| Titel: | Ueber mehrere Abhandlungen des Hrn. Vergnette-Lamotte, die Weine, insbesondere die Burgunderweine betreffend; Bericht von Hrn. Bussy. | 
| Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. XXXIII., S. 145 | 
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                        XXXIII.
                        Ueber mehrere Abhandlungen des Hrn. Vergnette-Lamotte, die
                           								Weine, insbesondere die Burgunderweine betreffend; Bericht von Hrn. Bussy.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 										d'Encouragement, Oct. 1848, S. 645.
                        Vergnette, über den Weinbau und die Weine.
                        
                     
                        
                           Die Abhandlungen des Hrn. Vergnette, Weinbauers im
                              									Departement der Goldküste, über welche ich Bericht zu erstatten habe, betreffen sein
                              									systematisches und gründliches Studium aller sowohl beim Wachsthum des Weinstocks,
                              									bei der Entwickelung und Reife der Traube, als bei der Bereitung und Aufbewahrung
                              									des Weins in Betracht kommenden Umstände. Die Arbeit des Verfassers ist übrigens
                              									nicht nur für den Weinbau von großem Interesse, sondern kann auch für andere
                              									Culturzweige Nutzen bringen.
                           Die erste Abhandlung, betitelt: von dem im Departement der
                                 										Goldküste dem Weinbau gewidmeten Boden, enthält das geologische Studium des
                              									betreffenden Bodens, mit Durchschnitten, welche alle Veränderungen des Unterbodens
                              									in den wichtigsten Lagen angeben. Aus der chemischen Zusammensetzung der
                              									Gebirgsarten und der Bodenschichten werden Folgerungen für Bodenverbesserungen
                              									behufs des Weinbaues gezogen; auch vergleicht er diese Bodenarten mit jenen anderer
                              									Gegenden, namentlich des Bordeaux-Landes (Bordelais). – Den Schluß
                              									dieser Abhandlung macht eine Classification der Weine von 1838–1844 nach der
                              									atmosphärischen Beschaffenheit jedes Jahrganges, wohin gerechnet werden die Menge
                              									des in den Hauptperioden der Wachszeit gefallenen Wassers, die Anzahl der Regentage,
                              									die den verschiedenen Monaten des Jahrs entsprechenden mittlern Temperaturen, die
                              									höchsten und niedersten Temperaturen in denselben Perioden, die Zeiten der Weinlesen
                              									und die Umstände, unter welchen sie vor sich gingen. Folgendes sind die vom
                              									Verfasser selbst aus seinen Arbeiten gefolgerten Ergebnisse:
                           
                              „Die Gewächse der schweren Weine der Goldküste stehen nach Südwest auf dem
                                 										Abhange von 180 Meter über die Ebene sich erhebenden Hügeln, welche durch ein
                                 										zweites, 520 Meter über der Meresfläche liegendes Stockwerk vor dem Winde
                                 										geschützt sind. Die Ebene liegt 220 Meter über dem Niveau des Meeres.
                              
                           
                           
                              Die Weinberge der Goldküste liegen, wie am Rhein und im Bordelais, auf der Linie,
                                 										wo der Türkischkornbau aufhört, also in isothermischen Linien.
                              
                           
                              Die Menge des jährlich gefallenen Regenwassers beträgt 0,745 Meter; die
                                 										entsprechende Anzahl Regentage ist 108. Der Regen in den Monaten Junius und
                                 										September ist dem Weinstock vom empfindlichsten Nachtheil; im Junius, weil er
                                 										das Abfallen der Blüthe veranlaßt; im SeptemberSeptemper, weil er die Traube zum Faulen bringt (1840) oder die Bildung anderer
                                 										chemischer Verbindungen aus den vorhandenen Elementen begünstigt. Es ist
                                 										vortheilhaft, wenn man im Monat Junius weniger als acht (1840, 1842) und in den
                                 										14 Tagen vor der Weinlese weniger als drei Regentage hat (1838).
                              
                           
                              Die Beholzung sowie die Entblößung der Gipfel der ersten Hügel scheinen ohne
                                 										Einfluß auf die Eigenschaften des von ihnen beherrschten Gewächses zu seyn.
                              
