| Titel: | Ueber die Theorie der Türkischrothfärberei; von J. Persoz. | 
| Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XXXVIII., S. 216 | 
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                        XXXVIII.
                        Ueber die Theorie der Türkischrothfärberei; von
                           J.
                              Persoz.
                        Aus dessen Traité théorique et pratique de l'Impression
                                 des Tissus, Bd. III. S. 174. J. Persoz
                        Persoz, über die Theorie der Türkischrothfärberei.
                        
                     
                        
                           Die Operationen, durch welche man das Türkischroth auf Baumwollenzeugen erzielt,
                              sind:
                           1) das Oelen der Stücke, oder wenn man will, die Bildung
                              und Befestigung der organischen Beize auf dem Zeug;
                           2) das Galliren und Beizen, um
                              eine gewisse Menge Thonerde mit dem Zeuge zu verbinden (oder Eisenoxyd, wenn man
                              Violett erzielen will);
                           3) das Färben (Krappen) der geölten und gebeizten
                              Zeuge;
                           4) das Aviviren der gefärbten Stücke.Die specielle Beschreibung des Verfahrens der
                                    Elsasser und Schweizer Fabricanten zum Türkischrothfärben der
                                    Baumwollenzeuge, so wie der Methode des Hrn. Gastard, wurde aus dem Werke von Persoz
                                    bereits im polytechn. Journal Bd. CI S.
                                       205 mitgetheilt.A. d. Red.
                              
