| Titel: | Neues Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus dem Zuckerrohr und der Runkelrübe; von Hrn. Melsens. | 
| Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. LXXII., S. 375 | 
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                        LXXII.
                        Neues Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus dem
                           Zuckerrohr und der Runkelrübe; von Hrn. Melsens.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique, Novbr. 1849, S.
                              273.
                        Melsens, über Gewinnung des Zuckers aus dem Zuckerrohr und der
                           Runkelrübe.
                        
                     
                        
                           Die eigenthümlichen Umstände, worin ich mich befinde, machen es mir zur Pflicht, von
                              einer umfangreichen Arbeit einstweilen diejenigen Beobachtungen zu veröffentlichen,
                              welche am geeignetsten sind, über die von mir angestellten Untersuchungen richtige
                              Ansichten zu verbreiten. Was auch das Schicksal des von mir zur Behandlung der
                              zuckerhaltigen Substanzen eingeschlagenen Weges seyn mag, so habe ich die
                              Ueberzeugung, daß man alle mir eigenen Beobachtungen genau finden, sowie daß ihre
                              Kenntniß die Zuckerfabrikanten zu nützlichen Betrachtungen und ohne Zweifel zu neuen
                              praktischen Anwendungen bei ihren verschiedenen Operationen führen wird.
                           Es ist hinreichend erwiesen, daß in dem gesunden Zuckerrohr und in der gesunden
                              Runkelrübe bloß krystallisirbarer Zucker enthalten ist. Man kann ihn bekanntlich
                              leicht mittelst schwachen Alkohols daraus extrahiren, welcher ihn auflöst und dann
                              bei seiner Verdunstung in farblosen und reinen Krystallen zurückläßt.
                           Die bittern Mandeln enthalten ebenfalls eine krystallisirbare Substanz, das
                              Amygdalin, welche man mit Alkohol ausziehen kann, und beim Verdunsten desselben
                              unverändert und krystallisirt erhält. Anders aber verhält es sich, wenn man hiezu
                              Wasser anstatt des Alkohols anwendet. Das Amygdalin
                              verschwindet, verwandelt sich, und es entstehen durch andere Anordnungen seiner
                              Elemente zahlreiche und ganz verschiedene neue Substanzen. Damit das Wasser auf diese
                              Art wirkt, muß es mit der Luft in Berührung seyn, es muß gewisse Fermente, welche in
                              dem Gewebe der bittern Mandeln neben dem Amygdalin vorhanden sind, bereits aufgelöst
                              haben.
                           Das Zuckerrohr und die Runkelrübe enthalten auch solche Fermente, welche die
                              Verwandlung des Zuckers in andere Producte veranlassen. Um ihre Wirkung ausüben zu
                              können, müssen sie ebenfalls mit dem Zucker durch Dazwischenkunft des Wassers in
                              Berührung gebracht werden und selbst zuvor dem Einfluß der Luft ausgesetzt gewesen
                              seyn.
                           Bekanntlich verändert sich der Saft des Zuckerrohrs in den heißen Klimaten, wo es
                              verarbeitet wird, sehr schnell; der Saft der Runkelrüben verändert sich zwar weniger
                              schnell, aber doch in solchem Grade, daß man durch alle Mittel seine Verarbeitung
                              immer mehr zu beschleunigen suchte, um den Verlust an Zucker zu vermeiden, welcher
                              die nothwendige Folge seiner Zersetzung ist.
                           Der Chemiker, welcher eine Analyse macht, braucht zum Ausziehen des Zuckers nur den
                              Weingeist anzuwenden. Er trennt so den Zucker von den Fermenten, welche nun keinen
                              zerstörenden Einfluß mehr auf ihn ausüben können.
                           Bei der Fabrication im Großen muß man hingegen zu einem wohlfeilen und leicht
                              anwendbaren Lösungsmittel greifen. Der Weingeist ist kostspielig und seine Anwendung
                              würde zu viele Vorsichtsmaaßregeln gegen Feuersgefahr erheischen. Gibt es aber außer
                              demselben eine Flüssigkeit, welche für den gegebenen Fall seine wesentlichen
                              Eigenschaften besitzt, die wie er den Eintritt irgend einer Gährung verhindert,
                              ungeachtet des Luftzutritts? Ich bezweifle es. Ich glaube nicht einmal, daß das
                              Verfahren, bei welchen ich nach vielen Versuchen stehen blieb, das beste ist oder
                              das einzige welches man benutzen kann.
