| Titel: | Ueber ein neues Verfahren der Bienenzucht; von Hrn. A. Vicaire. | 
| Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. CIV., S. 450 | 
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                        CIV.
                        Ueber ein neues Verfahren der Bienenzucht; von
                           								Hrn. A.
                              								Vicaire.
                        Aus dem Recuiel de la Société polytechn.,
                              									Aug. 1845, S. 125.
                        Vicaire, über ein neues Verfahren der Bienenzucht.
                        
                     
                        
                           Ein spanischer Mönch, Joaquin Ciria, befolgt seit drei
                              									Jahren zu Servette eine Bienenzucht, welche vor allen bei uns bekannten den Vorzug
                              									zu verdienen scheint.
                           Dieses Verfahren unterscheidet sich vom gewöhnlichen vorzüglich in zwei Punkten,
                              									welche
                           1) die Fortpflanzung der Bienen durch künstliche Schwärme,
                           2) das Einsammeln des Wachses und Honigs durch Umleeren der Bienen betreffen.
                           Féburier (Traité sur
                                 										les abeilles p. 321) setzt die Vorzüge der künstlichen Schwärme wie folgt
                              									auseinander:
                           
                              „Dieses Verfahren, sagt er, hat Vorzüge vor den natürlichen Schwärmen; es
                                 										ist bei demselben nicht nothwendig, lange Zeit sehr aufmerksam bei dem
                                 										Bienenhaus Wache zu halten, was Landwirthe, die sich nicht ausschließlich mit
                                 										der Bienenzucht beschäftigen, sehr belästigt.
                              
                           
                              Die Unannehmlichkeiten des Einfangens der Schwärme, die sich an sehr schwierigen
                                 										Stellen festsetzten, sind durch dasselbe umgangen. Man braucht nicht ganze
                                 										Stunden lang diesen Schwärmen nachzulaufen und ist nicht der Gefahr ausgesetzt,
                                 										sie zu verlieren, welcher Verlust bei großen Bienenzuchtanstalten, jene Schwärme
                                 										nicht gerechnet, welche mit einander ausstiegen und sich vereinigen, zu einem
                                 										Viertheil der Schwärme angeschlagen werden kann.
                              
                           
                              Endlich kann man sie zu passender Zeit machen und verhütet dabei, daß die Königin
                                 										umkömmt und in Folge ihres Verlusts mehrere Stöcke nicht schwärmen.“
                              
                           Zu diesen Vortheilen gesellt sich noch der, daß die Schwärme beschleunigt werden, was
                              									für ihr Gedeihen und ihre Erhaltung von großer Wichtigkeit ist.
                           Ciria's Verfahren hinsichtlich der künstlichen Schwärme
                              									ist von dem Féburier'schen zur Herstellung gezwungener Schwärme (essaims
                                 										forcés) nur sehr wenig verschieden.
                           Man schreitet zu den künstlichen Schwärmen auf die Anzeichen hin, an welchen man das
                              									demnächstige Ausfliegen der natürlichen Schwärme erkennt, d.h. wenn ein Stock stark bevölkert ist
                              									und es Brut gibt in den Zellen der Königinnen.Ciria thut dieß ungefähr 14 Tage vor dem
                                    											natürlichen Ausfliegen der Schwärme.
                              								
