| Titel: | Ueber das zweckmäßigste Verfahren Fleisch zu kochen, Fleischbrühe und Fleischextract zu bereiten und das Fleisch einzusalzen; von Hrn. Prof. J. v. Liebig. | 
| Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. XV., S. 55 | 
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                        XV.
                        Ueber das zweckmäßigste Verfahren Fleisch zu
                           kochen, Fleischbrühe und Fleischextract zu bereiten und das Fleisch einzusalzen; von
                           Hrn. Prof. J. v.
                              Liebig.
                        Liebig, über das zweckmäßigste Verfahren Fleisch zu kochen und
                           Fleischextract zu bereiten etc. 
                        
                     
                        
                           Hr. Prof. J. v. Liebig theilt in seinen Annalen der Chemie und
                                    Pharmacie, Juniheft 1847, S. 257–269 eine umfangreiche
                              wissenschaftliche Arbeit, seine Untersuchungen „über die Bestandtheile der
                                 Flüssigkeiten des
                                 Fleisches“ mit, welcher wir nachstehende für die Praxis wichtige
                              Resultate entnehmen.
                           
                        
                           Ueber das Kochen des Fleisches.
                           Es geht aus dieser Untersuchung hervor, daß durch das Kochen des Fleisches eine
                              wesentliche Aenderung in seiner Zusammensetzung bewirkt wird; je nach der Dauer des
                              Kochens und der Wassermenge tritt eine mehr oder weniger vollständige Scheidung der
                              löslichen von den unlöslichen Bestandtheilen des Fleisches ein. Die Fleischbrühe
                              enthält lösliche Phosphate mit alkalischen Basen, milchsaure, inosinsaure Salze,
                              phosphorsaure Bittererde und nur Spuren von phosphorsaurem Kalk; das gekochte
                              Fleisch enthält vorzugsweise phosphorsauren Kalk und phosphorsaure Bittererde.
                           Es ist klar, daß wenn das als Speise genossene Fleisch in dem Leibe wieder in Fleisch
                              übergehen, wenn ihm die Fähigkeit bleiben soll, sich in dem ursprünglichen Zustande
                              wieder zu erzeugen, so darf dem frischen Fleisch bei seiner Zubereitung zu einem
                              Nahrungsmittel keiner seiner Bestandtheile entzogen werden. Wenn in irgend einer
                              Weise seine Zusammensetzung geändert, einer der Bestandtheile, der zu seiner
                              Constitution gehört, entzogen wird, so ändert sich in gleichem Verhältniß die
                              Fähigkeit des Fleischstückes, die ursprüngliche Form und Beschaffenheit, von der
                              seine Eigenschaften im lebendigen Körper abhängen, in dem lebenden Körper wieder
                              anzunehmen.
                           Es ergibt sich hieraus, das das gekochte Fleisch, wenn es ohne die Fleischbrühe
                              genossen wird, zur Ernährung um so weniger sich eignet, je größer die Wassermenge
                              war, in der es gekocht wurde, und je länger das Kochen dauerte.
                           Durch Ausziehen des gehackten Fleisches mit kaltem Wasser verliert es seinen ganzen
                              Gehalt von Albumin (Eiweiß). Der fibrinreiche ausgewaschene Rückstand, mit Wasser
                              gekocht, ist völlig geschmacklos; es ist klar, daß alle
                                 schmeckenden und riechenden Bestandtheile des Fleisches in dem Fleische selbst
                                 sich in löslichem Zustande befinden und beim Kochen in die Fleischbrühe
                                 übergehen. Der Geruch und Geschmack des gebratenen Fleisches rührt von den
                              löslichen Bestandtheilen der Fleischflüssigkeit her, welche durch den Einfluß der
                              höheren Temperatur eine schwache Veränderung erlitten haben. Fleisch, welches durch
                              Auskochen mit Wasser geschmacklos geworden ist, erhält den Geschmack und alle
                              Eigenthümlichkeiten des gebratenen Fleisches, wenn es mit einem bis zum
                              Dunkelbraunwerden abgedampften kalten Wasserauszug von frischem Fleische befeuchtet
                              und damit erwärmt wird.
                              Alle Fleischsorten verhalten sich in dieser Hinsicht auf gleiche Weise; die
                              riechenden und schmeckenden Bestandteile sind in dem gebratenen Fleische in Lösung
                              oder in löslichem Zustande vorhanden. Die Flüssigkeit, die man durch Auslaugen von
                              verschiedenen Fleischsorten mit kaltem Wasser, und nach dem Erhitzen zum Sieden,
                              nach dem Gerinnen des Albumins erhält, besitzt stets den allgemeinen Geschmack einer
                              Fleischbrühe aber jede für sich hat außerdem noch einen besondern Geschmack, welcher
                              an Geschmack und Geruch des gebratenen Fleisches der verschiedenen Fleischsorten
                              erinnert, so zwar z.B., daß wenn dem gekochten Fleisch vom Ochsen die concentrirte
