| Titel: | Neues Verfahren des Weinbaues; von J. Persoz. | 
| Fundstelle: | Band 112, Jahrgang 1849, Nr. XCVI., S. 443 | 
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                        XCVI.
                        Neues Verfahren des Weinbaues; von J. Persoz.Das Wesentliche dieser künstlichen Cultur des Weinstocks wurde bereits im
                                 										polytechn. Journal Bd. CXI. S. 231
                                 										mitgetheilt; bei der Wichtigkeit des Gegenstandes lassen wir hiemit eine
                                 										ausführlichere Beschreibung des Verfahrens nebst seiner wissenschaftlichen
                                 										Begründung nachfolgen. Der Verfasser hat dasselbe in einer Broschüre
                                 										veröffentlicht, welche den Titel führt: Nouveau procédé pour la culture de
                                       												la vigne: par J. Persoz. In 8° avec 2 pl. in -
                                 										4° gravées en taille douce. Prix: 1
                                 										fr. 50 c. (Chez Victor-Masson).
                           							
                        Aus dem Journal de Pharmacie, März und April,
                              									1849.
                        Persoz, über ein neues Verfahren des Weinbaues.
                        
                     
                        
                           Der Erfolg, welchen ich von künstlich zubereiteten Düngern bei einigen Zierpflanzen
                              									hatte, veranlaßt mich, solche Versuche im Interesse wichtigerer, nämlich
                              									landwirthschaftlicher Zwecke anzustellen; ich wählte den Weinbau zum Gegenstand
                              									meiner Versuche.
                           