                           Die dazu passende Zeit ist von 9–10 Uhr Morgens bis 2–3 Uhr
                              									Nachmittags, weil zu derselben ein Drittheil oder Viertheil der Bienen draußen auf
                              									den Feldern ist, und sie also weniger störend im Wege sind, nicht unnütz abgemüdet
                              									werden, und das Aussuchen der Königin leichter ist.
                           Neben dem Bienenhaus höhlt Ciria ein Loch in die Erde, in
                              									welchem er trocknen Kuhmist verbrennen läßt; er verseht die Bienen in einen
                              									summenden Zustand (de bruissement), indem er sie
                              									einräuchert, nimmt den Korb vom Brett hinweg, kehrt ihn um und stellt ihn in der
                              									Weise auf das Loch, daß der Rauch durch die obere Mündung hineindringt. Der für den
                              									Schwarm bestimmte Stock wird horizontal in Berührung mit dem vertical stehenden
                              									Mutterkorb gehalten, so daß die Bienen von einem in den andern übergehen können, und
                              									man umgibt die beiden Körbe, damit ihr Zusammenhang nicht unterbrochen sey, an ihrem
                              									Vereinigungspunkt mit einem Tuch. So wie die Bienen durch den aufsteigenden Rauch in
                              									Bewegung gesetzt werden, lenkt sie der die Arbeit Verrichtende auf die Seite des für
                              									den Schwarm bestimmten Korbs durch seinen Hauch und durch Klopfen an den Mutterkorb.
                              									Die Bienen steigen an der Kette herauf und gehen bald in den leeren Stock hinein.
                              									Die Hauptsache ist, daß man die Königin hinein bringt, ohne welche die neue Familie
                              									nicht existiren könnte. Nach dem von Féburier
                              									angegebenen Verfahren wird der für den Schwarm bestimmte Korb auf den Mutterkorb
                              									aufgesetzt (aboucher) und man bedient sich keines
                              									Rauchs, um die Bienen hinaufsteigen zu machen; man klopft nur mit Stöckchen an den
                              									Mutterkorb, so daß also der Umzug im Dunkeln vor sich geht und man den Uebergang der
                              									Königin in den Schwarm dem Zufall überläßt. Glückt dieses nicht, so muß man mit dem
                              									ganzen wieder von vorn anfangen, welcher mögliche Fall einer der Uebelstände ist,
                              									die Féburier dem Verfahren der künstlichen
                              									Schwärme zuschreibt. Ciria hingegen nimmt die Arbeit bei
                              									Tageshelle vor und es ist interessant zuzusehen, wie die durch seine Stimme und
                              									Gebärden angeregten Bienen ganz nach seinem Wunsche marschiren und sich ordnen. Sah
                              									er die Königin nicht vorüberkommen, so sucht er sie und bringt sie in den Schwarm.
                              									Wenn sie ihm bei einer so großen Bienenwanderung (die Anzahl Bienen in einem Korbe
                              									beträgt 20–40, ja bis 60,000) doch entkommen seyn und das Suchen nach derselben für die
                              									Bienen sowohl als für ihn selbst ermüdend werden sollte, so nimmt er zu folgendem
                              									Mittel seine Zuflucht. Die Fruchtbarkeit der Königin ist so groß, daß sie täglich
                              									3–400 Eier legt; es scheint aber nicht, daß sie dieselben zurückzuhalten
                              									vermag. Ciria setzt daher den neuen Korb auf ein Stück
                              									schwarzes Tuch; ist die Königin zugegen, so läßt sie bald eins ihrer Eichen fahren,
                              									welches man dann auf dem Tuch viel leichter erkennt. Sollte dieses Zeichen nicht
                              									eintreten, so kann man die Nachsuchung neuerdings beginnen, ehe der Schwarm sich
                              									zerstreut.
                           Hat man in den neuen Korb genug Bienen übergehen lassen, um einen Schwarm zu bilden
                              									(etwa drei Viertheile des Mutterkorbs), so trennt man die beiden Körbe, bringt den
                              									Mutterkorb wieder auf seinen Platz und den Schwarm in eine gewisse Entfernung, damit
                              									die Bienen der beiden Körbe sich nicht vermengen.
                           Somit wäre denn der Mutterkorb seiner Königin beraubt; es liegt dieß in der
                              									natürlichen Ordnung, denn gewiß ist es natürlich, daß die alte Königin mit dem
                              									Schwarm abzieht; allein wir sagten, daß in den Königinzellen des Mutterkorbs sich
                              									wenigstens Brut befinde; es genügte schon, wenn es junge Lärvchen von Arbeitsbienen
                              									darin gäbe, denn gewiß weichen die Königinnen oder Mutterbienen von den
                              									Arbeits- (oder geschlechtslosen) Bienen in ihrer Constitution nicht ab. Nur
                              									bleiben in diesen die Geschlechtstheile eingeschrumpft (unausgebildet), während sie
                              									sich bei jenen durch eine vorzugsweise bessere Nahrung und den Raum, welcher ihnen
