| Titel: | Ueber das photochromatische Bild des Sonnenspectrums und Edmund Becquerel's Versuche darüber; Bericht der HHrn. Biot, Chevreul und Regnault. | 
| Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. IX., S. 29 | 
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                        IX.
                        Ueber das photochromatische Bild des
                           								Sonnenspectrums und Edmund
                              									Becquerel's Versuche darüber; Bericht der HHrn. Biot, Chevreul und Regnault.
                        Aus dem Comptes rendus, Febr. 1849, Nr.
                              								7.
                        Ueber das photochromatische Bild des Sonnenspectrums.
                        
                     
                        
                           Wenn man dem Focus einer Camera obscura eine Fläche aussetzt, welche mit einer dünnen
                              									Schicht gewisser ursprünglich farbloser Substanzen überzogen ist, die sich aber
                              									unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen färben, so erhält man, wenn man die Aussetzung
                              									lange genug fortsetzte, ein bleibendes Bild der Gegenstände, welche sich im Focus
                              									des Objectivglases abbildeten. Dieses Bild ist je nach der Natur der empfindlichen
                              									Substanz verschieden. Besteht diese Substanz aus Silberverbindungen, welche sich
                              									unter dem directen Einfluß der Sonnenstrahlen schwärzen, so erhält man ein negatives Bild, d.h. eines worin die Lichter durch
                              									Schatten und die Schatten durch Lichter dargestellt sind. Zur unmittelbaren Bildung
                              									dieses Bildes in der Camera auf Daguerre'sDaguerrr's jodirten Silberplatten oder auf mit Chlor- oder Jodsilber
                              									getränktem Papier, ist jedoch ein langes Einwirken der Lichtstrahlen erforderlich.
                              									Nun hat man aber gefunden – und dieß ist der Ausgangspunkt der heutzutage zu
                              									einer solchen Wichtigkeit gelangten photographischen Kunst – daß man die
                              									präparirten Flächen nur einige Secunden der Strahlung auszusetzen braucht, um in der
                              									eindrucksfähigen Substanz eine namhafte, wiewohl unsichtbare Veränderung
                              									hervorzubringen, welche verschiedene chemische Agentien sichtbar machen, indem sie
                              									entweder ein positives oder ein negatives Bild darauf erzeugen. So zeigt Daguerre's jodirte Platte nach kurzem Aussetzen in der
                              									Camera obscura durchaus kein sichtbares Bild; wenn man dieselbe aber
                              									Quecksilberdämpfen aussetzt, so erzeugt sich ein positives Bild der Gegenstände, die
                              									sich im Focus abgebildet hatten. Hingegen hätte sich auf derselben Platte
                              									unmittelbar ein negatives Bild dieser Gegenstände erzeugt, wenn man die Aussetzung
                              									gehörig lang hätte dauern lassen. Ebenso zeigen die mit Chlor- oder Jodsilber
                              									überzogenen Papiere, wenn man sie nach einer einige Minuten langen Einwirkung der Strahlung
                              									aus der Camera obscura nimmt, durchaus keine sichtbare Veränderung; und doch haben
                              									sie eine bedeutende Veränderung erlitten; denn wenn man sie in eine
                              									Gallussäure-Lösung taucht, so sieht man wie durch Zauber ein negatives Bild
                              									des Gegenstandes entstehen. Diese Erscheinung rührt daher, daß die Gallussäure ihre
                              									zersetzende Wirkung auf die Silberverbindung nur da ausübt, wo letztere der
                              									Lichtstrahlung ausgesetzt war. Diese Wirkung, welche metallisches Silber auf dem
                              									Papier niederschlägt, scheint, in den ersten Augenblicken wenigstens, der Intensität
                              									der Wirkung, welche die Lichtstrahlen auf die Silberverbindung ausübten, ziemlich
                              									proportional zu seyn, und man erhält, wenn man der Reaction der Gallussäure im
                              									rechten Moment Einhalt thut, ein recht sauberes negatives Bild. Bei allen
                              									photographischen Verfahrungsweisen, welche bisher vorgeschlagen wurden, bleibt man
                              									bei diesem ersten Stadium der Lichtstrahlenwirkung stehen, wo die empfindliche
                              									Substanz noch keine sichtbare, wohl aber eine solche Veränderung erlitten hat, die
                              									von chemischen Agentien zum Vorschein gebracht wird, welche ein Bild des
                              									Gegenstandes hervorrufen.