                           Im Jahr 1846 veröffentlichte ich das Resultat der gleichzeitigen Pflege zweier
                              									Weinstöcke, wovon der eine mit phosphorsauren Salzen behandelt, der andere sich
                              									selbst überlassen wurde (polytechn. Journal Bd. CV
                                 										S. 65). Der erste von sehr kräftigem Wachsthum, war mit Trauben bedeckt;
                              									der andere hingegen trug keine einzige Frucht. Seitdem fuhr jener fort, jedes Jahr
                              									eine Menge Trauben zu tragen; jedes Fruchtholz oder jeder Trieb, deren stärkster in
                              									Länge und Dicke eine Schwanenfeder, und die mittlern eine Gansfeder nicht
                              									übertrafen, trug immer wenigstens 2, oft 5, gewöhnlich 3 Trauben, welche alle den
                              									Vergleich mit den besten Gutedeltrauben bestanden.
                           Um diesen ersten Versuch zu vollenden, behandelte ich letztes Frühjahr den
                              									Musterstock, welcher keinen künstlichen Dünger erhalten und nie mehr als einige
                              									Trauben getragen hatte, ebenso wie denjenigen, welchem er zur Vergleichung gedient
                              									hatte, und so bedeckte er sich diesen Herbst mit Früchten zur Verwunderung aller
                              									Personen, welche den vergleichenden Versuchen gefolgt waren.
                           Der Grundsatz von welchem ich ausging, ist sehr einfach; es gibt nämlich keinen Wein,
                              									welcher nicht Weinstein enthielte; soll daher die Pflanze Weinsteinsäure erzeugen,
                              									so muß ihr nothwendig das erforderliche Kali geliefert werden. Um nun den Weinstock
                              									damit zu versehen, muß das Kalisalz in einem Zustand angewandt werden, wo die
                              									Wurzeln es assimiliren können, ohne daß die Pflanze darunter leidet, und überdieß
                              									die geeignetste Zeit dazu bestimmt werden. Nachdem ich (in der oben angeführten
                              									Mittheilung) den Zustand angegeben hatte, in welchem das Kalisalz angewandt werden
                              									muß, hatte ich noch den Einfluß der Ammoniaksalze oder salpetersauren Salze bei der
                              									Vegetation und den Zeitpunkt zu bestimmen, wo das Kalisalz in Wirkung treten
                              									soll.
                           Es scheint fest zu stehen, daß die zur Vegetation unentbehrlichsten Agentien die
                              									phosphorsauren Salze, der kohlensaure Kalk und das kieselsaure Kali sind.
                           Aus der merkwürdigen Wirkung der ammoniakalischen Salze unter gewissen Umständen (man
                              									vergl. darüber die Abhandlungen des Hrn. Schattenmann (im polytechn. Journ. Bd. XCI S. 218 und Bd. CIV S.
                                 									213), hat man, ohne weitere Beweise als die Elementaranalysen, den Satz
                              									abgeleitet, daß Ammoniak durch den Stickstoff, welchen es liefert, direct auf die
                              									Pflanze wirke; wenn dem also wäre, so würden die Ammoniaksalze überall dieselbe
                              									unbestreitbare Wirkung hervorbringen; da dieß nun aber nicht der Fall ist, so ist es
                              									wahrscheinlicher, daß
                              									die Wirkung dieser Salze nur eine mittelbare ist. Ich werde die Gründe davon
                              									darzulegen suchen.
                           Welches Ammoniaksalz man an den Fuß einer Pflanze gießen mag, das salzsaure,
                              									schwefelsaure oder essigsaure, so bemerkt man nach einigen Tagen auf der Oberfläche
                              									der Erde und auf der begossenen Stelle selbst eine weiße Kruste, welche alle
                              									physischen und chemischen Eigenschaften der Kreide (des kohlensauren Kalks) hat.
                           Befindet sich nun Kreide unter den Producten der Einwirkung eines Ammoniaksalzes auf
                              									die Pflanzenerde, so muß das Ammoniak zeitweise sich im Zustand des kohlensauren
                              									Salzes befunden haben; die zeitweise Bildung dieses Salzes aber anerkennen, heißt
                              									eine secundäre und später erfolgende Reaction annehmen,
                              									indem bekanntlich das kohlensaure Ammoniak mit Kali- oder Natronsalzen
                              									(salzsauren, schwefelsauren und salpetersauren) nicht in Berührung kommen kann, ohne
                              									sie zu zersetzen und eine entsprechende Menge kohlensaures Kali oder Natron zu
                              									erzeugen.
                           Während wir in Folge der Leichtigkeit, womit der phosphorsaure und kohlensaure Kalk
                              									auflöslich und fähig werden kann in den Gefäßen zu circuliren, um in denselben dann
                              									unlöslich zu werden, die hohe Wichtigkeit der Functionen dieser beiden Agentien
                              									leicht begreifen, wurde es uns schwer, die Rolle der Kieselerde, welche sich in manchen Pflanzen in so großer Menge vorfindet,
                              									zu erklären. Wie in der Natur Auflösungen von Kieselerde entstehen, ist leicht
                              									nachzuweisen, denn die Feldspathgebirge sind beständig im Verwittern und in
                              									Zersetzung begriffen, um einerseits Thone, andererseits
                              									kieselsaures Kali und Natron, welche aufgelöst bleiben, zu erzeugen. So kann also
                              									die Kieselerde als kieselsaures Alkali durch das Wasser in die Gefäße der
                              									organischen Wesen geführt werden; auf welche Weise wird sie aber in Freiheit
                              									gesetzt? Bisher haben die Chemiker nur den Säuren das Vermögen zuerkannt, die
                              									kieselsauren Salze zu zersetzen; einen solchen Grundsatz aufstellen, heißt aber das
                              									Freiwerden der Kieselerde völlig unerklärlich machen. Das phosphorsaure Salz der
                              									Knochen wird offenbar unter dem Einfluß eines Alkali's abgesetzt, weil es ein
                              									basisches Salz ist. Jenes im Gerippe der Pflanzen wird unter gleichen Umständen
                              									abgesetzt, nur erfolgt die Ablagerung meistens durch eine langsame und secundäre
                              									Einwirkung des kohlensauren Kalks. Wenn nun in beiden Fällen die Ablagerung nur
                              									durch Dazwischenkunft eines basischen Körpers erklärt werden kann, wie ist der
                              									Antheil zu erklären, welchen die Kieselerde an der Bildung der Zellen zugleich mit
                              									dem phosphorsauren und kohlensauren Kalk nimmt? Ich glaube die Lösung dieser Frage
                              									nebst jener hinsichtlich der Rolle des Kochsalzes in der Landwirthschaft gefunden zu
                              									haben.
                           
