| Titel: | Ueber die Anwendung des Gypses und Kohlenpulvers zum Desinficiren und augenblicklichen Austrocknen der menschlichen Excremente, ferner über die Vortheile des so entstehenden desinficirten Staubdüngers für die Landwirthschaft; von Dr. Herpin zu Metz. | 
| Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XIII., S. 64 | 
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                        XIII.
                        Ueber die Anwendung des Gypses und Kohlenpulvers
                           zum Desinficiren und augenblicklichen Austrocknen der menschlichen Excremente, ferner
                           über die Vortheile des so entstehenden desinficirten Staubdüngers für die
                           Landwirthschaft; von Dr. Herpin zu Metz.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Juni 1849, S. 259.
                        Herpin, über Desinficiren der Excremente mit Gyps und
                           Kohlenpulver.
                        
                     
                        
                           Die Société centrale d'agriculture sowohl,
                              als die Société pour l'Encouragement de
                                 l'industrie nationale haben schon vor 12 bis 15 Jahren auf Verfahrungsarten
                              zum Desinficiren der menschlichen Excremente und ihre Anwendung als Dünger hohe
                              Preise gesetzt. Es verflossen mehrere Jahre, ohne daß die Erwartungen erfüllt worden
                              wären. Dieß bestimmte mich, meine frühern Versuche darüber mit ausschließlicher Anwendung zur Vegetation nothwendiger Substanzen wieder aufzunehmen. Schon im Jahr 1845 hatte ich
                              den Satz aufgestellt, daß die rationellste und beste Lösung des Problems in der
                              schnellen Austrocknung und Desinficirung der Kothsubstanz bestehe.
                           Im Jahr 1847 wurde die Preisfrage gewissermaßen zurückgenommen. Es hatten sich zwar
                              viele Bewerber eingestellt; auch wurde die Frage unstreitig gefördert; keiner hatte
                              sie aber in landwirthschaftlicher sowohl, als in industrieller und ökonomischer
                              Beziehung vollkommen gelöst. Ich sprach damals meine Verwunderung darüber aus, daß
                              Niemand auf den Gedanken kam die Mittel anzuwenden welche sich mir durch die
                              Erfahrung als die besten bewährt hatten, nämlich einerseits die Kohle, bekanntlich ein Desinfectionsmittel und
                              Hauptbestandtheil der Gewächse, und andererseits den Gyps, bekanntlich eines der besten Anregungsmittel für die Vegetation der auf
                              künstlichen Wiesen wachsenden Pflanzen, welcher zugleich absorbirend und
                              fäulnißwidrig wirkt und die schätzbare Eigenschaft besitzt, das sich sonst in die
                              Luft verflüchtigende und verlorengehende Ammoniak in ein fixes Salz zu verwandeln,
                              welches den Pflanzen den ihnen zum Wachsen nothwendigen Stickstoff allmählich liefert.
                           
