| Titel: | Bemerkungen über das Gefrieren des Weins und der Mischungen aus Wasser und Alkohol; von Boussingault. | 
| Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. LXVII., S. 306 | 
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                        LXVII.
                        Bemerkungen über das Gefrieren des Weins und der
                           								Mischungen aus Wasser und Alkohol; von Boussingault.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, März 1849,
                              									S. 363.
                        Boussingault, über das Gefrieren des Weins.
                        
                     
                        
                           Hr. Vergnette-Lamotte
                              									bemerkt in seiner interessanten Abhandlung über die Einwirkung der Kälte auf den
                              									Wein, daß der gefrorne Theil des Weins bei der Destillation so viel Alkohol liefert
                              									als im flüssig gebliebenen Theil mangelt. Dadurch erklärt es sich, warum die Zunahme
                              									des Alkoholgehalts im Wein nicht dem Mengenverhältniß des Eises entspricht, welches
                              									beim Abziehen des theilweise gefrornen Weines zurückblieb.
                           Wenn der Wein einer anhaltenden und hinlänglich starken Kälte ausgesetzt wird, so
                              									bilden sich zuerst an den Wänden der Gefäße krystallinische Blättchen von
                              									seidenartigem Ansehen, die sich immer weiter, bis in das Innere der erkalteten
                              									flüssigen Masse fortsetzen. Diese Krystalle wären, nach Vergnette's Ansicht, eine eigenthümliche, bei
                              									gewöhnliche Temperatur
                              									flüssige, bei – 6° C. erstarrende Flüssigkeit, welche in bestimmten
                              									Verhältnissen aus Wasser und Alkohol besteht. Ich kann diese Ansicht nicht theilen,
                              									und glaube, daß die Vorgänge beim Gefrieren des Weins erklärt werden können, ohne
                              									daß man eine solche eigenthümliche Verbindung anzunehmen braucht.
                           Vor Allem muß ich bemerken, daß ich durch sorgfältiges Studium dessen, was auf die
                              									Verbesserung des Weins durch den Frost Bezug hat, Gelegenheit hatte, mich von der
                              									vollkommenen Richtigkeit der von Hrn. Vergnette angeführten Thatsachen zu überzeugen; ich überzeugte mich,
                              									daß der Weinstein und die stickstoffhaltige Substanz in dem Maaße niederfallen als
                              									die Temperatur des Weins sich erniedrigt; ferner, daß die Eismasse beim Zergehen
                              									eine alkoholhaltige Flüssigkeit liefert, folglich nicht, wie allgemein angenommen
                              									wird, fast reines Wasser ist.
                           Behufs der leichtern Beobachtung der fortschreitenden Erkaltung des Weins oder
                              									alkoholischer Flüssigkeiten, brachte ich diese Flüssigkeiten in Glasgefäße.
                           Am Abend eines Decembertages, als starker Nordwind große Kälte erwarten ließ, stellte
                              									ich zwei Flaschen mit weißem Liebfrauenberger Wein vom J. 1846, welcher 12,5
                              									Volumprocente absoluten Alkohols enthielt, in einen Garten. Am andern Morgen war der
                              									Wein ganz gefroren; kaum daß man aus einer Flasche einen Kubikcentimeter einer
                              									Flüssigkeit von sehr angenehmem weinigem Geschmack ausgießen konnte, die sich aber
                              									beim Versuchen nicht feuriger zeigte als der zum Gefrieren angewandte Wein. Die in
                              									den Flaschen enthaltene Masse war so fest, daß nur mit Mühe eine eiserne Stange
                              									hindurchgesteckt werden konnte. Das Thermometer war auf 10° C. unter 0
                              									gefallen.
                           Da es kalt geblieben war, stellte ich die darauffolgende Nacht mehrere Flaschen aus,
                              									folgenden Inhalts:
                           
                              
                                 
                                    A
                                    
                                 weißen Wein von 1846, 12,5 Proc. absoluten Alkohols
                                    											enthaltend;
                                 
                              
                                 
                                    B
                                    
                                 Mischungen von Wasser u. Alkohol,
                                 13 Proc. absoluten Alkohols enthaltend;
                                 
                              
                                 
                                    C
                                    
                                         „                      
                                    											„              „
                                 15    „            „              „              
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                    D
                                    
                                         „                      
                                    											„              „
                                 20    „            „              „              
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                    E
                                    
                                         „                      
                                    											„              „
                                 45    „            „              „              
                                    											„
                                 
                              
                           Am Morgen zeigte das Thermometer 6° C. unter 0. Der weiße Wein war flüssig
                              									geblieben; nur eine schwache Trübung war zu bemerken.
                           In der Mischung B waren einige hübsche Eisblättchen zu
                              									bemerken, die vollkommen durchsichtig und außerordentlich dünn waren; diese
                              									Blättchen schwammen in der Flüssigkeit.
                           Die Mischungen C, D, E zeigten keine Spur von Eis.
                           
                           Dieselben Flüssigkeiten wurden noch eine Nacht hindurch in den Garten gestellt, und
                              									der weiße Wein A zeigte sich nun gefroren.
                           Die Mischung B war gefroren wie der Wein; die wenige
                              									Flüssigkeit, welche daraus abtröpfelte, schmeckte nicht alkoholreicher als die
                              									ursprüngliche Mischung.
                           Die Mischung C enthielt Eisblättchen, welche etwa das
                              									Viertheil des Gesammtvolums einnahmen; nachdem dieses Eis durch das Filter
                              									abgetrennt war, zeigte der Theil, welcher dem Froste widerstanden hatte, 17°
                              									am Centesimal-Aräometer, während die Temperatur der Flüssigkeit auf
                              									12° C. gestiegen war.
                           Die Mischungen D und E waren
                              									flüssig geblieben.
                           Am Morgen, wo diese Data aufgezeichnet wurden, zeigte das Thermometer 7° C.
                              									unter 0; den Abend vorher, als die Flüssigkeiten in den Garten gestellt wurden, war
                              									die Temperatur der Luft 6,3° C. unter 0.
                           Da nun Thauwetter eingetreten war, konnte ich die Versuche nicht fortsetzen; sie
                              									genügen jedoch, um zu beweisen, daß in einer Mischung von Wasser und Alkohol, welche
                              									13 bis 15 Volum-Procente Alkohol enthält, sich, wie im Wein, bei einer Kälte
                              									von 6–7° C. unter 0 Eis bilden kann. Es ist mithin höchst
                              									wahrscheinlich, daß die Kälte auf den Wein gerade so wirkt wie auf die Mischungen
                              									von Weingeist und Wasser, womit ich meine Versuche anstellte.