| Titel: | Neue Anwendung der Brodgährung zur vollkommenen Entwickelung der Ernährungsfähigkeit des Weizenmehls und zur Verminderung der Arbeit des Bäckers; vom ehemaligen Bäcker Boland zu Paris. | 
| Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. LXXIX., S. 370 | 
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                        LXXIX.
                        Neue Anwendung der Brodgährung zur vollkommenen
                           								Entwickelung der Ernährungsfähigkeit des Weizenmehls und zur Verminderung der Arbeit des
                           								Bäckers; vom ehemaligen Bäcker Boland zu Paris.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 										d'Encouragement, Februar 1849, S. 73.
                        Boland, über Brodbereitung.
                        
                     
                        
                           Brodgährung, wie sie in England und
                                 										Deutschland eingeleitet und ganz neuerlich mit ihren Erfolg sichernden
                                 										Abänderungen in Frankreich zur Brodbereitung eingeführt wurde.
                           Die englischen und deutschen Bäcker bedienen sich zur Brodbereitung der reinen Hefe,
                              									nicht als Sauerteigs, dessen Gebrauch sie gar nicht kennen, sondern als freiwillig
                              									auf den Teig wirkenden Gährungsmittels;Es ist hier nur vom Weizenbrod die Rede, dessen allein man sich in
                                    											Frankreich, in der Schweiz und andern Ländern zu bedienen pflegt. In
                                    											Deutschland, dessen Bäckerwesen der Verfasser nur unvollkommen zu kennen
                                    											scheint, gibt es aber außerdem noch Roggenbrod, auf welches das Obengesagte
                                    											keine Beziehung hat. auch ist ihre Gährung immer schäumend und ihr Teig ohne Zusammenhang, und
                              									wenn sie, besonders die Engländer, nicht die unerläßliche Vorsicht gebrauchten, ihr
                              									Brod in Metallformen gähren und backen zu lassen, so würde es sich bei der
                              									geringsten Berührung oder dem leisesten Stoß setzen, ohne daß man es wieder zur
                              									vollkommenen Entwickelung zu bringen hoffen dürfte; so sehr wird das Zellengewebe
                              									durch das Gährungsmittel desorganisirt.
                           Diese Art Brodbereitung, welche den Einflüssen einer ungeregelten Gährung überlassen
                              									ist, liefert dennoch ein Brod, dessen inneres Gefüge sich ganz für die, besonders in
                              									England gebräuchlichen Speisen eignet, das aber einen säuerlichen Geschmack hat, an
                              									welchen wir (in Frankreich) uns nur mit Mühe gewöhnen könnten, weil wir das Brod
                              									unmittelbar als Hauptzuspeise aller gewöhnlichen Nahrungsmittel genießen.
                           Doch beruht jenes Verfahren auf einem Grundsatz, welcher, nach den allgemeinen Regeln
                              									der Gährung streng angewendet, jede Art der Brodbereitung zu vereinfachen und zu
                              									vervollkommnen gestattet. Die Engländer bereiten auf folgende Weise eine gegohrene
                              									Flüssigkeit aus Zucker, gekochten, zerdrückten und durch ein Sieb getriebenen
                              									Kartoffeln, Hefe und Wasser in bestimmten Verhältnissen.
                           Man läßt sehr mehlige Kartoffeln mit Dampf kochen; wenn sie gut gekocht sind, schält
                              									man sie und zerdrückt sie vollkommen unter Zusatz von so viel Wasser als
                              									erforderlich ist, um ihnen die Consistenz dünner (weicher) Bierhefe zu ertheilen;
                              									diese Mischung treibt man man durch ein Sieb. Auf 500 Gramme Kartoffeln setzt man 60
                              									Gr. Rohzuckers oder Melasse zu, erwärmt nöthigenfalls das Ganze und setzt auf je 500
                              									Gr. Kartoffeln 2 Löffelvoll dünner Bierhefe zu. Das Ganze wird in mäßiger Wärme
                              									aufbewahrt, bis die Gährung die Gränze ihres ersten Wirkungsgrades erreicht hat,
                              									ungefähr 12 Stunden lang.
                           500 Gramme Kartoffeln so behandelt, liefern 2 Liter Sauerteig, welcher, wenn alles
                              									Wasser ausgedrückt wurde, und er im Trockenraum gehörig getrocknet wurde, sich drei Monate
                              									lang in gutem Zustande erhält.
                           Wenn man den Gährungsproceß und die Elementarzusammensetzung der dazu angewandten
                              									Körper betrachtet, wird man sich wundern, behufs dieser Brodbereitung Zucker und
                              									gekochte Kartoffeln zum Einleiten der Gährung mit einander verwendet zu sehen. Es
                              									läßt sich hiefür kein anderer Grund, als eine besondere Vorliebe für die Kartoffel
                              									oder eine völlige Unkenntniß des Zuckerbildungsvermögens aller stärkehaltigen
                              									Substanzen auffinden. Der Zusatz von Kartoffeln zum Brod ist aber stets als eine
                              									strafbare Verfälschung zu betrachten, da im Mehle selbst schon alle zur Gährung
                              									erforderlichen Substanzen vorhanden sind.
