,
                              									welchen die Schiedsrichter in ihrer Gegenwart mahlen ließen.
                           Diese drei versiegelten Pakete hatten folgende Bezeichnungen: Berrubé-Krapp, D.-Krapp,
                                 										Schiedsrichter-Krapp. (Mouture
                                 										Berrubé etc.)
                           Folgendes ist das Resultat meiner Untersuchung, über welche ich bald darauf Bericht
                              									erstattete:
                           1) der Berrubé- und der D.-Krapp sind sehr wenig von einander verschieden;
                           2) sie sind von viel geringerer Güte als der Krapp der
                                 										Schiedsrichter und ihr Färbevermögen ohne Uebertreibung um die Hälfte
                              									schwächer als das des Normalkrapps;
                           3) diese Krappe enthalten kein dem Krapp fremdes rothes Holz und keine fremdartige
                              									Pflanzensubstanz;
                           4) ihre Armuth an Farbstoff (die sich sowohl durch ihr äußeres mattes Ansehen und
                              									durch das geringe Gefärbtwerden des Speichels von denselben, als auch durch die
                              									Färbeversuche zu erkennen gab, bei welchen nur schwach gesättigte Farben dargestellt
                              									wurden, weil dieß viel zweckmäßiger ist, um Farbmaterialien beurtheilen zu können);
                              									ferner das Nichtvorhandenseyn eines fremdartigen Farbstoffs und jeder andern
                              									farblosen organischen Materie, ihr verhältnißmäßig größerer Gehalt an Sand (den man
                              									zwischen den Zähnen fühlte und durch Schlämmen absonderte) und an Mineralsubstanzen
                              									derselben Art wie im Krapp der Schiedsrichter (durch Einäscherung ermittelt),
                              									berechtigen mich zu dem Schlusse, daß dem Berrubé- und D.-Krapp durch
                              									Färben schon erschöpfter Krapp zugesetzt worden sey;
                           5) hieraus geht hervor daß diese Krappe, in gleichen Quantitäten angewandt, beim
                              									Färben unmöglich dieselben Nüancen geben können, wie der Krapp der
                              									Schiedsrichter.
                           Auf diesen Bericht hin erkannten die Schiedsrichter auf Betrug; allein die beiden
                              									Parteien hatten sich mittlerweile verglichen und das Handelsgericht fällte kein
                              									Urtheil. Bald darauf aber verfolgte der königl. Procurator, der von dieser Sache
                              									hörte, den D. von Amtswegen als des Handelsbetrugs schuldig und das
                              									Zucht-Polizeigericht verurtheilte ihn am 8. Mai 1844 zu dreimonatlicher
                              									Gefängnißstrafe wegen Mißbrauchs des Vertrauens durch nachtheilige Veränderung ihm
                              									zum Mahlen anvertrauten Krapps mittelst Zusatzes fremdartiger Substanzen. Es war nämlich durch
                              									die Instruction und die Verhandlungen dargethan worden, daß D. heimlich Krapp
                              									verkaufte und in seiner Werkstätte Färberückstände, und vorzüglich erschöpften
                              									Krapp, in Empfang nehme. Diese späteren Erhebungen bestätigten also vollkommen die
                              									Aussagen des Chemikers. – Hr. D. ergriff wegen dieses Urtheils Berufung an
                              									den königl. Gerichtshof; dieser aber bestätigte das Urtheil erster Instanz und
                              									erhöhte die Gefängnißstrafe auf eine sechsmonatliche.
                           §. 2. Der Alizari, dessen sich Hr. Berrubé
                              									bedient und den ich untersuchte, kömmt aus der Auvergne. Erst seit 3 bis 4 Jahren
                              									gibt es im Handel Alizari aus dieser Gegend. Eingeführt wurde diese Cultur in der
                              									Auvergne im Jahr 1839. Die HHrn. Laur, Dumay und Estelle-Paris waren es, welche am meisten zur
                              									Verbreitung des Anbaues dieses industriellen Culturgewächses in der Limagne, d.h. in
                              									der Ebene, beitrugen. Auf den gebirgigen Theil wurde er nicht ausgedehnt. Der Boden
                              									der Limagne ist ein sandiger Kalkboden mit einem Unterboden von Tertiärkalk und von
                              									der See angeschwemmtem Land.
                           Mehr als 300 Hektaren sind mit Krapp angebaut, wovon jede im Durchschnitt 3750
                              									Kilogr. Alizari trägt. Der Anbau geschieht wie in in der Comté, wohin die
                              									Landwirthe der Auvergne gingen, um ihn zu erlernen. Nur haben sie das alte, nunmehr
                              									von den Avignonern aufgegebene Verfahren angenommen, die dreijährige, oft
                              									vierjährige Wurzel zu ernten. Sie wird an der Sonne getrocknet und das Trocknen
                              									gewöhnlich in Trockenkammern vollendet. Etwa 40 Landwirthe beschäftigen sich mit der
                              									Krapperzeugung und finden dabei großen Vortheil.
                           Die Preise des Auvergner Krapps stellten sich hier (in Rouen):
                           
