| Titel: | Ueber einige Eigenschaften der verschiedenen Zuckerarten; von E. Soubeiran. | 
| Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. LXXI., S. 370 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXXI.
                        Ueber einige Eigenschaften der verschiedenen
                           Zuckerarten; von E.
                              Soubeiran.
                        Aus dem Journal de Pharmacie, Oct, 1849, S.
                              259.
                        Soubeiran, über einige Eigenschaften der verschiedenen
                           Zuckerarten.
                        
                     
                        
                           Die von mir mitzutheilenden Thatsachen stehen in inniger Beziehung mit Hrn. Dubrunfaut's BeobachtungenPolytechn. Journal Bd. CII S. 304,
                                    Bd. CVII S. 358 und Bd. CVIII S. 385. welche ich im Folgenden kurz zusammenfasse:
                           1. „Wenn man umgesetzten Zucker der Gährung unterwirft, so verändert sich
                                 seine Drehung nicht eher, als bis 3/5 des Zuckers in Alkohol verwandelt sind;
                                 dann vermindert sie sich; wenn man nun die Flüssigkeit abdampft, um sie zur
                                 Syrupconsistenz zu bringen, so besitzt der erhaltene Syrup ein Rotationsvermögen
                                 nach links, welches dreimal so groß ist als dasjenige des ursprünglichen Syrups.
                                 Hr. Dubrunfaut schließt daraus, daß der umgesetzte
                                 Zucker aus zweierlei Zuckerarten bestand, wovon die eine neutral ist und zuerst
                                 zerstört wird, und die zweite eine starke Rotation nach links
                                 besitzt.“
                              
                           2. „Wenn man eine Auflösung umgesetzten Zuckers, der – 24°
                                 links zeigt, der milchsauren Gährung unterzieht, so steigt die Drehung bis
                                 – 36° links, nimmt aber dann ab. Hr. Dubrunfaut erklärt dieß durch die Annahme, daß 12° links des
                                 umgesetzten Zuckers neutralisirt waren durch 12° rechts, die dem Glucos
                                 angehören, woraus er schließt, daß der umgesetzte Zucker ein Gemenge, oder eine
                                 Verbindung von Glucos und einem Zucker mit starkem Rotationsvermögen nach links
                                 gewesen sey.“
                              
                           3. „Wenn ein Syrup von umgesetztem Zucker krystallistrt, so besitzt der
                                 nach Absonderung des Glucos zurückbleibende Syrup eine stärkere Ablenkung zur
                                 Linken als der ursprüngliche Syrup. Läßt man das Gemenge von Krystallen und
                                 nicht festgewordenem Syrup zerfließen, so findet man die dem ursprünglichen
                                 Syrup angehörige Rotation wieder. Hr. Dubrunfaut
                                 zieht daraus den Schluß, daß der umgesetzte Zucker völlig gebildetes Glucos
                                 enthalte. Nur die Erscheinung der Gährung, sagt er, zeigte daß er verbunden
                                 war.“
                              
                           
                           Ich habe den Versuch hinsichtlich der milchsauren Gährung nicht wiederholt; aber eine
                              Beobachtung, welche ich über die geistige Gährung anstellte, nahm durchaus nicht den
                              von Hrn. Dubrunfaut angegebenen Verlauf. Ich stellte den
                              Versuch mit 6 Kilogr. Rohrzucker an die ich mittelst Oxalsäure umsetzte und suchte
                              mich sehr sorgfältig zu überzeugen, ob die Umsetzung vollständig vor sich gegangen
                              sey und kein Rohrzucker mehr in der Flüssigkeit zurückbleibe. Nachdem ich die Säure
                              mit Marmor gesättigt hatte, stellte ich die Flüssigkeit in einem Gefäße, welches
                              keine Verdunstung gestattete, zum Gähren hin und untersuchte von Zeit zu Zeit ihren
                              Zustand.
                           Um die Ablenkung bei den Versuchen mit dieser Flüssigkeit, welche nicht viel Zucker
                              enthielt, augenfälliger zu machen, dampfte ich sie jedesmal im Wasserbade auf das
                              Drittheil ihres Volums ab. Die Ablenkung wurde immer in einer 299,10 Millimeter
                              langen Röhre und bei der Temperatur von 21° C beobachtet.
                           