                           Es gibt nur einen Stoff, welcher sich unter dem Einfluß
                              									eines Ferments (oder irgend einer in Zersetzung begriffenen organischen Materie),
                              									des Wassers und einer geeigneten Temperatur, in Alkohol und Kohlensäure verwandelt;
                              									dieß ist das sogenannte Glucos, welches hinsichtlich
                              									seiner chemischen Zusammensetzung mit dem Traubenzucker, Fruchtzucker, Stärkezucker,
                              									Harnruhrzucker etc. übereinstimmt: seine Elementarzusammensetzung kann ausgedrückt
                              									werden durch 24 Gewichtstheile Kohlenstoff und 12 Wasser. Das Ferment wirkt nur
                              									desorganisirend, tritt aber keines seiner Elemente ab und nimmt auch kein anderes
                              									auf.
                           Alle Körper, welche sich in Zucker zu verwandeln vermögen (der Zucker selbst), müssen
                              									sonach in den Zustand völlig aufgehobenen Zusammenhangs übergeführt werden, um die
                              									Gährung durchzumachen.
                           Der Rohrzucker, dessen chemische Zusammensetzung durch 24 Theile Kohlenstoff und 11
                              									Theile Wasser ausgedrückt wird, verbindet sich in Berührung mit Ferment und Wasser,
                              									noch chemisch mit einem Theil Wasser und bildet mit demselben das zur Gährung
                              									geeignete Glucos.
                           Die Elementarzusammensetzung des Kartoffelstärkmehls ist genau dieselbe wie diejenige
                              									des Getreidestärkmehls; sie wird durch 24 Theile Kohlenstoff und 10 Theile Wasser
                              									ausgedrückt. Wenn diese beiden Stärkmehlarten durch eine Erhöhung der Temperatur auf
                              									72° R. ihrer Bläschen (Hüllen) beraubt werden, so erleiden sie eine bloß
                              									moleculare Veränderung, in deren Folge die Polarisationsebene des Lichts sich nach
                              									rechts dreht, weßhalb das Product Dextrin genannt wird;
                              									die Zusammensetzung desselben ist aber dieselbe wie diejenige des Stärkmehls.
                           
                           Unter dem Einfluß des Ferments, des Wassers und der Wärme bindet das Dextrin noch
                              									zwei Theile Wasser chemisch, und verwandelt sich dadurch in Glucos
                              									(Traubenzucker).
                           So sind der Zucker, dann die Kartoffel- und Getreidestärke, welche sich durch
                              									chemisch gebundenes Wasser in Glucos verwandelt haben, gleich geeignet, unter dem
                              									Einfluß von Ferment oder Bierhefe, Wasser und der geeigneten Temperatur, die Gährung
                              									durchzumachen.
                           Diese verschiedenen Körper verlieren bis zu dem Augenblick wo die Gährung beginnt,
                              									welche sie durch ihre Verwandlung in Glucos hervorbringen müssen, nicht ein Atom
                              									ihres Kohlenstoffs; sie nehmen nur 1 oder 2 Theile Wasser auf, welches sie unter dem
                              									fortdauernden Einfluß der ihren Zusammenhang aufhebenden Agentien zu ihrer weitern
                              									Zersetzung geeigneter macht.
                           Erst dann tritt eine wahrhaft chemische Reaction ein. Es bilden sich nach einander
                              									neue Körper von anderer Elementarzusammensetzung; zwei Drittheile des im Glucos
                              									enthaltenen Kohlenstoffes verschwinden in Form von Kohlensäure, wobei alle
                              									unlöslichen Stoffe, welche dieses Gas auf seinem Wege antrifft, in Bewegung gesetzt
                              									und in die Höhe geführt werden; endlich wird durch die eigentliche Gährung Alkohol
                              									erzeugt, dessen Elementarzusammensetzung durch 8 Theile Kohlenstoffs, von welchen 4
                              									Theile sich im Zustand von Kohlenwasserstoff befinden, und 2 Theile Wasser
                              									ausgedrückt wird. Das Glucos hat sonach 16 Theile Kohlenstoff verloren, die in
                              									gasförmige Kohlensäure übergegangen sind, welche bei der Brodbereitung die das
                              									Stärkmehl einhüllende unlösliche organische Membran in die Höhe führt.
                           Wenn die Einwirkung fortdauert, so wird der zur Zusammensetzung des Alkohols gehörige
                              									Kohlenwasserstoff durch die Luft zersetzt, welcher er zwei Theile Sauerstoff
                              									entzieht, um mit seinem Wasserstoff zwei neue Theile Wassers zu bilden, wobei die
                              									freigewordenen 4 Theile Kohlenstoff zur Bildung von Essigsäure verwendet werden,
                              									deren Zusammensetzung durch 8 Theile Kohlenstoff und 4 Theile Wasser ausgedrückt
                              									wird. Bei letzterm Proceß wird keine Kohlensäure erzeugt, weil die Menge des
                              									Kohlenstoffs im Alkohol und der Essigsäure gleich ist. Aus diesem Grunde werden,
                              									wenn die Gährung bis zu diesem letzten Grade gelangt ist, die Zellen, welche durch
                              									Ausdehnung des Klebers von der bei der geistigen Gährung erzeugten Kohlensäure
                              									gebildet wurden, und in denen letztere eingeschlossen blieb, durch die Essigsäure
                              									zersetzt; die Kohlensäure entweicht alsdann und das Brod setzt sich, ohne sich mehr
                              									zu heben. Man ersieht daraus, wie wichtig es für den Bäcker ist, die Gährung innerhalb der
                              									Gränze ihres Zweckes zu erhalten. Die Beobachtung ist bisher hiefür noch die beste
                              									Richtschnur, wird aber leider noch zu sehr vernachlässigt. Es kann also um die
                              									Brod- oder geistige Gährung hervorzurufen, die durch Dämpfen chemisch mit
                              									Wasser verbundene Kartoffel den Zucker, die in Form von Kleister mit Wasser
                              									verbundene Getreidestärke wieder die Kartoffel, und das in Form eines Breies mit
                              									Wasser verbundene Mehl die Stärke ersetzen.