                           
                              Die Weinstöcke der Goldküste stehen auf einem Unterboden von Granit, Arkose,
                                 										buntem Mergel (d'Heune, Thal-Decize etc.) auf Lias-Mergel
                                 										(Hinterküste), auf mehreren Schichten der untern Oolith-Formation (die
                                 										schweren Gewächse der Küste), auf den Tertiär-Anschwemmungen der Ebene
                                 										(geringere Weine, vins gamays et petits noiriens),
                                 										endlich auf örtlichen Anschwemmungen, welche sich vorzüglich den die Küste
                                 										durchziehenden Thälern gegenüber zu bilden pflegen (Pommard, Volnay, Nuits
                                 										etc.).
                              
                           
                              Die Gewächse von Rang an der Goldküste sind alle innerhalb einer Zone, deren eine
                                 										Horizontal-Ebene sich 15, die andere 78 Meter hoch über der Ebene
                                 										befindet.
                              
                           
                              Der Gegenabhang der Gesteinschichten des ersten Stockwerks ist der Cultur des
                                 										Weinstocks förderlich, indem er das in den Unterboden einsikernde Regenwasser
                                 										von den Wurzeln der Pflanzen entfernt.
                              
                           
                              Die chemische Zusammensetzung des Unterbodens und der dem Weinbau gewidmeten
                                 										Erde, gestattet sie in sechs Classen zu gruppiren. Da die Kalisalze dem
                                 										Wachsthum des Weinstocks sehr günstig sind, so ist dem größern Kaligehalte der
                                 										Thonböden der Gewächse der 2ten, 4ten und 5ten Classe die Kraft ihrer Vegetation
                                 										und das Feuer ihrer Weine zuzuschreiben. Die Oolith-Gewächse der 1sten
                                 										Classe werden mehr Feinheit besitzen. Die Talkerde-Gewächse der 2ten
                                 										Classe werden von eigenthümlicher Zartheit seyn. Die Gewächse der 4ten Classe
                                 										verdanken ihre Eigenschaften dem Eisenoxyd und Kali. Das Erdreich der 5ten und
                                 										6ten Classe endlich ist, jenes dem Anbau des Gamay (geringe Sorte), dieses dem Anbau
                                 										einiger neuen Rebsorten zu widmen, welche productiver sind, als die Auvergner
                                 										Sorte (pineau), aber so stark wie letztere, und
                                 										solidere Weine geben, als die kleinen Schwärzlinge (noiriens) der Ebene sind.
                              
                           
                              Der chemischen Zusammensetzung der Erdreiche zufolge und in Anbetracht des
                                 										geringen Kaligehalts der Kalkformation, ist es sehr wichtig Asche und
                                 										ausgeruhtes Erdreich zu ihrer Verbesserung anzuwenden; stickstoffhaltige Dünger,
                                 										ausschließlich angewandt, geben dem Weinstock eine ihm fremdartige, der
                                 										Gesundheit der Weine schädliche Nahrung.
                              
                           
                              Endlich noch einige Schlußsätze. Sobald an der Goldküste der Wein den Unterboden
                                 										wechselt, erhält man einen andern Typus des Weins; kaum verläßt man auf-
                                 										oder abwärts die Zone der schweren Gewächse, so findet man sie schon zweiter
                                 										Gattung; je weiter man den Berg hinauf, oder zur Ebene hinabkömmt, desto
                                 										ordinäreres Product findet man. Man kann behaupten, daß nirgends in der Welt
                                 										sich alle Erfordernisse zur Entwickelung von Weinen, wie diejenigen unserer
                                 										ersten Sorten, so vereinigt finden. Es helfen bei uns so viele locale Umstände
                                 										zusammen, daß sie in ihrer Art immer unerreicht dastehen werden, und die neuen
                                 										Anpflanzungen in Preußen, im übrigen Deutschland, an den Ufern des schwarzen
                                 										Meers werden, man mache was man wolle, niemals Producte liefern, die mit ihnen
                                 										zu vergleichen sind; so werden z.B. die Volnay-Weine noch lange die
                                 										ersten Weine der Welt bleiben, wie sie es im 14ten Jahrhundert
                                 										waren.“
                              