                              Fleischflüssigkeit von Rehfleisch oder Hühnerfleisch zugesetzt wird, daß sich
                              alsdann dieses Fleisch vom Rehoder gebratenem Hühnerfleisch nicht unterscheiden
                              läßt. Ein kleiner Zusatz von Milchsäure (von sehr wenig frischem Sauerkraut z.B.),
                              oder von Chlorkalium, welches stets einen Bestandtheil aller Fleischbrühen ausmacht,
                              erhöht das pikante des Fleischbrühgeschmacks, sowie auf der andern Seite eine
                              alkalische Flüssigkeit, oder der Zusatz von Blut den Fleischbrühgeschmack bis zum
                              Faden herabbringt.
                           Die Fleischfaser für sich ist überall von einer albuminhaltigen Flüssigkeit umgeben;
                              davon durch Auslaugen befreit, ist sie von allen Thieren von gleicher
                              Beschaffenheit. Beim Kochen mit Wasser wird die ausgelaugte Fleischfaser hart und
                              hornartig, und dieß um so mehr, je länger das Kochen dauerte. Es ist demnach klar,
                              daß die zarte Beschaffenheit des gekochten oder gebratenen Fleisches von der Menge
                              des zwischen die Fibrinfaser gelagerten und gerinnenden Albumins herrührt; das
                              Zusammengezogen- oder Hartwerden der Fibrinfaser wird dadurch bis zu einem
                              gewissen Grade gehindert. Diese Beschaffenheit hängt übrigens noch ab von der Dauer
                              des Kochens, denn auch das Albumin wird durch das Kochen fester, ohne übrigens
                              jemals eine zähe Beschaffenheit anzunehmen.
                           Der Einfluß des heißen Wassers auf die Qualität des Fleisches und der Fleischbrühe
                              bedarf hienach kaum einer weiteren Auseinandersetzung.
                           Wird das zur Speise bestimmte Fleisch in den Topf gethan, wenn
                                 sich das darin befindliche Wasser im starken Aufwallen befindet und das Sieben
                                 einige Minuten unterhalten, alsdann so viel kaltes Wasser hinzugeschüttet, daß
                                 die Temperatur des Wassers dadurch auf 59 oder
                              56° R. herabgebracht wird und in dieser Temperatur
                                 einige Stunden erhalten, so hat man alle Bedingungen vereinigt, 
                              um dem Fleischstück die zum Genusse geeignetste Beschaffenheit
                                 zu geben.
                           Durch das Einbringen in das siedende Wasser coagulirt sogleich von der Oberfläche
                              abwärts das Albumin, welches in diesem Zustand eine Hülle bildet, die dem außerhalb
                              befindlichen Wasser nicht mehr gestattet, in das Innere des Fleischstückes zu
                              gelangen, aber die Temperatur pflanzt sich allmählich bis zum Innern fort und
                              bewirkt dort die Ueberführung des rohen Fleisches in den Zustand des gekochten oder
                              gebratenen Fleisches. Das Fleisch bleibt saftig und so schmackhaft als es beim
                              Braten nur werden kann, denn der größte Theil der schmeckenden Bestandtheile des
                              Fleischstückes bleibt unter diesen Umständen im Fleisch.
                           Wenn man sich erinnert, daß das Albumin des Fleisches schon bei einer Temperatur von
                              42° R. zu gerinnen anfängt, daß es bei 40° R. (Berzelius) vollkommen geronnen ist, so sollte man voraussetzen, daß es
                              nicht nöthig wäre, das Fleisch bei seiner Zubereitung einer höheren Temperatur
                              auszusetzen. Aber bei dieser Temperatur gerinnt der Farbstoff des Blutes noch nicht,
                              das Fleisch ist genießbar, aber das bluthaltige Fleisch erhält unter diesen
                              Umständen eine sogenannte blutige Beschaffenheit, die es erst dann verliert, wenn es
                              durch seine ganze Masse hindurch eine Temperatur von 52 bis 56° R. angenommen
                              hat.
                           In dem Innern eines sehr großen Fleischstückes, welches gekocht oder gebraten worden
                              ist, kann man an der Farbe, die das Fleisch zeigt, mit Sicherheit die Temperatur der
                              verschiedenen Stellen beurtheilen. An den blutigen Stellen war die Temperatur
                              niedriger als 50° R. Beim Kochen oder Braten von Vögeln, deren Fleisch weiß
                              ist und wenig Blut enthält, übersteigt die Temperatur des Innern bei einer guten
                              Zubereitung selten 43 bis 48° R., sie werden, wie man sagt, rascher gar wie
                              blutreiches Fleisch.
                           Durch das Umwickeln kleiner Fleischstücke mit Speck wird das Austreten der
                              schmeckenden Bestandtheile in die Fleischflüssigkeit und das Verdunsten des Wassers,
                              welches ein Festerwerden zur Folge hat, gehindert und die Oberfläche abwärts in der
                              Beschaffenheit erhalten, welche sonst nur das Innere größerer Fleischstücke
                              besitzt.
                           