                           Ich halte es jetzt für meine Pflicht, meine früher nur mittelbar und unvollständig
                              zur Kenntniß des Publicums gelangten Versuche über diesen Gegenstand näher
                              darzulegen.
                           Versuche. Die festen Excremente eines Individuums von
                              einer Woche wurden in einem Gefäße gesammelt und sogleich nach jeder Entleerung auf
                              ihrer ganzen Oberfläche mit gepulvertem, gebranntem Gyps
                              und feinstem Kohlenpulver bestreut. Am Ende der Woche
                              waren 1 Kil. 200 Gr. (1 1/10 Liter) Gyps und 260 Gramme (1/2 Liter) Kohle
                              verbraucht. Etwa ein Drittheil des Pulvers war zuviel, d.h. nutzlos zugesetzt
                              worden.
                           Sobald dieses Desinficirpulver aufgestreut war, verminderte sich der Geruch des Koths
                              bedeutend; er wäre ganz verschwunden, wenn der Koth mit dem Pulver vermengt worden
                              wäre, was nicht geschah; dessenungeachtet war er ein paar Tage darnach trocken und
                              ganz geruchlos. Später wurde die organische Substanz sehr hart; sie behielt zwar
                              ihre Gestalt bei, aber die Cylinder schrumpften auf 2/3 ihres ursprünglichen Volums
                              ein; sie waren porös, d.h. sie enthielten eine Menge Höhlungen und waren ungemein
                              leicht.
                           Sechs Monate darnach hatte das Gemenge, welches sich an einem tiefen und dunkeln Orte
                              befand, etwas Schimmelgeruch angenommen und ließ sich leicht zerreiben und pulvern;
                              in diesem Zustande besaß es nicht im Geringsten das Ansehen oder den Geruch, welche
                              auf dessen Ursprung hätten schließen lassen. Sein Volum betrug 1,8 Liter; sein
                              Gewicht 1,5 Kilogr. Da die angewandten Pulver nur 1,460 Gramme gewogen hatten, so
                              bleiben für die trockene organische Materie noch 40 Gramme übrig, was als zu wenig
                              erscheint; wahrscheinlich ging also etwas von den Pulvern verloren oder wurde von
                              dem Wind fortgeführt.
                           Das Gemenge wurde nun befeuchtet und mit Wasser angerührt. Es zeigte in diesem
                              Zustande nicht die mindeste Spur eines Geruchs oder einer sonstigen Eigenschaft, die
                              an dessen Ursprung erinnerte.
                           Endlich wurden mit diesem Dünger im gepulverten Zustande bei Getreidearten, Klee,
                              Kohl, Bohnen etc. Proben angestellt und sehr bald die gute Wirkung desselben,
                              namentlich bei den Kohlarten und überhaupt den kreuzblüthigen Pflanzen (Cruciferen)
                              wahrgenommen.
                           Bereitung des desinficirten Düngpulvers (poudrette desinfectée). Die erste Bedingung ist
                              die Trennung der festen von den flüssigen Excrementen. Am besten bewerkstelligt man
                              diese Trennung durch abgesondertes Aufsammeln derselben, da die Natur selbst
                              sie schon getrennt hat.
                           Die zweite Bedingung ist eine gute Auswahl der zu diesem Dünger verwendeten
                              Excremente; die Erfahrung lehrt nämlich, daß die Excremente aus Spitälern, Casernen
                              oder Gefängnissen, bei weitem keinen so guten Dünger liefern, wie diejenigen aus
                              Gasthöfen, Speisehäusern, überhaupt aus den Häusern der Reichen und
                              Wohlhabenden.
                           Drittens sind die Mengenverhältnisse des Gypses und der Kohle nicht gleichgültig. Für
                              weit zu verführenden Dünger, dessen Transport also viel kostet, müßte von der
                              organischen Materie möglichst viel und die beste Qualität, vom Gyps hingegen,
                              welcher das Gewicht des Gemenges sehr erhöht, sehr wenig angewandt werden.
                           Die in tragbaren Gefäßen oder Nachtstühlen gesammelten festen Excremente werden, wie
                              gesagt, mit dem Gemenge von Kohlen- und Gypspulver gleich nach der Entleerung
                              auf ihrer ganzen Oberfläche bestreut und alle acht bis vierzehn Tage in die
                              Centralanstalt geschafft, wo die Poudrette im Großen bereitet wird.
                           Gyps und Kohle sollen stets recht trocken seyn und alle vierzehn Tage frisch
                              gepulvert werden. Mittelst eines sehr einfachen Mechanismus, durch Ausziehen oder
                              Umdrehen eines Knopfes, oder auch durch das bloße Gewicht des auf dem Stuhle
                              sitzenden Körpers, läßt das am Stuhle angebrachte Behältniß die erforderliche Menge