                              
                                 im Jahr 1842
                                 auf
                                   70
                                 
                                 Francs die 50 Kilogr. mit 22 Proc. Disconto.
                                 
                              
                                     „      1843
                                  „
                                   80
                                 –   90
                                     
                                    											„              
                                    											„                            
                                    											„
                                 
                              
                                     „      1844
                                  „
                                 110
                                 – 120
                                     
                                    											„              
                                    											„                            
                                    											„
                                 
                              
                                     „      1845
                                  „
                                   67 1/2
                                 –   80
                                     
                                    											„              
                                    											„                            
                                    											„
                                 
                              
                                     „      1846
                                  „
                                   70
                                 –   72 1/2
                                     
                                    											„              
                                    											„                            
                                    											„
                                 
                              
                           Dieser Alizari wird zu Land in 120, 150 bis 160 Kilogr. schweren leinenen Ballen
                              									versendet. Die Gesammtzufuhr von 1843 bis 1844 betrug ungefähr 800 Ballen; alles
                              									wurde für die locale Consumtion verkauft. Von 1844 auf 1845 kamen davon ungefähr 600
                              									Ballen, wovon nur ein Drittheil in Rouen abgesetzt, die zwei andern Drittel aber
                              									nach England ausgeführt wurden, wo diese Wurzel in gleichem Werthe steht wie
                              									diejenige aus der Comté. In Rouen hat man ein Vorurtheil gegen die Wurzeln aus
                              									der Auvergne und bezahlt für die Wurzeln aus der Comté gerne 5 Frcs. per 50 Kilogr. mehr; in der That zeigt sich aber kein
                              									bemerkenswerther Unterschied in den Färberesultaten dieser beiden Krappe und einer
                              									ist so reich an Farbstoff als der andere.
                           Von 1845 auf 1846 kamen nur 50 bis 60 Ballen Alizari von der Auvergne nach Rouen.
                              									Diese außerordentliche Abnahme der Zufuhr hat hauptsächlich den Grund, daß die
                              									Färber größern Vortheil darin finden, den Krapp in Pulverform anzuwenden, wobei sie
                              									sich desselben sogleich bedienen können und die Färberesultate immer constanter
                              									sind. Bei den ganzen Wurzeln ist der Grad der Trockenheit so verschieden, daß sich
                              									beim Mahlen oft Unterschiede von 7 bis 10 Proc. ergeben, außer einem weitern
                              									Verluste, welchen die gemahlenen Wurzeln noch durch das Lagern im Magazin erfahren;
                              									da überdieß der Preis des Pulvers den der Wurzeln kaum um 2 1/2 bis 3 Frcs. per 50 Kilogr. übersteigt, so leuchtet ein, daß die
                              									Consumenten das erstere vorziehen. Erst seit diesem Jahre (1846) kam in der Auvergne
                              									verfertigter (gemahlener) Krapp, etwa 5 bis 6000 Kilogr., an; derselbe ist von sehr
                              									guter Qualität und kömmt dem besten Palus Pulver aus der Comté gleich; auch
                              									steht er in gleichem Preise, zu 87 1/2 bis 95 Frcs. per
                              									50 Kil.
                           Vor 1 1/2 Jahren fing man in Clermont-Ferrand (Auvergne) auch an Garancin zu
                              									fabriciren; die ersten Producte waren mittelmäßig; seit zehn Monaten aber wurde
                              									ziemlich gutes erzeugt, welches den Mittlern guten Qualitäten der Comté
                              									gleichkommt. Die Zufuhr an Auvergner Garancin seit einem Jahr beträgt ungefähr 6000
                              									Kilogr.; man zahlte dafür 4 Frcs. bis 4,10 Frcs. per
                              									Kilogr., wenn die besten Sorten Garancin aus der Comté 4,50 bis 4,60 Fr.
                              									galten. Das geringere Färbevermögen des Auvergner Garancins ist mehr eine Folge
                              									mangelhafter Bereitungsweise, als der geringern Güte des dazu verwendeten
                              									Rohmaterials.