                           Der Unterschied im materiellen Product in Folge der Anwendung von Kartoffeln ist
                              									nicht so bedeutend, daß man sie nicht gerne aufopfern sollte; übrigens gewährt das
                              									englische Verfahren in der Weise wie es einige Bäcker zu Paris anwenden, allerdings
                              									Vortheile; es enthebt der Aufmerksamkeit auf die dreimal im Tage erneuerten
                              									Sauerteige und bewirkt eine größere Entwickelung der nahrhaften Substanzen.
                           Obschon das von einigen Pariser Bäckern befolgte Verfahren sich von dem englischen
                              									nur durch Weglassung des Zuckers unterscheidet, dürfte die Beschreibung der Art und
                              									Weise, wie es mit unserm System der Brodbereitung in Einklang zu bringen wäre, doch
                              									nicht überflüssig seyn.
                           Ich setze eine Bäckerei voraus, in welcher täglich fünf Gebäcke Brod gemacht
                              									werden.
                           Man dämpft 16 Kilogr. wohlgewaschene und gebürstete, recht mehlige runde Kartoffeln,
                              									zerquetscht sie ungeschält mittelst einer Stampfe oder zwischen zwei in
                              									entgegengesetzter Richtung sich drehenden Walzen und versetzt sie mit einer gewissen
                              									Menge Wasser von 16 bis 20° R., um einen recht flüssigen Brei daraus zu
                              									bilden, welchen man durch ein Metallsieb oder einen kupfernen Kessel laufen läßt,
                              									dessen Boden wie ein Schaumlöffel feingelöchert ist.
                           Die groben Hüllen, welche nicht durch das Sieb gingen, werden weggeworfen.
                           Diesem flüssigen Brei setzt man 1 1/2 Kilogr. guter trockener Bierhefe zu, die man
                              									vorher in Wasser von gleicher Temperatur verrührt und ebenfalls durch das Sieb
                              									laufen läßt. Diese Mischung rührt man mit 133 Liter Wasser (das zum Anrühren des
                              									Kartoffelbreies und der Hefe verwendete inbegriffen) von 16 bis 20° R.
                              									Temperatur zusammen.
                           In diese Flüssigkeit siebt man 15 Kilogr. Mehl ein, rührt alles gehörig um und theilt
                              									es dann in drei Kufen in drei gleiche Theile ab, um aus einer Kufe nach Bedarf
                              									schöpfen zu können, ohne die Flüssigkeit der andern zu trüben.
                           
                           Die Kufen müssen von Holz, cylindrisch, ungefähr zweimal so hoch als weit seyn, und
                              									so groß, daß die Flüssigkeit beim Einfüllen nur ein Drittheil der Höhe einnimmt, so
                              									daß zwei Drittheile für die Entwickelung der Gährung frei bleiben; diese erfolgt
                              									anfangs sehr langsam, weil sie nur durch den Zucker hervorgebracht wird, den die
                              									Kartoffel und das Mehl in ihrem Normalzustand enthalten, in Berührung mit dem in
                              									Ueberschuß vorhandenen Ferment; die Flüssigkeit hat zu dieser Zeit einen bittern
                              									Geschmack. Sobald aber das Diastas, dessen Grundstoffe die Hefe aufgelöst enthält,
                              									die Kartoffel- und Getreidestärke angreift, sammeln sich die abgeschiedenen
                              									unauflöslichen Theile auf der Oberfläche der Flüssigkeit stürmisch in Form eines
                              									Schaumes; das Gummi wird frei und verwandelt sich zuerst in Dextrin, dann in Glucos;
                              									das Aufbrausen nimmt immer zu und hört bis zur Umwandlung alles Stärkmehls nicht
                              									mehr auf; die Flüssigkeit nimmt nun einen zuckerigen Geschmack an.
                           Dieser Proceß geht gewöhnlich in dem Zeitraum von drei bis vier Stunden von statten,
                              									wenn die Temperatur und Mengenverhältnisse geeignet beobachtet wurden.
                           Die Kartoffeln sollen, sobald sie gedämpft sind, zerdrückt und der Brei sogleich
                              									verarbeitet werden, um ihm nicht die Zeit zu lassen sich an der Luft zu färben und
                              									einen sauren Geschmack anzunehmen; dabei wird zugleich seine Wärme benützt, welche
                              									ihm sonst wieder ertheilt werden müßte.
                           Auch ist es nöthig, diese Arbeit an einem warmen Ort, wie es die Backstuben
                              									gewöhnlich sind, vorzunehmen und die Kufen dürfen, wenn die Währung einmal im Gang
                              									ist, nicht verrückt werden.