                              desinficirenden Pulvers ausfallen, wie dieß bei den sogenannten englischen
                              Vorrichtungen mit dem Wasser der Fall ist. Man könnte durch denselben Mechanismus
                              sogar die Vermengung der Excremente mit den Pulvern bewerkstelligen lassen. Endlich
                              könnte das Bassin (der Trichter) auf bekannte Weise mittelst Wassers hermetisch
                              verschlossen werden.
                           In der Fabrik angelangt, werden die Excremente mit dem Desinficirpulver gemengt und
                              zusammengerieben, was mittelst mechanischer Vorrichtungen und eines Pferdegöpels
                              oder durch bloßes Tretenlassen von Pferden oder Ochsen geschehen kann. Hierauf
                              bringt man die Masse in Kasten, in welchen sie mittelst einer starken Presse oder
                              eines Fallwerks zusammengepreßt, oder bloß mit Keulen gestampft und in würfelförmige
                              Kuchen von 25 Centim. Seitenlange und ungefähr 15 Kilogr. Gewicht geformt
                              werden.
                           In diese Würfel wird mittelst eines eisernen Spießes durch und durch ein kleines Loch
                              gestoßen, damit die innere Feuchtigkeit einen Ausweg erhält; dann werden sie einige
                              Tage lang unter Schoppen der Luft ausgesetzt, um sie vollends auszutrocknen. Sie
                              können nun ohne Anstand
                              aufgespeichert und ohne alle Verpackung zur Versendung verladen werden.
                           Ein nur kurze Zeit andauernder Regen schadet den Düngerkuchen nicht, wenn ihre noch
                              feuchte Oberfläche mit einer dünnen Schicht Gypspulver bestreut worden ist.
                           Kostenberechnung. Man schlägt die festen Excremente einer
                              Person durchschnittlich per Tag zu 125 Grammen, im Jahr
                              also zu 45 Kilogr. 625 Gr. an. Dieselben enthalten aber im Normalzustand ungefähr
                              75–80 Gewichtsprocente Wasser, betragen daher im trocknen Zustand nur 9
                              Kilogr. Es handelt sich sonach darum, einen Theil (1/3 oder 1/4) des normalen
                              Wassers zu entfernen oder absorbiren zu lassen, um sie dadurch so zu desinficiren
                              und auszutrocknen, daß man sie ohne Uebelstand und Gefahr bearbeiten kann. Nun wiegt
                              nach meinen Versuchen 1 Kubikdecimeter oder 1 Liter gebrannten, gepulverten und
                              gesiebten weißen Gypses (von Montmartre) 1 Kilogr. 90 Gramme und verschluckt 1
                              Kilogr. 100 Gr. Wasser, wenn man ihn so einrührt, daß er einen Teig bildet, welcher
                              erhärten kann. 1 Liter feinstes Kohlenpulver wiegt 550 Gramme und absorbirt 260
                              Gramme Wassers, um einen ziemlich festen Teig zu bilden.
                           Um sonach die 45 Kilogr. Excremente gehörig zu desinficiren und auszutrocknen, müßte
                              ihnen 1/4 oder 1/3 ihres Gewichts von dem mit Kohle vermengten Gyps zugesetzt, oder,
                              mit andern Worten, 1/4 oder 1/3 ihres überflüssigen Wassers absorbirt werden, wozu
                              ungefähr 12 Kilogr. (11 bis 12 Liter) Gyps und 2 1/2 Kilogr. (also 5 Liter)
                              Kohlenpulver erforderlich sind.
                           Die Kosten dieser Materialien berechnen sich (in Paris) für die Excremente einer
                              Person im Jahr auf 24 Centimes; der Kubikmeter oder die Tonne von 1000 Kilogr.
                              trockner Poudrette, aus 600 bis 700 Kil. trockner organischer Materie, 300 Kilogr.
                              Gyps und 100 Kilogr. Kohlenpulver bestehend, folglich auf höchstens 7 Franken. Diese
                              Kosten können noch verringert werden durch Anwendung von weniger Gyps und
                              Kohlenpulver, und schärferes Austrocknen der Kuchen, durch Zusatz von Asche und Ruß
                              aus den Kaminen, oder des beim Kohlenbrennen in Wäldern verloren gehenden
                              Kohlenstaubs, sowie von Anthracit- oder Steinkohlenpulver, die sich ebenso
                              gut dazu eignen wie die Holzkohle. Es wären ein Streicher, zwei Karrenzieher und
                              zwei Personen zum Durcharbeiten oder Treten (oder auch 1 Mann und 1 Pferd)
                              erforderlich, um täglich 1600 bis 1800 Düngerziegel zu 15 Kilogr. per Stück, oder 25 Kubikmeter fertig zu machen. Diese
                              Arbeiter würden im Tage
                              zusammen 13 Franken kosten, wonach sich der Kubikmeter oder die Tonne von 1000
                              Kilogr. (66–70 Kuchen) auf 52 Centimes Arbeitslohn stellt. Die Gesammtkosten
                              berechnen sich demnach bei 1000 Kilogr.
                           
