| Titel: | Der Cichorienkaffee, seine Geschichte und Fabrication, die Verfälschungen desselben und ihre Entdeckung; von A. Chevallier. | 
| Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. LXXXII., S. 388 | 
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                        LXXXII.
                        Der Cichorienkaffee, seine Geschichte und
                           								Fabrication, die Verfälschungen desselben und ihre Entdeckung; von A. Chevallier.
                        Aus dem Journal de Chimie médicale, Mai 1849,
                              									S. 276.
                        Chevallier, über Cichorienkaffee.
                        
                     
                        
                           I. Geschichte und
                                 									Bereitungsart.
                           Die Fabrication eines künstlichen Kaffee's aus der gerösteten Cichorienwurzel scheint
                              									aus Holland zu stammen, wo sie schon über ein Jahrhundert lang betrieben wird. Sie
                              									blieb bis zum Jahr 1801 ein Geheimniß, wo sie dann von den HHrn. d'Orban in Lüttich (welches damals zu Frankreich
                              									gehörte) und Giraud in Hornaing (im
                              									Nord-Departement) eingeführt wurde.
                           In einer Abhandlung des Hrn. Payssé über den Kaffee findet man nähere Angaben über die
                              									Bereitung des Cichorienkaffee's, welche Hr. Parmentier im Jahr 1806 in den Annales de Chimie mittheilte; sie sind folgende:
                           
                              „Die zum Pulvern bestimmte Cichorie wird im Frühjahr gesammelt; man bringt
                                 										die wohlgenährten Wurzeln in die Werkstätte, wo sie von ihren Blättern befreit
                                 										und gewaschen werden, um die Erde zu entfernen.Gegenwärtig werden die Wurzeln nicht mehr gewaschen, weil sie dadurch an
                                       												Güte verlieren sollen. Man zerschneidet sie (der Länge nach) in 6 Theile, schneidet sie dann
                                 										mit einem Instrument, ähnlich der in Deutschland gebräuchlichen Heckerlingsbank
                                 										(Futterbank), klein und trocknet sie in Trockenräumen oder Darren. Nachdem sie
                                 										trocken sind, werden sie in großen Cylindern von Eisenblech, den Kaffeetrommeln
                                 										ähnlich, geröstet (gebrannt). Diese Röstung kann man mehr oder weniger lang
                                 										fortsetzen, je nach der Farbe, die man dem Product geben will, zu welchem Zwecke
                                 										der Arbeiter ein Muster vor sich hat. Nach dem Rösten wird die Cichorie grob
                                 										gepulvert und in Pakete von 150, 250 und 500 Grammen gebracht, welche mit
                                 										Etiketten versehen sind, auf denen sich die Namen des Fabrikanten und des Orts
                                 										befinden.
                              
                           
                              Dieses Cichorienpulver wird in Holland in sehr verschiedenen Mengenverhältnissen
                                 										dem Kaffee zugesetzt; das Product besitzt eine Bitterkeit, welche von der
                                 										Cichorienwurzel herrührt und vom Publicum als sehr heilsam betrachtet wird,
                                 										indem sie die reizende Wirkung des Kaffee's modificirt. Sogar eine so günstige
                                 										Vorstellung, sagt Hr. Payssé, hat man sich davon gemacht, daß man seit 1806
                                 										sich dieses Präparats allein, ohne Kaffee bedient; und doch besitzt es keine
                                 										andere Tugend, als daß es das Wasser, mit welchem man es kocht oder aufgießt,
                                 										mehr oder weniger färbt, ihm die Bitterkeit der in der Cichorie enthaltenen
                                 										Extractivstoffe mittheilt und dabei sehr wohlfeil ist im Verhältniß zur
                                 										Kaffeebohne.
                              