                           Knetung. Man bereitet für jedes Gebäck (jeden Ofenvoll)
                              									einen recht weichen und gut durchgearbeiteten Sauerteig aus 33 Liter obigen Ferments
                              									und 3 Liter Wassers, mit dessen Temperatur man sich nach der Jahreszeit und dem
                              									Gährungszustand des Ferments richtet; hierauf bringt man ihn an dem einen Ende des
                              									Backtroges zusammen, welches durch ein besonders dazu geschnittenes Brett, um das
                              									man Mehl anhäuft, abgegränzt wird. Man bedeckt ihn mit einer zwei Zoll dicken
                              									Mehlschicht, die in Folge der Bewegung durch die Gährung allmählich in den Sauerteig
                              									eindringt; wenn das Mehl völlig absorbirt ist, kann man den Sauerteig als zur
                              									Anwendung geeignet betrachten. Letzterer Umstand ist, wo nicht mehr, doch mindestens
                              									ebenso entscheidend als die Anzeichen, nach welchen man sonst willkürlich die
                              									Tauglichkeit des natürlichen Sauerteigs zu beurtheilen pflegt.
                           
                           Das Gebäck wird auf gewöhnliche Weise geknetet, indem man dem Sauerteig bei stets
                              									geregelter Temperatur 6 Liter Wasser zusetzt, in welchem man wenigstens 30 Minuten
                              									vorher die nöthige Menge Salz zergehen ließ.
                           Dieses Ferment kann Morgens um 8 Uhr so bereitet und Abends um dieselbe Stunde ohne
                              									Anstand verwendet werden; wollte man sich desselben aber schon 4–5 Stunden
                              									nach seiner Bereitung bedienen, so müßte man um einige Kilogr. Kartoffeln mehr
                              									nehmen und die Temperatur des Wassers um einige Grade erhöhen.
                           Da das Gebäck nicht in allen Bäckereien gleich ist, muß ein gleichförmiges
                              									Mengenverhältniß aufgestellt werden. Um 100 Liter (Kilogramme) Wasser in eine
                              									gegohrene Flüssigkeit zu verwandeln, werden ihm zugesetzt
                           
                              
                                 12 Kil.
                                 Kartoffeln,
                                 
                              
                                 1 Kil.
                                 145 Gramme trockene Hefe,
                                 
                              
                                 12 Kil.
                                 Mehl.
                                 
                              
                           Wie viel gegohrene Flüssigkeit man auch für jeden Sauerteig verwendet haben mag, so
                              									muß man ihm doch stets beim Kneten 1 Eilftheil seines Volums an Wasser, und beim
                              									Kneten des Gebäcks das Doppelte dieses Volums zusetzen.
                           Weglassen der Kartoffel. In unglücklichen Jahrgängen ist
                              									die Anwendung dieser gährungbefördernden Mischung von hoher Wichtigkeit und sehr zu
                              									empfehlen, denn sie ist das einzige Mittel um alle stärkehaltigen Substanzen, nicht
                              									nur die in der Kartoffel, sondern auch die in den mehligen Hülsenfrüchten
                              									enthaltenen (abgesehen von verdorbenem Getreide und Mehl) benutzen zu können, ohne
                              									der Beschaffenheit des Brodes großen Eintrag zu thun.
                           In guten Jahren aber erregt dieser Zusatz nur die Gewinnsucht der Speculanten, welche
                              									unter dem Vorwand der bedürftigen Classe wohlfeiles Brod zu verschaffen, Bäckereien
                              									errichten, worin sie verdorbenes Mehl, Kartoffeln, Bohnen und Weißbohnen,
                              									Türkischkorn, Erbsen, Roggen- und Gerstenmehl etc. auf obige Weise
                              									verarbeiten.
                           Der Vorzug, welchen man noch bis auf den heutigen Tag, ohne gebieterische Noth, der
                              									Kartoffel vor dem Weizenmehl einräumt, dessen Bestandtheile ebenso, ja noch mehr
                              									geeignet sind, unter dem Einfluß derselben Agentien die Gährung durchzumachen, ist
                              									hauptsächlich der Unwissenheit der Bäcker hinsichtlich der Zuckerbildungsfähigkeit
                              									aller Stärkmehlarten, nicht bloß betrügerischen und gewinnsüchtigen Absichten derselben zuzuschreiben;
                              									man muß sie daher über diesen Gegenstand aufklären.
                           Die Natur und die Bestandtheile des Mehls, welche es zur Brodbereitung mehr als jede
                              									andere Substanz geeignet machen, setzen es auch in den Stand die Gährung
                              									durchzumachen.
                           Das Getreidestärkmehl verwandelt sich unter dem Einfluß der Wärme, des Ferments und
                              									des Wassers ebenso gut in Glucos als das Kartoffelstärkmehl; der Kleber desselben
                              									regenerirt aber überdieß das Ferment viel besser als die Zellensubstanz der
                              									Hülsenfrüchte, weßhalb beträchtlich weniger Hefe als bei der Kartoffel erforderlich
                              									wird.
                           Ich habe es nach der Theorie geschlossen, und die Erfahrung hat es bewiesen, daß man
                              									Brod bereiten kann ohne allen Zusatz einer dem Weizenmehl fremdartigen Substanz,
                              									außer der Hefe, welche ebenfalls entbehrlich wäre, wenn stark gegohrner Teig statt
                              									derselben angewandt würde; doch geht in letzterm Fall die Gährung viel langsamer von
                              									statten, und ein solches Verfahren wäre nur in Gemeindebäckereien und auf
                              									landwirthschaftlichen Gütern anwendbar, wo eine derartige Gährung zur vollständigen
                              									Entwickelung aller nahrhaften Theile der Getreidearten eine sehr wichtige
                              									Verbesserung wäre.
