| Titel: | Ueber die wildwachsenden Pflanzen, welche dem Menschen zur Nahrung dienen können; von Hrn. Braconnot. | 
| Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. XLVII., S. 233 | 
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                        XLVII.
                        Ueber die wildwachsenden Pflanzen, welche dem
                           Menschen zur Nahrung dienen können; von Hrn. Braconnot.
                        Im Auszug aus dem Journal de Chimie médicale, Jun.
                              1847, S. 309.
                        Braconnot, über wildwachsenden Pflanzen, welche dem Menschen zur
                           Nahrung dienen können.
                        
                     
                        
                           Eine Menge nährender Pflanzen wächst wild auf unsern Feldern und geht für Menschen
                              und Thiere größtentheils verloren, während sie die mangelnden Kartoffeln ersetzen
                              könnten. Dieselben versprechen eine reiche Quelle von Nahrungsmitteln abzugeben und
                              verdienen daher allgemein bekannt zu werden.
                           
                        
                           Ranunculaceen.
                           Die Schärfe mehrerer Ranunculaceen rührt von einem Stoff her, welcher sich beim
                              Kochen verflüchtigt, wodurch einige Pflanzen aus dieser Familie zur Nahrung des
                              Menschen geeignet werden.
                           Das Scharbockskraut, kleine Schöllkraut, Pfennigsalat, Ranunculus Ficaria, Ficaria ranunculoides, hat die
                              Schärfe nicht wie die ihm verwandten Pflanzen, und nimmt auf Wiesen, in Hecken,
                              Gräben und feuchten Hölzern oft nur zu viel Raum ein. In mehreren Gegenden dient
                              diese Pflanze als Suppenkraut, und schmeckt, wie ich mich selbst überzeugte, so gut
                              wie Spinat.
                           Kriechender Hahnenfuß, Ranunkel, Ranunculus repens. Diese Pflanze vermehrt sich auf Wiesen sehr stark und
                              ist nicht scharf. Sie wird in einigen Gegenden als Küchenkraut verwendet. Auch der Ran. auricomus und lanuginosus kann ohne Anstand gegessen werden. So dient auch der
                              Wasserranunkel in mehreren Dörfern Englands und des Elsaß getrocknet zum Viehfutter.
                              Sogar vom Ran. sceleratus, einem der schärfsten, essen
                              die Schäfer in Dalmatien die gekochten Blätter und Stengel; derselbe dient auch in
                              manchen Gegenden als Viehfutter.
                           Die gemeine Waldrebe, Clematis
                                 Vitalba, verliert, so scharf sie ist, beim Kochen ihren scharfen Stoff;
                              auch werden ihre jungen Sprossen, in Wasser gekocht, wie Spargel gegessen und dienen
                              den Bauern im toscanischen und genuesischen Gebiete zur Nahrung.
                           
                        
                           Cruciferen (Kreuzblüthen).
                           Das Barbenkraut
                              ,
                              der stumpfblättrige Hederich, Barbarea vulgaris, Erysimum Barbarea, wird in manchen Gegenden als Salat
                              genossen.
                           Die Wiesenkresse, das Wiesenschaumkraut, Cardamine pratensis. Von diesem werden in manchen
                              Ländern die jungen Sprossen als Salat gegessen; in andern statt der Kresse.
                           
                        
                           Malvaceen.
                           Im allgemeinen enthalten die Malvaceen einen nahrhaften, stickstoffhaltigen Schleim
                              in großer Menge.
                           Die rundblättrige Pappel, malva
                                 rotundifolia, wurde von den Alten gegessen – Pythagoras' folium sanctum. – Eben so bauten sie die wilde Pappel, m. sylvestris
                              als Küchenkraut an. Vorzüglich aßen sie die jungen Sprossen, welche eine nicht sehr
                              nahrhafte, aber leichte und gesunde Speise sind.
                           
                        
                           Nympheaceen.
                           Seeblume, nymphaea lutea, Nuphar
                                 lutea. Ihre Wurzel enthält viel Stärkmehl, dessen man sich in Schweden in
                              Jahren des Mangels zuweilen bedient, um es mit der innern Rinde des Pinus sylvestris unter das Brod zu mischen.
                           