                           
                              Die Samen der Erbse, fügt Hr. Payssé bei, der Wolfsbohne (Lupine) und Bohne, die
                                 										Runkelrübe, Rübe und Pastinake wurden ebenfalls als Surrogat des Kaffee's
                                 										angewandt.“
                              
                           
                           Im Jahr 1814, als Belgien von Frankreich getrennt wurde, errichtete Hr. Orban in der Nähe von Valenciennes
                              									eine neue Fabrik, welche bald großen Aufschwung gewann. Doch machte dieser
                              									Industriezweig längere Zeit keine Fortschritte; erst vor zwanzig Jahren begann er
                              									sich recht zu entwickeln, so daß das Product ein wichtiger Handelsartikel wurde. Bis
                              									zu den letzten Jahren war er auf das Nord-Departement beschränkt; seitdem
                              									wurden aber zu Arras, Cambrai, Lille, Paris, Senlis, in der Normandie, der Bretagne,
                              									in England etc. solche Fabriken errichtet.England bezieht seit zwei Jahren bedeutende Quantitäten gedarrter Cichorie
                                    											aus Frankreich.
                              								
                           Der Anbau der Cichorie wegen der Wurzel und ihrer Verarbeitung zu Kaffee, ist in
                              									diesen Gegenden eine Quelle des Wohlstandes geworden. Die Cichorie bedarf eines
                              									guten, tiefen Bodens, welcher mittelst des Spatens gut umgearbeitet werden muß; man
                              									säet sie im Monat Mai und erntet sie im October; einige Zeit vor dem Ausziehen der
                              									Wurzeln schneidet man die Blätter ab, welche man den Kühen gibt.Dieß ist ein nahrhaftes Futter; allein gereicht, ertheilt es aber der Milch
                                    											einen unangenehmen Geschmack. Das Ausheben der Wurzeln geschieht mittelst des Spatens (Grabscheits); sie
                              									werden dann in die Nähe der Wohnungen gebracht, wo man sie in Haufen zusammenwirft
                              									und mit Stroh bedeckt, um sie vor dem Reif, namentlich aber vor Nachtfrösten zu
                              									schützen.
                           Die so gesammelten Wurzeln werden vorher der Länge nach, dann in der Quere zu
                              									2–4 Zoll langen Stücken zerschnitten; diese bringt man auf die Darren oder in
                              									die Trockenbehältnisse, welche sich gewöhnlich in der Wohnung der Landwirthe
                              									befinden, und mit harter Steinkohle, einer Art Anthracit, die keinen Rauch gibt,
                              									geheizt werden.Aus dieser Kohle und Thon werden Backsteine gefertigt, die zum Heizen der
                                    											Darren dienen. Ist der Ofen einmal mit solchen Backsteinen gefüllt, so hält
                                    											die Wärme 12 Stunden lang an, ohne daß weiteres Brennmaterial nachgelegt zu
                                    											werden braucht. Die Wurzeln werden in beiläufig 1 Fuß dicken Schichten aufgelegt und recht
                              									oft umgeworfen, damit sie nicht anbrennen und die Trocknung schnell vor sich gehe.
                              									Zu viermaliger Wiederholung dieser Arbeit genügen 24 Stunden.
                           Die so getrockneten Wurzeln sind unter dem Namen Cossètes
                              									bekannt;Hie und da werden diese Cossètes durch
                                    											Hürden geschlagen, um die kleinen Würzelchen abzusondern. Doch thun dieß
                                    											nicht alle Fabrikanten, wo dann diese Würzelchen mit in den Cichorienkaffee
                                    											kommen; es versteht sich daß dann auch die den Wurzeln anhängende Erde im
                                    											Product bleibt; doch ist dieß nur bei den geringeren Sorten der Fall. sie werden in Speichern aufbewahrt; gewöhnlich aber verkaufen sie die Bauern
                              									gleich an die Unterhändler und die Cichorienkaffeefabrikanten. Der Preis wechselt
                              									nach dem Ertrag der Ernte, dem Handelsbedarf etc. Der Cichorienkaffeefabrikant
                              									röstet diese Cossètes nach Maaßgabe seines
                              									Bedarfs; er bedient sich dazu großer Kaffeetrommeln, welche unter gut ziehenden
                              									Schornsteinmänteln angebracht werden; dieselben werden durch Dampfmaschinen oder
                              									einen Pferdegöpel in Bewegung gesetzt. Wenn die Röstung hinlänglich vorgeschritten
                              									ist, setzt der Arbeiter zwei Procent Butter zu und läßt die Trommel einigemal
                              									umdrehen; dieß geschieht, um der Cichorie Glanz und das Ansehen des gerösteten
                              									Kaffee's zu ertheilen.Es wird jedoch versichert, daß der Butterzusatz vorzüglich dazu dient, die
                                    											rothen Pulver zu befestigen, welche der Cichorie betrügerischerweise
                                    											zugesetzt werden. Dann wird die Substanz in Gefäße von Eisenblech umgeleert und nach dem
                              									Erkalten unter verticalen Mühlsteinen gemahlen, oder zwischen gehauenen Walzen von
                              									Gußeisen (wo sich dann weniger Staub bildet). Man beutelt hierauf das erhaltene
                              									Pulver und setzt währenddem ein wenig von einem rothen Farbstoff zu, um ihm die
                              									Kaffeefarbe zu ertheilen.
                           Das Product wird dann abgewogen, in Pakete abgefaßt und unter verschiedenen Namen
                              										verkauft.Café chicorée gros grain,
                                       												chicorée royale, ch. poudre à canon, semoule, mignonnette,
                                       												poudre superfine de moka, moka en poudre, café des dames,
                                       												crême de moka, café pectoral, café de Chartres,
                                       												café aux Indiens, café aux Jevas, café à la
                                       												Tom-Pouce, café à la polka, café des
                                       												colonies.
                              								