                           Welchen Einfluß übt also das Kochsalz beim Feldbau aus oder mit andern Worten, welche
                              									Einwirkung hat es auf das Wachsthum? Es unterliegt keinem Zweifel, daß wenn
                              									kohlensaures Ammoniak vorhanden ist, das Kochsalz kohlensaures Natron liefern kann;
                              									man kann sich also das Kochsalz von diesem Gesichtspunkte aus schon als eine Quelle eines starken Alkali's vorstellen; allein diese
                              									Wirkung ist nur eine untergeordnete neben der geheimnißvollen und wichtigen Rolle,
                              									die ich ihm zuschreibe. Sobald nämlich das Kochsalz mit dem kieselsauren Kali (Fuchs'schen Wasserglas) in Berührung kommt, wird auch die
                              									Kieselerde schon ausgeschieden; nur wenn diese Ausscheidung in Gegenwart einer
                              									großen Menge Wassers erfolgt, bleibt die Kieselerde aufgelöst und bildet dann bei
                              									der freiwilligen Verdunstung eine durchsichtige Gallerte; erfolgt die Abscheidung
                              									aber in Gegenwart einer großen Menge Salzes, so schlägt sie sich als ein
                              									undurchsichtiges Pulver nieder. Auf diese Weise erklärt sich die kräftige und
                              									unmittelbare Wirkung, welche das Kochsalz, in gehöriger Menge angewandt, stets beim
                              									Anbau solcher Pflanzen ausübt, welche der Kieselerde zur Bildung ihres Gerippes
                              									bedürfen (wie die Grasarten).
                           Meine ersten Versuche mit der Cultur des Weinstocks stellte ich, wie gesagt, mit
                              									Individuen von kräftigem Wuchs an. Da die Stöcke schon eine gewisse Entwickelung
                              									hatten, so hatten eben dadurch die Kalisalze eine minder starke Einwirkung auf
                              									dieselben; andererseits gelangten diese Salze bei ihrer geringen Auflöslichkeit zu
                              									langsam an die Wurzeln der Pflanzen, als daß ich ihre ganze Einwirkung hätte
                              									bemessen können.
                           Als ich dieselben Versuche mit jungen Stöcken wiederholte und mich dazu einer größern
                              									Dosis Kalisalzes bediente, sah ich nicht ohne Verwunderung, daß das Wachsthum, weit
                              									entfernt eine starke Entwickelung zu nehmen, im Gegentheil an Kraft verlor, und die
                              									Individuen verkrüppelten. Der Ueberschuß an Kalisalzen that hier die Wirkung des
                              									Kochsalzes auf die zufällig in salzigem Boden wachsenden Pflanzen; bekanntlich
                              									leidet das Wachsthum der letzteren so sehr, daß einige Botaniker besondere Species
                              									aus ihnen machten. In Anbetracht alles dessen kam ich auf den Gedanken, den Bau des
                              									Weinstocks in zwei Perioden abzutheilen, zuerst nämlich dem Rebholz durch sorgsame
                              									Pflege sowohl als vermittelst phosphorsauren Kalks alle mögliche Entwickelung zu
                              									geben; nachher aber nur auf die Traubenbildung hinzuarbeiten.
                           Es tritt auf diese Weise an die Stelle der bisherigen natürlichen, eine künstliche Cultur des
                              									Weinstocks.
                           