                           Oelen. Um die Zeuge zu ölen, genügt es nicht, sie mit
                              fetten Stoffen zu überziehen, denn die Erfahrung lehrt, daß ein Flecken von Oel oder
                              Fett, welches nicht modificirt ist, bloß die Stelle des Zeugs welche er bedeckt,
                              reservirt, d.h. sie verhindert die Thonerdebeize anzunehmen; man muß also die Natur
                              des Oels oder Fettes mittelst Alkalien oder alkalischer Verbindungen unter dem
                              Einfluß sowohl des Wassers als der Wärme und der Luft modificiren. Es handelt sich
                              hier keineswegs um eine bloße Verseifung, denn wenn dieß der Fall wäre, müßte es
                              genügen, die Zeuge mit Olivenölseife zu tränken und dann die fetten Säuren auf ihnen
                              frei zu machen, damit sie sich im Krappbad rosenroth färben können; im Gegentheil
                              gelingt die Operation des Oelens nie besser, als wenn man
                              einfach-kohlensaures und besonders doppelt-kohlensaures Kali oder Natron
                              anwendet, deren verseifende Wirkung bei gewöhnlicher Temperatur mit derjenigen der
                              ätzenden Alkalien nicht zu vergleichen ist.
                           Das Oel und die alkalischen Bicarbonate sind ohne Zweifel die Hauptelemente dieser
                              Operation; das Oel muß aber sogenanntes Turnant-Oel seyn und man muß ihm überdieß Substanzen von
                              eigenthümlicher Natur, z.B. Schafkoth oder Kuhkoth zusetzen, die man vergeblich zu entbehren suchte.
                              Man nimmt eine Infusion von diesem Koth – welchen einige Fabricanten eine
                              anfangende Gährung erleiden lassen – und versetzt sie mit der geeigneten
                              Menge Turnant-Oel und Potasche, wodurch man eine milchige Flüssigkeit erhält,
                              welche man Weißbad nennt und mit der man die Zeuge
                              grundirt, um sie so mit zertheiltem Oel, kohlensaurem oder
                              doppelt-kohlensaurem Alkali und einer gewissen Menge Kothsubstanz zu
                              überziehen (zu tränken). Diese Stücke werden dann bei schönem Wetter an der Sonne,
                              außerdem in einer geheizten Trockenstube aufgehängt. Hiebei erleidet die fette
                              Substanz eine Modification, welche sie in den schwachen Alkalien unauflöslich macht,
                              und sie erlangt in hohem Grade die Eigenschaft dem Gewebe stark zu adhäriren; da
                              diese Modification aber von der Oberfläche des Gewebes aus gegen den Mittelpunkt
                              desselben bewirkt wird, folglich die oberflächlichen Theile jeder Schicht, weil sie
                              mit dem Zeug keine Verbindung eingehen, sich von demselben leicht ablösen, so
                              wiederholt man das Passiren im Weißbad öfters, bis die Stücke im Centrum hinreichend
                              geölt sind.
                           Die Sonne und die Wärme üben einen sehr großen Einfluß auf die Stücke aus, welche man
                              an der Luft trocknet; im Herbst, im Winter und im Frühling ist es viel schwieriger
                              als im Sommer, die fette Substanz zu modificiren und zu befestigen. Wenn diese
                              Stücke in einer Trockenstube aufgehängt werden, machen sich die Wirkungen der
                              künstlichen Wärme nicht weniger bemerklich, und wenn man den gewünschten Grad nicht
                              erreicht, bemerkt man beträchtliche Verschiedenheiten in der Intensität der Nüancen;
                              deßwegen wendet man auch sehr niedere Trockenstuben an, welche eine gleichförmigere
                              Temperatur ermöglichen.
                           Worin besteht nun die Modification, welche die fette Substanz erleidet, wenn sie auf
                              dem Gewebe dem dreifachen Einfluß der Luft, der Wärme und der kohlensauren Alkalien
                              ausgesetzt ist; in welche Producte verwandelt sie sich bei dieser geheimnißvollen
                              Operation?
                           Die Lösung dieser Frage wäre in theoretischer Hinsicht sehr interessant und in
                              praktischer Beziehung wäre es sehr gewinnbringend, derartige fette Substanzen
                              beliebig modificiren zu können. Ich hatte über diesen Gegenstand eine Arbeit
                              begonnen, da ich aber erfuhr, daß sich Hr. Chevreul mit
                              ihm beschäftigt und schon alle erforderlichen Materialien hat, um zu einer Lösung zu
                              gelangen, so habe ich sie nicht fortgesetzt und theile bloß das Resultat einiger
                              Beobachtungen mit, welche im Jahr 1839 in meinem Laboratorium von Hrn. Weißgerber gemacht wurden. Dieser Fabricant beobachtete,
