| Titel: | Ueber das Klären des Champagner-Weins mittelst Gerbestoffs. | 
| Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LXII., S. 304 | 
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                        LXII.
                        Ueber das Klären des Champagner-Weins
                           mittelst Gerbestoffs.
                        Aus dem Moniteur universel, 1847, Nr.
                              1165.
                        Ueber das Klären des Champagner-Weins mittelst
                           Gerbestoffs.
                        
                     
                        
                           Seit mehreren Jahren schütten die Fabrikanten von Champagner-Wein in der
                              Periode der Klärung des Weins eine schwache Auflösung von Gerbestoff in die Fässer,
                              damit die Weine sich abklären und verhindert werden zu spinnen. Das Spinnen der Weine ist eine von einem Uebermaaß schleimiger
                              Bestandtheile, Pflanzengallerte, Kleber etc. herrührende Krankheit; diese Substanzen
                              verdicken sich mit der Zeit, machen den Wein spinnend wie Oel und ertheilen ihm einen
                              unangenehmen Geschmack, weßhalb es ehedem nicht möglich war, den Champagner lange
                              aufzubewahren. Heutzutage aber kann er mit Hülfe des Gerbestoffs beliebig lange
                              aufbewahrt werden. So entstand ein, besonders für die Champagne wichtiger
                              Erwerbszweig, nämlich die Fabrication und der Verkauf von
                              Gerbestoff-Lösungen.
                           Bis auf die neueste Zeit bediente man sich hiezu einer weingeistigen Auflösung des
                              Gerbestoffs der Galläpfel. Dieses Präparat hatte den Uebelstand, sich mit dem im
                              Wein enthaltenen Eisen zu verbinden und einen sehr reichlichen tintenartigen
                              schwarzen Niederschlag zu bilden, was die Weinbereitung und Klärung langwierig und
                              schwierig machte. Hr. Bacou zu
                              Epernay kam mm auf den Gedanken, den Gerbestoff aus einer wässerigen, nur schwach
                              alkoholischen Lösung von Catechu zu bereiten. Dieser Gerbestoff gab in der Praxis
                              bessere Resultate, als der aus Galläpfeln dargestellte. Der Niederschlag desselben
                              war nicht so stark gefärbt, nicht so reichlich, trockener und die Weine klärten sich
                              besser und viel schneller. Außerdem kömmt die Catechu-Flüssigkeit auch viel
                              wohlfeiler zu stehen als die andere.
                           In neuester Zeit wurde der Gerbestoff aus Catechu von Hrn. Bacou noch verbessert, nämlich einer Destillation unterzogen und dadurch von seinem Farbstoff
                              und einigen andern fremdartigen Bestandtheilen befreit. Der Gerbestoff geht dabei,
                              vom Wasserdampf mitgerissen, durch die Kühlröhre und wird als eine weiße, nur
                              schwach rosenrothe Flüssigkeit gewonnen. Dieses sogenante raffinirte Catechu löst man in Wasser auf, welches ein wenig Alaun enthält, ehe man es dem Wein zusetzt.
                           Es hat den Anschein, als wirke diese Flüssigkeit auf die alten
                              Champagner-Weine kräftiger und schneller als die rothe
                              Gerbestoff-Flüssigkeit, namentlich aber als die mit Galläpfeln bereitete.
                           Unlängst wurde der Erfinder des mit Alaun versetzten weißen Gerbestoffs von den
                              Verkäufern des Gerbestoffs aus Galläpfeln verklagt, statt sogenannten destillirten
                              Gerbestoffs lediglich mit etwas Alaun versetztes Wasser zu verkaufen, indem seine
                              Waare kein Atom Gerbestoff enthalte: „übrigens, hieß es, ist der
                                 Gerbestoff ein fixer Körper, destillirt nicht über, und man erhält, wenn man ihn
                                 destilliren will, bloß reines Wasser.“ Dieß hatte zur Folge, daß die
                              Justiz sich in die Magazine des Hrn. Bacou begab und Proben von seinen verschiedenen rothen und weißen
                              Gerbestoffen in Besitz nahm. Diese Substanzen wurden von dem Gerichte zu Epernay den HHrn.
                              Lesueur und Devergie in Paris zur Analyse
                              überschickt, welche Hrn. Chevallier damit beauftragten.
                           Aus den Berichten dieser Herren ging hervor: 1) daß die weiße Flüssigkeit, weißer Gerbestoff genannt, nichts anderes sey, als eine
                              Alaunlösung, die kein Atom Gerbestoff enthalte; 2) daß dieses Präparat, dem
                              Champagner-Wein zugesetzt, als eine arge Verfälschung desselben zu betrachten
                              sey, welche die Obrigkeit verbieten solle. In Folge dieser Berichte wurde Hr.
                              Bacou der
                              Corrections-Polizei übergeben als Fabrikant und Verkäufer eines
                              betrügerischen, der Gesundheit schädlichen Präparats, durch welches der Credit des
                              Champagnerwein-Handels compromittirt würde. Die HHrn. Lesueur und Chevallier erschienen zur Vertheidigung ihrer
                              Behauptung beim Gericht zu Epernay; andererseits der mit der Defension des
                              Angeklagten beauftragte Hr. Rognetta.
                           Letzterer stellte eine neue Untersuchung als nothwendig dar, die auch wirklich zu
                              Gunsten des Angeklagten ausfiel, indem Hr. Rognetta aus der destillirten Flüssigkeit des
                              Hrn. Bacou Gerbestoff in Masse
                              auszuscheiden im Stande war; doch war dieser Gerbestoff, sobald er mit einer
                              gewissen Menge Alaunwasser vermengt wurde, gegen die gewöhnlichen Reagentien nicht
                              mehr empfindlich, obgleich der Geschmack der alaunhaltigen Flüssigkeit die Gegenwart
                              von Gerbestoff sogleich verrieth.
                           Hiedurch war nun erklärt, warum die ersten Analysen der Flüssigkeit negative
                              Resultate gaben. Hinsichtlich des Alauns wurde von Hrn. Rognetta bewiesen, daß dieses Salz, welches nur
                              in äußerst geringer Menge (5 Centigr. auf die Flasche) zugesetzt wird, sich im Wein
                              zersetzt, niederfällt und daher nicht im Wein zurückbleibt.
                           Es ist zu erwarten, daß das Verfahren den rothen Gerbestoff durch eine gezwungene
                              Destillation zu raffiniren, bei welcher durch die Hitze des Wassers nur der reine,
                              weiße Gerbestoff mechanisch mitgerissen und vom Färbe- und Extractivstoff
                              getrennt wird, in der Industrie mehrfache Anwendung zum Bleichen verschiedener
                              organischer Körper finden wird.