                        
                           Zweckmäßigstes Verfahren zur Bereitung von
                                 Fleischbrühe.
                           Das Einbringen des Fleischstückes in siedendes Wasser ist für die Zubereitung des
                              Fleisches das beste, aber für die Qualität der Fleischbrühe das ungünstigste
                              Verfahren. Wird im Gegensatz das Fleischstück in kaltes Wasser gethan und dieses
                              ganz allmählich zum Sieden gebracht, so tritt vom ersten Augenblicke an ein Austausch der in
                              dem Fleischstück enthaltenen Fleischflüssigkeit und des außerhalb befindlichen
                              Wassers ein. Die löslichen und schmeckenden Bestandtheile des Fleisches treten an
                              das Wasser; das letztere gelangt in das Innere des Fleischstückes und laugt dieses
                              mehr oder weniger stark aus; das Fleisch verliert, die Brühe gewinnt an schmeckenden
                              Bestandtheilen; durch das Austreten von Albumin, welches gewöhnlich abgeschäumt
                              wird, verliert vorzüglich die Oberfläche des Fleischstücks ihre kurze
                              Beschaffenheit, sie wird zähe und hart. Je dünner das Fleischstück ist, desto mehr
                              tritt diese letztere Beschaffenheit ein, und wenn es in diesem Zustande ohne die
                              Brühe genossen wird, verliert es nicht bloß an seiner Ernährungsfähigkeit, sondern
                              auch an seiner Verdaulichkeit, insofern die Fleischflüssigkeit selbst, deren
                              Bestandtheile sich in der Fleischbrühe befanden, an der Magenverdauung keinen
                              Antheil mehr nehmen kann. Die Fleischbrühe enthält nämlich zwei Hauptbestandtheile
                              des Magensaftes.
                           Man hat sich lange Zeit hindurch gefallen lassen, der beim Kochen des Fleisches sich
                              lösenden Leimsubstanz, welche der concentrirten Fleischbrühe die Eigenschaft des
                              Gelatinirens ertheilt, die Haupteigenschaften oder Eigenthümlichkeiten der
                              Fleischbrühe zuzuschreiben, allein es kann keinen größern Irrthum geben. Die
                              einfachsten Versuche beweisen, daß die Quantität der gelösten Leimsubstanz in einer
                              gut bereiteten Fleischbrühe so klein ist, daß sie gar nicht in Rechnung genommen
                              werden darf, um ihre Eigenschaften zu erklären; die Leimsubstanz ist an und für sich
                              ganz geschmacklos, und von ihr kann der Geschmack der Fleischbrühe nicht
                              herrühren.
                           Um die Menge der unter den günstigsten Verhältnissen sich durch Kochen des Fleisches
                              lösenden Leimsubstanz zu bestimmen, wurde feingehacktes Fleisch mit kaltem Wasser
                              ausgelaugt, ausgepreßt und der Rückstand (Fleischfaser und Membranen) mit der
                              zehnfachen Wassermenge fünf Stunden lang im Sieden erhalten, die Flüssigkeit
                              abgepreßt und im Wasserbade zur Trockne gebracht. Die erhaltenen Brühen waren vom
                              Kalb und Ochsen geschmacklos, oder vielmehr von fadem, den meisten ekelhaftem
                              Geschmack. Die vom Kalbfleisch gelatinirte, als sie bis auf die Hälfte, die vom
                              Ochsenfleisch, als sie bis auf 1/16 abgedampft worden war. Bei diesem mehrstündigen
                              Kochen hatten die Fleischfaser und Membranen vom Kalb nur 1 1/2 Proc., die vom
                              Ochsen etwas mehr als 1/2 Proc. ihres Gewichts an das Wasser abgegeben; von dem
                              Aufgelösten beträgt die Leimsubstanz sicher nicht die Hälfte des Gewichts, da ein
                              Theil oder Bestandtheil des Fibrins unter diesen Umständen ebenfalls in Lösung
                              übergeht.
                           