                           Man erkannte bald, daß die verschiedenen farbigen Strahlen, aus welchen das weiße
                              									Licht besteht, auf die Silberverbindungen Wirkungen ausüben, die bei weitem in
                              									keinem Verhältniß zu ihren Eindrücken auf unsere Organe stehen. Die Folge davon ist,
                              									daß die photographischen Bilder verschiedenfarbiger Objecte, welche man auf einem
                              									und demselben Blatte erzeugt, nicht mehr die bei ihrem directen Anblick von uns
                              									empfundenen relativen Intensitäten darbieten. Ueberdieß bringen diese Strahlen von
                              									verschiedener Brechbarkeit in den empfindlichen Substanzen nicht nur Wirkungen von
                              									sehr verschiedener Intensität hervor, sondern bewirken bei einer und derselben
                              									Substanz noch specielle Veränderungen, welche sich durch verschiedene Färbungen
                              									kundgeben.
                           Herschel entdeckte zuerst im J. 1839, daß die rothen
                              									Strahlen das mit Chlor- oder Jodsilber überzogene Papier nicht nur nicht
                              									schwärzen, sondern noch die Eigenthümlichkeit besitzen, das zerstreute Licht an der
                              									Schwärzung desselben zu verhindern. Er beobachtete, daß wenn man ein Blatt
                              									empfindlichen Papiers der Einwirkung eines stark concentrirten Sonnenspectrums
                              									aussetzt, es das Bild dieses Spectrums rasch aufnimmt und dieses Bild ist ein
                              									farbiges; diese Farben gleichen mehr oder weniger vollkommen denjenigen, welche
                              									dieselben Strahlen auf unserer Netzhaut hervorbringen:
                           die rothen Strahlen bringen ein Ziegelroth hervor;
                           die grünen Strahlen erzeugen eine düstere
                              									metallischgrüne Farbe;
                           
                           die gelben Strahlen bringen keine besondere Färbung
                              									hervor;
                           die blauen Strahlen erzeugen eine düstere blaue, bald in
                              									Schwarz übergehende Nüance.
                           So fand Herschel auch, daß wenn das Papier den Eindruck
                              									der blauen und violetten Strahlen oder des weißen Lichts schon empfangen hat und man
                              									es nachher den rothen Strahlen aussetzt, die Stelle, wo letztere auffallen, zuerst
                              									eine deutlich rothe Farbe annimmt und dann, wenn man die Wirkung der rothen Strahlen
                              									lange genug fortdauern läßt, sich beinahe gänzlich entfärbt.
                           Hrn. Hunt verdankt man eine Reihe im J. 1840
                              									veröffentlichter Versuche über verschiedene Färbungen, welche das mit Chlorsilber
                              									präparirte Papier unter gefärbten Gläsern annimmt; dieselben sind nach ihm sehr
                              									mannichfaltig, weichen aber meistens sehr von den Nüancen ab, welche wir an dem
                              									durch gefärbte Gläser fallenden Lichte erkennen. Man darf sich darüber nicht
                              									wundern, denn bekanntlich lassen die meisten dieser Gläser Strahlen von sehr
                              									verschiedener Brechbarkeit hindurch, deren specielle Wirkungen auf die empfindlichen
                              									Substanzen den Lichtquantitäten bei weitem nicht proportional sind.
                           Wir müssen hier an die merkwürdigen Versuche des Hrn. Edm. Becquerel erinnern hinsichtlich der Modificationen, welche die
                              									empfindlichen Substanzen in ihren photogenischen (lichtbildererzeugenden)
                              									Eigenschaften durch eine vorausgehende kurze Zeit dauernde Einwirkung des
                              									zerstreuten weißen Lichts erfahren. Er fand, daß die rothen Strahlen, welche auf das
                              									im Dunkeln zubereitete Papier nur eine sehr langsame Einwirkung äußern, viel
                              									schneller auf dasselbe Papier einwirken, wenn es zuvor während eines Bruchtheils
                              									einer Secunde dem zerstreuten weißen Licht ausgesetzt war. So beobachtete er auch,
                              									daß das im Dunkeln bereitete, und das nachher dem zerstreuten Licht ausgesetzte
                              									Papier, durch die einfachen Strahlen des Spectrums sehr verschiedene Einwirkungen
                              									erfahren. Auf dem Papier, welches nicht an das Tageslicht gekommen war, bildet sich
                              									ein färbiges, braunes oder violettes Bild in dem am stärksten gebrochenen Theil des
                              									Spectrums; während auf dem an das Licht gekommenen empfindlichen Papier sich ein
                              									Bild entwickelt, welches mannichfaltige Farben zeigt, die an jene der sie
                              									erzeugenden Strahlen erinnern, und diese Färbungen erstrecken sich bis in die am
                              									wenigsten gebrochenen Theile des Spectrums.