                           Behufs der möglichst vollkommenen Entwickelung des Holzes setzte ich mehrere
                              									Weinstöcke in Gruben, auf deren Boden ich gebracht hatte:
                           1 Kilogr. per Quadratmeter eines Gemenges,
                           1) von gröblich gepulverten Knochen (käuflichen Knochenmehls),
                           2) von Leder- oder Hornabfällen.
                           Ich bedeckte dieß alles mit gutem, mit Erde vermengtem Dünger. Drei im März 1847 so
                              									behandelte Reben a, b, c gaben:
                           
                              
                                 a)
                                 Fechser von virgin. Isabelle:
                                 
                              
                                 
                                 ein Rebholz
                                    											von                                       
                                 7,28 Meter Länge und 2 Centim. Durchm.
                                 
                              
                                 b)
                                 Fechser von weißem Gutedel:
                                 
                              
                                 
                                 zwei Rebhölzer
                                 
                                    
                                    
                                 eines vondas andere von
                                 5,95    „      
                                    											„5,53    „      
                                    											„
                                 
                                    
                                    
                                 und 1,3 Centim. Durchm.
                                 
                              
                                 c)
                                 Fechser von rosa Gutedel:
                                 
                              
                                 
                                 zwei Rebhölzer
                                 
                                    
                                    
                                 eines vondas andere von
                                 4,43 Meter
                                    											Länge4,32    „      
                                    											„
                                 
                                    
                                    
                                 und 1,6 Centim. Durchm.
                                 
                              
                           In heurigem Frühjahr (1848) gaben wir drei junge eingewurzelte Stöcke, d, e, f, ebenso behandelt:
                           
                              
                                 d)
                                 Fechser von weißer Muskateller:
                                 
                              
                                 
                                 ein Rebholz
                                    											von                                       
                                 6,60 Meter Länge und 1,1 Centim. Durchm.
                                 
                              
                                 e)
                                 Fechser von grauer Tokayer:
                                 
                              
                                 
                                 ein Rebholz von
                                 6,70    „      
                                    											„      und
                                    											1,1      
                                    											„          „
                                 
                              
                                 f)
                                 Fechser von grauer Muskateller:
                                 
                              
                                 
                                 zwei Rebhölzer
                                 
                                    
                                    
                                 eines vondas andere von
                                 4,43 Meter
                                    											Länge4,42    „      
                                    											„
                                 
                                    
                                    
                                 und 1,2 Centim. Durchm.
                                 
                              
                           Durch gleichzeitiges Bedecken der Wurzeln der drei Weinstöcke a, b, c mit einer gewissen Menge kieselsauren Kali's (Fuchs'schen Wasserglases) erhielt ich folgende
                              									Resultate:
                           Der Stock a (Isabelle) trieb 48 Schößlinge aus den
                              									Blattwinkeln, wovon jeder 3–4 Trauben trug.
                           Der Stock b entwickelte 23 Schößlinge von 1 1/2
                              									Centimeter Durchmesser an der Basis. An jedem solchen Sprößling befanden sich
                              									durchschnittlich drei Trauben.
                           Der Stock c hatte 80 Schößlinge, deren jeder im Mittel
                              									drei Trauben trug. Der mittlere Durchmesser dieser Schößlinge ist 1 1/10 Centimeter;
                              									einer derselben, welcher das Holz des vorigen Jahres endigte, erreichte 3 3/10 Meter
                              									Länge.
                           Aus allen meinen Versuchen schloß ich, daß man sich wohl zu hüten habe, die
                              									Entwickelung des Holzes oder der Zelle mit jener des Keims zu verwechseln, weil in
                              									vielen Fällen das Vorherrschen der einen nur auf Kosten der andern stattfindet. Es
                              									wird hiemit übrigens nur
                              									eine bekannte Thatsache bestätigt, daß nämlich ein Baum mit sehr kräftigen Trieben
                              									nur selten Früchte trägt, und umgekehrt einer, bei welchem die Zellenentwickelung
                              									durch künstliche Mittel verzögert wurde, gewöhnlich damit beladen ist.
                           