                              
                                 Ursprüngliche Flüssigkeit.
                                 Ablenkung.
                                 Dichtigkeit.
                                 Procentzahlan fester Masse.
                                 
                              
                                 Nach
                                   12
                                 Stunden
                                 18
                                 1,15
                                 35,1
                                 
                              
                                 –
                                   24
                                 –
                                 19
                                 1,13
                                          34
                                 
                              
                                 –
                                   46
                                 –
                                    20,5
                                 1,11
                                          33
                                 
                              
                                 –
                                   71
                                 –
                                 22
                                 1,10
                                          29
                                 
                              
                                 –
                                 116
                                 –
                                 23
                                 1,08
                                 25,1
                                 
                              
                                 –
                                 164
                                 –
                                 25
                                   1,071
                                 21,3
                                 
                              
                                 –
                                 212
                                 –
                                 22
                                   1,065
                                 18,3
                                 
                              
                                 –
                                 332
                                 –
                                 19
                                   1,063
                                 13,5
                                 
                              
                                 –
                                 432
                                 –
                                 10
                                 1,05
                                 11,5
                                 
                              
                           Bei diesem Versuche gingen die Dinge nicht vor, wie Hr. Dubrunfaut beobachtet hatte. Der Ablenkungszustand der Flüssigkeit blieb
                              nicht lange Zeit unverändert, aber die Zunahme der Drehung nach links zeigte sich
                              alsbald.
                           Der Hergang spricht nicht zu Gunsten der von Hrn. Dubrunfaut aufgestellten Hypothese und macht es durchaus nicht nothwendig
                              anzunehmen, daß das Atom umgesetzten Zuckers aus zwei verschiedenen Zuckern
                              zusammengesetzt sey. Um doch eine Erklärung zu geben, möchte ich lieber annehmen,
                              daß das Zuckeratom nicht mehr in allen seinen Theilen homogen sey; und daß die
                              Zerstörung der oberflächlichen Schichten am Anfange der Gährung, die tieferliegenden
                              Schichten, welche ein stärkeres Rotationsvermögen besitzen, bloßlegt.
                           
                           Der dritte Versuch des Hrn. Dubrunfaut steht in näherer
                              Beziehung zu meinen Versuchen mit dem Honig.Polytechn. Journal Bd. CXIII S.
                                       383. Ich mußte ihn mit um so größerer Aufmerksamkeit prüfen, als er mit einer
                              meiner frühern Beobachtungen im Widerspruch zu seyn scheint.
                           Ich hatte nämlich umgesetzten Zuckersyrup, nachdem sein Rotationsvermögen bestimmt
                              war, der Krystallisation überlassen. Sowie sich das Glucos absetzte, prüfte ich ihn
                              neuerdings auf sein Rotationsvermögen und fuhr damit fort, bis die zu einer Masse
                              erstarrte Substanz keinen Syrup mehr abfließen ließ. Alle zu verschiedenen Zeiten
                              von dem erstarrten Glucos abgezogenen Syrupe zeigten eine von derjenigen des
                              ursprünglichen Syrups kaum abweichende Drehung. Ich glaubte daraus schließen zu
                              können, daß das Phänomen des Festwerdens des umgesetzten Zuckers bloß in der
                              Molecular-Bewegung besteht, welche im Zucker vor sich geht. Aber die
                              Beobachtung des Hrn. Dubrunfaut ist richtig; ich hatte
                              die Untersuchung nicht weit genug fortgesetzt. Folgendes sind zwei neue Versuche
                              hierüber. Syrup von umgesetztem Zucker zeigte 18,7° links bei + 15° C.
                              Er wurde am 11 Julius 1848 in einer verstopften Flasche in den Keller gestellt.
                           Am 8. September begann er zu krystallisiren.
                           