                           Verschiedene (in der Hauptbäckerei der Bürgerspitäler zu Paris) mit mehreren Gebäcken
                              									angestellte Versuche bestätigen vollkommen die aus obigen Bemerkungen gezogenen
                              									Folgerungen, deren praktische Anwendung folgende Vortheile gewähren würde:
                           1) es würde statt der Kartoffel und jeder andern fremdartigen Substanz, um die
                              									Gährung hervorzubringen, bloß Weizenmehl genommen;
                           2) die bei Zusatz von Kartoffeln auf 100 Liter Wassers erforderlichen 1 Kil. 145
                              									Gramme Hefe, würden auf 833 Gramme reducirt;
                           3) des Unterhaltens frischen Sauerteigs dreimal des Tags in allen Bäckereien, wäre
                              									man überhoben;
                           4) die nahrhaften Bestandtheile des Mehls etc. würden besser entwickelt werden; diese
                              									Gährung ließe sich viel einfacher, schneller und leichter ausführen als mit
                              									Kartoffeln.
                           Von 100 Litern zur Erzeugung eines oder mehrerer Gebäcke Brods bestimmten Wassers
                              									werden 80 Liter auf folgende Weise in Ferment verwandelt.
                           Man kocht 22 Liter dieses Wassers in einem etwa 55 Liter fassenden Gefäße.
                           
                           Zu gleicher Zeit bereitet man ein recht gleichförmiges Gemenge von 11 Kilogr. Mehls
                              									und 22 Liter Wassers von gewöhnlicher Temperatur, gießt dieses Gemenge langsam in
                              									das kochende Wasser und rührt um, bis das Ganze die Consistenz eines Breies
                              									angenommen hat; dann verrührt man es in das übrige kalte Wasser, abgerechnet 1
                              									Liter, dessen man sich bei einer Temperatur von etwa 20° R. zum Anrühren von
                              									nur 250 Grammen recht trockener Bierhefe bediente.
                           Sobald diese Flüssigkeit sich bis auf 20° R. abgekühlt hat, siebt man 11
                              									Kilogr. Mehls darauf und setzt die angerührte Hefe zu. Nachdem alles wohl gemischt
                              									ist, läßt man es ruhig stehen.
                           Die Gährung beginnt erst nach einer Stunde; das eintretende Aufbrausen setzt alle
                              									unauflöslichen Substanzen in Bewegung und vereinigt sie auf der Oberfläche der
                              									Flüssigkeit in Form von Schaum. Wenn die Anfangs bittere Flüssigkeit zuckerig
                              									geworden ist, nach ungefähr 4–5 Stunden, ist sie zur Anwendung tauglich.
                           Von den übrigen 20 Liter Wassers werden 6 der gegohrenen Flüssigkeit zugesetzt, aber
                              									erst wenn diese im Backtrog behufs der Bereitung des Sauerteigs verbreitet ist, nie
                              									früher; das Kneten dieses letztern beschränkt sich auf bloßes Anmachen. Die 14
                              									andern Liter Wassers dienen zum Kneten des Gebäcks, wenn der Sauerteig die ihn
                              									bedeckende Schicht Mehls verschluckt hat.
                           Es versteht sich, daß der Bäcker alle zu seinem 24stündigen Bedarf erforderliche
                              									gegohrene Flüssigkeit auf einmal bereiten kann, wo er dann für jedes Gebäck die zu
                              									seinem Sauerteig bestimmte Menge herausschöpft.
                           Unentbehrlich ist die Hefe nur in solchen Bäckereien, wo in demselben Ofen in zwölf
                              									Stunden wenigstens siebenmal gebacken wird; in den Bäckereien auf dem Lande aber,
                              									auf landwirthschaftlichen Gütern, in Fabriken, öffentlichen Anstalten etc., wo man
                              									die Hefe nicht so leicht und so gut erhält, wie in großen Städten, kann statt
                              									derselben ihr zwanzigfaches Gewicht seit wenigstens 24 Stunden der Gährung
                              									überlassenen Teigs benutzt werden. Der Hauptsauerteig (chef-levain), welchen die Landwirthe acht Tage und länger
                              									aufbewahren, eignet sich zu diesem Gährungssystem vortrefflich; doch geht die
                              									Gährung, wie gesagt, nicht so schnell vor sich, als mit Hefe. Wenn letztere
                              									Bäckereien sich des oben beschriebenen Verfahrens bedienten, würde ihr Brod ohne
                              									allen Zweifel besser aussehen und nahrhafter seyn.
                           
                        
                           
                           Ueber die Nahrhaftigkeit des Brodes
                                 										erster und zweiter Qualität im Vergleich mit dem verordnungsmäßigen Brod
                                 										(Commißbrod) der Militär-Proviantanstalten; von Hrn. Boland.
                           Jedes der gebräuchlichen Nahrungsmittel wirkt eigenthümlich auf unsere Organe; von
                              									ihren näheren Bestandtheilen sind die einen unmittelbar oder durch Umbildung
                              									nahrhaft; die andern sind lediglich anreizend (stimulirend) und disponiren die
                              									Organe zur Umbildung der Speisen behufs deren Assimilirung; andere endlich dienen
                              									bloß vermöge ihrer Biegsamkeit und Unauflöslichkeit die Verarbeitung der erstern
                              									mechanisch zu befördern.