                        
                           Cultur.
                           Ich bin nicht gemeint, die verschiedenen Methoden des Weinbaues behufs der
                              									Vergleichung mit der meinigen hier zu entwickeln. Ich habe nur dazuthun, daß jeder
                              									Stock aus dem Erdreich selbst, worin er steht (falls seinen Wurzeln nicht
                              									unmittelbar die Qualität und Quantität des ihm zuträglichen Düngers geliefert wird)
                              									die zur Entwickelung sowohl der Zelle als des Keims nöthigen Elemente ziehen muß;
                              									diese Elemente werden ihm dann durch im Schooße der Erde nach einander vorgehende
                              									Zersetzungen geliefert. Da nun die zur Fruchtbildung unentbehrlichen Kalisalze am
                              									häufigsten durch Zersetzung der Feldspathgebirge entstehen, letztere aber nur durch
                              									Beihülfe der Wärme und der Feuchtigkeit stattfinden können, so hängt bis jetzt der
                              									Erfolg einer Ernte, unter übrigens gleichen Umständen, großentheils von den
                              									atmosphärischen Einflüssen ab. Wenn demnach ein Weinstock, um Früchte zu tragen, 10
                              									Theile Kali's bedarf, so wird man, wenn die Einwirkung der Wärme und des Regens auf
                              									das Gestein und das Erdreich, welche in Zersetzung begriffen sind, deren nur fünf
                              									liefern konnten, eine schlechte Ernte erhalten.
                           Dieser Gefahr soll meine Methode vorbeugen, durch welche der Weinstock beständig eine
                              									zweckmäßige Nahrung erhält; indem durch sie dem Winzer, der sie anwendet, die
                              									Quantität des Products gesichert wird, kann sie jedoch keineswegs auch dessen Güte
                              									verbürgen, welche stets von der Temperatur abhängt.
                           Man würde sich die Mühe ersparen, jeden Stock besonders in Behandlung zu nehmen, wenn
                              									man eine gehörig große Grube (Graben), herstellt, in welche man eine gewisse Anzahl
                              									Reben einlegte, denen man zuerst allen zu ihrer Entwickelung unentbehrlichen Dünger
                              									und dann, nach einem oder zwei Jahren, die zur Bildung der Trauben erforderliche
                              									Menge Kalisalze gibt.
                           Nach den Versuchen, welche ich im Kleinen anstellte, die alle meiner Erwartung
                              									entsprachen und sich gegenseitig controlirten, bleibt mir über den Werth meines
                              									Verfahrens nicht mehr der geringste Zweifel.
                           Ich habe nun bloß noch durch Versuche in größerem Maaßstab zu ermitteln, ob der von
                              									einer auf diese Weise erhaltenen Traube erzeugte Wein ebenso gut ist wie ein
                              									anderer und ob sich alle Fechserarten zu der neuen Culturmethode, die ich nun näher
                              									beschreiben will, eignen.
                           In eine Grube werden die alten Wurzelstöcke von Weinstöcken eingelegt oder abgesenkt,
                              									oder, in Ermangelung solcher, junge Stöcke eingepflanzt, denen man vorher so viel
                              									Pflege gewidmet hat, daß sie mit Erfolg zum Ausfechsern gebraucht werden können. In
                              									beiden Fällen muß man den im folgenden Jahre abzusenkenden Weinstock im voraus so
                              									beschneiden, daß er nur zwei, höchstens drei Schößlinge treiben kann, um allen Saft
                              									in diesem Holze anzusammeln, so daß jene Schößlinge 2 bis 2 1/2 oder wo möglich 3
                              									Meter lang werden. Diese Länge ist unerläßlich, damit sich an dem Wurzelstocke eine
                              									den Respirationsorganen des Stengels (der Rebe, den Zweigen, den Blättern und der
                              									Frucht) entsprechende Anzahl von Wurzeln entwickelt.
                           Nach Hinwegnahme der Schößlinge bringt man auf die in die Grube gelegten Reben
                              									ungefähr 6 bis 7 Centimeter Erde, welcher man vorher per Quadratmeter Oberfläche der
                              									Grube beigemengt hat:
                           3 Kilogr. Knochenmehl,
                           1 1/2 Kilogr. Abschnitzel von Fellen oder Leder (Abfälle der
                              									Schuhmacher und Gerber), Horn, Klauen, Blut etc.
                           1/2 Kilogr. Gyps.
                           Oder 60 Kilogr. des Gemenges auf die ganze Grube von 12 Meter Länge. Die angegebenen
                              									Mengenverhältnisse können ohne Anstand vergrößert werden, weil dieser Dünger langsam
                              									wirkt.
                           Wenn das die Rebe bildende Holz hinlänglich entwickelt ist, gibt man den Wurzeln die
                              									Kalisalze, welche den Trieb der Trauben befördern müssen. Zu diesem Behuf breitet
                              									man, 7 bis 8 Centimeter von den in die Erde eingegrabenen
                                 										Wurzelstöcken entfernt, in der Grube per
                              									Quadratmeter Oberfläche, 2 Kilogramme eines Gemenges aus von
                           