                              daß die auf gewöhnliche Art geölten Zeuge, welche ihre modificirte fette Substanz an
                              das Terpenthinöl abgeben, es ebenso vollständig an das
                              Aceton abtreten. Für Türkischroth geölter Zeug,
                              welcher nach dem Färben durch das Aviviren rein und satt rosenroth wurde, verlor in
                              dem Maaße als er mittelst Aceton abgezogen wurde, immer mehr die Eigenschaft sich zu
                              färben und zog endlich den Farbstoff im Krappbad nicht mehr an. Nachdem Hr. Weißgerber die Auflösung der fetten Substanz im Aceton
                              bei 70° R. destillirt hatte, um das Aceton daraus zu erhalten, fand er als
                              Rückstand eine fette klebrige Flüssigkeit, die sich in zwei Schichten trennte, eine
                              feste und eine flüssige. Um zu erfahren, ob diese klebrige Flüssigkeit noch die
                              wesentliche Eigenschaft der fetten Substanz besitzt, aus welcher sie entstanden war,
                              verseifte er sie mit starken Vasen, und da sich in den Verseifungsproducten keine
                              Spur von Glycerin entdecken ließ, so mußte er daraus schließen, daß diese fette
                              Substanz verschwunden war. Endlich überzeugte er sich – und ich kann die
                              Richtigkeit dieser Thatsache bestätigen – daß man nur
                                 eine geeignete Menge dieses modificirten fetten Körpers auf einen Zeug
                                 aufzudrucken braucht, um mit Krapp die dunkelsten und reinsten Nüancen zu
                                 erhalten. Ich zweifle daher gar nicht, daß wenn man einmal im Stande ist
                              diesen fetten Körper direct zu bereiten, die Thonerdebeizen entbehrlich werden.
                              Dafür spricht auch eine Beobachtung des Hrn. Chevreul,
                              welche er bei seiner Analyse eines gewissen Türkischroths
                              machte, aus welchem er nur eine sehr kleine Menge Thonerde abzuscheiden vermochte,
                              obgleich die Zeuge in den Türkischroth-Färbereien bekanntlich mit einer
                              bedeutenden Menge Thonerde gebeizt werden. Das Glycerin verschwindet bei dieser
                              Operation in Folge einer Oxydation und Metamorphose) erstere wird durch die
                              Einwirkung der Luft auf die geölten Stücke mit Beihülfe der Wärme bewirkt; letztere
                              durch die zugesetzten stickstoffhaltigen Substanzen, welche unentbehrlich sind um
                              die organische (fette) Materie in Bewegung zu setzen. Ohne Zweifel muß man als
                              stickstoffhaltige Substanzen hauptsächlich feste thierische Excremente anwenden) ich
                              sage hauptsächlich, weil ich durch eigene Versuche gefunden habe, daß der Schaf- und
                              Kuhkoth fette Stoffe enthalten, welche sich in demselben Zustand befinden wie
                              diejenigen auf den geölten Zeugen, und folglich die Eigenschaft besitzen den
                              Farbstoff anzuziehen; man könnte daher vielleicht den Act der Verdauung gewisser
                              Thiere benutzen, um fette so zu modificiren, daß sie in Form von festen Excrementen
                              direct bei der Türkischroth-Färberei anwendbar sind. Alle Türkischrothfärber
                              wissen, daß die Weißbäder um so wirksamer sind, je mehr altes
                                 Weißbad ihnen beigemischt ist, welches außer der gewöhnlichen fetten
                              Substanz auch die bereits modificirte enthält. Man hat dem Koth eine andere Rolle
                              zugeschrieben, nämlich die Stücke gegen die Verbrennung zu schützen, welche
                              bisweilen eintritt, wenn man sie so lange auf einander legen läßt, daß sie sich
                              erhitzen können. Die Temperatur-Erhöhung, welche in diesem Fall stattfindet,
                              kann aber wohl Folge einer Fixirung von Sauerstoff durch Oxydation der fetten
                              Substanz seyn. Bei den Operationen welche auf das Oelen der Stücke folgen, könnten
                              auch die in den festen thierischen Excrementen in großer Menge enthaltenen
                              phosphorsauren Salze eine Rolle spielen.
                           Nach den Passagen in den Weißbädern befindet sich also auf den Stücken, außer dem
                              Alkali: 1) nicht modificirte fette Substanz; 2) modificirte fette Substanz, welche
                              dem Gewebe nicht anhaftet; 3) modificirte fette Substanz welche dem Gewebe anhaftet.
                              Man ist daher genöthigt, die Zeuge zu reinigen; sonst würden sie das Thonerdesalz,
                              womit sie nun getränkt werden müssen, ungleichförmig fixiren, weil die nicht