                           So weit gingen unsere Kenntnisse über die speciellen Wirkungen der verschiedenen
                              									einfachen Strahlen auf eine und dieselbe empfindliche Substanz, als Hr. Edm. Becquerel sich einem neuen Studium dieses Gegenstandes unterzog.Polytechn. Journal Bd. CX S. 25. Von Herschel's Versuchen und einer Menge eigener
                              									Beobachtungen geleitet, stellte er sich die Aufgabe, eine empfindliche Substanz
                              									aufzusuchen, welche unter dem Einfluß des Sonnenspectrums auf jedem Punkt Farben
                              									annimmt, die mit jenen identisch sind, welche die darauffallenden Lichtstrahlen auf
                              									unseren Organen hervorbringen, so daß ein dem von unsern Augen unmittelbar
                              									wahrgenommenen möglichst ähnliches Bild des Spectrums erhalten wird. Dazu war
                              									erforderlich, daß die empfindliche Substanz nicht nur die eigenthümliche Färbung des
                              									sie treffenden Lichtstrahls annimmt, sondern auch gegen jeden einzelnen seiner
                              									Strahlen ziemlich gleich empfindlich ist.
                           Der chemisch empfindliche Körper, welcher die Eigenschaft besitzt, die Farbe aller
                              									Arten auf ihn fallender Strahlen ziemlich gleichzeitig aufzunehmen, ist ein
                              									Silberchlorür, welches durch Behandlung einer gut polirten Silberplatte mit Chlor
                              									unter gewissen Umständen erhalten wird. Hr. E. Becquerel
                              									machte diese Beobachtung zum erstenmal an einer Silberplatte, welche nur kurze Zeit
                              									der sehr langsamen Chlorentwickelung aus einer Auflösung dieses Gases in Wasser
                              									ausgesetzt war. Dieselbe Wirkung beobachtete er bei silberplattirten Platten, die er
                              									kurze Zeit in eine Auflösung von Eisen- oder Kupferchlorid oder
                              									unterchlorigsaurem Kalk getaucht hatte. Nach vielen Versuchen fand er, daß die beste
                              									Art, die Platte behufs der beabsichtigten Färbung zu präpariren, darin bestehe, sie
                              									mit dem positiven Pole einer Bunsen'schen Kette zu
                              									verbinden, indem man sie in verdünnte Salzsäure taucht, in welcher sich schon der
                              									negative Pol, mit einem schmalen Platinblech endend, befindet. Die Salzsäure wird
                              									unter dem Einfluß der Batterie zersetzt; am negativen Pol entbindet sich Wasserstoff
                              									und das freiwerdende Chlor verbindet sich mit der Silberplatte. Er blieb bei
                              									folgendem Verfahren stehen: die, vorher mit Englischroth und Tripel polirte,
                              									plattirte Platte wird auf einem kleinen Träger befestigt, der aus zwei Kupferdrähten
                              									in Form einer Gabel besteht, welche sie mittelst kleiner an den Enden angebrachter
                              									Haken festhalten. Die beiden Drähte vereinigen sich an ihrem oberen Theil, welcher
                              									mit dem positiven Pol einer Säule in Verbindung steht, die aus zwei mittelmäßig
                              									geladenen Bunsen'schen Elementen besteht. Man taucht nun
                              									die Platte in ein großes Gefäß, welches 8 bis 10 Liter verdünnte Salzsäure (125
                              									Kubikcentimeter gewöhnlicher Salzsäure auf 1 Liter Wasser) enthält; in dasselbe
                              									Gefäß taucht man einen schmalen Streifen Platinblech, welcher mit dem negativen Pol
                              									in Verbindung steht und
                              									führt dieses Blech in einem gewissen Abstand von der Platte, deren Oberfläche
                              									parallel rasch herum. Die Silberplatte nimmt nacheinander verschiedene Farben an,
                              									die man in einem schwach erleuchteten Zimmer leicht verfolgen kann; zuerst wird sie
                              									grau, dann nimmt sie gelbliche und violette Töne an; hierauf geht sie bald ins
                              									Bläuliche und Grünliche über, wird dann grauweiß, hierauf rosenroth, dann violett;
                              									endlich nimmt sie eine blaue Farbe an. Vor dem Erscheinen dieses zweiten blauen
                              									Tons, wo die Platte einen Lilaton besitzt, hält man die Operation ein, zieht die
                              									Platte rasch aus dem Bade, taucht sie in destillirtes Wasser und trocknet sie, indem
                              									man sie schwach neigt, mittelst der Weingeistlampe gelinde erwärmt und dabei auf
                              									ihre Oberfläche hinbläst. Das Eintauchen der Platte darf nur 1 bis 2 Minuten
                              									andauern; würde es länger fortgesetzt, so würde sie immer dunkler und zuletzt
                              									schwarz werden; die Platte wird dabei immer weniger empfindlich gegen die
                              									Lichtstrahlen.
