| Titel: | Ueber die Anwendung des Salzes in der Landwirthschaft. | 
| Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XXXIX., S. 225 | 
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                        XXXIX.
                        Ueber die Anwendung des Salzes in der
                           Landwirthschaft.
                        Ein Circular des französischen Handelsministers,
                           die Anleitung dazu enthaltend.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1849, Nr.
                              1386.
                        Ueber die Anwendung des Salzes in der Landwirthschaft.
                        
                     
                        
                           Paris, den 14. Septbr. 1849.
                           Hr. Präfect!
                           Die von der Nationalversammlung am 18. Decbr. 1848 beschlossene Herabsetzung der
                              Auslage auf Salz, hat dasselbe dem landwirthschaftlichen Gebrauch zugänglicher
                              gemacht. Die Oekonomen sind nun in Stand gesetzt, mittelst zahlreicher,
                              abgeänderter, in größerm Maaßstab angestellter Versuche, genauere Kenntnisse über
                              die Vortheile und Nachtheile der Anwendung des Salzes zu erwerben.
                           Die Staatsverwaltung hält es für ihre Pflicht, zu diesen Versuchen zu ermuntern und
                              sie zu leiten. Indem man die Landwirthe von erwiesenen Thatsachen unterrichtet, muß man sie ebensowohl
                              vor einem zu großen Mißtrauen, als vor übertriebenen Hoffnungen warnen; man muß sie
                              ferner soviel wie möglich von einem Herumtappen bei ihren Versuchen abhalten, und
                              ihnen gewisse Gränzen angeben, auf welche ihre Versuche sich zu beschränken haben.
                              Nachdem die Regierung die Ansichten der sachverständigsten Männer über die Anwendung
                              des Salzes eingeholt hat, stellte sie folgende Anleitungen zusammen, welche Sie, Hr.
                              Präfect, zur Kenntniß der Landwirthe Ihres Departements zu bringen haben.
                           Das Salz wurde besonders als Zusatz für das Viehfutter empfohlen und in Anwendung
                              gebracht. Seit vielen Jahren schon fanden geschickte Viehhalter in dem Gebrauch
                              desselben hinlängliche Vortheile, um sich durch die Anschaffungskosten desselben,
                              die viel höher waren als sie sich jetzt stellen, nicht davon abhalten zu lassen.
                              Namentlich scheint es auf die Wiederkauer von sehr guter Wirkung zu seyn. Die
                              Begierde, welche die Tauben darnach haben, macht es wahrscheinlich, daß es auch dem
                              Geflügel mit gutem Erfolge gegeben werden könnte. Als Zusatz zum Pferdefutter
                              scheint es nicht denselben Vortheil zu gewähren.
                           Bei der Ernährung der Thiere scheint das Kochsalz mitzuwirken:
                           1) indem es das Futter conservirt, der Gährung Einhalt thut und das Schimmeln
                              verhindert;
                           2) indem es die auflöslichen Salze ersetzt, welche gewisse vegetabilische
                              Nahrungsmittel durch das Waschen verloren haben (Beispiele: der Kartoffelbrei, der
                              Brei in Wasser gekochter Runkelrüben);
                           3) indem es die nachtheilige Wirkung feuchten, verdorbenen oder sonst schlechtern
                              Futters aufhebt (auch betrachten die meisten Ackerbauverständigen das Salz als ein
                              Schutzmittel gegen die wässerige Cachexie, welcher die auf feuchten Wiesen
                              geweideten Schafe unterworfen sind);
                           4) indem es endlich den Speichel reichlich treibt und dadurch den Verdauungs-
                              und Assimilirungsact begünstigt; es wird auf diese Weise der Appetit des Viehes
                              hervorgerufen (was besonders im letzten Stadium der Mästung von Nutzen ist) und zu
                              gleicher Zeit die Erzeugung von Fett, Milch etc. befördert.
                           Allerdings kann diese Futterungsart die Thiere erhitzen; diesem Uebelstand hilft man
                              aber dadurch ab, daß man statt des Salzes eine gleiche Portion krystallisirtes
                              schwefelsaures Natron (Glaubersalz) reicht, oder man kömmt ihm dadurch zuvor, daß
                              man zeitweise (z.B. zweimal in der Woche) das Kochsalz durch Glaubersalz ersetzt.
                              Das Glaubersalz kostet
                              übrigens nicht mehr als das Kochsalz; je nach dem Orte nämlich wird es per 100 Kilogr. mit 8 bis 15 Fr. bezahlt.
                           Ueber die den Rationen beizumengende Portion Salz lassen sich keine festen Regeln
                              aufstellen; man hat sich mit derselben nach der mehr oder weniger großen
                              Feuchtigkeit des Klima's, des Bodens, der Jahreszeit, des Futters zu richten; der
                              Salzzusatz muß um so kleiner seyn, je jünger das Thier istWenn eine Milchkuh täglich 60 Gramme (2 Unzen) verzehrt, so erhält ein
                                    halbjähriges Kalb nur 20 Gramme, ein einjähriges 30–40 Gramme.; hingegen verstärkt werden, wenn die lymphatische Constitution des
                              Individuums oder ein krankhafter Zustand eine stärkendere (tonischere) Nahrung
                              erheischt.
                           Es hat seine Schwierigkeiten, bei Bestimmung der Salzmenge allen diesen verschiedenen
                              Umständen Rechnung zu tragen und ihre relative Erheblichkeit gehörig zu würdigen;
                              diese Schwierigkeiten verschwinden aber, wenn man die Salzconsumtion, wie in
                              gewissen Ländern, dem Instinct des Viehes selbst überläßt. Man füllt nämlich Säcke
                              von starker, aber nicht zu dicht gewobener Leinwand mit Salz, befeuchtet sie ein
                              einzigesmal und setzt sie den Thieren vor. Diese lecken daran und lösen so das Salz,
                              dessen sie bedürfen, durch ihren Speichel auf. In Gegenden, wo Steinsalz zu haben
                              ist, thut man sich noch viel leichter, indem dabei die Säcke überflüssig sind.
                           Im Allgemeinen reicht man das Salz am besten mit dem Futter vermengt. Vorzüglich wenn
                              das Futter eine Zeit lang, ehe es verzehrt wird, mit Salz imprägnirt bleibt, ist
                              dasselbe von sehr guter Wirkung und erregt beim Vieh starken Appetit. Uebrigens
                              lassen sich, man mag so verfahren, oder die Zurichtung des Gemenges erst im
                              Augenblick der Darreichung vornehmen, die Salzportionen (durch besondere Umstände
                              gebotene Abänderungen ausgenommen) auf folgende Quantitäten festsetzen:
                           Zugochs, ausgewachsen und von gewöhnlicher Größe, täglich per Stück 60 Gramme (2 Unzen) Salz;
                           Milchkuh, ausgewachsen und von gewöhnlicher Größe, täglich per Stück 60 Gramme;
                           Mastochs, ausgewachsen und von gewöhnlicher Größe, täglich per Stück 80 bis 150 Gramme, je nach seinem Gewicht und dem Stadium der
                              Mastung;
                           