                              modificirte fette Substanz als Reservage dienen würde. Hiezu weicht man sie
                              12–18 Stunden in einer Kufe in Wasser ein, worin ein wenig kohlensaures Kali
                              oder Natron aufgelöst ist; letzteres dient hier, damit alle modificirten oder nicht
                              modificirten Fetttheile, welche sich vom Gewebe ablösen müssen, um so leichter
                              suspendirt bleiben. Man nimmt die Stücke, eines nach dem andern, aus der Kufe, walkt
                              sie gut, und preßt sie sogar aus, um das ablaufende Bad zu sammeln, welches man altes Weißbad nennt und als viel wirksamer dem frischen
                              vorzieht.
                           Die angegebene Behandlung der Stücke ist die gewöhnlich befolgte; sie ist langwierig
                              und erheischt unausgesetzte Aufmerksamkeit, einerseits damit sich das Weißbad
                              gleichförmig auf der Oberfläche der Gewebe verbreitet, und andererseits damit das
                              Trocknen der Zeuge nach jedesmaliger Behandlung im Weißbad stets so gleichförmig als
                              möglich und bei bestimmten Graden bewerkstelligt
                              wird.
                           Man hat mich versichert (was ich aber nicht verbürgen kann), daß es gelungen ist
                              diese verschiedenen Operationen auf eine einzige zu reduciren, indem man das Gewebe mit
                              Kali- oder Natron-Bicarbonat tränkt und es dann gleichförmig mit
                              Turnant-Oel grundirt (welchem ohne Zweifel der erforderliche Stoff zugesetzt
                              wurde, damit es auf dem Zeuge die erwähnte Modification erleiden kann); da das
                              Gewebe beim Grundiren in Oel von demselben aber viel mehr aufnimmt als nöthig ist,
                              so läßt man das Stück, zwischen zwei anderen ungeölten befindlich, durch die zwei
                              Walzen der Maschine gehen. Man wiederholt die Operation mit neuen, bloß mit
                              Bicarbonat getränkten Stücken, bis das erste Stück von seinem Oel nichts mehr an das
                              Gewebe abgibt womit man es in Berührung bringt; die so mit Natron-Bicarbonat
                              imprägnirten und auf ihrer Oberfläche mit einer äußerst dünnen Oelschicht
                              überzogenen Stücke, hängt man dann in geheizten Trockenstuben auf, damit das Oel die
                              erforderliche Modification erleidet.
                           Hr. Ed. Schwartz hat viele Versuche angestellt, um die
                              Theorie des Oelens der Stücke aufzuklären und dieselben in einer (noch nicht
                              veröffentlichten) Abhandlung bei der Société
                                 industrielle in Mülhausen deponirt; er suchte hauptsächlich folgende zwei
                              Fragen zu lösen: 1) muß das Weißbad nothwendig Alkalien enthalten? 2) ist es möglich
                              die Operationen des Oelens abzukürzen und die Wirkung der Luft und der Wärme durch
                              kräftigere Agentien zu ersetzen, welche gewissermaßen augenblicklich die gewünschte
                              Reaction hervorbringen? – Die erste Frage beantwortet er bejahend, d.h. daß
                              man nothwendig kohlensaures Kali, Natron oder Ammoniak anwenden muß; als er nämlich
                              Oel mittelst Eigelb oder arabischen Gummi's in eine Emulsion verwandelte und mit
                              solcher Stückchen Calico tränkte, die er dann trocknete und wie bei Anwendung von
                              Weißbädern behandelte, endlich beizte, färbte und avivirte, erhielt er nur ein ganz
                              schlechtes schmutziges Rosenroth. Um die zweite Frage zu entscheiden, behandelte er
                              das Turnant-Oel: 1) mit einer concentrirten Auflösung von kohlensaurem Kali
                              bei der Temperatur, wo diese Mischung alle Eigenschaften des auf dem Gewebe
                              modificirten Oels annimmt; 2) mit Salpetersäure, welche erhitzt wurde bis sich keine
                              rothen Dämpfe mehr entwickelten; 3) mit Chlorkalk-Auflösung von 8°
                              Baumé; 4) mit Kali-Bicarbonat. Er fand, daß das Oel welches durch
                              irgend eines dieser oxydirenden Agentien modificirt wurde, auf gebeizten
                              Kattunstückchen befestigt, nach dem Färben und Aviviren bloß ein Roth erzeugt,
                              welches viel weniger lebhaft ist als man es nach. dem gewöhnlichen Verfahren
                              erzielt. Seine Versuche führten ihn sogar zu der Annahme, daß die fette Substanz
                              sich an der Oberfläche des Gewebes modificiren muß, um sich darauf zu befestigen
                              – eine Ansicht die ich nach den oben erwähnten Versuchen nicht theilen
                              kann.
                           