                              
                                 4
                                 Kilogr.
                                 kieselsaurem Kali (Wasserglas) und
                                 
                              
                                 1
                                 „
                                 phosphorsaurem Kali-Kalk.
                                 
                              
                           Man füllt dann die Grube auf und die Wurzeln sind für lange Zeit mit der ihnen
                              									nöthigen Menge Kali versehen; um ihrer Erschöpfung zu begegnen, thut man gut, jedes
                              									Jahr an den Fuß der Weinstöcke eine gewisse Menge Weintrestern zu legen. Diese
                              									Weintrestern, welche beim Einäschern 2 1/2 Proc. kohlensaures Kali liefern, ersetzen
                              									der Grube jährlich einen guten Theil des ihr entzogenen Kali's wieder.
                           Hiezu kann man auch die Rückstände der ausgelaugten Holzasche, welche ebenfalls Kali
                              									enthalten, und gewisse an Kalisalzen reiche Pflanzen verwenden.
                           
                           Nach dieser Beschreibung des Culturverfahrens habe ich noch mitzutheilen, wie man
                              									sich die erwähnten Dünger verschaffen kann.
                           Nach der Rolle, welche hiebei die Flechsen, das Horn, die Klauen, das getrocknete
                              									Blut etc. spielen, sieht man, wie wichtig es ist, solche sorgfältig zu sammeln; da
                              									aber diese jetzt sehr wohlfeilen Stoffe einmal zu theuer werden könnten, muß man auf
                              									Mittel denken, stets große Quantitäten phosphorsaurer Salze zur Verfügung zu haben.
                              									Diesen Zweck erreicht man durch Sammeln des Harns und Ableiten desselben in eine mit
                              									hydraulischem Mörtel erbaute und innen mit Gyps (schwefelsaurem Kalk) überzogene
                              									Grube. Dieser Gyps wird durch die im Harn aufgelösten Salze zersetzt und erzeugt
                              									einen reichlichen Niederschlag von phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk; das
                              									Ammoniak verwandelt sich in schwefelsaures Salz, welches durch Abgießen gesondert,
                              									mit Vortheil als flüssiger Dünger für gewisse Erdreiche zu verwenden ist. Der
                              									abgetropfte Niederschlag wäre zum Anlegen der Gruben zu benutzen, welche zur
                              									Entwickelung des Rebholzes bestimmt sind.
                           Hinsichtlich der Kalisalze muß man auf die im Handel vorkommenden, welche sehr
                              									auflöslich sind, verzichten. Ihre Einwirkung auf den Weinstock ist so stark, daß man
                              									sie nur von Erde oder Knochenkohle absorbirt, welche sie allmählich an die Wurzeln
                              									abtreten, anwenden könnte.
                           Es dürfen also nur Salze in Anwendung kommen, die das Kali nach und nach an den
                              									Weinstock abgeben. Am besten eignet sich hiezu das Wasserglas (kieselsaure Kali),
                              									welches man durch Zusammenschmelzen von 15 Theilen Quarz (Sand) mit 10 Theilen
                              									Potasche und 2 Thln. Kohle erhält. Für unseren Zweck ist es besser, mehr Potasche
                              									anzuwenden, um ein leichter zersetzbares Product zu erhalten; wohlfeiler ist es,
                              									gleich rohe Potasche anzuwenden (nämlich die Rückstände vom Abdampfen der
                              									Aschenlauge, welche in Oefen calcinirt werden, um die käufliche Potasche zu
                              									bereiten). Ich schlage hiezu vor:
                           15 Theile Sand und 35 Theile rohe Potasche.