                           Die stärkmehlhaltigen Gewächse nehmen alle auf gleiche Weise an der Ernährung des
                              									Menschen durch die Umbildung ihres Stärkmehls in Glucos Theil; jedoch in
                              									verschiedenem Maaße, je nach der Ausdehnung (Zertheilung) ihres Zellgewebes, welches
                              									bei den Hülsenfrüchten Zellensubstanz (Cellulose,
                              									Zellstoff), bei den Getreidearten Kleber genannt wird;
                              									könnte man den Grad der Ausdehnung des Zellstoffs ebenso gut ermitteln, wie man dieß
                              									beim Kleber durch das Aleurometer (den Mehlmesser)Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXI
                                       												S. 177. im Stande ist, so ließen sich Aequivalente der Nahrhaftigkeit aufstellen,
                              									welche sich auf den reinen Kleber als Einheit beziehen; dieser dehnt sich bis zu
                              									seinem siebenfachen Volum aus, welche Ausdehnung, in 50 Grade abgetheilt, eine zur
                              									Vergleichung genügende Scala bildet.
                           Der Kleber des Mehls erster Sorte kann sich bis zu 50° ausdehnen; der der
                              									zweiten Sorte bis 36°; der der dritten auf 21°, der der vierten
                              									endlich nur auf 7°.
                           Nahrhaftigkeit des Brodes. Von allen zur menschlichen
                              									Nahrung dienenden Gewächsen enthält nur der Weizen die Elemente einer vollkommenen
                              									Nahrung schon ganz gebildet, man könnte sagen im möglichst kleinen Raum verdichtet;
                              									sie können aber im Zustand von Mehl durch Zertheilung und Reinigung (Beuteln), im
                              									Zustand eines Breies durch aufgenommenes und chemisch gebundenes Wasser, und im
                              									Zustand von Brod durch Gährung und Wärme zur Entwickelung gebracht und modificirt
                              									seyn.
                           Ehe ich in diese verschiedenen Formen näher eingehe, will ich die Eigenschaften der
                              									beiden Hauptbestandtheile des Mehls und die Rolle, welche sie in verschiedenen
                              									Zuständen bei der Ernährung spielen, näher untersuchen.
                           Man hat gefunden und zuletzt wurde es von Dr. Magendie bestätigt, „daß kein näherer
                                 										Bestandtheil der thierischen und vegetabilischen Nahrungsmittel für sich allein
                                 										zur Ernährung der Thiere hinreicht; nur der Pflanzenkleber macht von dieser
                                 										allgemeinen Regel eine Ausnahme. Wenn auch sein Geruch fade, ja einigermaßen
                                 										widerlich und sein Geschmack durchaus nicht angenehm ist, so erregt er doch für
                                 										sich allein in frischem Zustande, ohne alle Zubereitung oder Würzung, weder
                                 										Widerwille noch Ekel, außer dem sehr natürlichen Ueberdruß stets gleicher
                                 										Nahrung und nährt lange Zeit ganz vortrefflich.“
                              								
                           Schon Parmentier hatte Versuche und Beobachtungen über den
                              									Kleber, jedoch nur mit getrocknetem angestellt und aus den Resultaten geschlossen,
                              									daß dieser Körper, obwohl in seinem ursprünglichen Zustand vermöge seiner chemischen
                              									Constitution dem Fleische sehr ähnlich, nach starkem Austrocknen keine nährende
                              									Kraft mehr besitzt.
                           Die Versuche dieser beiden Chemiker beweisen besser als alle Theorie den
                              									außerordentlichen Einfluß der chemischen Verbindung mit Wasser und der Wärme. Soll
                              									eine Pflanzensubstanz wirklich nahrhaft seyn, so muß das Wasser sie durchdringen,
                              									sich mit jedem ihrer Molecüle verbinden und sie in einen Schleim verwandeln können,
                              									dessen Weichheit und Biegsamkeit die verschiedenen Processe möglich machen, durch
                              									welche sie in Chylus (Milchsaft) umgebildet wird.
                           Im Mehle verbindet sich bei gewöhnlicher Temperatur bloß der Kleber mit dem Wasser
                              									nach Maßgabe seines Aggregatzustandes und erzeugt so die von Dr. Magendie beobachtete nahrhafte Substanz;
                              									das Stärkmehl hingegen wird bei gewöhnlicher Temperatur vom Wasser nicht
                              									durchdrungen und besitzt dann auch keine Nährkraft.
                           Im Brei aber, wo das Wasser im Ueberschuß vorhanden und die Temperatur eine höhere
                              									ist, wird das Stärkmehl durch den Extractivstoff und den Zucker des Mehls zersetzt;
                              									das vom Wasser durchdrungene Stärkmehl geht in lösliches Gummi, und seine nun
                              									geöffneten und ausgedehnten Bläschen gehen in einen Schleim über, der sich zur
                              									Ernährung eignet oder wenigstens zur Beförderung der weitern Umwandlung des Gummi's
                              									im Magen in einen die Ernährungsfähigkeit in höchstem Grade besitzenden Körper, das
                              									Glucos.
                           Die Gährung und erhöhte Temperatur modificiren also in dem Brode, welches ihrer zu
                              									seiner Bildung bedarf, bedeutend die Nährkraft der Bestandtheile des Mehls und machen sie zu einer ganz
                              									andern.
                           Der durch erhöhte Temperatur ausgedehnte Kleber besitzt die Nährkraft, welche er im
                              									Mehle hatte, nicht mehr in demselben Grade, hat aber dafür eine andere Eigenschaft
                              									erlangt, welche sich durch die Geschmeidigkeit seiner zelligen Organisation in der
                              									Unentbehrlichkeit seiner Vereinigung mit den andern Speisen offenbart, deren
                              									Assimilirung er dadurch vorbereitet, daß er sie während der zu ihrer Umbildung unter
                              									dem Einfluß der Wärme, der Säuren und des Magensaftes erforderlichen Zeit im Magen
                              									zurückhält.