                           Hinsichtlich des Erdreichs von Médoc, sagt der Verfasser: „Die
                                 										Ebenen von Médoc sind mit einer, wahrscheinlich aus der Zeit der letzten
                                 										uns bekannten Wasserfluth herrührenden Ablagerung überdeckt; dieselbe besteht
                                 										großentheils aus gerolltem Quarz; der Unterboden ist zuweilen thonig, am
                                 										häufigsten aber besteht er aus reinem, oder durch Eisenoxyd zusammengeklebten
                                 										Sand, Alios genannt. Letztere Beschaffenheit des Unterbodens scheint den
                                 										schweren Gewächsen am besten zuzusagen. Im Bordelais, wo wir wenig Thon und Erde
                                 										mit alkalischen Bestandtheilen antreffen, führt der Seewind dem Lande die Natron- und Kalisalze zu, deren der Boden
                                 										bedarf, um die ihm durch den Weinwachs entzogenen Alkalien wieder zu
                                 										ersetzen.“
                              								
                           Wenn es wahr ist daß in gewissen Theilen Bordelais der Boden kein Kali enthält, daß
                              									ferner (was nach des Verfassers Versuchen constant zu seyn scheint) ein Weingarten
                              									von 1 Hektare Flächenraum, welcher 24,000 Stöcke enthält und 18 Hektoliter Wein
                              									liefert, dem Boden 57,067 Kilogr. Kali entzieht, läßt sich dann mit
                              									Wahrscheinlichkeit annehmen, daß dieses Kali durch den Seewind vermittelst der von ihm
                              									mitgerissenen Salztheilchen herbeigeschafft werde? Allerdings kann die Wirkung des
                              									Seewinds auf eine weite Strecke vom Ufer hin fühlbar werden, aber der Kaligehalt des
                              									Meerwassers ist an und für sich so unbedeutend, daß es sehr zu bezweifeln ist, daß
                              									der Vegetation dadurch eine erhebliche Menge zugeführt werden könne. Es wäre demnach
                              									von diesem Gesichtspunkt aus die Zusammensetzung der Burgunderweine und
                              									Bordeauxweine, welche in allen andern Stücken so sehr von einander abweichen,
                              									vergleichend zu untersuchen, um zu erfahren, ob in den Bordeauxweinen nicht ein
                              									Theil des Weinsteins durch andere ähnliche Verbindungen, etwa Natronsalze, vertreten
                              									ist. Jedenfalls wäre im Interesse der Kenntniß der Weine sehr zu wünschen, daß
                              									ähnliche Untersuchungen, wie die worüber ich so eben berichtete, mit den
                              									Bordeauxweinen vorgenommen würden.
                           Die zweite Abhandlung: über die Weinlese der schweren Gewächse
                                 										der Goldküste, enthält die Ergebnisse über die Bestandtheile der Traube vor
                              									und zur Zeit der Reife, über den Einfluß der Jahreszeiten auf die Traube zur Zeit
                              									der Weinlese, über denjenigen der Herbstfröste je nach der Beschaffenheit des Bodens
                              									und der Traubensorte etc. Die vom Verfasser gegebenen Vorschriften gründen sich auf
                              									Versuche oder sind das Ergebniß sorgfältig angestellter Beobachtungen; er faßt sie
                              									folgendermaßen zusammen:
                           
                              „Nach dem Einfluß welchen die Zeit der Weinlese auf die Qualität der
                                 										feinen Weine hat, muß die Bestimmung dieser Zeit einem Comité von
                                 										Weinbergbesitzern und Handelsleuten übertragen werden, welche alle bei der
                                 										Heranbildung der Frucht gemachten Beobachtungen dabei in Erwägung zu ziehen
                                 										haben.
                              
                           
                              Bei der Traube, welche ihre Reife nicht erreicht hat, herrscht das saure
                                 										weinsteinsaure Kali vor und der erhaltene, wiewohl saure, junge Wein besitzt ein
                                 										deutliches Bouquet und wird seine Haltbarkeit und gute Ausbildung seinem großen
                                 										Gehalt an sauren Salzen zu verdanken haben (Burgunder-Weine von 1829,
                                 										1837 und 1838 und gewisse Rheinweine).
                              
                           
                              Ueberreife Trauben besitzen, wenn der Herbst warm und trocken war, einen großen
                                 										Zuckergehalt; solche Weine nähern sich den mittäglichen und verdanken ihre
                                 										Conservirung dem Alkohol. War der Herbst aber regnerisch, so enthält der
                                 										Traubensaft einen die faule Gährung einleitenden Stoff, welcher dem Wein keine
                                 										gute Zukunft verspricht. Die Regenfälle zur Zeit der Weinlese und der Hagel
                                 										sind die gefährlichsten Feinde unserer Lesen. (Beispiel: die Weine vom J.
                                 										1840.)
                              