                              
                                 für Gyps und Kohle, wie oben
                                 
                                   7 Franken
                                 
                              
                                 Arbeitslohn
                                 
                                   –   52 Cent.
                                 
                              
                                 kleine Nebenkosten und Nutzen
                                 
                                   2   48   –
                                 
                              
                                 
                                   
                                    –––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Zusammen auf
                                 10 Franken.
                                 
                              
                           Es ist dabei vorausgesetzt, daß der Transport der Excremente auf Kosten der
                              Hausbesitzer geschieht (wie dieß gegenwärtig zu Montfaucon und Bondy der Fall
                              ist.)
                           Von den Vorzügen der desinficirten Poudrette und ihrer
                                 Anwendung in der Landwirthschaft. Vor allem will ich die Ansichten mehrerer
                              Sachverständigen über den landwirthschaftlichen Werth des Menschenkoths hier
                              zusammenstellen:
                           A. „Der Menschenkoth ist als eine der besten
                                 Düngerarten zu betrachten, welche dem Landwirth zu Gebote stehen.“
                              (Boussingault's
                              Economie rurale Bd. II).
                           B. „In den flüssigen und festen Excrementen
                                 von Menschen und Thieren finden wir allen Stickstoff, so wie alle auflöslichen
                                 und unauflöslichen anorganischen Stoffe wieder, welche in den verzehrten
                                 Nahrungsmitteln enthalten sind. Da nun diese anorganischen Stoffe aus dem Boden
                                 kommen, so folgt daß die Excremente diesem die Elemente zurückgeben, welche wir
                                 ihm in Form von Kräutern, Körnern und Wurzeln entzogen haben.“ (J.
                              Liebigs chemischen Briefe Nr. 25.)
                           C. „Indem wir dem Boden die thierischen
                                 Excremente zurückerstatten, geben wir ihm die Stoffe wieder, welche ihm die
                                 frühern Ernten entzogen und setzen ihn dadurch in Stand, eine neue Ernte zu
                                 liefern.“ (Liebig ebend.)
                           D. „Mit Ausnahme einer gewissen Menge
                                 Kohlenstoffs und Wasserstoffs, welche durch Haut und Lunge ausgeschieden werden,
                                 müssen offenbar alle andern Stoffe, woraus die Nahrungsmittel zusammengesetzt
                                 sind, in den festen und flüssigen Excrementen des Menschen und der Thiere wieder
                                 gefunden werden.“ (Liebig ebend.)
                           E. „Die festen und flüssigen Excremente eines
                                 Thieres, welches sich von gewissen Pflanzen nährte, sind der für diese Pflanzen
                                 geeignetste Dünger; in jenen des Menschen findet man die mineralischen
                                 Bestandtheile aller Samen in den größten Mengenverhältnissen.“ (Liebig ebend.)
                           
                           F. „In Frankreich wird kaum der Dünger vom
                                 fünften Theil der Bevölkerung in der Landwirthschaft angewandt, und doch könnte
                                 alles, was verloren geht, im Boden ein Viertheil der Samen und Nahrungsmittel
                                 erzeugen, welche zur Ernährung der ganzen Bevölkerung erforderlich
                                 sind.“
                           „Nimmt man mit Liebig und Boussingault an, daß die flüssigen und festen Excremente eines
                                 Menschen täglich nur 750 Gramme betragen, nämlich 625 Gr. Harn und 125 Gr.
                                 Fäces, und daß sie zusammen 3 Proc. Stickstoff enthalten, so gibt dieß im Jahr
                                 275 Kilogr. 750 Gramme Excremente, welche 8 Kilogr. 250 Gr. Stickstoff
                                 enthalten, eine für 400 Kilogr. Weizen-, Roggen-, Hafer-
                                 oder Gerstenkörner hinreichende Menge, welche mit dem aus der Atmosphäre
                                 geschöpften Stickstoff mehr als hinreicht, um jährlich auf 50 Ares die reichste
                                 Ernte hervorzubringen.“ (Girardin.)Frankreich enthält 52,760,298 Hectaren, wovon 5,586,786 jährlich mit Weizen
                                    angebaut werden, und ebensoviel mit Roggen, Gerste, Mangkorn und Hafer,
                                    wornach sich der ganze Flächenraum des jährlich mit Getreidearten angebauten
                                    Landes ungefähr auf 12 Millionen Hectaren beläuft.
                              