                           Die so präparirten Platten lassen sich, vor dem Licht geschützt, beliebig lange
                              									aufbewahren. Ehe man sich ihrer bedient, ist es gut, sie mit einem Baumwollbausch
                              									abzureiben; sie erhalten dadurch eine glänzendere Oberfläche und die Farben, welche
                              									sie unter dem Einfluß der verschiedenen Strahlen des Spectrums annehmen, werden
                              									lebhafter.
                           Die auf angegebene Weise zubereiteten Platten nehmen am zerstreuten Licht eine graue
                              									Farbe an. Läßt man ein sehr reines und concentrirtes Sonnenspectrum darauf fallen,
                              									so findet man, daß der Theil, auf welchen die orangegelben und rothen Strahlen
                              									fallen, den ersten Eindruck annimmt; es entwickelt sich auf demselben eine rothe
                              									Farbe, welche schnell an Intensität zunimmt, zugleich aber dunkler und zuletzt
                              									schwarz wird. Die photogenische Wirkung des Spectrums erstreckt sich ziemlich über
                              									die Fraunhofer'sche Linie A
                              									hinaus und erzeugt einen amarantrothen Ton, der einen Uebergang von Roth in Violett
                              									anzudeuten scheint. Folglich wird die empfindliche Substanz noch von minder
                              									brechbaren Strahlen afficirt, als die für unsere Organe wahrnehmbaren äußersten
                              									rothen sind.
                           Das prismatische Grün zeigt sich auf der Platte grün; das Blau und Violett theilen
                              									ihre Farbe mit und erzeugen in einem gewissen Moment der Wirkung sehr schöne und
                              									sehr intensive Färbungen. Das Gelb und Orange kommen schwer, doch lassen sich nach
                              									dem ersten Augenblicke der Wirkung diese Nüancen auf der Platte erkennen. Auch über
                              									das Violett hinaus läßt sich noch eine Wirkung wahrnehmen. Bekanntlich hört das
                              									sichtbare Violett in einer kleinen Entfernung von der Fraunhofer'schen Linie H auf und schließt mit
                              									einem sehr schwach lavendelgrauen Streifen, der nur dann leicht zu beobachten ist, wenn man den
                              									minder gebrochenen und viel stärker glänzenden Theil des Spectrums durch eine Blende
                              									auffängt. Der photographische Eindruck folgt diesem Streifen und erstreckt sich
                              									sogar weit darüber hinaus; er offenbart sich durch einen graulichen Ton, der nach 10
                              									bis 15 Minuten dauernder Einwirkung schon recht sichtbar und dann immer dunkler
                              									wird. Dieser Theil des photogenischen Spectrums kömmt durch Anhauchen recht deutlich
                              									zum Vorschein; der Wasserdunst verdichtet sich auf ihm hauptsächlich in Form kleiner
                              									flüssiger Kügelchen und man kann ihn dadurch recht auffallend machen, sogar bei
                              									Platten, welche nicht so lange der Strahlung ausgesetzt waren, daß die Färbung sich
                              									darauf hätte entwickeln können.
                           Das Bild, welches man auf diese Weise auf der Platte erhält, erinnert durch seine
                              									Nüancen wohl an die prismatischen Farben, allein sie sind in der Regel düster und
                              									werden um so dunkler, je länger die Einwirkung der Strahlen andauert. In den ersten
                              									Augenblicken derselben sind sie am lebhaftesten.