                           
                              Wenn die Blüthe bald verschwand, so ist die Bestimmung der Lesezeit schwierig,
                                 										weil die Trauben den für einen guten Wein geeigneten Punkt der Reife rasch
                                 										überschreiten. Dauerte hingegen die Blüthezeit länger an, so findet man zur
                                 										Lesezeit so viel Verschiedenheit in der Reife der Frucht, daß die Zeit der Lese
                                 										leichter richtig getroffen werden kann. Je nachdem sich die Monate Julius und
                                 										August hinsichtlich der Wärme und der Menge des gefallenen Regens verhielten,
                                 										wird die Reife im Kieselkalkboden und Alluvialsand einen anderen Gang befolgt
                                 										haben als im Mergelkalk und Alluvialthon.
                              
                           
                              Da die Vergleichung der das WachsthumWachsthnm der Traube seit wenigstens 30 Jahren begleitenden meteorologischen
                                 										Erscheinungen für die Fixirung der Lesezeit von großem Belang ist, so wäre zu
                                 										wünschen, daß von dem Bureau des Longitudes die
                                 										Tabellen über die seit dem Jahr 1815 alle Monate angestellten Beobachtungen
                                 										über: 1) die Temperatur, höchste und niedrigste jedes Tags; 2) die
                                 										Hygrometergrade um 9 Uhr und 12 Uhr Mittag; 3) die Winde zur Mittagszeit; 4)
                                 										endlich die jeden Tag gefallene Wassermenge und die Anzahl der Regentage in
                                 										jedem Monat veröffentlicht würden.“
                              
                           In seiner dritten Abhandlung behandelt der Verf. die Weinbereitung selbst; er untersucht zunächst die Construction der Kufen,
                              									Keltern, Hallen, und meint, daß letztere im Burgundischen in der Regel sorgfältiger
                              									und in der Art erbaut seyn sollten, daß zur Zeit der Weinlese eine gleichmäßige,
                              									etwas höhere Temperatur darin unterhalten werden könnte, die er mit Recht als einer
                              									vollkommenen und raschen Gährung förderlich betrachtet; er spricht sich gegen die
                              									vorgeschlagene hydraulische Absperrung der Kufen und auch gegen das System aus, den
                              									Hut (die sich obenauf begebende Masse von Kämmen und Hülsen) beständig unter der in
                              									Gährung befindlichen Flüssigkeit zu halten; dagegen empfiehlt er den obern Theil des
                              									Huts, auf welchen die Luft einwirkte, vor dem Abziehen zu entfernen, weil diese
                              									Einwirkung der Luft sich bloß einige Centimeter unter die Oberfläche hinab
                              									erstreckte.
                           Je weniger Zucker die Weine enthalten, desto kürzere Zeit sollen sie in der Kufe
                              									bleiben; zu ihrer Gährung sind höchstens 72 bis 80 Stunden erforderlich. Ueber die
                              									Thunlichkeit, dem Traubenmost noch eine gewisse Menge Zucker zuzusetzen, spricht
                              									sich der Verfasser verneinend aus, indem er eine Menge Weinbergbesitzer anführt,
                              									welche ihre Weine zu chaptalisiren pflegen und deren Producte, trotz des
                              									Zuckerzusatzes im Handel
                              									doch weniger beliebt zu seyn scheinen, als wo dieß nicht geschieht. Es ist jedoch
                              									unwahrscheinlich, daß diese Leute so gegen ihren eigenen Vortheil verfahren würden,
                              									und eher zu vermuthen, daß der Zusatz von Zucker, obgleich Weinen erster Qualität
                              									und von guten Jahrgängen schädlich, dennoch geringere Gewächse verbessern oder den
                              									Einfluß schlechter Witterung einigermaßen ausgleichen kann, ohne den Weinen jedoch
                              									die Güte wieder zu verleihen, welche sie von Natur aus hätten haben können.
                           Nach Hrn. Vergnette kann jedoch der Zusatz von Zucker zum
                              									Traubenmost (dessen Wirkung sich wohl immer auf Vergrößerung des Alkoholgehalts
                              									zurückführen läßt) sehr schlimme Folgen für die Gesundheit und die Qualität des
                              									Weines haben; er könnte den guten Ruf, dessen sich die Burgunder-Weine bisher
                              									zu erfreuen hatten, untergraben helfen. „Die Chemie, meint der Verfasser,
                                 										kann nur die rationellen Wege des Weinbaues und der Weinbereitung angeben,
                                 										niemals aber berufen seyn, durch allerhand Mittel das zu ersetzen, was Boden und
                                 										Sonne unsern Producten versagen! Niemals werden Suresne und Argenteul mit Volnay
                                 										und Chambertin wetteifern können.“ Dieses im allgemeinen zugegeben,
                              									dürfte es doch schwer seyn auszusprechen: „Bis hieher mit Hülfe der
                                 										Wissenschaft und nicht weiter!“ Es gibt Beispiele genug, wo,
                              									abgesehen von der Chemie, durch besondere Sorgfalt und Pflege Früchte aus wärmern
                              									Klimaten bei uns in gleicher, wo nicht besserer Qualität erzielt wurden, als in
                              									ihrem Vaterlande.
                           (In dieser Abhandlung werden ferner die Einwirkung des Frostes auf den Wein und die
                              									Klärung desselben mit Hausenblase behandelt; wir haben diese Capitel bereits im
                              									polytechn. Journal Bd. CXI. S. 147 und 229 mitgetheilt.)
                           Die letzte Abhandlung enthält das physiologische Studium des Weinstocks, und
                              									insbesondere der an der Goldküste cultivirten Auvergner Traube (pineau); wie früher sucht der Verfasser auch hier durch
                              									genaue Daten der chemischen Analyse die Bereitung und Behandlung des Weins auf
                              									bessere Methoden zurückzuführen. Wir entnehmen diesem Capitel folgende interessante
                              									Thatsachen und Ergebnisse:
                           