                           Hr. Schwartz fährt fort: „Sobald ich von der
                                 Wahrheit dieses Princips überzeugt war, stand ich davon ab, den fraglichen
                                 fetten Stoff im voraus zu bilden, und suchte ihn auf der Baumwolle selbst zu
                                 erzeugen, aber in einem kleineren Zeitraum und mit geringerem Aufwand von
                                 Brennmaterial; ich setzte daher ein Weißbad zusammen mit
                              
                           
                                4 Theilen Turnant-Oel,
                              
                           
                                1 Theil Potasche,
                              
                           
                              16 Theilen Wasser.
                              
                           
                              Ein mit derselben Mischung getränktes halb-weißes Kattunstückchen wurde um
                                 ein Rohr gerollt, in welchem Dampf circulirte. Nachdem es so zwei Stunden lang
                                 einer Wärme von 110° C. ausgesetzt worden war, tränkte ich es neuerdings
                                 mit der Mischung, trocknete es wie das erstemal, wusch, beizte, färbte und
                                 avivirte es. Die Farbe war schön, aber die Baumwolle durch die hohe Temperatur
                                 geschwächt worden.“
                              
                           
                              „Um diesem Fehler abzuhelfen, ersetzte ich die käufliche Potasche durch
                                 Kali-Bicarbonat und verfuhr auf dieselbe Weise: nun wurde die Baumwolle
                                 nicht mehr geschwächt und die Farbe war eben so schön. Endlich ersetzte ich das
                                 Kali-Bicarbonat durch Ammoniak-Bicarbonat, und selbst in diesem
                                 Falle war das Resultat ein eben so gutes. Da diese letzteren Versuche nicht im
                                 Großen angestellt wurden, so kann man nicht sagen, ob das eine oder andere
                                 dieser beiden letzteren Verfahren im Vergleich mit der alten Methode
                                 vortheilhaft wäre; es ist aber mit Grund anzunehmen, daß sie gelingen würden.
                                 Ich wage sogar die Vermuthung aufzustellen, daß wenn ein kohlensaures Alkali zur
                                 Bildung und Fixirung des fetten Stoffs auf der Baumwolle nöthig ist, die
                                 Kohlensäure dabei eine Rolle zu spielen scheint und vielleicht noch
                                 unentbehrlicher ist als das Alkali.“
                              