                              									in den Königinzellen zu Gebote steht, entwickeln. Wenn man in einem Bienenkorb die
                              									Mutterbiene und die weiblichen Lärvchen tödtet, so erweitern die Bienen, sobald sie
                              									dieß gewahr werden, sogleich einige ihrer gewöhnlichen Zellen und bringen den
                              									Futterbrei der Königin den darin sich erzeugenden Larven; letztere entwickeln sich,
                              									vorausgesetzt daß sie nicht über drei Tage alt sind, durch diese Nahrung vollkommen
                              									zu Königinnen. Die Bienenkönigin wird daher stets erseht und nach Verlauf von 14
                              									Tagen ist der Staat wieder organisirt. Hr. Ciria erkennt
                              									dieß an einem Geräusch (chant), welches er der neuen
                              									Königin zuschreibt.
                           Diesen Augenblick wählt er zum Einsammeln des Wachses und Honigs durch das Umleeren
                              									der Bienen.
                           Ob dieser Augenblick dazu günstig ist? ob es da am meisten Honig gibt und die Bienen
                              									ihn am besten entbehren können?
                           Ich antworte mit Féburier, daß man die künstlichen
                              									Schwärme nur auf die Anzeichen hin macht, an welchen man das baldige Ausstiegen
                              									eines natürlichen Schwarms erkennt; daß aber die reichlichen Vorräthe es sind, welche die
                              									natürlichen Schwärme dazu bestimmen; daß folglich die Körbe, mit welchen man die
                              									künstlichen Schwärme vornahm, nothwendig gut mit Proviant versehen seyn müssen.
                              									Davon kann man sich übrigens auch leicht überzeugen.
                           Die Zeit des Schwärmens ist vorzüglich diejenige, wo die Bienen ihre Vorräthe am
                              									leichtesten entbehren können, denn ein den Mutterkorb verlassender Schwarm nimmt nur
                              									auf drei Tage Nahrungsmittel mit sich fort und findet dennoch in den Blumen und auf
                              									den Blättern die Mittel seiner Subsistenz.
                           Endlich ist ein Vortheil damit verbunden, die Einsammlung zu dieser Zeit vorzunehmen.
                              									Die Erfahrung lehrt nämlich, daß der Frühlingshonig, aus dem Nectar der Blumen
                              									gezogen, dem Herbsthonig, in welchen viel Honigthau eingeht, vorzuziehen ist. Der
                              									Honig von Narbonne ist nur zu dieser Jahreszeit weiß und beliebt. Hiezu kömmt noch,
                              									daß die Honigeinsammlung im Frühjahr ein Mittel ist, um die zweiten und dritten
                              									Schwärme zu verhüten und die Bienen zu unausgesetzter Arbeit zu zwingen. Wir werden
                              									auf diese beiden, sehr wichtigen Punkte zurückkommen.
                           Das Verfahren der Umleerung der Bienen besteht darin, sie auf die beschriebene Weise
                              									aus ihrem Korb zu verjagen und in einen andern übertreten zu lassen, um sich ihrer
                              									Honigscheiben (Waben) ganz bequem zu bemächtigen. Hr. Ciria versetzt auf diese Weise den Mutterkorb selbst in den Zustand eines
                              									eben eingefangenen Schwarms und macht beinahe jedes Jahr eine vollkommene Ernte,
                              									welche wir, indem wir den Korb erst nach 3–4 Jahren absterben lassen, nur ein
                              									für allemal erhalten. Ein Uebelstand ist es, daß die Brut verloren geht, und dieser
                              									Verlust kann, je nach den Jahrgängen, sehr nachtheilig seyn; aber am Ende ist die
                              									Beschaffenheit des Korbs diejenige guter Schwärme; denn wir setzen voraus, daß man
                              									mit einem zahlreichen Korb operirte, dessen Schwärmen man zuvorkam.
                           Auch ist diese Einsammlung nicht die einzige bei Hrn. Ciria. Er untersucht seine Körbe, die alten sowohl als neuen, das ganze
                              									Jahr hindurch und nimmt von Zeit zu Zeit Verminderungen mit denselben vor, je
                              									nachdem es das Bedürfniß mit sich bringt und so viel es der Raum zur Aufbewahrung
                              									gestattet.
                           Auch hiemit thut er den Gesehen der Natur keine Gewalt an. „Man muß (heißt
                                 										es in der Encyclopédie nouvelle, Artikel: Abeilles) wohl in Betracht ziehen, daß die Menge des
                                 										von den Bienen erzeugten Honigs viel größer ist, als eben zum Unterhalt des
                                 										Stocks während der schlechten Jahreszeit nothwendig wäre. Man findet bei den
                                 										Bienen, wie bei
                                 										allen andern Hausthieren, diesen auffallenden Mehrbetrag der Production, welcher
                                 										nicht ihren Bedürfnissen, sondern jenen des Menschen, von welchem sie abhängen,
                                 										entspricht.“
                              								