                           Der durch die Wärme zu knorpeligen Zellen ausgedehnte Kleber wird sonach unlöslich
                              									und gelangt niemals mit seinen ursprünglichen Eigenschaften in den Magen; es ist
                              									daher zu vermuthen, daß er sich zum Theil unter den Stuhlausleerungen vorfinde.
                           Das Stärkmehl, für sich allein durch Auswaschen aus dem Mehle dargestellt, besitzt
                              									keine Nährkraft; aber unter dem Einfluß von Wärme mit Wasser chemisch verbunden,
                              									absorbirt es durch das Klebernetz, womit es umhüllt ist, die verschiedenen im Magen
                              									abgesonderten Flüssigkeiten, welche es in Glucos verwandeln und die ihm in dieser
                              									Form die nährenden Eigenschaften ertheilen, welche es vor seiner Umbildung in Brod
                              									nicht besaß.
                           Wir begreifen nun, warum der bei gewöhnlicher Temperatur mit Wasser chemisch
                              									verbundene und nach seiner Zusammensetzung als ausschließlicher Nahrungsstoff
                              									geeignete Kleber, im Brode bloß noch der unentbehrliche Begleiter der andern
                              									Nahrungsmittel ist, deren Assimilirung, sowie diejenige der andern Bestandtheile des
                              									Mehls, er mechanisch unterstützt.
                           Der Kleber ist mithin nicht als ein eigentliches Nahrungsmittel zu betrachten,
                              									sondern als Ballast, weil er gemeiniglich in Form von Brod gegessen wird.
                           Dieser Ballast geht gänzlich vom Munde in den Magen und vom Magen in den Darmcanal
                              									über, ohne sich hinlänglich zu verdünnen um Chylus zu bilden, und kann sich daher
                              									nicht in Blut verwandeln; wenn er aber die gehörige Feuchtigkeit, Geschmeidigkeit
                              									und Elasticität nicht besitzt, oder mit einer trägen und festen Masse vereinigt ist,
                              									so reißt er einen Theil der wahren Nahrung mit sich, und vermehrt den Stuhlabgang in
                              									dem Maaße, daß die Excremente beinahe dem Verzehrten gleichkommen. Es ist dieß die
                              									gewöhnliche Wirkung des Brodes aus solchen Mehlen, die zu viel grobe Kleie enthalten,
                              									oder welchen andere Getreidearten beigemengt sind, oder die zu wenig elastischen
                              									Kleber enthalten, kurz welche alle Eigenschaften vereinigen, um ein zu wässeriges,
                              									dichtes und schweres Brod zu liefern; denn es ist nur zu oft der Fall, daß ein
                              									Nahrungsmittel seine volle Wirkung nicht thut, wenn es mit einer heterogenen
                              									Substanz vermengt wird, welche fast immer nachtheilige Spuren ihrer Beimengung
                              									hinterläßt.
                           Da die Verrichtungen des Magens durch eine dichte und große Masse, welche die Säfte
                              									nicht durchdringen können, behindert werden, so erfolgen sie nur unvollkommen, und
                              									das Nahrungsmittel wird unverändert durch sein eigenes Gewicht in die Eingeweide
                              									fortgerissen, so daß sich der Hunger bald wieder einstellt und zwar stärker als
                              									zuvor; daher kömmt es, daß die Landleute so vieler Mahlzeiten bedürfen.
                           Im Mehle ist also der Kleber allein in hohem Grade nahrhaft, beinahe so sehr wie das
                              									Fleisch; das Stärkmehl hingegen ist es in keinem merklichen Grade.
                           Im Brode hingegen hat der Kleber durch seine zellige und knorpelige Beschaffenheit
                              									seine frühere Nährkraft verloren; er bildet nur noch einen geschmeidigen,
                              									elastischen Verarbeitungsapparat, welcher sich zur Verwandlung des Stärkmehls in
                              									nahrhaftes Glucos vollkommen eignet; da aber letzteres für sich allein nicht
                              									hinlängliche Nährkraft besitzt, so kann das Brod den Vergleich mit dem frischen (mit
                              									Wasser chemisch verbundenen) Kleber, der als Nahrungsmittel für sich allein
                              									ausreichend ist, nicht aushalten.
                           Leichtes Brod ist also wegen der Entwickelung seiner Zellen, in welchen das Geschäft
                              									der Ernährung leicht vor sich geht, zur Nahrung tauglicher als dichtes, schweres
                              									Brod, dessen geringe Durchdringlichkeit nicht wohl gestattet, viele andere,
                              									namentlich schwer verdauliche Speisen damit zu genießen.
                           Schluß. Die Ernährungsfähigkeit des Mehls und des Brodes
                              									besteht beim erstern in der Menge des Klebers, beim zweiten in der Cohäsion und
                              									Elasticität desselben, ohne daß ihm eine träge fremdartige Substanz anklebt die
                              									seine Ausdehnung beeinträchtigen könnte.
                           Das weiße Mehl, gut zubereitet und von erster Qualität, muß wegen seiner Reinheit das
                              									nahrhafteste Brod geben.
                           Das Mehl zweiter Sorte, in welches durch das zweite Beuteln schon etwas fein
                              									zertheilte Kleie eindrang und dessen Kleber niemals dieselbe Cohäsion wie in der
                              									ersten Sorte hat, kann auch nicht dieselbe Nährkraft besitzen, obwohl es ihm
                              									ziemlich nahe kömmt.
