| Titel: | Verbesserungen des Gußstahls in Anwendung auf die Fabrication einer neuen Art Rasirmesser, durch Gebrüder Dittmar in Heilbronn. | 
| Fundstelle: | Band 105, Jahrgang 1847, Nr. L., S. 184 | 
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                        L.
                        Verbesserungen des Gußstahls in Anwendung auf die
                           								Fabrication einer neuen Art Rasirmesser, durch Gebrüder Dittmar in Heilbronn.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									III.
                        Dittmar's Verbesserung des Gußstahls für Rasirmesser und feine
                           								Werkzeuge.
                        
                     
                        
                           Im polytechn. Journal Bd. XCIX S. 299 wurde
                              									ein Bericht des Hrn. Directors Karmarsch über die
                              									verbesserte Fabrication der Rasirmesser der Messerfabrikanten Gebrüder Dittmar in Heilbronn (am Neckar) mitgetheilt. Die
                              									Einzelnheiten des Verfahrens, wodurch dieselben ihre ausgezeichneten Producte
                              									erzielen, sind nun kein Geheimniß mehr; sie ließen sich nämlich für ihre Erfindung
                              									am 16. Dec. 1845 ein Privilegium auf 3 Jahre für das Königreich Bayern ertheilen,
                              									dessen Specification das Kunst- und
                                 										Gewerbe-Blatt, Juniusheft 1847 S. 409 veröffentlicht; sie
                              									lautet:
                           
                              „Das gleichförmig feine, blaue Korn des gehärteten Stahls, eine mit
                                 										Zähigkeit verbundene Härte desselben, sind unstreitig diejenigen Kennzeichen,
                                 										nach denen der praktische Stahlarbeiter die Qualität des zu verarbeitenden
                                 										Materials mit Sicherheit zu beurtheilen im Stande ist, und diese leiteten uns
                                 										bei unsern, mit größter Beharrlichkeit verfolgten Beseitigungsversuchen
                                 										genannter Uebelstände, geben uns jetzt aber auch die Ueberzeugung, daß es uns
                                 										durch Anwendung eigenthümlicher Einrichtungen und durch eine neue zweckmäßige
                                 										Behandlung des Stahls vor, bei und nach dem Härten gelungen ist, sämmtliche
                                 										Gattungen desselben leicht und mit stets gleichem Erfolg auf eine Stufe von Vollkommenheit
                                 										zu bringen, die uns vorher noch völlig unbekannt war. Da wir uns seit vielen
                                 										Jahren vorzugsweise mit der Fabrication von Rasirmessern befassen, so haben wir
                                 										vor der Hand auch gerade diesem Artikel, durch Anwendung ebenberührter von uns
                                 										neu erfundener Methode den Stahl zu verbessern (die nicht nur auf die Qualität
                                 										der Messer bedeutenden Einfluß hat, sondern auch den Fabricationsbetrieb sehr
                                 										befördert), seit etwa einem Jahr einen neuen Aufschwung gegeben. Alle bis jetzt
                                 										nach dieser neuen Weise verfertigten Rasirmesserklingen zeichnen sich ganz
                                 										besonders durch eine ungemeine Dauerhaftigkeit ihrer feinen Schneide aus, und es
                                 										dürfte diese Erfindung für manche mechanischen Künste und Gewerbe großen
                                 										Vortheil gewähren, weil solches Verfahren auch eben so gut bei der Fabrication
                                 										von Werkzeugen, wie: Grabstichel, Bildhauermeißel, chirurgische Instrumente und
                                 										dergleichen angewendet werden kann, bei denen jener Vorzug vom größten Interesse
                                 										ist. Bevor wir die Fabrication näher beschreiben, erlauben wir uns, der oben
                                 										schon kurz berührten Abweichung des Stahls in Beziehung auf Homogeneität und
                                 										Cohäsion noch beizufügen, daß wir, obgleich wir zu Rasirmessern und feinen
                                 										Werkzeugen gewöhnlich doppelt raffinirten Gußstahl von Sheffield (India- oder Cast-Steel) verarbeiten, auch bei diesen feinen Sorten jene
                                 										Verschiedenheit finden, und, zur Vermeidung der aus ihr entstehenden
                                 										Schwierigkeiten im Verarbeiten, von jeher die Stangen zerschlagen, die
                                 										Bruchtheile ihrer Beschaffenheit nach sorgfältig sortiren, und nur die besten
                                 										davon für feine Artikel in Anwendung bringen.
                              
                           
                              Beinahe überall werden die Rasirmesserklingen durch Schmieden aus Stahlstangen,
                                 										Feilen etc. hergestellt, da aber der Stahl nicht weiter als bis dunkelroth
                                 										erwärmt werden darf, wenn das Messer gut werden soll, so hat der geübteste
                                 										Arbeiter dennoch die Klingen zehn- bis zwölfmal ins Feuer zu bringen,
                                 										welcher Zeitaufwand schon vor mehreren Jahren einige Fabrikanten in Sheffield
                                 										und Staffordshire veranlaßt, die Klingen in angeräucherte erwärmte Formen zu
                                 										gießen, um die Rasirmesser billiger herstellen zu können, welche Methode auch an
                                 										manchen Plätzen Deutschlands für Scheren, Messer etc. Anwendung fand. Sobald
                                 										diese Gegenstände cementirt und ausgefertigt sind, kann man sie dem Ansehen nach
                                 										kaum unter den aus Stahl geschmiedeten erkennen.
                              