                        
                           Papilionaceen (Schmetterlingsblüthen).
                           Knollige Platterbse, Ackernuß, Erdeichel, Lathyrus tuberosus.Parmentier empfahl die Cultur dieser Pflanze, deren
                              Wurzeln nach ihm zum Zurichten der Kartoffeln tauglich wären. Thouvenel buk Brod aus ihnen. In manchen Gegenden werden diese Knollen mit
                              Butter gespeist.
                           
                           Breitblättrige Platterbse, Lath.
                                 latifolius. Von dieser Pflanze können die Samenkörner gegessen werden; auch
                              ist sie zum Viehfutter tauglich.
                           Knollige Walderbse, Bergerbse, Orobus tuberosus. Die Wurzel ist nahrhaft; in Schottland wird sie gekocht
                              und gespeist. Auch die Wurzel der schwarzen Walderbse,
                              O. niger, wird gegessen.
                           
                        
                           Onagrarieen.
                           Zweijährige Nachtkerze, Gartenrapunzel, Oenothera biennis. Diese in Frankreich wachsende, aber
                              nicht als Nahrungsmittel benutzte Pflanze wird jetzt in Deutschland in mehreren
                              Gegenden ihrer Wurzel wegen angebaut, die gekocht, entweder zum Salat
                              aufgeschnitten, oder wie der Bocksbart, mit der weißen Sauce zubereitet wird. Man
                              braucht sie zur Suppe. Dieses Gemüs wird für schwache Mägen empfohlen, da es sehr
                              leicht verdaulich und nahrhaft ist. Doch bedient man sich ihrer nur bis zu Ostern,
                              weil die Wurzeln dann hart und holzig werden.
                           
                        
                           Umbelliferen (Doldengewächse).
                           Erdnuß, Erdknoten, Erdkastanie, Bunium bulbocastanum. Die fleischige Wurzel liefert eine leichte und
                              auflösende Speise. Im Norden wird sie roh gegessen oder geschält und in Fleischbrühe
                              gekocht.
                           Gemeiner Geisfuß; Giersch, Aegopodium Podagraria. Im Norden sammelt man diese Pflanze im Frühjahr als
                              Küchengewächs ein.
                           Kümmel, Carum Carvi. Im
                              Norden wird die Wurzel gegessen. Der Same wird unter das Brod und den Käs gemengt.
                              Im Frühjahr des Hungerjahrs 1817 sah ich in der Gegend von Nancy die jungen Sprossen
                              dieser Pflanze als Nahrungsmittel sammeln.
                           Gemeine Bärenklau, Heracleum
                                 Sphondilium. Die Einwohner von Kamtschatka essen die ihrer Rinde beraubten,
                              vorher macerirten und dann gekochten jungen Stengel derselben. – Einige
                              Spezies der Bärenklau, wie die schmalblättrige, H. angustifolium und die Alpen-B
                              ., H. alpinum, sind beinahe als Küchenkräuter zu
                              betrachten, vorzüglich die erstere. Von der knolligen B.,
                              H.
                              tuberosum. werden die Wurzeln, welche aus 9 Zoll
                              langen und 1 Zoll dicken Knollen bestehen, in der Asche gebraten oder in Wasser
                              gekocht. Molina versichert, daß ihr Geschmack sehr
                              angenehm sey.
                           
                        
                           