                              „Die Trauben enthalten Kali- und Kalksalze und sehr
                                 										verschiedenartige organische Substanzen. Unter letztern sind die bei der
                                 										Weinbildung und der Gesundheit der Weine am meisten betheiligten: das Ferment
                                 										(der Gährungsstoff), der Zucker, der Schleim (Gummi), der Gerbestoff und die
                                 										Farbstoffe.
                              
                           
                              Laub und Holz des Weinstocks sind reich an Kalisalzen. Den höchsten Salzgehalt
                                 										bei Einäscherung der Blätter erhält man zur Zeit, wo der Weinstock in voller
                                 										Blüthe steht. Die Rinde enthält viel kohlensauren Kalk; im Mark und Kern
                                 										herrschen phosphorsaure Kalksalze vor; der Wurzelstock und die starken Wurzeln
                                 										geben bei der Einäscherung einen kleinern Rückstand als die Blätter, das junge
                                 										Holz und die Wurzelzafern.
                              
                           
                              Bei den ersten Bewegungen der Vegetation enthält der Saft des Weinstocks
                                 										essigsaures Kali und Ammoniaksalze; später entwickeln sich die Kalisalze und der
                                 										Gerbestoff darin in starkem Verhältniß; im Herbst scheinen der Schleim, die
                                 										Stärke und harzigen Substanzen vorzuherrschen.
                              
                           
                              Ich unterscheide vier Hauptperioden im Wachsthum des Weinstocks: 1) die
                                 										Entwicklung der Knospe und des Stengels; zu diesem ersten Acte der Vegetation
                                 										ist der Humus der Erde erforderlich; 2) die Entfaltung der Blüthe und das
                                 										Ansetzen der Frucht; dieser Periode der Blüthe geht das Erscheinen neuer
                                 										Zäserchen am Wurzelstock voraus (das saure weinsteinsaure Kali hat zu dieser
                                 										Zeit das höchste Verhältniß im Blatte erreicht); 3) die Beere erhält ihre Größe,
                                 										verliert ihre Härte und Undurchsichtigkeit und wird elastisch und durchsichtig
                                 										(am Ende dieser Periode enthält die Beere das Maximum von saurem weinsteinsaurem
                                 										Kali); 4) in der letzten Periode beginnt das Reifen der Frucht; das Zeitigen des
                                 										Holzes und das Hervortreten der Ranken aus den Blattwinkeln finden in dieser
                                 										Periode statt oder gehen ihr schon voraus; sie ist noch durch das Erscheinen
                                 										weiterer Auswüchse an der Wurzel charakterisirt. Frühlingsreife, kalte Regen zur
                                 										Blüthezeit, außerordentliche Trockne des Sommers, dann Regenfälle und Fröste im
                                 										Herbst, sind die durch die Witterung veranlaßten Unglücksfälle beim Weinbau.
                              