                           In der Zelle des Gewebes der Runkelrübe und des Zuckerrohrs befindet sich Zucker in
                              Wasser aufgelöst, und dieser Zucker conservirt sich darin bekanntlich lange Zeit.
                              Wenn man Wasser als Auflösungsmittel anwenden könnte, ohne die hier von der Natur
                              realisirten Bedingungen aufzuheben, so erhielte man folglich den Zucker unverändert.
                              Die Schwierigkeiten auf welche man stoßt, werden also weder durch den Zucker noch
                              durch das Wasser veranlaßt, sondern durch die Luft und durch die Fermente welche ihr
                              Zutritt entwickelt.
                           Nun fragt es sich, könnte man nicht im luftleeren Raum das Zuckerrohr zerquetschen
                              und die Runkelrübe zerreiben, und eben so im luftleeren Raum den Saft auspressen und
                              zum Kochen bringen, sowohl um ihn zu läutern als zu verdampfen? Wenn dieß im Großen
                              ausführbar wäre, so
                              dürfte das Problem gelöst seyn. Da aber die geringste Menge von Luft hinreicht um
                              die Fermente zu erzeugen, so wäre ein solches System in der Praxis unausführbar; ich
                              habe es auch nicht versucht.
                           Man sollte glauben, daß der Zweck leichter zu erreichen sey, wenn man in einer
                              unwirksamen Gasart, wie die Kohlensäure, operirt; wenn man also die Rüben in
                              kohlensaurem Gas zerreibt, sie mit kohlensäurehaltigem Wasser auszieht, sie auf der
                              Reibmaschine mit einem Wasser begießt welches sauren kohlensauren Kalk oder saure
                              kohlensaure Bittererde enthält. Meine Versuche in dieser Hinsicht hatten aber nicht
                              den erwarteten Erfolg. Die geringsten Spuren von Luft sind zur Veränderung des Safts
                              schon hinreichend, jene Mittel verdrängen aber bloß die Luft, ohne sie unwirksam zu
                              machen.
                           Es gibt eine Classe von Körpern, welche man schon oft anzuwenden versuchte, um
                              eintretende Gährungen zu verhindern; es sind dieß die Metalloxyde, welche mit den
                              Fermenten oder mit den Substanzen woraus dieselben entstehen, unauflösliche
                              Verbindungen bilden können, z.B. Quecksilberoxyd und Bleioxyd. Behufs einer
                              chemischen Analyse kann das basisch essigsaure Blei leicht und sicher angewandt
                              werden, denn es schlägt alle Fermente nieder, sowie alle Substanzen welche solche zu
                              erzeugen vermögen, während der Zucker aufgelöst bleibt. Die Erfahrung lehrte aber,
                              daß die Anwendung einer so gefährlichen Substanz in den Zuckerfabriken fast immer
                              nachtheilige Folgen hat.
                           Der Gerbestoff und die Phosphorsäure (mit 1 Atom Wasser) wären unschädliche Mittel zu
                              diesem Zweck; sie bringen die Fermente zum Gerinnen, schlagen die Substanzen, welche
                              solche liefern können, nieder, und reinigen den Rohr- und Rübensaft in der
                              Kälte auf eine Art welche ihre Anwendung möglich macht.
                           Ich glaubte jedoch zu einem für die Anwendung im Großen geeigneteren Verfahren zu
                              gelangen, indem ich suchte:
                           1) die Entstehung der Fermente während des Ausziehens des Safts zu verhindern, indem
                              ich die mögliche Einwirkung der Luft so lange der Saft kalt ist, beseitigte;
                           2) das Gerinnen der die Fermente erzeugenden Substanzen in der Wärme benutzte um sie
                              zu entfernen, wie es bei den Läuterungen im Großen geschieht.
