| Titel: | Einige die Vegetation betreffende Beobachtungen; Behandlung der Hortensien – des Weinstocks – künstlicher Pflanzendünger; von J. Persoz. | 
| Fundstelle: | Band 105, Jahrgang 1847, Nr. XX., S. 66 | 
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                        XX.
                        Einige die Vegetation betreffende Beobachtungen;
                           								Behandlung der Hortensien – des Weinstocks – künstlicher Pflanzendünger;
                           								von J. Persoz.
                        Aus dem Comptes rendus, 1847, 1er semest. No.
                              								13.
                        Persoz, über künstlichen Dünger.
                        
                     
                        
                           Als ich in den Jahren 1838, 1839 und 1840 auf einem Landgut unweit Straßburg wohnte,
                              									stellte ich Versuche über die Vegetation und über die Cultur einiger Blumen,
                              									namentlich der Dahlien an. Nach vielen fruchtlosen Versuchen gelang es mir, den von
                              									mir gepflegten Blumen mittelst eines Composts (künstlichen Düngers), welcher aus in
                              									den Gerbereien erschöpftem Kalk, Ascherückständen, Asche selbst, einer gewissen
                              									Menge Dammerde und getrocknetem Ochsenblut bestund, eine Vegetationskraft und einen
                              									Farbenglanz zu verleihen, welche so zu sagen neue Varietäten daraus machten, die
                              									aber bald wieder verschwanden, sobald obiger Dünger nicht mehr in Anwendung gebracht
                              									wurde.
                           In die Stadt zurückgekehrt, mußte ich meine Versuche auf ein kleines Gärtchen
                              									beschränken, wo ich nur mit einigen Weinstöcken und Hortensien experimentiren
                              									konnte. Folgende Resultate scheinen mir einiges Interesse zu gewähren.
                           Behandlung der Hortensien. – Im J. 1843 ließ ich
                              									in ein im Schatten gelegenes Rondell von Heideerde zehn Hortensienstöcke setzen.
                              									Während dieses Jahres bot ihr Wachsthum nichts besonderes dar und erst im nächsten
                              									Jahre kamen sie in Blüthe. Im J. 1844 im Herbst wurden diese Stöcke versetzt und
                              									zwar
                           fünf Stöcke in 25 (Centimeter hohe und 30 Centimeter weite, mit Heideerde versehene
                              									Töpfe;
                           fünf Stöcke in einen 1 Meter 82 Centim. langen, 25 Centimeter hohen und 26
                              									(Centimeter breiten, mit gewöhnlicher Erde angefüllten Kasten, in welchen ich aber
                              									ein Gemenge aus 3 Kil. schwarzgebrannter Knochen, 1,50 Kilogr. käuflicher
                              									Salpetersäure und 1/2 Kilogr. phosphorsaurem Kali, also eine Mischung von
                              									salpetersaurem und phosphorsaurem Kali und Kalk gebracht hatte. Auf den Kasten,
                              									welcher an der Nordseite an der Mauer meines Hauses stand, fielen keine andern als
                              									die Strahlen der untergehenden Sonne. Die fünf Töpfe, obwohl in ähnlicher Stellung,
                              									waren jedoch länger von der Sonne beschienen.
                           Schon Anfangs Junius im Jahr 1845 wurde eine sehr große Verschiedenheit der
                              									Vegetation dieser Pflanzen wahrgenommen und gegen das Aufblühen der Blumen hin (20.
                              									August) war diese so augenfällig, daß Hr. Schattenmann,
                              									welcher mich damals besuchte, davon ganz überrascht war.
                           Im Jahr 1846 war die Entwickelung der der Einwirkung der phosphorsauren und
                              									salpetersauren Salze ausgesetzten Hortensiastöcke wundervoll im Vergleich mit jenen,
                              									die in der Heideerde wuchsen und zwei Jahre vorher von gleicher Größe waren. Ich
                              									brauche nur zu sagen, daß an den in demselben Kasten vereinigten fünf Stöcken in
                              									diesem Jahre nicht weniger als 278 Triebe gezählt wurden, von welchen die meisten 80
                              									Centimet. lang waren; jeder derselben hatte mehrere Dolden, deren einige nicht
                              									weniger als 20–25 Centimeter im Durchmesser hatten. Auch die Blätter zeigten
                              									einen kräftigen Wuchs; sie waren dunkelgrün, fleischig und um ein Drittheil größer
                              									als die zur Vergleichung dienenden.
                           
                           Ableger vom vorigen Jahr, die im Frühjahr 1846 eingesetzt wurden und zwar zum Theil
                              									in Heideerde, die andern in gewöhnliche Erde, welcher ein Gemenge von phosphorsaurem
                              									und salpetersaurem Kalk und Kali zugesetzt war, zeigen zur Stunde eine nicht minder
                              									auffallende Verschiedenheit.
                           Behandlung des Weinstocks. – Im Herbst 1842
                              									pflanzte ich ungefähr 2 Meter auseinander zwei Absenker von Gutedel, welche in den
                              									ersten zwei Jahren sehr kurz abgeschnitten wurden, um dem Stocke mehr Kraft zu
                              									geben; nach Verlauf des zweiten Jahres war die Vegetation beider gleichweit
                              									vorgeschritten. Hierauf unterzog ich den einen derselben folgender Behandlung: ich
                              									umgab den Stock, jedoch in gewisser Entfernung von den Wurzeln, mit 1/2 Kilogr.
                              									kieselsaurem Kali und 1 1/2 Kilogr. phosphorsaurem Kalk-Kali, vermengt mit
                              									dem gleichen Gewicht getrockneten Bluts und Koths gemästeter Gänse.Diese Excremente enthalten noch viel Stärkmehl und Fettsubstanz.
                              								