                           Hr. Ciria ist der Ansicht, daß die nach der gewöhnlichen
                              									Weise gezogenen Bienen einen Theil des Jahrs müßig zubringen, weil, wenn das Wetter
                              									günstig ist, sie ihre Stöcke bald angefüllt haben und dann ausruhen, entweder weil
                              									sie keinen Hunger mehr zu befürchten haben, oder weil es ihnen an Raum für weitere
                              									Vorräthe gebricht.
                           Durch sein Verfahren brachte er die Anzahl der Bienenstöcke zu La Servette, welche
                              									anfangs 13 betrug, im ersten Jahr auf 20, im zweiten auf 38 und im dritten auf 59.
                              									Diese Progession ist nur merkwürdig, weil sie fortdauert und mit Ernten concurrirt,
                              									welche die durch unser gewöhnliches Verfahren erzielten weit übertreffen. Die Ernte
                              									im Jahr 1845, wiewohl schlecht, betrug am 19. Jul. schon 167 Kilogr. Honig.
                           Durch das Verfahren bei uns zu Lande wird allerdings in gewissen Jahrgängen die
                              									Anzahl der Bienenstöcke verdoppelt, ja verdreifacht; allein eine so rasche Zunahme
                              									ist beinahe jedesmal nur von kurzer Dauer; im darauf folgenden Winter gehen sowohl
                              									die vom zweiten und dritten Schwarm erschöpften alten Stöcke, als seine Schwärme zu
                              									Grunde, welche für sich allein zu schwach sind, sich mit Vorrath zu versehen und im
                              									Stock die für die Brut erforderliche Wärme zu unterhalten; und wenn sie auch nicht
                              									zu Grunde gehen, so sind sie doch zu schwach, um im darauffolgenden Frühjahr
                              									Schwärme zu geben, oder sie geben sie so spät, daß es noch das beste ist, sie wieder
                              									in den Stock zurückkehren zu lassen.
                           Hrn. Ciria's Verfahren bezweckt die Anzahl der Schwärme zu
                              									regeln und die Bienen zu zwingen, mehr zum Nutzen des Menschen als an einer
                              									fruchtlosen Reproduction zu arbeiten. Nach dem Gang der Natur werden, wie schon
                              									gesagt, die Schwärme von dem Ueberfluß an Vorräthen bestimmt; Hr. Ciria aber läßt seine Stöcke in einer heilsamen
                              									Befürchtung von Mangel, welche sie verhindert Schwärme zu bilden, und sie zugleich
                              									zwingt, zu seinem Portheil zu arbeiten.
                           Hat er auch weniger Schwärme, so sind sie doch gut, weil er sie nur auf gute
                              									Anzeichen hin machte; er hat sie frühzeitig, und vorzüglich hat er den Vortheil,
                              									seine Bienen zu erhalten. Seinem Verfahren nach wäre nicht abzusehen, warum ein
                              									Stock nicht fortdauernd bestehen sollte; denn durch das Umleeren beschützt er sie
                              									vor dem Bienenfalter (Bienenschabe) und andern Nebeln alter Stöcke und der alten
                              									Waben. Die Lebensdauer
                              									der Bienenkönigin hat wohl ein von der Natur gestecktes Ziel; allein man vermuthet,
                              									daß sie Eier legt, was die Bienen in Stand fetzt, sie zu ersetzen.
                           Uebrigens macht Hr. Ciria keinen Anspruch auf die
                              									Erfindung dieses Verfahrens; in Spanien ist dasselbe sehr verbreitet, selbst da, wo
                              									die Temperatur dieselbe ist wie in Frankreich.