| Titel: | Ueber die Wirkungsweise gekuppelter Locomotiven; von H. O. Merbach, Ingenieur. | 
| Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. XXXVII., S. 178 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber die Wirkungsweise gekuppelter Locomotiven;
                           								von H. O. Merbach,
                           								Ingenieur.
                        Aus dem polytechn. Centralblatt, 1849, 6te
                              									Liefer.
                        Merbach, über die Wirkungsweise gekuppelter
                           								Locomotiven.
                        
                     
                        
                           Nicht selten kommen Verhältnisse beim Betrieb auf Eisenbahnen vor, welche die
                              									Verwendung von nur einer Locomotive zum Bewegen eines Zuges als unzureichend
                              									erkennen lassen; man bedient sich dann zum Bewegen eines solchen Zuges zweier auch
                              									dreier Locomotiven zugleich. Früher war man nicht abgeneigt zu glauben, daß es
                              									zweckmäßiger sey, wenn man eine zweite Locomotive dem Zuge nachfolgen ließe, damit
                              									diese ihre bewegende Kraft durch Druck auf die Wagenreihe äußere, um so auf den Grad
                              									der Geschwindigkeit der Bewegung vergrößernd einzuwirken. Nachdem jedoch
                              									polizeiliche Rücksichten diese Praxis ferner beseitigt haben, ist man auf das
                              									Kuppeln der Maschinen vor dem Zuge angewiesen worden; beide Verfahrungsweisen haben
                              									ihre Vortheile und Nachtheile; jene ist unter Umständen geboten, diese dagegen
                              									meistentheils der andern vorzuziehen; die Art der Einwirkung der Locomotiven auf den Zug sowohl als
                              									gegenseitig ist eine unterschiedliche.
                           Die Vorwärtsbewegung eines Wagenzuges durch eine Locomotive, die einen solchen Zug
                              									schieben soll, kann nur durch Berührung der an der Vorderseite der Locomotive
                              									befindlichen Buffer mit der an der Hinterseite des letzten Wagens vorhandenen
                              									erfolgen. Der auf diese Weise fortgepflanzte Druck trägt sich auf das erste
                              									Wagengestell über, von diesem auf das nächstfolgende u.s.f., wobei zugleich eine
                              									theilweise Ueberwindung der Bufferfederkraft eingetreten seyn muß, ehe eine
                              									Vorwärtsbewegung des nächstfolgenden Wagens durch den ersten stattfinden kann.
                           Würde daher die Ueberwindung der Reibung, die ein zum Größten belasteter Wagen
                              									erzeugt, mehr Schiebkraft erfordern, in der Richtung der Bufferachse, als die
                              									Bufferfeder innerhalb ihres ganzen Spielraumes bedarf, so kämen die Bufferdeckel zum
                              									Aufsitzen, die Federkraft wäre den Reibungswiderständen des Wagens gegenüber
                              									überwunden, als nicht vorhanden anzusehen; anders würde es sich verhalten, wenn im
                              									umgekehrten Falle die Bufferfederkraft größer wäre, als die von einem Wagen erzeugte
                              									Reibung, denn dann träte während der Fortbewegung das Spiel der Feder noch innerhalb
                              									ihren Gränzen auf. Tritt ein zweiter Wagen vor den ersten, so wiederholt sich dieser
                              									Umstand zwischen den Buffern dieses Wagens mit denen des ersteren, der Druck der
                              									Locomotive auf die Bufferfedern des ersten Wagens vermehrt sich aber, da nun die
                              									Reibungswiderstände zweier Wagen auf diese fallen. In dieser Weise nehmen die
                              									Pressungen auf die Federn jedesmal in demselben Maaße zu, als die einzelnen
                              									Wagengewichte sich durch Vergrößerung des Zuges vermehren.