                           Aus 1000 Gewichtstheilen Ochsenfleisch wurden
                              erhalten:
                           
                              
                                 a)
                                 durch kaltes Wasser ausziehbare Bestandtheile (zur
                                    Hälfte aus Albuminbestehend, welches durch Kochen gerinnt)
                                     60 Th.
                                 
                              
                                 b)
                                 durch fünfstündiges Auskochen mit Wasser (größtentheils
                                    Leimsubstanz)
                                       6  „
                                 
                              
                                 c)
                                 mageres, saft- und geschmackloses Fleisch
                                    (Faser)
                                   164  „
                                 
                              
                                 d)
                                 Fett
                                     20  „
                                 
                              
                                 e)
                                 Wasser
                                   750  „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 1000 Th.
                                 
                              
                           Das Hühnerfleisch enthält bei gleichem Gewichte mehr an löslichen Bestandtheilen als
                              das Ochsenfleisch. Aus 1000 Th. Hühnerfleisch löst das kalte Wasser 80 Th. auf, von
                              denen 47 aus Albumin bestehen.
                           Aus dem beschriebenen Verhalten ergibt sich von selbst das beste Verfahren um in der kurzen Zeit von wenigen Minuten die stärkste und
                                 aromatischste Fleischbrühe darzustellen. Wenn man 1 Pfd. ausgebeintes,
                              mageres, fettfreies Ochsenfleisch in feingehacktem Zustande, so wie man es für die
                              Fleischwürste verwendet, mit seinem gleichen Gewichte kaltem Wasser gleichförmig
                              mischt und langsam zum Sieden erwärmt und die Flüssigkeit nach minutenlangem
                              Aufwallen von dem geronnenen Albumin und dem hart und hornartig gewordenen Fibrin
                              durch Auspressen mittelst einer Serviette trennt, so erhält man ein gleiches Gewicht
                              der aromatischsten Fleischbrühe, von einer Stärke, wie sie selbst durch
                              stundenlanges Kochen von einem Stücke Fleisch nicht erhalten werden kann. Mit etwas
                              Kochsalz und den anderen Zuthaten versetzt, womit man die Fleischbrühe würzt und mit
                              braungebratenen Zwiebeln oder gebranntem Zucker etwas dunkler gefärbt, stellt sie
                              die beste Fleischbrühe dar, die sich überhaupt aus einem Pfunde Fleisch bereiten
                              läßt. Der Einfluß, den die (bräunliche) Farbe dieser Brühe oder das Gefärbtseyn in
                              Folge der Vorstellungen, die sich an die Farbe knüpfen, auf den Geschmack ausübt,
                              läßt sich bei dieser Gelegenheit mit Leichtigkeit darthun. Die mit etwas Caramel
                              gefärbte Fleischbrühe hat nach dem Urtheil aller Personen einen weit stärkeren
                              Geschmack, wie dieselbe Fleischbrühe im ungefärbten Zustande, obwohl der Caramel in
                              der Wirklichkeit den Geschmack in keiner Weise erhöht.
                           
                        