                           Die Consumtion an Cichorienkaffee beläuft sich in Frankreich auf 6,000,000 Kilogr.;
                              									auch ins Ausland wird er verführt. Nach den Handelstabellen betrug die Ausfuhr
                              									desselben vom Jahr 1827 bis zum Jahr 1836 458,971 Kilogr. im Werthe von 321,282 Fr.;
                              									seitdem stieg sie noch.
                           
                        
                           II. Ueber die Verfälschungen des
                                 										Cichorienkaffee's und die Mittel sie zu erkennen.
                           Die gebrannte Cichorie wird oft mit fremdartigen Substanzen vermengt; diese an den
                              									Fabricationsorten selbst geschehenden Betrügereien sind, wenn auch der Gesundheit
                              									nicht nachtheilig, doch ein im Artikel 423 des französischen Strafgesetzbuches
                              									vorgesehenes Verbrechen.
                           Die Erkennungsmittel solcher Betrügereien sind folgende:
                           1. Verfälschung mit gestoßenen Ziegelsteinen, Ocker, Erde,
                                 										kleinen Würzelchen. Man trocknet eine Probe scharf aus und wiegt davon 100
                              									Gramme ab, die man verkohlt und einäschert; der Rückstand wird wieder gewogen. 100
                              									Gramme reinen Cichorienkaffee's geben 4–5 Procent Rückstand. Ein größerer
                              									Rückstand deutet auf Betrug und steht mit dem Zusatz in Verhältniß. Die Untersuchung
                              									der Asche läßt auch zum Theil erkennen, mit welchen Körpern der Cichorienkaffee
                              									verfälscht war.
                           2. Verfälschung mit Kaffeesatz. Dieser, besonders in Paris
                              									häufig vorkommende Betrug ist leicht zu erkennen; der verdächtige Cichorienkaffee
                              									wird dazu ausgetrocknet, man füllt dann ein Glas mit Wasser und wirft ein paar
                              									Fingervoll von dem Cichorienkaffee auf die Oberfläche der Flüssigkeit; das Pulver
                              									der gerösteten Cichorie saugt sich fast sogleich mit Wasser an und fällt zu Boden,
                              									während der Kaffeesatz auf der Oberfläche bleibt. Auch das Verhalten der Cichorie
                              									und des Kaffeesatzes zwischen den Zähnen dient als Unterscheidungsmittel.
                           3. Verfälschung mit geröstetem Brod, Ueberresten von Nudelmehl,
                                 										Fadennudeln. Diese Verfälschung geschieht mit gesammelten Brodkrusten,
                              									welche nicht immer rein sind; sie werden im Backofen geröstet, dann zerrieben und
                              									dem Cichorienpulver zugesetzt. Diese Beimengung kann man durch Jodwasser erkennen.
                              									Der Absud reiner Cichorie wird nämlich durch dasselbe nicht blau gefärbt; der Absud
                              									von der mit geröstetem Brod vermengten nimmt aber davon eine blaue Farbe an. Die mit