                           
                              Ebenso wurde schon vor längerer Zeit in Paris ein Verfahren, Rasirmesser aus
                                 										dünnem Stahlblech anzufertigen, patentirt, das ebenfalls wie jenes auf Abkürzung
                                 										der Arbeiten abzielt, und zwar dem Fabrikanten, nicht aber dem Konsumenten
                                 										Nutzen bringt. Wir erreichen nach unserer neuen Methode den gleichen Zweck,
                                 										während wir noch überdieß in den Stand gesetzt werden, die größte Anzahl von Klingen mit aller
                                 										Sicherheit von durchaus gleich vorzüglicher Beschaffenheit zu liefern, was beim
                                 										bisherigen Schmieden und bei der englischen Façon ganz unmöglich ist.
                              
                           
                              Um nämlich obige Stahlgattungen, d.h. die ausgesuchten besten Bruchtheile von
                                 										denselben, zur Fabrication von Rasirmessern zu verwenden, strecken wir dieselben
                                 										durch leichtes aber schnelles Schmieden unter zwei Hämmern bei gelinder Wärme in
                                 										lange Planchen aus, bringen sie dann abermals auf einen leichten Glühgrad und
                                 										lassen sie wieder langsam erkalten. So vorbereitet werden die erkalteten Stücke
                                 										mehrmals stark gewalzt, wodurch der Stahl, ohne wie beim Härten an Zähigkeit zu
                                 										verlieren, so außerordentlich verdichtet wird, daß man ihn nur mit Schwierigkeit
                                 										in Façon feilen kann.
                              
                           
                              Um ihn nun zu letzterem Zweck nicht wieder glühen zu müssen, wodurch sein dichtes
                                 										Gefüge nachlassen würde, bedienen wir uns einer Prägmaschine, mittelst deren wir
                                 										die Klingen mit Einem Druck aus dem kalten Stahl schneiden, und erhalten dem
                                 										letzteren seine ursprüngliche Zähigkeit neben der durch das Kaltwalzen
                                 										hervorgebrachten Härte. Die nach obiger Weise erzeugte Stahlplanche wird nämlich
                                 										nach einem Modell in Stücke zerschlagen, der hintere Theil (tallong) ein wenig erwärmt und in seine ungefähre
                                 										Form geschmiedet, sodann die Klinge ausgepreßt, das Loch auf einer Bohrmaschine
                                 										gebohrt, und die Schneide auf einem großen Stein bis zur Hälfte der Rückenstärke
                                 										abgeschliffen. Letzteres hat zum Zweck, daß die Klingen rein werden – die
                                 										innern, seiner Zeit den Schnitt bildenden Theile der Härtenkälte mehr
                                 										bloßgestellt sind, und daß beim Anlassen der Härtegrad besser zu erkennen
                                 										ist.
                              