                           Mastschwein, ausgewachsen und von gewöhnlicher Größe, täglich per Stück 30 bis 60 Gramme (1 bis 2 Unzen), je nach dem Gewicht und
                              Stadium der Mastung;
                           Hammel, ausgewachsen und von gewöhnlicher Größe, täglich per Stück 150 bis 200 Gramme; in der Mastung das Doppelte;
                           Pferd, Stute, Maulesel, ausgewachsen und von gewöhnlicher Größe, täglich per Stück 30 Gramme (1 Unze).
                           Folgendes ist eine Zusammenstellung der bei einem der ersten Viehhalter zu Paris,
                              welcher bis 60 Stück Vieh in seinen Ställen hält, schon über 10 Jahre gebräuchlichen
                              Futter-Rationen:
                           
                              
                                 
                                 Für eine Kuh.
                                  Für eine Eselin.
                                 Für eine Ziege.
                                 
                              
                                 Runkelrüben
                                 46
                                 Kil.
                                    14 Kil.
                                 
                                        5
                                    9/10
                                 Kil.
                                 
                              
                                 Gelbrüben
                                 34
                                 „
                                 12  „
                                 
                                        4
                                    9/10
                                 „
                                 
                              
                                 Grießkleien und schwarzes Kleienmehl
                                         5
                                    1/2
                                 „
                                   2  „
                                 
                                 1
                                 „
                                 
                              
                                 Luzerne
                                   3
                                 „
                                   1  „
                                    50 Gr.
                                          1/2
                                 „
                                 
                              
                                 Haberstroh
                                   6
                                 „
                                   2  „
                                 100   „
                                   1
                                 „
                                 
                              
                                 Kochsalz
                                 50
                                 Gr.
                                 
                                   20   „
                                 10
                                 Gram.
                                 
                              
                           
                        
                           Näheres über die Zubereitung der
                                 Gemenge.
                           
                              1) Zur Zeit der Darreichung
                                    bereitetes Gemenge.
                              Wenn das auszutheilende Futter feucht ist, begnügt man sich es mit Salz zu
                                 bestreuen; ist es aber trocken, so befeuchtet man es mit Wasser, in welchem man
                                 das Salz aufgelöst hat.
                              Wir wollen hier einige Futterrationen aufführen, deren guter Erfolg gerühmt
                                 wird.
                              Für Schweine.
                              
                                 
                                    Mit Dampf gekochte Kartoffeln
                                    10    Kil.
                                    
                                 
                                    Roggenmehl
                                      1/2  „
                                    
                                 
                                    abgerahmte Milch oder Molke
                                      3     „
                                    
                                 
                                    Salz
                                    15 bis 20  Gramme.
                                    
                                 
                              Vorzüglich zuträglich ist dieses Gemenge den säugenden Mutterschweinen. Wenn es
                                 das Thier zu stark abführen würde, dürfte man es aber nicht anwenden.
                              