                           Ist der Wagenzug zu einer solchen Größe angewachsen, daß man vor denselben eine
                              									Locomotive zum Ziehen gesetzt sich denkt, so wird, wenn man annehmen wollte, daß die
                              									Kraftäußerung beider Locomotiven gleich groß sey, der Zug sich in zwei gleiche
                              									Theile, den Bewegungswiderständen nach theilen, von denen der vordere gezogen, der
                              									hintere geschoben würde. Ist es nun aber in der Praxis unter diesen Umständen
                              									gleichbedeutend, wie groß jeder dieser Theile ist, so bleibt doch gerade dieser
                              									Umstand hier bemerkenswerth, daß sich der Zug stets in zwei den Kraftäußerungen der
                              									beiden Locomotiven proportionale Theile trennen wird. Tritt aber ein Schwanken in
                              									diesen Kraftäußerungen ein, so wird dieses, so oft es sich zeigt, auf die
                              									verhältnißmäßige Vergrößerung des einen und Verminderung des andern Theiles direct
                              									einwirken, und dem zufolge die pendelartige Bewegung
                              									eines Gewichtstheiles des Zuges zur Folge haben, der in dem Umfang dieser Schwankung seine eigene
                              									Verhältnißgröße zum ganzen Wagenzuge finden wird; ein Auf- und Zuspielen der
                              									Bufferfedern, auch wohl ein Hin- und Herstoßen der Wagen wird Folge hievon
                              									seyn, und im Ganzen nur dann unter Umständen nachtheilig werden, wenn die Achse der
                              									Buffer nicht eine stete horizontale Linie bildet, sondern aus verschiedenen
                              									unterbrochenen besteht, die in einer Verticalebene liegen. Diese Nachtheile des
                              									Schiebens aber verschwinden ganz, wenn man die zweite Locomotive hinter den Tender
                              									der ersten Locomotive stellt, und sie somit zu einer ziehenden macht. Tritt hier
                              									auch nicht so anschaulich der Gegensatz hervor zwischen Schieben und Ziehen, so ist
                              									doch nicht zu verkennen, daß dieß auch hier der Fall seyn würde, wenn beide
                              									Locomotiven nicht unverrückbar verbunden, die Kraftäußerungen beider Locomotiven
                              									nicht absolut gleich groß wären. Um daher jedweden größern Uebelstand hier zu
                              									vermeiden, pflegt man diese Locomotiven fest zu verbinden; beiden wohnt so viel
                              									Kraft inne, daß sie die Widerstände des Zuges mit einer Geschwindigkeit zu
                              									überwinden im Stande sind, die der Umfangsgeschwindigkeit der Räder gleich kommt;
                              									diese Umfangsgeschwindigkeit ihrer Triebräder sollte daher auch zugleich ein Maaß
                              									für den Ueberschuß an Kraft seyn, der zur Erzeugung von Bewegung nothwendig ist.
                           Es entsteht nun die Frage, unter welchen Bedingungen werden die zwei Locomotiven vor
                              									dem Zuge mit dem Maximum ihrer summarischen Zugkraft auf den Wagenzug einwirken?
                           Die absolute Größe der Kraftäußerung einer Locomotive bei Fortbewegung eines Zuges
                              									ist bedingt auf der einen Seite durch die vorhandene Dampfmenge, auf der andern
                              									Seite durch die Pressung, mit welcher die Dampfmenge zur Erzeugung von Bewegung
                              									durch ihre Expansivkraft auf die beweglichen Theile der Dampfmaschine selbst
                              									einwirkt. Die Pressung steht aber im umgekehrten Verhältnisse zur Räumlichkeit des
                              									Kessels bei gleicher Intensität des Feuers, und ist bei Locomotiven dem Verhältnisse
                              									proportional, in welchem die verdampfende Fläche der Siederöhren und der Fiebor zu
                              									ihrer Summe stehen.
                           Die Kraftäußerungen zweier Locomotiven, die fest aneinander gekuppelt sind, werden
                              									daher auch, um vereint die wahre Summe ihrer beiden einzelnen dynamischen Effecte zu
                              									erzeugen, stets von dem Verhältnisse bedingt seyn, in welchem ihre beiderseitigen
                              									dampferzeugenden Flächen, ihre Dampfmengen, ihre Dampfpressungen zu einander und zur
                              									wahren Summe beider stehen. Sie werden ebenso auch, insofern diese drei Größen von
                              									der Wirksamkeit des Feuers bedingt sind, von dem Verhältnisse abhängen, in welchem die Intensität jener
                              									unterhalten wird. Sind diese Verhältnißzahlen gleich groß, so sind die Locomotiven
                              									gleich construirt, ihre einzelnen Theile gleichnamig, ihre summarische Kraftäußerung
                              									wird unter solchen Umständen auch das wahre Doppelte der Einfachen seyn.