                           Synanthereen.
                           Gemeiner Rainkohl, Lapsana
                                 communis. In Constantinopel wird der Rainkohl roh oder gekocht gegessen,
                              wie im Orient auch die Blätter des eßbaren Rainkohls gegessen werden.
                           Gemüse-Gänsedistel, Sonchus
                                 oleraceus. Im Norden werden die zarten Blätter, die Wurzeln, die jungen
                              Sprossen mit den Küchenkräutern gekocht.
                           Scharfblättriges Bitterkraut, Helminthia (vel Picris L.) echioides. Diese Pflanze kann gegessen werden,
                              wie die Cichorie; die Wurzel ist süß und schleimig.
                           Wiesenbocksbart, Tragopogon
                                 pratense. Im Norden werden die jungen Sprossen, die Blätter und Wurzeln
                              dieser Pflanze gegessen. – Uebrigens können beinahe alle Cichoraceen, ehe
                              sich der ihnen eigenthümliche Saft ausgebildet hat, so lang sie jung sind, als
                              Nahrung dienen.
                           Kohlartige Kratzdistel, Carduus
                                 (vel Cnicus L.) oleraceus. In Rußland kocht man auf dem Lande die Blätter
                              dieser Pflanze, um sie wie Kohl zu essen. – Sumpf-K., C. palustris. Die Einwohner
                              von Samoland essen die jungen Sprossen und Wurzeln, welche ebenfalls sehr nahrhaft
                              sind. Auch werden in mehreren Ländern die jungen Blätter der Mariendistel, des
                              Saflors gegessen.
                           Gemeine Krebsdistel, Onopordon
                                 Acanthium; man ißt die Wurzeln, die Köpfe und selbst die ihrer Rinde
                              beraubten Stengel, ehe sie Blüthen treiben. Aus den schnell reifenden Samen wird Oel
                              in reichlicher Menge gewonnen. Die Fruchtböden, wie die der meisten nicht sehr
                              holzigen Cynarocephalen (Distel- oder Artischokenartigen), sind vor dem
                              Verblühen, wie die Artischoken, gut zu essen.
                           Sterndistel, Centaurea
                                 Calcitrapa. Ihre jungen Sprossen werden in Aegyten in den Monaten Februar
                              und März gegessen.
                           Gemeine Maaßliebe, Bellis
                                 perennis. Obwohl ihre Blätter sehr klein sind, wurden sie ehedem doch als
                              Küchengewächs gebraucht.
                           Ausdauernder Lattich, Lactuca
                                 perennis. Die inländische, in sehr trockenem kalkigem Boden wachsende
                              Pflanze könnte in Gärten gebaut werden. Ihre Blätter werden gekocht als ein sehr
                              gutes Gemüse betrachtet. In Bauernwirthschaften benutzt man sie manchmal statt des
                              Kohls, wo sie dann das Hauptgericht des Tages bilden.
                           
                        
                           Campanulaceen (Glockenblüthige).
                           Rapunzel, Campanula
                                 Rapunculus und C. Rapunculoïdes. Ihre
                              fleischigen Wurzeln sind gut zu essen. – Pfirsichblättrige Glockenblume,
                              
                              Campanula Persicifolia, kann als Küchengewächs gebraucht
                              werden; deßgleichen die nesselblättrige, C. Trachelium. – Der Venusspiegel, Specularia speculum (campanula
                                 L.), kann als Salat genossen werden, wie der Ackersalat.
                           Die ährenförmige Rapunzel, Phyteuma spicatum, hat eine lange, cylindrische Wurzel, die wie die
                              Rapunzel gegessen wird.
                           
                        
                           Borragineen.
                           Borretsch, Borrago
                                 officinalis. Seine Blätter werden auch als Küchengewächs gebraucht.
                           Lungenkraut, Pulmonaria
                                 officinalis. Man bedient sich desselben im Norden als eines
                              Küchengewächses.
                           Officinelle Ochsenzunge, Anchusa
                                 officinalis. Ihre Blätter werden im Norden im Frühjahr gesammelt, um als
                              Küchengewächs zu dienen.
                           Officineller Beinwell. Symphytum
                                 officinale; in einigen Ländern werden die Spitzen dieser Pflanzen
                              gegessen.
                           Niederliegendes Scharfkraut, blauer Kleber, Asperugo procumbens; die Bauern in Italien bedienen sich
                              desselben als Küchengewächses.
                           
                        
                           Solaneen.
                           Schwarzer Nachtschatten, Solanum
                                 nigrum. Er wird in Frankreich (und anderwärts) als Unkraut betrachtet und
                              in Gärten und angebauten Plätzen, wo man ihn oft in Menge antrifft, vertilgt; allein
                              man könnte ihn als Küchengewächs cultiviren. Er gehört derselben Gattung an wie die
                              Kartoffel und ist sicherlich durchaus nicht schädlich. Auf Iles de France und
                              Bourbon wird er unter dem Namen brède, auf den
                              Antillen unter dem Namen laman gebraucht. Viele Creolen,
                              die nach Frankreich kommen, essen ihn eben so wie zu Hause, ohne Beschwerden davon
                              zu empfinden. – Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß nach Dr. Clarke die Spitzen des
                              Kartoffelkrauts gekocht gegessen werden können und sehr gut schmecken sollen.
                           