                           Beizen mit Thonerde. Wenn die Stücke nach den Oelbädern
                              vollkommen gereinigt sind (so daß das Wasser beim Auswinden derselben ganz klar
                              ablauft), grundirt man sie gleichförmig mit Alaun oder essigsaurer Thonerde (für
                              Violett mit salpeter-schwefelsaurem Eisenoxyd). Die Verwandtschaft der
                              modificirten fetten Substanzen zur Thonerde ist aber nicht so stark, daß sie die
                              gänzliche Zersetzung des Alauns und die vollständige Fixirung seiner Basis auf dem
                              Gewebe bewirken könnte; man muß daher andere Körper zu Hülfe nehmen, um die Adhärenz
                              der Thonerde am Zeug zu begünstigen; dazu dient ein Absud von Galläpfeln oder
                              Sumach, womit man die Stücke vor dem Alaunen tränkt, wenn man den Alaun nicht selbst
                              in diesem Absud auflöst. Hr. Daniel 
                              Köchlin hat gefunden, daß bei Anwendung von essigsaurer
                              Thonerde als Beize das Galliren keinen Einfluß auf die Nuance des Roth hat und bloß
                              den Vortheil gewährt, daß die Farbe haltbarer ist, besonders wenn die Stücke durch
                              eine Auflösung von Chlorkalk genommen werden müssen. Sind einmal die Stücke mit
                              einer Auslösung von Galläpfeln und Alaun getränkt, so trocknet man sie und passirt
                              sie durch Kreide, um den Alaun zu sättigen (in cubischen zu verwandeln), wo er dann
                              seine Basis an das Gewebe abzutreten vermag. Es ist zu verwundern, daß man nicht
                              gleich Anfangs den Alaun durch Kreide sättigt, von welcher er viel aufnimmt (1/8
                              seines Gewichts ohne sich zu trüben) und womit er eine sehr lösliche Verbindung
                              bilden würde, welche die Thonerde leicht an das Gewebe abgibt.
                           Wenn man essigsaure Thonerde anwendet, nimmt man die Stücke aus gewöhnliche Art durch
                              Kuhkoth und passirt sie in einem verdünnten Kreidebad.
                           Färben oder Krappen. Man färbt die Baumwollzeuge mit
                              ihrem gleichen bis doppelten Gewicht Krapp und einer gewissen Menge Kreide (kochend)
                              aus; es ist sogar unmöglich, ohne Anwendung von Kreide ein schönes Rosenroth zu
                              erhalten, welches keine Neigung hat einen violetten Ton anzunehmen. (Die Indier
                              wenden bei dem Färben mit Chaya-ver auch stets ein sehr kalkhaltiges Wasser
                              an.)
                           Außer der Kreide wendet man beim Krappen (für Türkischroth) oft auch eine gewisse
                              Menge Sumach an, in der Absicht an Krapp zu ersparen. Aus sehr gut angestellten
                              Versuchen von J. M. Haußmann geht hervor, daß ein Zusatz
                              von Sumach und Galläpfeln beim Krappbad zur Entwicklung einer viel größeren Menge
                              Farbstoffs beiträgt (Annales d'Oreilly, Bd. VIII S.
                              247). Aber Hr. Eduard Schwartz, welcher diesen Vortheil
                              einer satteren Färbung der Stücke bestätigt fand, ist überzeugt, daß das auf diese
                              Art gefärbte Roth ohne Vergleich weniger solid ist und sich folglich nicht für
                              Merinos eignet, welche die Chlorkalk-Küpe passiren müssen. Uebrigens könnte
                              dieser Zusatz noch eine andere Rolle spielen; denn die Versuche von J. M. Haußmann beweisen, daß wenn man mit Sumach oder
                              Galläpfeln (Gerbesäure) bei Gegenwart einer gewissen Menge von Kreide färbt, die
                              adstringirenden Substanzen sich derart modificiren, daß sich die Eisenbeizen
                              olivengrün und die Thonerdebeizen gelb färben.
                           Außer dem Sumach setzt man bisweilen dem Krappbad auch Ochsenblut (1/4 des
                              angewandten Krapps) oder eine gewisse Menge Kölner Leim zu.
                           
                           Aviviren. Beim Aviviren der gewöhnlichen krapprothen
                              Stücke in einem Seifenbad hat man hauptsächlich den Zweck, die fette Substanz der
                              Seife dem auf der Oberfläche des Zeugs befindlichen Krapplack einzuverleiben, um ihm
                              die verlangte Beständigkeit und Lebhaftigkeit zu ertheilen. Beim Aviviren des
                              Türkischroths hingegen, wo das Gewebe mit fetter Substanz gesättigt ist, besteht die
                              zu erzielende Wirkung darin: 1) den Ueberschuß dieser fetten Substanz zu beseitigen;
                              2) in dem rothen Lack einen Theil seiner Basis (Thonerde) durch Zinnoxyd zu
                              verdrängen, das seine Nuance modificirt und ihm das Feuer ertheilt welches das
                              Türkischroth charakterisirt.
                           Zum Aviviren benutzt man kohlensaures Kali, Seife und Zinnchlorür (Zinnsalz).
                              Meistens nimmt man zur ersten Avivage bloß Seife und Potasche, und zu den folgenden
                              Seife und Zinnsalz. Die Rolle, welche diese Körper spielen, ist leicht zu begreifen:
                              das kohlensaure Kali und die Seife bewirken die Auflösung der überschüssigen fetten
                              Substanz und lösen zugleich eine bedeutende Menge Farbstoff auf, welchen man in dem
                              Bade wieder findet; das Zinnchlorür wird zersetzt, Zinnoxydul verdrängt einen Theil
                              der Thonerde, tritt an deren Stelle, oxydirt sich und verwandelt das Roth in die
                              feurige Nuance, in Folge der Orangefarbe welche die in Krapp gefärbten
                              Zinnverbindungen annehmen.
                           