                           Vom Jahr 1845 an erhielt das Holz dieses Weinstocks eine solche Entwicklung, daß man
                              									glaubte eine Species von kräftigem und raschem Wuchs auf eine andere, trägere,
                              									gepfropft zu sehen. Der Durchmesser des Holzes, welches im Jahr 1844 getrieben
                              									hatte, betrug 15 Millimeter; das im J. 1845 getriebene hatte 23 Millimeter.
                           Im Jahr 1846 konnte zwischen diesem Weinstock und dem sich selbst überlassenen gar
                              									kein Vergleich mehr angestellt werden. Der erstere trieb im J. 1846 10 Meter 97
                              									Centimet. hoch, und von 9 Schößlingen wurden 25 groß- und dichtgebeerte
                              									Trauben abgenommen. Der Trieb des andern Stocks betrug nur 4 Meter 6 Centim., und
                              									die 2 bis 3 Blüthen welche er trug, gelangten nicht zur Reife.
                           Aus diesen mit zwei so sehr verschiedenen Pflanzen, wie Weinstock und Hortensia,
                              									angestellten Versuchen kann der Einfluß der von mir angewandten Salze auf die
                              									Vegetation und folglich die Nothwendigkeit ersehen werden, gewisse Körper in dieser
                              									Rücksicht recht sorgfältig zu untersuchen.
                           Das bisherige Verfahren gewisse Salze anzuwenden, hatte die widersprechendsten
                              									Resultate zur Folge. Nur einige Beispiele. Noch vor Kurzem hörte man von einer Seite
                              									behaupten, daß die Ammoniaksalze die Pflanzen tobten; von der andern hingegen, daß
                              									sie zu ihrer Entwickelung beitragen. So viel ist gewiß, daß wenn man nur ein wenig
                              									essigsaures, schwefelsaures, kohlensaures oder salzsaures Ammoniak, in Wasser
                              									aufgelöst, an den Fuß einer Pflanze aus der Gattung Viola, z.B.
                              									eines Stiefmütterchen, gießt, dieselbe in ein paar Stunden und oft in noch kürzerer
                              									Zeit abstirbt. Eine sehr kräftige Cobea scandens starb
                              									schnell ab, weil sie am Fuße mit einer gewissen Menge essigsaurem Ammoniak begossen
                              									worden war; und doch weiß man, daß diese Pflanzen, vorzüglich die erstem, die
                              									Düngung besonders lieben.
                           Ich sah einen sehr starken und gesunden Weinstock, welcher ziemlich häufig mit Harn
                              									begossen wurde, innerhalb 2 Monaten abstehen. Daraus zu schließen, daß thierische
                              									Stoffe dem Weinstock nicht zuträglich seyen, wäre aber sehr gefehlt; denn
                              									bekanntlich gibt es keinen kräftigern und nachhaltigem Dünger für den Weinstock als
                              										Haut, Knochen und Hornsubstanz
                                 										der Thiere!
                           Den von mir mit Hortensien angestellten Versuchen zufolge, gedeihen diese Pflanzen
                              									offenbar mit ziemlich starken Dosen von phosphorsaurem und salpetersaurem Kalk, und
                              									doch richtete ich im vergangenen Julius eine Hortensia in drei Tagen dadurch zu
                              									Grunde, daß ich auf ihre Wurzeln ein Gemenge dieser Salze in demselben Verhältniß
                              									warf, welches früher so gute Resultate gab.
                           Wenn man Th. v. Saussure's Versuche über diesen Gegenstand
                              									studirt, so kömmt man zu dem Schluß, daß viele Salze, sowie auch Zucker und Gummi
                              									die Pflanzen tödten, und doch habe ich mich durch später mitzutheilende
                              									Beobachtungen überzeugt, daß diese Körper unter gewissen Umständen statt giftig zu
                              									seyn, den Pflanzen gegenüber eine ernährende Rolle spielen können. Dieß alles hängt
                              									also ohne Zweifel von dem eingeschlagenen Verfahren ab, und man hat die Functionen
                              									noch nicht hinlänglich zu erforschen gesucht, welche die verschiedenen Agentien, die
                              									die Vegetation zu befördern vermögen, zu erfüllen haben.
                           Was für ein Schluß kann aus Versuchen gezogen werden, die angestellt werden, um die
                              									Einwirkung einer auflöslichen Substanz auf eine Pflanze zu ermitteln, wenn man die
                              									Pflanze in der Auflösung der Substanz vegetiren läßt, oder sie mit deren Auflösung
                              									begießt? Offenbar keiner, weil in beiden Fällen ihr eine wahrhafte Indigestion
                              									zugezogen wird, durch welche sie zu Grunde gehen muß.
                           In der Schweiz, diesem für flüssigen Dünger classischen Lande, wird letzterer nur
                              									nach Regenfällen und wenn die Erde wohl mit Feuchtigkeit getränkt ist, verbreitet,
                              									wo dann seine Einwirkung bei weitem keine so unmittelbare mehr ist. Um also über die
                              									Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Körpers auf eine Pflanze urtheilen zu können,
                              									muß man vorher wissen, wie man sich seiner zu bedienen hat; dieses aber kann nur aus
                              									der Rolle erschlossen werden, welche die Substanz zu spielen berufen ist.