                           
                              Durch ein sehr einfaches und genaues mechanisches Verfahren gelang es mir, den in
                                 										den Traubenbeeren enthaltenen Saft in drei Theilen abzusondern. Indem ich diese
                                 										Säfte gesondert analysirte, fand ich daß der innerhalb der Nahrung zuführenden
                                 										Bänder des Kerns befindliche Saft vorzüglich reich ist an Schleim und Holzfaser;
                                 										der Saft welcher der häutigen Hülle der Beere zunächst liegt, ist der
                                 										zuckerreichste; der dazwischen liegende ist der sauerste und reichste an
                                 										Gährungsstoff.
                              
                           
                              Die luftförmigen Flüssigkeiten welche man im Saft der Pflanze und der Beere
                                 										findet, scheinen sich mehr im Zustand chemischer Verbindung als bloßer Auflösung
                                 										zu befinden.
                              
                           
                              Der Kern ist von einem an Gerbestoff überaus reichen faserigen Häutchen umgeben.
                                 										Die in der Traube enthaltene Menge Gerbestoffs kann man unter übrigens
                                 										gleichen Umständen als proportional betrachten dem Verhältniß welches zwischen
                                 										dem Volum der in den Beeren enthaltenen Kerne und dem Volum der Beeren dieser
                                 										Trauben besteht. Bei einigen Varietäten entwickelt sich dieses Häutchen mehr als
                                 										bei andern.
                              
                           
                              Entblößt man den Kern mittelst verdünnter Schwefelsäure, so gibt die
                                 										zurückbleibende knochige Hülle nur mehr Spuren von Gerbestoff; der Gerbestoff
                                 										ist mithin dem Häutchen des Kerns eigenthümlich.
                              
                           
                              Die knochige Hülle des Kerns enthält eine, von einer sehr bittern Haut umgebene,
                                 										ölige Mandel.
                              
                           
                              Die Farbstoffe haben ihren Sitz in der Haut der Beere unter der sie bekleidenden
                                 										Epidermis; die Traube färbt sich unter dem Einfluß des Sonnenlichts, wo dasselbe
                                 										von der durchsichtig gewordenen Beere absorbirt werden kann. Die Trauben sehr
                                 										stark behangener Weinstöcke erhalten wenig Lichtstrahlen und sind daher minder
                                 										reich an Farbstoff; ebenso verhält es sich mit dicht gebeerten Trauben und den
                                 										unter dem getrübten Himmel eines regnerischen Herbstes gereiften Trauben.
                              
                           
                              Der Traubenkamm enthält (Gummi-) Schleime, Eiweißstoff, weinsteinsaure
                                 										Salze, Gerbestoff etc., kurz alle Bestandtheile der Beeren; es waltet aber
                                 										keiner derselben besonders vor und der Kamm gibt nur sehr wenig von ihnen an die
                                 										Flüssigkeit ab, unter welcher er sich während der Gährung in der Kufe befindet;
                                 										seine Wirksamkeit in der Kufe scheint sonach eine rein mechanische zu seyn.
                              
                           
                              Das Häutchen der Beere enthält ein sehr wohlriechendes flüchtiges Oel. Ein (im
                                 										Herbst vorgenommenes) vollkommenes Ablauben des Stocks macht den Most seiner
                                 										Trauben saurer und minder dicht.
                              