                           Wenn man die präparirte Silberplatte, ehe man sie der Wirkung des Lichtes aussetzt,
                              									erhitzt, so erhält sie neue Eigenschaften. Sie erfährt bedeutende Veränderungen in
                              									ihrer eigenen Farbe; dieselbe wird immer mehr rosenroth und endlich schmilzt das
                              									Chlorsilber auf ihrer Oberfläche.
                           Vor dem Erhitzen nahm die empfindliche Substanz durch das weiße Licht eine Art negatives Bild von grauer Farbe auf, denn es stach auf
                              									dem hellern Grund der Platte so zu sagen schwarz ab. Nach dem Erhitzen hingegen
                              									erzeugt das weiße Licht auf der Platte ein positives
                              									Bild, welches hell aus dem Grund hervortritt und manchmal so weiß ist wie Papier.
                              									Die Strahlen des Spectrums malen sich in der ihnen eigenen Farbe darauf und die
                              									Nüancen sind nicht mehr düster wie die auf der nicht erhitzten Platte sich
                              									entwickelnden; sie sind lebhaft und glänzend und werden bei fortgesetzter Einwirkung
                              									nicht mehr so schnell schwarz.
                           Doch ist die Modification, welche die empfindliche Substanz erleidet, je nach der
                              									Temperatur, bis zu welcher erhitzt wird und der Zeit, welche man die Platte der
                              									Hitze aussetzt, verschieden. Wird die Platte in einem Trockenbehältniß auf
                              									100° C. erhitzt, so nimmt sie nach einigen Minuten einen ins Röthliche
                              									stechenden Holzton an; dieß ist der Zustand, welchen Hr. Edm. Becquerel für den besten hält, um alle Farben des Spectrums aufzunehmen.
                              									In der That theilt ihr das Sonnenspectrum alle seine Farben mit. Das Gelb und Grün
                              									fallen recht hübsch aus,
                              									das Blau und Violett geben lebhafte und frische Farben, das Orange und Roth werden
                              									sehr intensiv; aber ihre Nüancen haben mehr vom Violett als die des Spectrums. Der
                              									diesseits des äußersten Roth befindliche Theil des photogenischen Spectrums, welcher
                              									sich auf der nicht erhitzten Platte durch einen dunkel amaranthrothen Streifen
                              									kundgab, ist auf der erhitzten Platte kaum sichtbar. Aber die Strahlen, welche
                              									brechbarer sind als das äußerste Violett, fahren fort ihre Wirkung zu äußern, und
                              									entwickeln einen grauen Streifen, der um so dunkler wird, je länger die Wirkung
                              									fortdauert. Das auf der chlorirten und erhitzten Platte erzeugte photographische
                              									Spectrum bietet also eine vollkommene Aehnlichkeit mit dem sichtbaren Spectrum im
                              									ganzen sichtbaren Theil dieses letztern dar; aber das photographische Spectrum setzt
                              									sich über das Violett hinaus fort durch einen schwärzlichgrauen Streifen, welcher
                              									sich unter dem Einfluß derjenigen Strahlen entwickelte, die brechbarer sind als die
                              									auf unsere Augen einen Eindruck hervorbringenden Strahlen.
                           Das aus der Vereinigung aller dieser Strahlen von verschiedener Brechbarkeit
                              									bestehende weiße Licht bringt auf der empfindlichen Platte eine mehrfache Wirkung
                              									hervor, die man sich als drei besondere vorstellen kann: 1) die Wirkung der
                              									sichtbaren Strahlen des Spectrums, deren Verbindung bei uns das Gefühl des Weiß
                              									hervorbringt; 2) die Wirkung der Strahlen des Spectrums, welche nicht sichtbar und
                              									weniger brechbar sind als die äußersten rothen Strahlen; diese erzeugen eine dunkel
                              									amarantrothe Färbung; 3) die Wirkung der Strahlen, welche die äußersten violetten
                              									Strahlen an Brechbarkeit übertreffen und eine graue Farbe geben, die jedoch nicht so
                              									dunkel ist wie das Amarantroth der Strahlen von geringerer Brechbarkeit als die
                              									rothen. Die Gesammtheit der nicht sichtbaren photogenischen Strahlen strebt mithin
                              									dem von der Gesammtheit der sichtbaren Strahlen des Spectrums erzeugten Bilde eine
                              									dunkle Farbe zu ertheilen; in dieser Hinsicht sind aber die am wenigsten brechbaren
                              									Strahlen viel wirksamer als die andern.