                           Ueber die Bereitung von Fleischextract zur Verproviantirung
                                 von Schiffen und Festungen etc.
                           Läßt man das Fleisch mit dem Wasser längere Zeit kochen, oder die Fleischbrühe
                              kochend verdampfen, so nimmt sie bei einiger Concentration von selbst eine
                              bräunliche Farbe und einen feinen Bratengeschmack an. Dampft man sie im
                              Wasserbade, oder wo möglich in einer noch niedrigeren Temperatur zur Trockene ein,
                              so erhält man eine dunkelbraune weiche Masse, von welcher eine halbe Unze hinreicht,
                              um ein Pfund Wasser, dem man etwas Kochsalz zusetzt, in eine starke und
                              wohlschmeckende Fleischbrühe zu verwandeln.
                           Dieser Fleischextract läßt sich mit den in England und Frankreich bereiteten
                              sogenannten Suppen- oder Bouillontafeln nicht vergleichen, denn diese
                              letzteren sind nicht aus Fleisch gemacht und bestehen aus mehr oder weniger reinem
                              Leim, der sich von dem Knochenleim nur durch seinen hohen Preis unterscheidet.
                           Aus 32 Pfd. knochen- und fettfreiem, magerem Ochsenfleisch (8 Pfd. trockenem
                              Fleisch und 24 Pfd. Wasser) erhält man 1 Pfd. von diesem Extract, der seines hohen
                              Preises wegen kaum einen Gegenstand des Handels abgeben dürfte; wenn aber die
                              Erfahrungen der Militärärzte mit denen von Parmentier
                              übereinstimmen, wonach „der trockene Fleischextract im Gefolge eines
                                 Truppencorps den schwer verwundeten Soldaten ein Stärkungsmittel darbietet,
                                 welches mit etwas Wein seine durch einen großen Blutverlust erschöpften Kräfte
                                 augenblicklich hebt und ihn in den Stand setzt, den Transport in das nächste
                                 Hospital zu ertragen“
                              Siehe Proust, Annal. de Chim. et de Phys. 3.
                                    sér. T. XVIII p. 177., so scheint es mir eine wahre Gewissenssache zu seyn, den Vorschlag Parmentier's und Proust's der
                              Aufmerksamkeit der Regierungen zu empfehlen.
                           Jetzt, wo man die Zusammensetzung dieses Extracts etwas genauer kennt, dürfte es
                              jedem geschickten Apotheker leicht seyn, den ächten von dem falschen zu
                              unterscheiden. Von dem wahren Fleischextract lösen sich nahe an 80 Proc. in
                              Weingeist von 85 Proc., während von derselben Flüssigkeit von den gewöhnlichen
                              Suppentafeln selten mehr als 4–5 Proc. gelöst werden. Der Kreatin- und
                              Kreatiningehalt, welcher letztere in der weingeistigen Lösung sogleich durch
                              Zinkchlorür erkannt wird, so wie die Natur der nach der Einäscherung bleibenden
                              Salze, die vorzugsweise aus löslichen Phosphaten bestehen, geben Anhaltspunkte genug
                              zur Beurtheilung der Güte des ächten Fleischextractes ab.
                           Für die Verproviantirung von Schiffen und Festungen halte ich diesen Fleischextract
                              für nicht minder wichtig, um den Gesundheitszustand der Mannschaft in denjenigen
                              Fällen zu erhalten, wo es an frischem Fleische und Gemüse fehlt und die Mannschaft
                              auf gesalzenes Fleisch angewiesen ist.
                           