                           
                              Nachdem ich berechnet hatte, daß die drei Sprößlinge der Rebe, welche wir an dem
                                 										Stock der Auvergner Traube (pineau) zu lassen
                                 										pflegen, im Durchschnitt 88 Blätter tragen, die auf ihren beiden Seiten 140
                                 										Quadratdecimeter Oberfläche haben, fand ich, daß die Pflanze vermöge dieser
                                 										Oberfläche der Atmosphäre ungefähr 90 Gramme Kohlenstoff entzieht; da aber die
                                 										dieser Absorption entsprechende Traube im Mittel nur 19 Gramme Kohlenstoff
                                 										repräsentirt, so schloß ich daraus, daß man einen bedeutenderen Theil des Endes
                                 										der jungen Stämmchen abschneiden kann, als zur Ernährung der Frucht und des
                                 										zurückbleibenden Holzes erforderlich ist. Durch dieses Verfahren, welches ich
                                 										den Sommerschnitt (taille
                                    											d'été) nannte, und welcher nach dem Verblühen vorgenommen
                                 										wird, erhalte ich dem Boden einen guten Theil anorganischer Substanzen, die ihm
                                 										das Rebholz, welches im nächsten Jahr abgeschnitten wird, zu reinem Verlust
                                 										entzieht. Außerdem werden die krautartigen Stengel beseitigt und unter die Erde
                                 										gegraben, dienen folglich als Dünger; endlich hat deren Entfernung zur
                                 										unmittelbaren Folge, daß die jungen belaubten Stöcke Trauben tragen, die unter
                                 										bessern Verhältnissen wachsen als früher, indem durch dieses Verfahren die
                                 										Früchte dem wohlthuenden Einfluß der Luft, des Lichts und der Wärme besser
                                 										ausgesetzt werden.
                              
                           
                              Beim Weinbau in Burgund werden im Durchschnitt auf die Hektare Weinlands 25,700
                                 										Stöcke gepflanzt. Nimmt man nun 20 Hektoliter als das mittlere Erzeugniß der mit
                                 										Auvergner Traube (pineau) bepflanzten Hektare an, so
                                 										sehen wir, daß – da der Schnitt dem Wurzelstock durchschnittlich 131
                                 										Gramme Rebholz entzieht, ferner die Blätter und Blattstiele jedes Stocks 192
                                 										Gramme wiegen, endlich die (der Production von 20 Hektol. entsprechenden) 1,80
                                 										Trauben desselben Stocks 123 Gramme wiegen – eine Lese per Hektare 11,463 Kilogr. Substanzen entzieht,
                                 										welche enthalten:
                              
                           
                              
                                 
                                    Wasser und flüchtige
                                       												Stoffe           
                                      8,860
                                    
                                 
                                    Kohlenstoff
                                      2,247
                                    
                                 
                                    auflösliche Salze
                                           69,40
                                    
                                 
                                    unauflösliche Salze
                                         286,60
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––––
                                    
                                 
                                    
                                    11,463
                                    
                                 
                              
                           
                              Der Herbstregen vermindert die Dichtigkeit des Mostes, schwellt die Beere an,
                                 										vermehrt im Saft die wässerige Substanz und bringt außerdem eine neue Menge
                                 										saurer Salze in denselben, wovon die letzte Folge eine Verspätung der Reife und
                                 										die Röthung der Fruchthaut ist.
                              
                           
                              Die Fäulniß zerstört den Farbstoff und den Zucker und vermehrt den Schleim (das
                                 										Gummi); der Most gefaulter Trauben ist dichter als von gesunden.
                              
                           
                              Der Most vor ihrer völligen Reife gefrorner Trauben enthält eine beträchtliche
                                 										Menge Essigsäure.
                              
                           
                              Die vom Hagel getroffene Traube, deren Beere im Herbst gekeltert wurde, erfährt
                                 										eine ganz besondere Desorganisation; ihr Parenchym wird undurchsichtig und sie
                                 										hat einen üblen Geruch. Die Lebenskraft der Beere muß vom Hagel auf andere Weise
                                 										zerstört werden, als durch das Treten, weil der Wein, welchen die vom Hagel
                                 										getroffene Traube gibt, immer einen unangenehmen Nebengeschmack hat, wenn auch
                                 										die Traube unmittelbar nach dem Einsammeln getreten wurde.
                              
                           
                              Hinsichtlich der Wirkung gewisser Lösungen auf das Wachsthum des Weinstocks fand
                                 										ich, daß die Salzlösungen sehr schnell in die Circulation der Pflanze aufgenommen
                                 										werden. Auflösungen von Kochsalz und Eisenvitriol scheinen die Färbung des
                                 										Laubes und ein kräftiges Wachsthum zu begünstigen.“
                              
                           Wir haben den Inhalt dieser letzten Abhandlung so ausführlich mitgetheilt, weil er
                              									sowohl in physiologischer Hinsicht als für die landwirthschaftlichen Interessen sehr
                              									werthvoll ist.