                           Es ist daraus zu ersehen, woher es kömmt, daß das gewöhnliche weiße Sonnenlicht auf
                              									der chlorirten und nicht erhitzten Platte ein negatives,
                              									d.h. ein auf einem hellern Grund dunkel abstechendes Bild hervorbringt; während auf
                              									der chlorirten, aber erhitzten Platte ein positives, von
                              									einem dunklen Grund hell abstechendes Bild sich erzeugt. Die chlorirte, nicht
                              									erhitzte Platte ist nämlich sowohl für die Strahlen empfindlich, welche minder
                              									brechbar als für diejenigen, welche brechbarer sind als die des sichtbaren
                              									Spectrums; und unter dem Einfluß dieser Wirkung, welche eine kräftigere ist, als
                              									diejenigen der sichtbaren Strahlen, wird die der Gesammtstrahlung ausgesetzte Stelle dunkel. Die chlorirte
                              									Platte ist hingegen durch das Erhitzen beinahe völlig unempfindlich geworden gegen
                              									die Strahlen, welche minder brechbar sind als die äußersten rothen; sie bleibt noch
                              									empfindlich für die Strahlen, welche brechbarer sind als die äußersten violetten
                              									Strahlen des sichtbaren Spectrums; da aber die schwärzende Wirkung dieser letztern
                              									viel schwächer ist als diejenige der Strahlen, welche minder brechbar sind als das
                              									äußerste Roth, so wird das durch die Gesammtstrahlung erzeugte Bild graulichweiß;
                              									der graue Ton wird nämlich von den unsichtbaren Strahlen hervorgebracht, welche
                              									stärker gebrochen wurden als die violetten Strahlen.
                           Nun hat Hr. Becquerel ein merkwürdiges Mittel gefunden, um
                              									den ganzen Theil des photogenischen Spectrums, welcher brechbarer ist als das
                              									äußerste Violett, vollkommen aufzuhalten, ohne die Intensität der sichtbaren
                              									Strahlen merklich zu vermindern; es besteht darin, in den Weg des Sonnenstrahles
                              									einen dünnen Schirm aus einer sehr schwachen Auflösung von saurem schwefelsaurem
                              									Chinin zu stellen. Das durch diesen Schirm gegangene weiße Licht bringt auf der
                              									chlorirten und erhitzten Platte ein weißes Bild hervor, dessen Weiße manchmal mit
                              									derjenigen des Papiers den Vergleich aushält.
                           Die Zeit, während welcher man die Platte dem Sonnenspectrum auszusetzen hat, muß
                              									nothwendig nach der Intensität dieses Spectrums verschieden seyn. Ist das Spectrum
                              									sehr concentrirt und durch die Brechung nicht weit ausgebreitet, so erhält man schon
                              									in einigen Minuten ein schönes farbiges Bild desselben. Bei einem sehr
                              									ausgebreiteten Spectrum von einem Strahlenbündel, welcher durch eine sehr enge
                              									Spalte ging, muß man die Einwirkung eine bis zwei Stunden andauern lassen; aber das
                              									Bild zeigt in letzterm Fall die Fraunhofer'schen
                              									Hauptlinien, welche sich schwarz darin zeichnen, wie im direct gesehenen
                              									Spectrum.
                           Die Stelle der größten Wirkung im Spectrum ist nach der Zubereitung der Platte
                              									verschieden; wenn dieselbe stark erhitzt wurde, befindet sie sich im Gelb; auf der
                              									chlorirten, aber nicht erhitzten Platte kömmt das Roth so schnell wie das Gelb zum
                              									Vorschein.
                           Wir sagten oben, daß Becquerel die merkwürdige Eigenschaft
                              									einer Auflösung von saurem schwefelsaurem Chinin entdeckt habe, diejenigen Strahlen
                              									vollkommen aufzuhalten, welche brechbarer sind als die der Linie H des Spectrums entsprechenden. Er bereitet diese
                              									Flüssigkeit durch Auflösen von 2 bis 3 Grammen schwefelsauren Chinins in 1 Liter
                              									Wasser, welches mit etwas Schwefelsäure angesäuert wurde. Ein 2 Centimeter dicker Schirm
                              									reicht zum Aufhalten derjenigen Strahlen hin, welche brechbarer sind als die
                              									violetten. Da diese Strahlen auf die Netzhaut von sehr geringer Wirkung sind,
                              									erscheint ungeachtet ihrer Ausschließung das durchfallende Licht nicht weniger weiß.