                        
                           
                           Ueber das Einsalzen von Fleisch.
                           Es ist Jedermann bekannt, daß beim Einsalzen von Fleisch dasselbe mit Kochsalz
                              eingerieben und bestreut wird, und daß sich an den Stellen, wo sich Fleisch und Salz
                              berühren, eine Salzlacke bildet, welche den dritten Theil, bis die Hälfte der
                              Flüssigkeit beträgt, die einen Bestandtheil des frischen Fleisches ausmachte.
                           Ich habe gefunden, daß diese Salzlacke die Hauptbestandtheile einer concentrirten
                              Fleischbrühe enthält, daß also beim Einsalzen die Zusammensetzung des Fleisches und
                              in einem noch größeren Verhältniß geändert wird, wie dieß durch das Kochen
                              geschieht. Beim Kochen bleibt das in hohem Grade nahrhafte Albumin in geronnenem
                              Zustande in dem Fleischstücke, aber beim Einsalzen trennt sich Albumin vom Fleisch;
                              aus der zum Sieden erhitzten Salzlacke scheidet sich eine Menge Albumin als
                              Gerinnsel ab. Die Salzlacke reagirt sauer, sie gibt mit Ammoniak, bei Zusatz eines
                              Bittererdesalzes, einen reichlichen Niederschlag von phosphorsaurem
                              Bittererdeammoniak, sie enthält Milchsäure, eine reichliche Menge Kali, und daß sie
                              Kreatin enthält, was ich übrigens von dem großen Ueberschuß an Kochsalz nicht zu
                              trennen vermochte, läßt sich ohne Zweifel aus ihrem Kreatiningehalt erschließen. Die
                              mit Kalk neutralisirte Salzlacke gibt nämlich nach dem Auskrystallisiren des
                              Kochsalzes eine Mutterlauge, aus der sich nach einiger Zeit, bei Zusatz von Alkohol
                              und dann von Chlorzink, das mehrmals erwähnte Kreatinindoppelsalz absetzt.
                           Es ist hienach vollkommen verständlich, daß dem Fleisch beim Einsalzen, wenn dieß so
                              weit getrieben wird, daß sich eine Salzlacke bildet, durch das Austreten der
                              Fleischflüssigkeit eine Anzahl von Stoffen entzogen werden, die zu seiner
                              Constitution nothwendig sind und daß es im Verhältniß zu diesem Verlust von seiner
                              Ernährungsfähigkeit verliert; wenn diese Bestandtheile nicht von andern Seiten her
                              ersetzt werden, so ist klar, daß ein Theil des Fleisches zu einem für die Gesundheit
                              sicher nicht zuträglichen Respirationsstoffe wird. Es ist ferner gewiß, daß durch
                              gesalzenes Fleisch, wenn seine Quantität nicht vermehrt wird, auf die Dauer hin der
                              Gesundheitszustand eines Individuums nicht erhalten werden kann, insofern durch
                              seine Bestandtheile die durch den Stoffwechsel ausgetretenen Körpertheile nicht
                              vollkommen ersetzt und die in dem ganzen Körper verbreitete Flüssigkeit
                              (Fleischflüssigkeit) in ihrer normalen Zusammensetzung nicht erhalten wird. Eine
                              Aenderung in der Beschaffenheit des Magensaftes und damit der Producte des
                              Verdanungsprocesses muß als eine Folge des lange anhaltenden Genusses von gesalzenem
                              Fleisch angesehen
                              werden, und wenn während der Verdauung die Stoffe, welche zur Umwandlung desselben
                              unentbehrlich sind, von anderen Theilen des Körpers genommen werden, so müssen diese