                           
                              2) In Vorrath zubereitete
                                    Gemenge.
                              In einigen Ländern ist es schon seit sehr langer Zeit gebräuchlich, das Heu, wenn
                                 man es in Schober legt, zu salzen; die Schober werden aus übereinander gelegten
                                 Schichten gebildet, deren jede mit 2 bis 5 Kilogr. Salz auf 1000 Kilogr. Heu, je
                                 nachdem dasselbe mehr oder weniger trocken ist, eingestreut wird. Man pflegt
                                 auch Stroh zuzusetzen, welches bewirkt, daß die Feuchtigkeit besser verschluckt
                                 wird.
                              Das Salz kann auch recht vortheilhaft mit gehacktem und befeuchtetem Stroh, oder
                                 mit zerschnittenen und zerquetschten Kartoffeln, oder auch mit Runkelrüben,
                                 Kleie, Getreidehülsen, Oelpreßkuchen oder mit mehreren dieser Nahrungsmittel
                                 zugleich gemengt werden. Man thut gut, solche Gemenge 2–3 Tage gähren zu
                                 lassen.
                              Man kann dem Vieh das Salz jeden Tag oder auch zwei- bis dreimal in der
                                 Woche reichen. Es versteht sich, daß die den Rationen zuzusetzende Menge um so
                                 größer seyn muß, je seltener man es gibt; am besten dürfte es wohl seyn, dem
                                 Vieh täglich einmal Salz zu geben.
                              Die von der Regierung für die Anwendung dieser Verfahrungsweisen bewilligten
                                 Ermunterungen werden nicht nur ein heilsamer Antrieb für einen wichtigen Zweig
                                 unserer landwirthschaftlichen Industrie seyn, sondern, wie zu hoffen, noch
                                 fruchtbarere Folgen von allgemeinerm Interesse haben; denn diese Anwendungsweise
                                 des Salzes wird die Landwirthe nöthigen zu wägen, zu messen, zu beobachten, kurz
                                 sich über die Productionskosten ins Klare zu setzen. Erst nachdem dieser Geist
                                 der Ordnung und der Berechnung sich hinlänglich verbreitet hat, können die
                                 verschiedenen Verfahrungsweisen des Anbaues miteinander verglichen, über jede
                                 ein richtiges Urtheil gefällt und die besten ausgewählt werden, so daß man als
                                 letztes Ziel zur größten Entwicklung des Wohlstandes, des Beobachtungsgeistes,
                                 des praktischen Sinnes in der Masse der Bevölkerung gelangt.
                              Die Regelmäßigkeit und Einsicht, mit welcher in jeder Wirthschaft dieses
                                 Rechnungswesen geführt wird, dessen Vortheile soeben geschildert wurden, könnte
                                 durch Untersuchungen an Ort und Stelle behufs öffentlicher Belohnungen ermittelt
                                 werden. In einigen Jahren würde dann die Zusammenstellung zahlreicher und
                                 fortgesetzter Aufzeichnungen, welche eine sichere Gewähr ihrer Richtigkeit
                                 darböten, nach Landstrichen oder Gegenden, statistische Aufschlüsse von höchstem
                                 Interesse liefern.
                              Hinsichtlich der unmittelbaren Anwendung des Salzes zur Cultur des Bodens, sind
                                 die Resultate der bisher angestellten Versuche weder zahlreich noch entscheidend
                                 genug, um sich bestimmt über den Nutzen desselben aussprechen zu können; nur die
                                 Zeit und zukünftige praktische Versuche können uns darüber aufklären. Es
                                 scheint, daß man bei den verschiedenen Culturen gute Resultate erwarten kann,
                                 wenn der Boden nur die gerade hinreichende Menge von Chlornatrium (Kochsalz)
                                 oder Chlorcalcium enthält und die Feuchtigkeit, ohne zu groß zu seyn, hinreicht
                                 zu verhindern, daß die Salzlösung in Berührung mit den jungen Pflanzen oder den
                                 keimenden Samenkörnern sich ansammelt.
                              Es leuchtet ein, daß es da, wo sich diese Umstände vereinigt finden, von
                                 doppeltem Vortheil ist, dem Viehfutter Salz beizumengen, einmal weil dasselbe
                                 zur Erhaltung der Gesundheit des Viehes beiträgt, und dann, weil es sich später
                                 in einer Form, wo es den Pflanzen von Nutzen wäre, im Dünger vorfände.
                              Uebrigens braucht die Erde, damit das Salz nützlich wirkt, nicht mehr als ein
                                 Tausendstel ihres Gewichts Kochsalz, oder Chlornatrium und Chlorkalium, oder von
                                 einem andern salzsauren Alkali zu enthalten.
                              Schließlich brauche ich wohl kaum zu bemerken, daß die Regierung hiemit weder
                                 alle Verfahrungsweisen angegeben, noch alle Fälle der Anwendung des Salzes
                                 vorgesehen haben will; sie wollte nur die Aufmerksamkeit der Landwirthe auf die
                                 neuen Verfahrungsweisen hinlenken und sie zu Versuchen ermuntern.
                              Genehmigen Sie, Hr. Präfect etc.
                              Der Minister für Ackerbau und Handel. V. Lanjuinais.