                           
                              Sind die Messer so weit hergerichtet, so bringen wir sie in einer Mischung von
                                 										verdünnter Schwefelsäure und Salmiaklösung mit einem galvanischen Apparat von
                                 										constanter Wirkung in Verbindung, wodurch die Klingen schnell mit einem lockern
                                 										dunkelgrünen Anflug belegt werden, spülen sie dann in Wasser ab und trocknen sie
                                 										in der Wärme. Auf diese Art erhalten sie einen dünnen Ueberzug von Eisenoxyd,
                                 										der in der Härtenhitze auf eine für die Qualität des Stahls günstige Weise
                                 										chemisch auf den Kohlenstoffgehalt desselben einwirkt. Zum Härten haben wir ein
                                 										besonderes Local eingerichtet, mit einem von uns eigens construirten Härteofen,
                                 										worin auch bei Tag gearbeitet werden kann, weil man das äußere Licht dermaßen
                                 										abzuhalten im Stande ist, daß man die rechte Glühfarbe genau und sicher erkennt.
                                 										Das Feuer ist mit einer Backsteinmauer ganz umschlossen (damit man weder durch
                                 										die Hitze noch durch das Licht der glühenden Kohlen beim Arbeiten genirt ist), und durch
                                 										Feuer und Mauer laufen zwei hohle Cylinder, mit je einer Oeffnung nach dornen,
                                 										worin die Rasirmesserklingen erwärmt werden. Der eine derselben, rechts, Fig. 12,
                                 										dient als Vorwärmer, und die Klingen erhalten in ihm langsam einen ganz gelinden
                                 										Glühgrad; – er ist von dünnem Kupferblech, 1 1/2' lang und 2'' weit, und
                                 										dieses kupferne Rohr umschließt ein zweites, gleichlanges von gewalztem Eisen,
                                 										mit einem Durchmesser von 3''; der Raum zwischen beiden ist mit einem
                                 										Kohlenpulver, das aus zwei Theilen Buchen- und einem Theil leichten
                                 										Kohlen besteht, ausgefüllt. Der andere Cylinder, links Fig. 13, hat die
                                 										gleiche Lage und Weite, wie das kupferne Rohr, ist aber von starkem Eisenblech
                                 										verfertigt. Unter diesem läuft, an ihm befestigt, ein Flintenlauf hin, der an
                                 										beiden Enden zugeschweißt ist und vornen über den Cylinder hinausreicht. An der
                                 										Vorderseite befindet sich an dem hervorstehenden Theil des Laufes ein Loch mit
                                 										einem Trichter, während im Hintergrund das Innere des Cylinders und des Laufs
                                 										durch eine feine Ritze mit einander verbunden ist. Sobald die Klinge aus dem
                                 										Vorwärmer in den eisernen Cylinder eingebracht wird, läßt man etwas weniges von
                                 										einer aus 4 Pfd. Salmiak, 2 Pfd. Blutlaugensalz, 1/2 Pfd. Colophonium und 7 Pfd.
                                 										Fett bestehenden Masse durch den Trichter in den glühenden Flintenlauf
                                 										einrinnen; das sogleich durch Zersetzung sich bildende Gasgemisch streicht durch
                                 										den Cylinder und gibt den Klingen während seines Verbrennens schnell und ganz
                                 										gleichförmig den zum Härten erforderlichen Wärmegrad, der sich dabei leicht aufs
                                 										genaueste erkennen läßt. Als Härtewasser bedienen wir uns jener Mischung von
                                 										Salmiak und Schwefelsäure, die wir oben schon berührten, und die uns nach unfern
                                 										vieljährigen Erfahrungen den großen Vortheil gewährt, daß die Gegenstände keine
                                 										Risse darin bekommen, während ihre oxydirende Wirkung in vorliegendem Fall nicht
                                 										schaden kann. Der Rücken der gehärteten Klinge wird durch Eintauchen in eine
                                 										schmelzende Legirung von Blei und Zinn weich gemacht, die Schneide aber über
                                 										einer Alkoholflamme gelblich angelassen. Nach dem Schleifen Poliren wir die
                                 										Messer nur auf Zinnscheiben, und vergolden sie dann auf elektro-chemische
                                 										Weise, weil es häufig vorkommt, daß dünngeschliffene Klingen durch die hohe
                                 										Politur (englischer Glanz) am Schnitt verbrannt werden. Der Fläche Abzug wird
                                 										auf einer horizontal laufenden Compositionsscheibe, und zuletzt auf einer
                                 										Glasscheibe hergestellt, wozu uns zwei Abziehmaschinen dienen. Durch diese
                                 										vereinigten Manipulationen gelang es uns, der vielfach angenommenen Meinung
                                 										entgegen, als ob die Zähigkeit des Stahls nothwendig in gleichem Grade
                                 										vermindert werden müsse, jemehr derselbe an Härte und Feinheit des Korns
                                 										zunehme, einen Stahl
                                 										herzustellen, dessen inneres Gefüge in Beziehung auf Dichtigkeit, Feinheit und
                                 										Gleichförmigkeit nichts zu wünschen übrig läßt, während ihm beim Härten seine
                                 										ursprüngliche Zähigkeit größtentheils erhalten werden kann, weil die
                                 										zweckmäßige, auf Verdichtung des Gefüges hinwirkende Behandlung des Stahls vor
                                 										dem Härten uns gestattet, bei letzterem eine weit geringere Erhitzung, resp.
                                 										Abkühlung anzuwenden. Ueber die äußere Ausstattung der Messer, z.B. Damascirung
                                 										und Vergoldung, worin wir es durch lange Uebung zu der für die Fabrication im
                                 										Großen nöthigen Sicherheit gebracht haben, wollen wir hinweggehen, und in der
                                 										Beziehung nur der Tallons erwähnen, die wir durch Belegen mit einem der
                                 										Oxydation mehr widerstehenden Metall wesentlich verbessert haben, weil der
                                 										blanke Stahl, besonders in Elfenbeinheften, an dieser Stelle immerfort rostet,
                                 										und, wie die Erfahrung gezeigt hat, auch nicht durch galvanisches Vergolden oder
                                 										Versilbern davor geschützt werden kann.
                              
                           
                              Schließlich bezeichnen wir in Kürze folgende fünf Punkte aus der hier
                                 										beschriebenen Methode Rasirmesser zu fabriciren, als wesentlich neu und von uns
                                 										erfunden:
                              
                           
                              1) das kalte Walzen des Stahls,
                              
                           
                              2) das kalte Auspressen der Klingen,
                              
                           
                              3) die Construction unseres Härteofens,
                              
                           
                              4) die Benützung verbrennender Gase zum Härten, und
                              
                           
                              5) die Belegung der Tallons mit Metallblech.“
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