                        
                           Haußmann's Verfahren das Olivenöl beim
                                 Türkischrothfärben durch Leinöl zu ersetzen.
                           Haußmann beschreibt dieses Verfahren in einer im Jahr X der Republik von ihm verfaßten Abhandlung, welche im
                              Journal d'Orelly Bd. VIII veröffentlicht wurde. Er
                              wandte dabei eine Auflösung von Thonerde in Aetzkali an; um dieselbe zu bereiten,
                              behandelte er 1 Theil Alaun mit 2 Theilen heißen Wassers, und während die
                              Flüssigkeit im Kochen war, versetzte er sie mit so viel concentrirter Aetzlauge, als
                              nöthig war um die Thonerde des Alauns niederzuschlagen und wieder aufzulösen. Beim
                              Erkalten und Stehenlassen setzte sich das schwefelsaure Kali großentheils ab; von
                              der abgegossenen klaren Auflösung des Thonerdekalis versetzte er 33 Theile mit 1
                              Theil Leinöl, um eine Emulsion zu erhalten, womit er die Baumwollzeuge tränkte. Die
                              so präparirte Baumwolle wurde im Sommer im Freien, im Winter in einer geheizten
                              Kammer getrocknet; nach 24 Stunden spülte man sie im Fluß und trocknete sie dann;
                              hierauf tränkte man sie neuerdings in der alkalischen Emulsion, um sie dann schnell
                              an der Luft zu trocknen u.s.f., bis das Gewebe die erforderliche Anzahl von
                              Emulsionen erhalten hatte. J. M. Haußmann sagt a. a. O.:
                              „Zwei Tränkungen mit der Mischung von Thonerdekali und Leinöl reichen
                                 hin, um ein schönes Türkischroth zu erhalten; tränkt man aber die Baumwolle noch
                                 einmal oder zweimal unter denselben Umständen, so wird man außerordentlich
                                 glänzende Farben erhalten.“
                              
                           Da durch diese Operationen die Baumwolle gleichzeitig geölt und gebeizt wurde, so
                              konnte er unmittelbar zum Färben schreiten, wobei er auch Kreide (1/6 des
                              Krappgewichts) zusetzte. Er nahm auf 1 Theil Krapp 40 Theile Wasser, brachte das Bad
                              im Verlauf einer Stunde allmählich auf eine Temperatur, wobei man die Hand noch
                              darin halten konnte, ohne sie zu verbrennen, und ließ dann die Baumwolle noch zwei
                              Stunden im Bad, so daß die Operation drei Stunden dauerte. Nach dem Färben wurden
                              die Stücke gewaschen, gewalkt und dann in Kleie passirt; wenn sie eine in
                              Carmesinroth stechende rosenrothe Nuance erhalten sollten, setzte man bei dieser
                              Passage noch Seife und Potasche zu.
                           Der Sohn des Hrn. Haußmann hat mir bestätigt, daß nach
                              dieser Methode ein sehr schönes und lebhaftes Türkischroth erzielt wurde, aber auch
                              bekannt, daß sie nicht im Großen angewandt werden konnte, weil dabei die Resultate
                              niemals günstig ausfielen.