                              									Ueberresten von Nudelmehl und Fadennudeln vermengte Cichorie wird auf gleiche Weise
                              									erkannt. Jedenfalls müssen die Absüde wohl verdünnt werden, um die Einwirkung des
                              									Jodwassers auf dieselben gut beobachten zu können.
                           4. Verfälschung mit gerösteten Eicheln. Diese kann 1)
                              									durch Jodwasser; 2) durch schwefelsaures Eisenoxyd erkannt werden. Das Jodwasser in
                              									gehöriger Menge (etwa 10 Theile auf 1 Theil Cichorie) dem mit Eicheln versetzten
                              									Absud zugegossen, nimmt eine deutlich blaue Farbe an, welche nach einigen
                              									Augenblicken wieder verschwindet; eine dem Absud reiner Cichorie fremde Eigenschaft.
                              									Das schwefelsaure Eisenoxyd, so verfälschter Cichorie zugesetzt, wird schwarz, was
                              									bei der reinen nicht der Fall ist.
                           
                           5. Verfälschung mit gerösteten Samen von Grasarten
                              									(Gramineen). – Diese Verfälschung ist durch Jodwasser sehr leicht zu
                              									erkennen; auch hier tritt blaue Färbung ein, und zwar um so intensiver, je größer
                              									der Zusatz ist.
                           6. Verfälschung mit gerösteten Weißbohnen, Schminkbohnen,
                                 										Erbsen. – Diese ist zu erkennen 1) durch Jodwasser, welches durch
                              									den Absud eines solchen Gemenges blau gefärbt wird; 2) durch schwefelsaures
                              									Eisenoxyd, welches darin eine schwarze Färbung und einen mehr oder weniger
                              									reichlichen Niederschlag hervorbringt, was beim reinen Cichorienkaffee nicht der
                              									Fall ist.
                           7. Verfälschung mit Cacaoschalen. – Diese
                              									Beimengung soll stattfinden, ist aber nicht wahrscheinlich; sollte dieser Betrug
                              									aber vorkommen, so ließe er sich mittelst der Loupe leicht erkennen, wobei die in
                              									ihrem Gefüge von der Cichorie ganz verschiedenen Schalentheilchen wahrgenommen
                              									werden könnten. Außerdem zieht das Cacaoschalenpulver auch kein Wasser ein, wie die
                              									Cichorie, so daß es auf der Oberfläche des Wassers bliebe und behufs weiterer
                              									Untersuchung abgesondert werden könnte.
                           8. Verfälschung mit dem Pulver alter Rinden. –
                              									Dieser Betrug wurde vermuthet, ist aber noch nicht vorgekommen. Erkannt würde er
                              									durch Behandlung des Absudes mit Eisenvitriol, welcher eine schwärzliche Färbung und
                              									einen Niederschlag hervorbrächte.
                           9. Verfälschung mit gerösteten Runkelrüben und gelben
                                 										Rüben. – Um diese Verfälschung zu entdecken, ist bis jetzt noch kein
                              									Mittel bekannt.