                           Wir gaben oben als unsern Hauptzweck an, die festen Excremente zu trocknen und zu
                              desinficiren mittelst zur Vegetation nothwendiger Stoffe,
                              um einen sehr wirksamen, dabei wohlfeilen und leicht transportabeln Dünger zu
                              bekommen, welcher für Gesicht und Geruch nichts Ekelhaftes hat.
                           Kohle und Gyps erfüllen von allen Substanzen, die wir versuchten, diese Bedingungen
                              am besten.
                           Die desinficirende, Kraft der Kohle kennt und benutzt man schon lange.
                           Der Kohlenstoff bildet das Gerippe der Pflanzen; er ist ihr Hauptbestandtheil; er
                              absorbirt die durch die freiwillige Zersetzung der organischen Substanzen erzeugten
                              Gase; er bewirkt, daß diese Zersetzung mäßiger und langsamer vor sich geht, und
                              indem er einer zu raschen Entweichung der Elemente des Düngers sich widersetzt,
                              erhöht er deren Nutzeffect. Die Kohle wird als eine den Wachsthum besonders
                              befördernde Substanz von den Landwirthen aller Länder mit dem besten Erfolge
                              benützt. Das Abschwenden, das Verbrennen der stehenden Stoppeln, die Anwendung der
                              ausgewaschenen Asche, der Kohle aus Zuckerraffinerien, selbst der Dammerde etc. sind
                              ebensoviele Mittel, den zur Ernährung der Pflanzen erforderlichen Kohlenstoff dem
                              Boden zuzusetzen.
                           
                           Der Gyps (schwefelsaure Kalk) ist ebenfalls eines der kräftigsten Anregungsmittel für
                              die Vegetation, besonders bei den Leguminosen, aus welchen die künstlichen Wiesen
                              bestehen. Außer seiner Eigenschaft, eine bedeutende Menge Wassers augenblicklich zu
                              absorbiren und in festen Zustand überzuführen, ist er auch ein kräftiges
                              fäulnißwidriges Mittel; insbesondere besitzt er die schätzbare Eigenschaft, das aus
                              den in Fäulniß begriffenen thierischen Substanzen sich entwickelnde und
                              verflüchtigende Ammoniak zu fixiren und in ein beständiges Salz (schwefelsaures
                              Ammoniak) zu verwandeln, welches dann später und allmählich den Pflanzen den ihnen
                              nothwendigen Stickstoff liefert. Ich glaube um so nachdrücklicher auf die
                              Zweckmäßigkeit des Gypses als Zusatz zu den Menschenexcrementen hinweisen zu müssen,
                              weil er bisher in dieser Hinsicht nicht gehörig beachtet wurde.
                           Um den Werth des desinficirten Staubmists würdigen zu können, muß er mit jenem eines
                              guten Stalldüngers verglichen werden. Dazu braucht man nur die chemischen
                              Bestandtheile, d.h. die Mengenverhältnisse des Kohlenstoffs, besonders aber des
                              Stickstoffs, beider zu kennen.
                           1000 Kilogr. Stalldünger enthalten nach Payen's und Boussingault's Analysen:
                           
                              
                                 normales Wasser
                                 800 Kil.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                 100   „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                     4   „
                                 
                              
                           Zu einer guten Düngung behufs des Weizenbaues sind ungefähr 30 Kubikmeter oder 30,000
                              Kil. desselben auf die Hectare Landes erforderlich. Diese 30,000 Kil. enthalten:
                           
                              
                                 normales Wasser
                                 24,000 Kil.
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                   3,000   „
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                      123   „
                                 
                              
                           Vergleichen wir mit diesem Stalldünger andere aus Excrementen erzeugte Düngerarten,
                              so enthalten diese in ihrem Normalzustande nach denselben Chemikern in 1000
                              Gewichtstheilen folgende Stickstoffmengen:
                           
                              
                                 Poudrette von Montfaucon
                                 15,6 Kil. Stickstoff.
                                 