                              
                                 Am
                                   8 September war seine Rotation
                                 19 links
                                 
                              
                                 
                                 12        
                                    „
                                 19,1
                                 
                              
                                 
                                 17        
                                    „
                                 19,3
                                 
                              
                           Am 9. Oct. war der Syrup in der Masse eingeschlossen und mußte ausgepreßt werden, um
                              das Flüssige zu erhalten.
                           Der ausfließende Syrup hatte – 36° links.
                           Ein anderer Versuch gab.
                           
                              
                                 Ursprünglicher Syrup, Temperatur 15° C.
                                 20 links
                                 
                              
                                 1er Syrup während der Krystallisation
                                 19,8
                                 
                              
                                 2er Syrup
                                 19,8
                                 
                              
                                 3er
                                 20,2
                                 
                              
                                 4er
                                 20
                                 
                              
                                 5er
                                 39,6
                                 
                              
                           Hr. Dubrunfaut erklärt diese Erscheinungen, indem er sagt,
                              daß der umgesetzte Zucker aus Glucos und flüssigem Zucker von entgegengesetzter
                              Drehung bestehe, welche sich erst im Augenblick des Festwerdens trennen. Ist es aber
                              nicht vielmehr ein gleichartiger bestimmter Körper, welcher unter gewissen Umständen in zwei neue
                              Körper zerfällt? Letztere Annahme scheint mir viel mehr für sich zu haben.
                           Das Festwerden des flüssigen Honigs der Bienenkörbe ist sicherlich eine ähnliche
                              Erscheinung wie das Erstarren des umgesetzten Zuckers, nur gehen beide mit
                              verschiedenen Zuckervarietäten vor sich. Nach Dubrunfaut
                              hat nämlich der vom umgesetzten Zucker abgetrennte Zucker ein dreimal so starkes
                              Rotationsvermögen als der umgesetzte Zucker selbst; während ich bei genauer Messung
                              des flüssigen Honigzuckers dessen Rotationsvermögen nicht ganz doppelt so groß als
                              jenes des umgesetzten Zuckers fand; er ist daher nicht dieselbe Zuckerart. Auch
                              erinnere ich, daß Hr. Bouchardat früher aus dem Inulin
                              einen Zucker mit starker Drehung nach links erhalten hat.
                           Ich kann nun auf Versuche zurückkommen, welche ich im Jahr 1841 bekannt machte, da
                              sie jetzt ihre befriedigende Erklärung finden. Ich habe mich damals des optischen
                              Verfahrens als analytischen Mittels bedient, und gezeigt, daß die längere Einwirkung
                              des Wassers auf Zucker, bei abgehaltenem Luftzutritt und bei der Temperatur eines
                              Kochsalzbades, genau dieselbe ist, wie diejenige der verdünnten Säuren bei
                              gewöhnlicher Temperatur. Der Rohrzucker verschwindet allmählich und wird durch
                              umgesetzten Zucker mit Rotation nach links ersetzt, ohne daß sich dabei eine Säure
                              oder ein Farbstoff bildet.
                           Ich hatte drei Syrupe aufbewahrt, welche durch dieses Verfahren, jedoch in
                              verschiedenen Graden, modificirt worden waren; bei dem einen war die Drehung zur
                              Rechten verschwunden und das Rotationsvermögen des Syrups Null geworden. Bei einem
                              andern hatte die länger fortgesetzte Behandlung die Drehung auf – 7 zur
                              Linken für eine Länge von 100 Millimeter gebracht. Beim dritten endlich hatte die
                              Drehung zur Linken – 19,5 erreicht; wenn der gebildete Zucker nun ganz
                              derselbe war, wie er durch Einwirkung der Säuren auf den Rohrzucker entsteht, so