                           Diese geschmolzene Masse zersetzt sich mit aller
                              									Leichtigkeit.
                           Auch kann man, wenn in der Nähe Feldspath vorkommt, dieses Gestein mit 15 bis 20
                              									Proc. Potasche fritten und das Product anstatt Wasserglas anwenden.
                           Die phosphorsauren Salze, oder vielmehr das pyrophosphorsaure Kali-Kalksalz,
                              									kann man sich mit geringen Kosten verschaffen. Zu diesem Behufe werden 12 Kilogr.
                              									gepulverte, weißgebrannte Knochen mit so viel Wasser angerührt, daß sie einen sehr
                              									dünnen Brei geben und
                              									dann mit 9 Kilogr. Schwefelsäure behandelt, die man allmählich und unter Umrühren
                              									den gebrannten Knochen zugießt. Es entsteht schwefelsaurer KalkDa dieses Salz mit gutem Erfolg in der ersten Epoche der Cultur des
                                    											Weinstocks verwendet werden kann, so braucht man es nicht auszuwaschen und
                                    											erleidet daher keinen Verlust an Phosphorsäure. und doppelt-phosphorsaurer Kalk; nachdem man hierauf Wasser zugesetzt
                              									und umgerührt hat, läßt man das Ganze 2–3 Tage stehen, behandelt es hierauf
                              									mit heißem Wasser und filtrirt durch ein Tuch, auf welchem der schwefelsaure Kalk
                              									zurückbleibt; die Flüssigkeit, welche Phosphorsäure und phosphorsauren Kalk enthält,
                              									versetzt man mit Potasche, bis sie schwach alkalisch reagirt. Nun braucht das Ganze
                              									nur noch in einem gußeisernen Kessel abgedampft und der trockene Rückstand bei
                              									Dunkelrothglühhitze gefrittet zu werden. Das gepulverte Product wird mit dem
                              									kieselsauren Kali vermengt, zur Entwickelung der Traube benutzt.
                           Den Grundsätzen gemäß, auf welchen die von mir vorgeschlagene Methode beruht, muß man
                              									also:
                           1) sich anfangs ausschließlich mit der Entwickelung des Rebholzes beschäftigen, durch
                              									sorgsamste Pflege der jungen Sprößlinge und mittelst Düngers, der aus phosphorsaurem
                              									Kalk und thierischen Stoffen, oder, was dasselbe ist, aus Knochen, Hörnern etc. oder
                              									selbst Guano besteht;
                           2) dahin trachten, daß jeder Wurzelstock eine hinreichende Anzahl Wurzeln treibt,
                              									damit, wenn das Rebengeländer einmal errichtet ist, ein gehöriges Verhältniß bestehe
                              									zwischen der Kraft der Saugorgane (Wurzeln) und der Athmungsorgane (Blätter und
                              									Zweige), welche die Säfte auszuarbeiten haben;
                           3) wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, der Pflanze das ihr zuträgliche
                              									Kalisalz geben, um den Trieb des Holzes zurückzuhalten und dafür denjenigen der
                              									Traube hervorzurufen;
                           4) den Verlust an Kali, welchen die Grube erleidet, dadurch ersetzen, daß man ihr
                              									jährlich davon so viel als möglich durch Anwendung von Weintrestern,
                              									Aschenrückständen und kalihaltigen Pflanzen wiedererstattet;
                           5) den Weinstock beschneiden, indem man das Rebholz in der bestimmten Höhe
                              									erhält;
                           6) ausputzen (die überflüssigen Augen) mit strenger Beobachtung der von mir
                              									angegebenen Regeln.
                           Ich kann mich nun kurz fassen, um die Vortheile dieser Culturmethode vor der
                              									gewöhnlichen einleuchtend zu machen.
                           