                              									Die Lösung erscheint nur in bedeutender Dicke besehen beim durchfallenden Licht
                              									etwas gelblich; sie reflectirt ein schönes Indigoblau.
                           Becquerel entdeckte mehrere andere farblose oder schwach
                              									gefärbte Substanzen, die ebenfalls diejenigen Strahlen aufhalten, welche brechbarer
                              									sind als die violetten Strahlen; sie sind aber nicht so wirksam wie das
                              									schwefelsaure Chinin. Substanzen, welche minder brechbare Strahlen als die äußersten
                              									rothen aufhalten, suchte er vergebens aufzufinden.
                           Becquerel nahm auch die Spectrumbilder von Sonnenlicht,
                              									welches durch durchsichtige, farbige Media gegangen war, auf seinen empfindlichen
                              									Platten auf und fand constant, daß die empfindliche Substanz auf allen Stellen des
                              									sichtbaren Spectrums, wo sich dunkle Streifen befanden, unveränderlich blieb.
                           Der Verfasser copirte auch gefärbte Kunststiche; die erhaltenen Bilder erinnern wohl
                              									an die Farben des Stichs, sind aber minder lebhaft als diejenigen des
                              									Sonnenspectrums. Der Grund ist ohne Zweifel, daß eine beträchtliche Menge weißen
                              									Lichts durch das Papier des Stichs geht und daß die meisten Aquarellfarben
                              									undurchsichtig sind. In der Camera obscura erhielt er deutlicher gefärbte Bilder von
                              									sehr lebhaft gefärbten Gegenständen; leider ist aber ein langes Verweilen in der
                              									Camera obscura nothwendig, um die Bilder etwas intensiv zu erhalten. Wir bemerken
                              									noch, daß die nach dem Daguerre'schen Verfahren
                              									präparirten Platten nicht empfindlicher sind; denn sie müssen mehrere Stunden in der
                              									Camera obscura gelassen werden, damit sie die negative Copie der im Focus sich
                              									mahlenden Bilder aufnehmen.
                           Becquerel's photochromatische Bilder conserviren sich
                              									sehr lange im Dunkeln; erleiden aber durch längeren Einfluß des zerstreuten Lichtes
                              									eine Veränderung. Umsonst bemühte er sich diese Bilder zu fixiren, indem er die
                              									empfindliche Substanz durch Auflösungsmittel abzog; die Bilder entfärbten sich stets
                              									und es traten andere an ihre Stelle, welche mit den negativen Bildern, wie man sie
                              									auf empfindlichen Papieren erhält, mehr oder weniger Aehnlichkeit hatten. Als er
                              									seine Bilder den Quecksilberdämpfen aussetzte, entstanden den gewöhnlichen Daguerre'schen ähnliche ungefärbteungefäbte Bilder.
                           Die Modificationen, welche die empfindlichen Substanzen unter dem Einfluß der
                              									verschiedenen einfachen Strahlen des Spectrums erleiden, lassen sich beim dermaligen
                              									Stand der Wissenschaft noch nicht erklären. Beruhen sie alle auf besondern
                              									chemischen Reactionen, oder sind sie, wenigstens theilweise, Veränderungen in der
                              									Anordnung der Molecüle zuzuschreiben? Die große Mannichfaltigkeit an Farben, welche
                              										Becquerel's Platte annimmt, macht letztere Ansicht
                              									wahrscheinlich. Gewiß ist, daß die Silberverbindungen unter dem Einfluß des
                              									Sonnenlichts eine chemische Zersetzung erleiden; aber die Veränderung ist, selbst
                              									bei gänzlicher Umwandlung der Farbe, quantitativ eine sehr geringe Dadurch wird
                              									dieses Studium sehr erschwert, besonders wenn man die chemische Veränderung zu
                              									ermitteln sucht, welche die Substanz unter dem Einfluß der verschiedenen einfachen
                              									Strahlen erleidet, weil sie lange Zeit demselben einfachen Strahl, mit Ausschluß
                              									jedes andern, ausgesetzt werden muß, was sehr schwer zu bewerkstelligen ist. Hr. Becquerel beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit
                              									diesem Gegenstand und es ist zu hoffen, daß seine beharrlichen Forschungen
                              									wenigstens einiges Licht auf diese schwierige Frage werfen werden.