                           Das Commißmehl (von 15 Procent Abgang) für den Bedarf der
                              									Militär-Proviantanstalten unterscheidet sich von dem gewöhnlichen käuflichen
                              									Mehl nur durch die Zertheilung seiner Bestandtheile und ihrer Reinigung
                              									(Beutelung).
                           Das besondere Mahlverfahren für diese Mehlsorte entwickelt durch die Reibung nicht
                              									soviel Hitze, welche sonst beim Mahlen die Cohäsion des Klebers mehr oder weniger
                              									aufhebt; wenn dieses Mahlverfahren aber einerseits den Vorzug hat, daß die
                              									ursprünglichen Eigenschaften des Klebers unverändert bleiben, so hat es andererseits
                              									den Fehler, die Zertheilung des Getreides zu verringern, so daß ein Theil der Grütze
                              									an der Kleie hängen bleibt, mit welcher sie bei dem Beuteln davon geht, daher der
                              									Abgang bei der Analyse 14 Procent Kleber und 53 Stärkmehl, Dextrin und Zucker
                              									ergibt, was zusammen 67 nahrhafter Substanz ausmacht, deren sich der Abgang zum
                              									Nachtheil des Mehls bemächtigt, das seinerseits aus denselben Gründen viel Kleie
                              									zurückhält, deren Gegenwart bei der Brodbereitung die Ausdehnung des Klebers
                              									beschränkt und sie auf das geringste Maaß reducirt.
                           Das Commißmehl wird also aus gutem Weizen ohne zu große Erhitzung gemahlen und gibt
                              									bei der Analyse eine reichliche Menge Klebers, wie sie die besten käuflichen Mehle
                              									nicht geben können, der im Besitze seiner ganzen Elasticität ist; dennoch ist der
                              									daraus gemachte Teig schwer zu behandeln, fett und widersetzt sich dem Ausziehen;
                              									das Brod bleibt nach dem Backen schwer, feucht und speckig. Diese Erscheinung kann
                              									nicht anders erklärt werden als durch das Darinbleiben der groben Kleie, deren
                              									holzige, fette, träge und unlösliche Beschaffenheit ihren nachtheiligen Einfluß
                              									ausübt, indem diese Kleie den Zusammenhang des Klebers aufhebt und seine
                              									Entwickelung unterbricht, wodurch dessen mechanische Wirkungen, wovon die Ernährung
                              									abhängt, auffallend beeinträchtigt werden; überdieß hält jedes Kleienschüppchen,
                              									indem es sich den Wänden der Membranen der Verdauungsorgane anlegt, die Absorption
                              									auf, ohne welche die Organe ihre Funktionen nicht vollkommen erfüllen können. Ich
                              									empfehle letztere Betrachtung der Beachtung der Physiologen, bestehe aber darauf,
                              									daß in einem Mehle, dessen Bestandtheile in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit
                              									durch das Mahlen nicht verändert wurden und das frei von fremdartigen Substanzen
                              									ist, die etwa nicht abgesonderte grobe Kleie allein schon die Nährkraft vernichtet, weil durch
                              									sie, mehr als durch jede andere Ursache, der Kleber seines Zusammenhangs beraubt
                              									wird, in höherem Grade als durch Verfälschungen des Mehls in gewissen Gränzen. Schon
                              										Parmentier sagte, daß „jedes gut
                                 										zubereitete Brod, welches keine Kleie enthält, eine gute, kräftige Nahrung
                                 										abgibt.“
                              								
                           Um sich von dem unvollkommenen Mahlen und Beuteln des Commißmehls eine Vorstellung
                              									machen zu können, ohne der Analyse zu bedürfen, braucht man nur das (spec.) Gewicht
                              									seines Abganges mit dem vom gewöhnlichen Mehl zu vergleichen; bei gleichem Volum
                              									wird man erstern schwerer finden als letztern; er besitzt auch einen größern
                              									Handelswerth, weil er aus Kleie und Grütze, der andere aber fast nur aus reiner
                              									Kleie besteht.
                           Die Militärverwaltung könnte wahrscheinlich, ohne Opfer zu bringen, dieses alte
                              									System der sogenannten ökonomischen Mahlmethode (mouture
                                 										économique)Ueber dieses ökonomische Mahlsystem ist das Nähere in Dumas' Handbuch der technischen Chemie, deutsche Ausgabe von Buchner, Nürnberg 1844, Bd. VI, S. 395
                                    											mitgetheilt.A. d. R. aufgeben, das gewöhnliche Mahlverfahren mit dem damit verbundenen Abgang
                              									dafür einführen und dann alle hiebei gewonnenen Mehlsorten, Grütze, erstes, zweites
                              									Mehl u.s.f. mengen; aus diesem Gemenge ließe sich ein Brod backen, welches durch
                              									sein Aussehen und seine Eigenschaften über seine Nahrhaftigkeit keinen Zweifel übrig
                              									ließe.
                           Was auch die an schweres, dichtes Brod gewohnten Landleute und die ihre Meinung
                              									theilenden Städtebewohner vorbringen mögen, so spreche ich es ohne Anstand aus, daß
                              									das Weißbrod erster und sogar zweiter Sorte, wenn sie leicht sind, besser nähren als
                              									das sogenannte Hausbrod, wie man es auf dem Lande,
                              									vorzüglich aber in den Militär-Proviantanstalten hat, obgleich das Mehl
                              									dieses letztern seinen Bestandtheilen nach einen Vorzug hat.