                           Ganz anders verhält es sich aber, wenn zwei Locomotiven aneinander gekuppelt sind,
                              									die nicht ganz gleiche Verhältnißzahlen und Abmessungen in jenen einzelnen Theilen
                              									aufzuweisen haben; tritt dieser Fall ein, so ist leicht die Folge, daß da, wo
                              									gleiche Umfangsgeschwindigkeit der Triebräder unbedingtes Erforderniß ist, die
                              									wirklich bei beiden vorhandene, nur eine einseitig erzeugte ist, insofern als die
                              									unterschiedlichen Dimensionen zweier Dampfmaschinen bei gleichen Dampfspannungen in
                              									der Regel nie ganz gleiche Umfangsgeschwindigkeiten zur Folge haben. Die momentan
                              									stärkere Kraft der einen Locomotive zehrt sich daher um etwas zu Gunsten der zweiten
                              									auf, und zwar in der Ueberwindung der Reibung in den Maschinentheilen zuvörderst und
                              									in der Erzeugung einer künstlich erhöhten oder verringerten Dampfspannung, je nach
                              									dem Unterschiede, in welchem die Umlaufsgeschwindigkeit der stärkern Locomotive zu
                              									der momentan schwächern steht. Derartige Schwankungen werden umsomehr obwalten, je
                              									größer der Unterschied der absoluten Verhältnißzahl der Kraftäußerungen zweier
                              									Locomotiven ist. – Ließe sich zwar ermitteln, unter welchen bestimmten
                              									Verhältnissen die Dampfmengen und die Dampfpressungen zweier verschieden
                              									abgemessener Dampfmaschinen, in Bezug auf gleiche
                                 										Umfangsgeschwindigkeiten ihrer Triebräder, die Summe ihrer beiden absoluten
                              									Kraftäußerungen geben, so steht der Praxis doch ein anderes Mittel zu Gebote, um bei
                              									gekuppelten Maschinen diesem Ziele am nächsten zu kommen, und dieß ist, wie schon
                              									erwähnt, die Benutzung von möglichst ähnlich und gleich construirten Locomotiven
                              									(wenn die Dampfspannungen nicht durch Verbindung der Kessel in ihren steten
                              									Schwankungen ausgeglichen werden können, oder auch bei stationären Dampfmaschinen,
                              									durch Anwendung von gleich und ähnlich construirten Maschinen und Verbindung der
                              									mehrzähligen Kessel mittelst Dampfröhren zu einem). Trotz der Wahl möglichst gleich
                              									großer Locomotiven wird immer eine Schwierigkeit in der Beibehaltung einer und
                              									derselben Dampfmenge und Dampfspannung vorhanden seyn, und darin seine Ursache
                              									haben, als die Intensität des Feuers in beiden gekuppelten Locomotiven gleich
                              									wirkend zu halten fast unmöglich ist. Man wird daher, so lange die Dampfräume zweier
                              									gekuppelten Locomotiven nicht ebenfalls verbunden werden können, stets Verlust am
                              									dynamischen Effecte der Summe beider Locomotiven haben, und die Beantwortung obiger Frage wird
                              									sich daher so formiren, daß die Summe der Kraftäußerungen zweier, der jetzigen
                              									Praxis nach, gekuppelter Locomotiven nur dann ein Maximum werden kann, wenn sich bei
                              									gleicher Belastung oder Widerstand gleiche Umfangsgeschwindigkeiten der Treibräder
                              									erzeugen. Der Verlust an Zugkraft wird aber sofort eintreten, wenn die
                              									Umfangsgeschwindigkeit der Treibräder, als Function der Abmessungen der einen
                              									Locomotive unter dem directen Einflusse dieser, ungekuppelt eine größere oder
                              									geringere geworden wäre, was sich außerdem im gekuppelten Zustande durch eine
                              									nochmals verringerte Dampfspannung anzeigen muß.
                           Es ergeben sich nun deutlich, aus einem abermaligen Vergleiche dieser beiden
                              									Betriebsweisen, die Wirkungsarten zweier Locomotiven auf einem Wagenzuge, und es
                              									folgt noch der für den Betrieb einer Eisenbahn unter Umständen sehr ersprießliche
                              									Umstand, daß ohne Bedenken bei der ersten Verfahrungsweise Locomotiven jeden
                              									Kalibers zum Schieben benutzt werden können, die ziehende mag eine Größe haben
                              									welche sie wolle, jedoch zugleich die Ueberzeugung, daß nur dann das Größte bei zwei
                              									gleich großen, gleich abgemessenen vor dem Zuge gekuppelten Locomotiven erreicht
                              									wird, wenn man auch zugleich ihre Dampfräume zu kuppeln versucht.