                              
                                 Poudrette Belloni's
                                 38,5  
                                    „        
                                    „
                                 
                              
                                 Colombine (Taubenmist) Belloni's
                                 83,5  
                                    „        
                                    „
                                 
                              
                                 Guano, im Mittel
                                 84      „        
                                    „
                                 
                              
                           Unser desinficirter Staubmist in lufttrocknen Kuchen wird in 1000 Kil. wohl nicht
                              unter 20–24 Kil. (also 2 bis 2,4 Proc.) Stickstoff enthalten. Um eine 30,000
                              Kil. Stalldüngers, welche 123 Kil. Stickstoff enthalten, gleichkommende Düngung zu
                              erhalten, sind also von unserem Staubmist nur 5–6000 Kil. (5–6
                              Kubikmeter oder Tonnen) erforderlich. Berücksichtigt man hiebei noch, daß dieser Staubmist keinen Keim von
                              Schmarotzerpflanzen oder Unkraut enthält, welche sich gewöhnlich im Stalldünger
                              finden, wodurch ein häufiges Ausjäten der Felder nothwendig wird, und daß das
                              Hinführen dieses Mists auf das Feld nur 4/5 der bisher aufgewendeten Zeit und Arbeit
                              erfordert, so wird man in seiner Anwendung bedeutenden Vortheil finden.
                           Anwendung des desinficirten Staubmists. – Dieser
                              Dünger kann im Zustande eines gröblichen Pulvers oder in Wasser gerührt angewendet
                              werden. Erstere Anwendung ist die leichtere und bequemere. Man verbreitet ihn zur
                              rechten Zeit über die Erde, mengt ihn mit Stalldünger oder verbreitet ihn mit
                              letzterem in Schichten.
                           Auf künstlichen Wiesen muß man ihn im Frühjahr, wenn sie das Treiben und die Erde zu
                              überziehen beginnen, oder wohl auch nach dem ersten Schnitte, im Fluge verbreiten.
                              Nach dem ersten Schnitt wendet man ihn auch beim Klee an, der zum zweitenmal gesäet
                              oder mit Wintergetreide ersetzt werden soll.
                           Man kann ihn auch vor dem Umgraben behufs der Saat des Weizens oder zugleich mit der
                              Saat verbreiten. Ebenso bei Gerste, Hafer, Lein, Hanf, Kohlsaat, Rüben etc. im Fluge
                              einsäen.
                           Beim Anbau in Linien, wie bei Runkelrüben, Kohl, Bohnen, Kartoffeln, Tabak,
                              Oel- und Industriegewächsen muß der Dünger in die Linien oder manchmal auch
                              in die Löcher gebracht werden.
                           Endlich kann der Staubmist in Wasser zerrührt und die Flüssigkeit auf jede Pflanze
                              gegossen werden, wie dieß beim flandrischen Dünger geschieht; besser wäre es noch,
                              in Ländern, wo man sich dieses letztern bedient, den desinficirten Staubmist damit
                              zu vermengen.
                           Es ist zu beachten, daß der Gyps und die Kohle die Wirkung des Staubmists zu einer
                              minder lebhaften und langsamern, aber auch nachhaltigern machen als diejenige des
                              flandrischen Düngers für sich allein ist, dessen Erfolg gleich nach der Anwendung
                              sichtbar wird, sich aber nicht bis zur folgenden Ernte erstreckt.
                           Bisher war nur von den festen Excrementen die Rede; es
                              sind jetzt noch die flüssigen zu besprechen, deren Volum ungefähr viermal so groß
                              ist.
                           Es gibt mehrere Mittel, den Urin vollkommen zu desinficiren, so daß er ohne Anstand
                              auf die Straße entleert und geschüttet werden kann; man braucht ihn hiezu nur mit
                              einer kleinen Menge Eisenvitriol, salpetersaurem Blei oder blos Gyps zu versetzen.
                              Zur Desinficirung von 100 Liter Harns braucht man nur 2–3 Kil. Eisenvitriol
                              oder 100 Gramme salpetersaures Blei.
                           