                        
                           Rinantheen.
                           Bachbungen, Veronica
                                 Beccabunga. In manchen Ländern wird diese Pflanze im Frühjahr gesammelt, um
                              als Salat gegessen zu werden.
                           
                        
                           Orobancheen.
                           Die große Sommerwurz, Orobanche
                                 major; wird in manchen Ländern wie der Spargel gegessen.
                           
                        
                           
                           Labiaten (Lippenblumen).
                           Weiße Taubnessel, Lamium
                                 album. Im Norden werden im Frühjahr die jungen Blätter entweder gekocht als
                              Gemüse oder roh als Salat gegessen. – Die purpurrothe und gefleckte T., L. purpureum und maculatum;
                              in Upland (Schweden) werden diese Pflanzen mit anderm Kräuterwerk gekocht gegessen;
                              ihre vielen fleischigen Wurzeln wurden in neuerer Zeit von einem englischen Arzt als
                              Ersatzmittel für den Wiesenbocksbart anempfohlen, nachdem sie in kochendem Wasser
                              gewaschen und dann in anderem Wasser ausgekocht worden sind.
                           
                        
                           Primulaceen.
                           Frühlings-Schlüsselblume, Primula officinalis. In manchen Gegenden werden die Blätter als Salat
                              gegessen; ich sah sie unlängst als Nahrungspflanze sammeln.
                           
                        
                           Amaranthaceen.
                           In Asien und Indien werden die meisten Amaranthen gegessen und man könnte die bei uns
                              wachsenden unter die Küchengewächse zählen. So dienen in Gasconien der kleine Amaranth, Amaranthus
                                 Blitum, in Indien der Gemüse-A
                              ., A. oleraceus und mehlige
                              A., A. farinaceus und mehrere andere zur Speise.
                           
                        
                           Chenepodeen.
                           Die Blätter der Chenepodeen eignen sich zur menschlichen Nahrung; zu dieser Familie
                              gehören die Mangold-, Spinat-, die Melde-Arten, welche in
                              unsern Küchengärten gebaut werden. In der letzten Zeit wurde die Quinoa mit weißen Körnern, Chenopodium Quinoa angepriesen, eine in Peru und Chili angebaute sehr
                              kräftige Pflanze, die sich Dombey's und v. Humboldt's Lob erwarb; doch scheint sie in Frankreich nicht gleiche
                              Güte zu erreichen, wie in Amerika, und die Cultur derselben, welche eines guten
                              Bodens bedarf, scheint jetzt wieder ganz aufgegeben zu seyn. Hingegen können einige
                              andere wildwachsende Species als eßbare Pflanzen benützt werden. Ich erwähne hier
                              des guten Heinrichs, gemeinen Gänsefußes, der Hundsmelde,
                              Chenopodium Bonus Henricus, dessen junge Sprossen
                              und Blätter im Norden im Frühjahr wie der Spinat gegessen werden; des glattsamigen, weißen G., ch.
                                 leiospermum album, deren man sich am Anfange des Frühlings als eines
                              Küchengewächses bedienen kann. – Die pfeilförmige
                                 Melde, Atriplex hastata, kann im Frühjahr
                              ebenfalls die Gartenmelde als Nahrungsmittel vertreten.
                           
                        
                           
                           Polygoneen.
                           Die jungen Sprossen, Blattstiele und jungen Blätter der Polygoneen geben ein gesundes
                              und angenehmes Nahrungsmittel; so wird in der Dauphiné der Alpenampfer, Rumex alpinus
                              (die Mönchsrhabarber) gegessen; alle in Island wachsenden Species dieser Gattung
                              dienen dort zur menschlichen Nahrung. In der Umgegend von Nancy sah ich im Nothjahr
                              1817 von armen Leuten die Blätter dieser Pflanzen ohne Unterschied einsammeln. In
                              mehreren Gegenden Frankreichs bedienen sich die Landleute der Blätter des Gemüseampfers, englischen Spinats, R. Patientia, welcher unter dem Namen épinard immortel angebaut wird.
                           Die Rhapontik, Rheum
                                 rhaponticum, und wellenförmige Rhabarber, Rh. undulatum, dienen in Sibirien als Nahrungsmittel,
                              ohne daß ihre obern Theile purgirend wirken, wie die Wurzeln. Was die Pflanzen
                              dieser Familie schätzenswerth macht, das ist, daß sie so frühzeitig wachsen, so daß
                              man sie gleich nach dem Winter sammeln kann.
                           