                              ihren normalen Zustand verlieren.
                           In meinen Versuchen war anfänglich zum Einsalzen des Fleisches ein Kochsalz genommen
                              worden, welches sich in einer späteren Untersuchung als sehr reich an Chlorcalcium
                              und Chlormagnesium erwies; diese Untersuchung wurde dadurch herbeigeführt, daß in
                              der damit erhaltenen Salzlacke nur Spuren von Phosphorsäure nachweisbar waren. Das
                              äußere Ansehen des Fleisches erklärte schon diese nicht erwartete Erscheinung, es
                              war nämlich wie mit einem weißen Schaume bedeckt, der zum größten Theil aus
                              phosphorsaurem Kalk und phosphorsaurer Bittererde bestand; die Erdsalze des
                              Kochsalzes hatten sich mit dem phosphorsauren Alkali der Fleischflüssigkeit in
                              phosphorsauren Kalk und Bittererde umgesetzt, von der sich in der sauer reagirenden
                              Salzlacke nur sehr kleine Mengen lösen konnten.
                           In der Anwendung eines an Kalk- und Bittererde reichen Kochsalzes zum Salzen
                              mag ein Grund liegen, der den Genuß von damit gesalzenem Fleisch minder schädlich
                              macht. Es ist nämlich klar, daß wenn mit einem solchen Fleische Gemüse genossen
                              werden, welche reich an Kali sind, wie dieß bei allen stattfindet, in diesem Falle
                              die Bedingungen vorhanden sind, um während der Verdauung die fehlenden
                              phosphorsauren Alkalien wieder zu erzeugen. Daß diese wirklich unter diesen
                              Umständen erzeugbar sind, dieß geben die Analysen der Milch und des Futters der
                              grasfressenden Thiere zu erkennen, welche keine phosphorsauren Alkalien, sondern
                              phosphorsauren Kalk und Bittererde neben Salzen mit alkalischen Basen enthalten.
                           Vergleicht man Fleisch mit andern animalischen Speisen, mit Eiern und Käse, so ist
                              die Verschiedenheit in die Augen fallend, und die Schwerverdaulichkeit derselben im
                              Vergleich mit Fleisch ist ohne Zweifel in der ungleichen Zusammensetzung
                              begründet.
                           Wenn man in Betracht zieht, daß die Fleischflüssigkeit aller bis jetzt untersuchten
                              Thiere eine constante Beschaffenheit besitzt, daß, abgesehen von den Bestandtheilen
                              derselben, die von dem beigemischten Blute stammen, sowie von geringen Mengen
                              riechender oder schmeckender Stoffe, von denen der Nebengeschmack der Fleischbrühe
                              jeder einzelnen Fleischsorte abhängig ist, die Fleischbrühe von Ochsenfleisch sich
                              in keiner Weise von der vom Fuchsfleisch unterscheidet, so scheint mit Recht hieraus
                              gefolgert werden zu können, daß die Menge und die Natur der löslichen Bestandtheile
                              in dem Muskelsystem zu den Functionen der Muskeln nothwendig sind; es scheint sich
                              ferner daraus zu ergeben, daß in der Beurtheilung der Ernährungsfähigkeit einer
                              Speise die Zusammensetzung des Blutes nicht zum Anhaltspunkt gewählt werden darf,
                              weil noch eine Anzahl von Factoren mit in Rechnung genommen werden müssen, die im
                              Blute fehlen, oder nur in geringer Menge darin vorhanden sind.