                           Bei meiner Methode reduciren sich alle Operationen, nachdem das Geländer einmal
                              									errichtet ist, auf das Beschneiden, das Ausputzen und das Wiederaufrichten, welche gleichzeitig geschehen können. Es wird demnach
                              									dreimal das bisherige Hacken erspart:
                           das erstemal im Monat März,
                           das zweitemal im Monat Mai,
                           das drittemal im Laufe des Augusts.
                           Da man überdieß der Anschaffung von Weinpfählen enthoben ist, so fällt auch ihr
                              									Ausziehen im Herbst und ihr Einstecken nach dem ersten Hacken weg.
                           Ferner kann man, da die Geländer 1 2/10 Meter von einander entfernt sind, bei
                              									fruchtbarem Erdreich, ohne dem Weinstock zu schaden, in dem Raum zwischen ihnen
                              									Nähr- oder Futtergewächse bauen, z.B.
                           Herbstgerste, welche nicht nur das Beschneiden des
                              									Geländers nicht hindern, sondern auch zu der Zeit geerntet würde, wo die Traube ins
                              									Blühen kömmt und das Ausputzen des jungen Rebholzes ohne Schwierigkeit zuließe;
                           Türkischkorn etc., namentlich die Zwergsorte, indem diese
                              									Pflanze in gehörigen Zwischenräumen keinen Schatten werfen und das Aufrichten und
                              									Anbinden des Rebholzes stets gestatten würde;
                           Kartoffeln und Gelbrüben, die
                              									den Durchgang niemals hindern würden.
                           Endlich könnten Rasengänge oder künstliche Wiesen gesäet werden, welche im Monat
                              									Junius, also vor dem Ausputzen, mit der Sichel geschnitten würden.
                           Hat man nur ein steiniges Erdreich, sogar Felsen, so kann man dennoch in den
                              									angelegten Gruben die wenige Erde, welche sich in der Nähe vorfindet, anhäufen und
                              									durch künstlichen Dünger das Rebholz darin zum Treiben bringen, das man alsdann auf
                              									der Oberfläche der Felsen sich entwickeln läßt. In diesem Fall werden statt der
                              									hölzernen Pfähle hohle eiserne Stäbe angewandt, die man gleich in den Fels oder in
                              									einen vorher in den Boden gesteckten Stein einläßt. Es können auf diese Weise ganz
                              									unfruchtbare Erdreiche zum Weinbau verwendet werden.
                           Noch einen Vorzug gewährt mein Verfahren, den ich nicht mit Stillschweigen übergehen
                              									kann.
                           Oft ist an einer schlechten Ernte zu große Feuchtigkeit oder zu große Trockenheit
                              									Schuld. Im ersteren Falle könnte der Winzer durch Dämme, die er vor den Gruben
                              									anbringt, das Regenwasser leicht ableiten, damit es in die Fußwege ablaufe; im
                              									zweiten Fall könnte er durch die entgegengesetzte Vorkehrung dasselbe aufsammeln, um es in die Gruben zu
                              									leiten und in denselben den zum Wachsthum erforderlichen Grad von Feuchtigkeit zu
                              									erhalten.
                           Um einer andern Gefahr zu begegnen, welche den Weinstock jährlich bedroht, derjenigen
                              									des Frostes, wäre es zweckmäßig, das abfallende Laub am Fuße jedes einzelnen
                              									Weinstocks anzuhäufen.