                        
                           Euphorbiaceen.
                           Das Bingelkraut, Mercurialis
                                 annua. wurde von den Alten als Küchengewächs benutzt.
                           
                        
                           Urticeen.
                           Große Brennnessel, Urtica
                                 dioica. Im Norden bedient man sich ihrer jungen Sprossen im Frühjahr als
                              Küchengewächses. Ich und andere fanden sie sehr wohlschmeckend. Sogar die
                              herangewachsenen Blätter sollen, wie Spinat bereitet, diesem an Geschmack nichts
                              nachgeben und noch leichter verdaulich seyn.
                           Feldrüster, Ulme, Ulmus
                                 campestris. Man behauptet, daß die große Menge Schleim, welche die Blätter
                              enthalten, sie zur Nahrung der Thiere und selbst der Menschen, zur Zeit des Mangels
                              recht geeignet machen; ich fand auch diesen Schleim stickstoffhaltig.
                           
                        
                           Orchideen.
                           Bekanntlich bereiten die Perser und Türken aus den Wurzeln dieser Pflanzen die Salep,
                              eine leichte Nahrung, welche Kranken und Reconvalescenten zuträglich ist. Dieselbe
                              kann eben so aus allen Orchis- und Ophris-Wurzeln, welche bei uns
                              wachsen, bereitet werden, wie Mathieu de Dombasle
                              bewiesen hat.
                           
                        
                           
                           Gramineen (Gräser).
                           In Zeiten Zeiten der Hungersnoth und in wenig cultivirten Ländern bediente man sich
                              mit gutem Erfolge der Körner des fluthenden Mannagrases,
                                 Mannaschwingels, Festuca fluitans, des Hafers, avena sativa, des Blutfingergrases, der Bluthirse, Panicum sanguinale, des Raygrases,
                                 Wiesenhafers, avena elantior, der Roggentrespe, Bromus
                                 secalinus, des Sand-Haargrases, Elymus arenarius. Auch der Wurzeln der gemeinen Quecke, Triticum
                                 repens, ist hier zu erwähnen, da sie zu solchen Zeiten ein mittelmäßiges
                              Brod gibt.
                           