                              mußten diese Syrupe Glucos absetzen. Das thaten sie auch wirklich; alle hinterließen
                              aber eine Portion flüssigen Syrups, welcher bis heute, im Jahr 1849, keine neue
                              krystallinische Ablagerung mehr machte. Diese Syrupe unterzog ich einer neuen
                              Untersuchung.
                           Der erste war das Product eines durch Wasser und Wärme am 31. August 1842 umgesetzten
                              und auf 0 Rotation gebrachten Syrups. Am 7 Nov. desselben Jahrs hatte sich daraus
                              reichlich Glucos abgesetzt; der flüssige Syrup wurde abgesondert und in einem
                              verschlossenen Gefäße aufbewahrt. Am 16. Julius 1848 hatte er noch nicht die
                              mindeste Veränderung
                              erlitten. Für eine Röhrenlänge von 100 Millimetern und bei + 15° C. hatte er
                              eine Rotation von – 42,5 links.
                           Mittelst Salzsäure umgesetzt, wurde seine Rotation – 48,5 links.
                           Bei einem zweiten Syrup wurde der Einwirkung des Wassers und der Wärme am 27. October
                              1842 Einhalt gethan, als er eben für 100 Millimeter Länge und + 15°
                              Temperatur – 7° links zeigte.
                           Am 27. November desselben Jahres fand sich die ganze Masse gestockt. Das
                              krystallisirte Glucos wurde mittelst der Presse abgesondert und am 16. Julius 1843
                              hatte der übrige flüssige Syrup keine Krystalle mehr gegeben. Seine Rotation bei +
                              15° Temperatur und 100 Millimeter Röhrenlänge betrug damals – 43,5
                              links. Er enthielt noch Rohrzucker, denn Salzsäure steigerte seine Rotation zur
                              Linken noch bis 48.
                           Ein anderer Zuckersyrup wurde am 14. Julius 1841 im Kochsalzbad bis auf eine Rotation
                              von – 15° links gebracht; er gab eine Glucos-Krystallisation,
                              von welcher der flüssig gebliebene Syrup am 14. December 1842 abgesondert wurde. Am
                              12. Julius 1848 zeigte dieser, inzwischen nicht krystallisirte Syrup 50,4 Drehung
                              zur Linken; er enthielt noch etwas Rohrzucker, denn Salzsäure steigerte seine
                              Drehung zur Linken bis auf 52°.
                           Diese Versuche, welche einmal die Fällung von Glucos aus einem Syrup nachweisen,
                              welcher bloß der Einwirkung von Wasser und Wärme ausgesetzt worden war, und zugleich
                              die Absonderung eines Syrups dessen moleculares Rotationsvermögen viel stärker ist,
                              als dasjenige des umgesetzten Zuckers, liefern einen entscheidenden Beweis für die
                              von mir aus der bloßen Beobachtung der optischen Eigenschaften gezogenen Schlüsse,
                              d.h. sie lassen nicht mehr den mindesten Zweifel übrig, daß der Rohrzucker durch
                              Einwirkung verdünnter Säure gerade so in Fruchtzucker umgewandelt wird, wie durch
                              das bloß von Wärme unterstützte Wasser.
                           Ein weiterer Punkt blieb bei meinen frühern Versuchen unerklärt, welcher gegenwärtig
                              seine genügende Erklärung findet. Es ist folgender: wenn Rohrzuckersyrup durch
                              länger fortgesetzte Einwirkung von Wasser und Wärme umgesetzt wurde, und man
                              fortfährt ihn zu erhitzen, oder wenn man Zuckersyrup nimmt, welcher durch eine Säure
                              umgesetzt, dann aber gesättigt wurde, und ihn auf der Temperatur des Salzbades
                              erhält, so erleidet der eine wie der andere eine Veränderung, färbt sich und erhält zuletzt
                              die Drehung zur Rechten; es ist dieß die Folge der Zerstörung des umgesetzten
                              Zuckers. Die Drehung zur Rechten, welche gegen das Ende des Versuchs eintritt, kömmt
                              daher, daß der umgesetzte Zucker sich hier, wie im Falle des Krystallisirens und bei
                              der milchsauren Gährung zerlegt; nur wird, während bei letzterer das Glucos zuerst
                              zerstört wird, hier im Gegentheil der links drehende Zucker zersetzt; es tritt ein
                              Augenblick ein, wo das (wie meine Versuche erweisen) der Einwirkung der Wärme so gut
                              widerstehende Glucos fortbesteht und sein Vorherrschen durch das Drehungsvermögen
                              zur Rechten, welches er der Flüssigkeit ertheilt, an den Tag legt.