                           Der Harn enthält aber auch eine große Menge organischer stickstoffhaltiger Materien,
                              Ammoniaksalze, die zur Befruchtung des Bodens sehr schätzbar sind. Es wäre daher zu
                              wünschen, daß ein wohlfeiles Verfahren gefunden würde, um
                              die organischen Materien und Ammoniaksalze aus dem Harn niederschlagen zu können
                              (bevor man ihn laufen läßt). Dieser Niederschlag wäre der wirksamste und kräftigste
                              Dünger, den es gibt, und zugleich würde sein Transport am wenigsten kosten. Dann
                              könnte das überstehende Wasser, seiner der Fäulniß fähigen Stoffe beraubt, ohne
                              Gefahr für die Gesundheit sowie ohne allen Verlust für die Landwirthschaft,
                              weggegossen werden.
                           
                        
                           Zusatz.
                           Hr. Schattenmann, Director der chemischen Fabrik zu
                              Buxweiler, hat an die Redaction des Courrier du
                                 Bas-Rhin folgendes Schreiben gerichtet:
                           
                              „Ich vernehme daß die Gesundheitscommission gegenwärtig vergleichende
                                 Versuche anstellt über das Desinficiren der Abtrittgruben durch Eisenvitriol,
                                 welcher in gewissen Verhältnissen mit Gyps und Kohle oder Torf vermengt ist.
                                 Dieß veranlaßt mich auf eine im Jahr 1845 von mir erschienene (im polytechn.
                                 Journal Bd. XCV S. 312 mitgetheilte)
                                 Abhandlung „über die Desinfection der festen Excremente mittelst
                                    Eisenvitriols und ihre Anwendung als flüssiger Dünger“ aufmerksam
                                 zu machen, aus welcher hervorgeht, daß der Eisenvitriol das wirksamste und
                                 wohlfeilste Mittel zu dieser Desinfection ist, welche er augenblicklich und
                                 vollständig herstellt. Um das Desinficiren der Excremente zu begünstigen, hat
                                 sich die Administration der Bergwerke von Buxweiler jetzt entschlossen, den
                                 Preis des Eisenvitriols auf 8 Frc. per 100 Kil. (in
                                 Straßburg gelegt) herabzusetzen. Dieses Salz kommt nun wohlfeiler zu stehen als
                                 alle anderen bisher zur Desinfection gebrauchten MittelEine Zusammenstellung derselben enthält die Abhandlung von Chevallier, S. 306 in diesem Bande des
                                       polytechn. Journals., welche viel schwerer anzuwenden sind und bloß unvollkommene Resultate
                                 geben.
                              
                           
                              Der Gyps oder schwefelsaure Kalk kann nur das Aetzammoniak sättigen und es in
                                 schwefelsaures Ammoniak verwandeln; er wirkt aber gar nicht auf das
                                 Schwefelwasserstoffgas. Da sich der Gyps überdieß schwer zersetzt, so würde er
                                 auf den Boden der Abtrittgruben fallen und nur eine schwache Wirkung ausüben.
                                 Die Kohle und der Torf sind absorbirende Körper, welche auch desinficiren, wenn
                                 man sie in hinreichender Menge anwendet; sie können aber nach ihrer chemischen Natur die
                                 ammoniakalischen Ausdünstungen und das Schwefelwasserstoffgas nicht
                                 zerstören.
                              
                           
                              Ich bin weit entfernt die Gesundheitscommission zu tadeln, daß sie über alle
                                 Desinficirmittel vergleichende Versuche anstellt, was nur zweckmäßig und
                                 nützlich ist; aber ich bin im voraus überzeugt, daß der Eisenvitriol allen
                                 andern Desinficirmitteln bei weitem vorzuziehen ist, weil er bei seiner
                                 augenblicklichen und vollständigen Wirkung auch am wohlfeilsten ist und den
                                 Excrementen als Dünger mehr Kraft und Dauer verleiht.“