                        
                           Kryptogamen.
                           Flechten. Ich bin überzeugt, daß mehrere Species von
                              Laubflechten, gehörig zubereitet, recht gut dem Menschen zur Nahrung dienen könnten.
                              Bekanntlich wird die isländische Flechte (isländisches Moos) in Frankreich von den
                              Armen als Nahrungsmittel benutzt; sie bereiten ein schlechtes Brod daraus und eine
                              Art Brei mit Milch, welche die natürliche Bitterkeit der Flechten etwas verdeckt;
                              doch ist es Proust gelungen, ihnen diese Bitterkeit durch
                              Maceriren in einer alkalischen Lauge gänzlich zu benehmen und auf diese Weise eine
                              nahrhafte, angenehme und gesunde Speise zu bereiten.
                           Schwämme. Unstreitig enthalten die fleischigen Schwämme
                              eine große Menge nahrhafter thierischer Substanz; auch können mehrere derselben zur
                              Basis der Nahrung dienen und das Brod vertreten; doch weiß man sie bei uns noch
                              nicht so zu benützen wie im Norden. Es hat allerdings seine Schwierigkeit, durch
                              leicht erkennbare Merkmale die gesunden Species von den ungesunden zu unterscheiden,
                              was gerechtes Mißtrauen einflößen muß. Es scheint jedoch, daß die als giftig
                              betrachteten Pilze durch Kochen in Wasser, welches die giftige Substanz aufnimmt,
                              eine gefahrlose, nahrhafte Speise werden können. Wahrscheinlich ist es eine ähnliche
                              Zubereitung, in deren Folge die Nordländer sie ohne Unterschied in Menge und bei
                              jeder Mahlzeit zu verzehren vermögen, ohne die mindeste Beschwerde zu verspüren. Um
                              ihnen hierin nachahmen zu können, müßte man eine Reihe sorgfältiger Versuche an
                              Thieren anstellen.
                           Doch gibt es mehrere eßbare Schwämme, welche unter den gemeinsten Species leicht zu
                              erkennen und auszuscheiden sind. Ich nenne hier den gelben
                                 Staudenschwamm, Korallenschwamm, Clavaria
                                 coralloïdes und C. cinerea; er hat die
                              Gestalt eines kleinen Korallenzweigs, dessen Größe und Menge viel davon einzusammeln gestattet. Von den
                              Stachelpilzen und Aderpilzen, welche beinahe alle gut zu essen sind, trifft man in
                              Wäldern sehr häufig den ausgeschweiften Stachelschwamm,
                                 Stoppelpilz, Hydnum repandum, an, in Frankreich
                              gemeiniglich pied de mouton blanc oder barbe de vache genannt. – Der gemeine eßbare Pfifferling, die Cantharelle, der Eierschwamm, Cantharellus cibarius, merulius cantharellus, ist der in
                              allen Wäldern am stärksten verbreitete eßbare Pilz. Er kann vermöge seiner gelben
                              Farbe und seiner wenig hervorspringenden unter sich verbundenen Blätter mit keiner
                              andern giftigen Species verwechselt werden. – Der eßbare Löcherpilz, Boletus edulis, hat einen
                              angenehmen Geschmack.
                           Dieses sind die wildwachsenden Pflanzen, die ich aufzählen zu müssen glaubte als
                              solche, welche die Kartoffeln zu ersetzen vermögen; letztere sind nach meiner
                              Ueberzeugung nicht in hohem Grade nahrhaft, und verlieren ihre nährende Kraft, wie
                              Boussingault nachwies, während des Aufbewahrens zum
                              Theil; die angeführten Kräuter hingegen, welche jederzeit sehr stickstoffhaltig
                              sind, scheinen vor ihnen den Vorzug zu verdienen. Nur müßte in Deutschland sowohl
                              als in Frankreich dafür gesorgt werden, daß durch die wirre Synonymik dieser
                              Pflanzen in verschiedenen Gegenden keine Verwechslungen eintreten.
                           Eine hieher gehörige Bemerkung Boussingault's ist
                              folgende: „Man pflegt, sagt er, die gewöhnlich zur Nahrung dienenden
                                 Substanzen auch als sehr nahrhaft zu betrachten, und doch sind die Kartoffeln
                                 und die Getreidekörner es in sehr geringem Grade. Wenn die grasfressenden Thiere
                                 durch sie erhalten und gemästet werden, so kömmt dieß daher, daß ihre
                                 Organisation ihnen gestattet viel davon zu verzehren. Schwerlich könnte sich der
                                 Mensch bloß mit Brod ernähren. Ich weiß wohl, daß man Gegenden anführt, wo die
                                 Kartoffeln, der Reis etc. die einzige Nahrung der Einwohner ausmachen; allein
                                 diese Angaben sind unvollständig. Im Elsaß z.B. verbinden die Bauern stets eine
                                 starke Portion gestockter Milch mit den Kartoffeln. Ebenso besteht zu Quito
                                 (hohe Andes-Gegenden) die tägliche Nahrung des Volks, das Ocro, keineswegs bloß aus Kartoffeln, sondern
                                 dieselben werden mit viel Käse gekocht. Auch den Reis, von welchem behauptet
                                 wird, daß er in manchen Gegenden die ausschließliche Nahrung bilde, sah ich in
                                 solchen Ländern immer das Brod ersetzen, nämlich ihn zum Fleisch, oder mit
                                 Milchspeisen verzehren. Lesquerri, ein Arzt, welcher
                                 sich lange in Ostindien aufhielt, sagt: „die indische Nahrung ist
                                    beinahe ganz vegetabilisch, der Reis bildet ihre Grundlage; die niederem
                                    Classen allein
                                    essen Fleisch; alle aber essen Kari, ein Gericht aus Fleisch, Fisch oder
                                    Gemüsen, vermischt mit Reis, welcher in sehr wenig Wasser gekocht ist; man
                                    kann sich nicht leicht eine Vorstellung von der Menge Reis machen, welche
                                    ein Indier verschlingt!“