                           Ich bemühte mich nun einen Körper zu entdecken, welcher den Sauerstoff begierig
                              anzieht, auf den Zucker nicht wirkt, nicht gefährlich, dabei wohlfeil und
                              allenthalben leicht zu bereiten oder zu versenden ist. Drei solche Körper fesselten
                              besonders meine Aufmerksamkeit: das Stickstoffoxyd, die schweflige Säure und das
                              Aldehyd. Diese Verbindungen, welche schon zwei Aequivalente Sauerstoff enthalten,
                              und mit Leichtigkeit und Begierde ein drittes absorbiren, um Säuren zu bilden,
                              schienen mir vorzugsweise geeignet eine der fraglichen Bedingungen zu erfüllen,
                              nämlich durch ihre Gegenwart den Einfluß des Sauerstoffs der Luft aufzuheben und so
                              die Entstehung der Fermente unmöglich zu machen.
                           Ich zweifle nicht, daß es in der Folge noch gelingen wird, das Stickstoffoxydgas auf
                              eine praktische Weise im Großen anzuwenden; eine Substanz welche den Sauerstoff in
                              dem Maaße als er sich darbietet, augenblicklich zerstört und welche mit ihm eine
                              Säure bildet, geeignet die Fermente und die sie erzeugenden Substanzen
                              niederzuschlagen, wird gewiß noch eine wichtige Rolle bei der Zuckergewinnung
                              spielen. In Eisenvitriol aufgelöst, könnte sie den Saft gegen jede Veränderung
                              schützen, bis zum Ende der Läuterung durch Kalk; nach letzterer würde der Saft von
                              den angewandten Agentien fast nichts zurückhalten.
                           Das Aldehyd oder die ihm ähnlichen organischen Substanzen sind für die Anwendung im
                              Großen zu kostspielig.
                           Die schweflige Säure schien mir unter den genannten Substanzen vorzugsweise
                              Berücksichtigung zu verdienen; ihre Eigenschaft sich jeder Gährung kräftig zu
                              widersetzen, ist hinreichend erwiesen; sie kommt wohlfeil zu stehen, ist leicht zu
                              bereiten und das Material dazu sehr verbreitet. Während es aber Proust so gut gelang, die Gährung des Traubenzuckers
                              mittelst schwefliger Säure zu verhindern, bot diese Säure bei ihrer Anwendung in den
                              Rübenzuckerfabriken stets unübersteigliche Hindernisse dar. Ich wußte wohl, daß die
                              geschicktesten Fabrikanten ihre Anwendung versucht hatten und daran scheiterten.
                           Die schweflige Säure kann bei dem Traubenmost angewandt werden und verhindert dessen
                              Gährung sehr gut, ohne im geringsten diesen Zucker zu verändern; denn sie besitzt
                              nicht nur die Eigenschaft, sich der Erzeugung der Fermente zu widersetzen, sondern
                              auch die Eigenschaft den Traubenzucker unversehrt zu lassen, sowohl an und für sich
                              als nach ihrer Verwandlung in Schwefelsäure durch Einwirkung der Luft. Bekanntlich
                              wird aber der Rohrzucker im Gegentheil durch die Säuren und besonders die
                              Schwefelsäure in Traubenzucker verwandelt. So sicher daher das Schwefeln mittelst
                              schwefliger Säure bei dem Traubenmost ist, so unanwendbar ist es bei dem Saft des
                              Zuckerrohrs und der Runkelrübe. Denn in dem Maaße als die schweflige Säure durch
                              absorbirte Luft in Schwefelsäure umgeändert wird, wirkt letztere auf den Rohrzucker
                              und verwandelt ihn in Traubenzucker.
                           
                           Um diesen Umstand zu beseitigen, kam ich auf den Gedanken die schweflige Säure bei
                              Gegenwart einer starken Basis (Kali, Natron oder Kalk) anzuwenden, damit sich
                              letztere der Schwefelsäure, in dem Maaße als solche entsteht, bemächtigt und
                              folglich der Rohrzucker unversehrt bleibt. Ich stellte in dieser Hinsicht zahlreiche
                              Versuche an, deren Ergebniß ich kurz zusammenfassen kann.
                           Versetzt man eine Auflösung von Rohrzucker, Rohrsaft oder Rübensaft mit einer
                              Auflösung von schwefliger Säure, so widersetzt sich letztere den Gährungen, zerstört
                              aber langsam den Zucker, wenn man das Ganze in der Kälte in Berührung mit der Luft
                              läßt; erhitzt man die Flüssigkeit in Berührung mit der Luft, so wird der Zucker
                              schnell zerstört.
                           Die neutralen schwefligsauren Salze von Kali, Natron und Kalk widersetzen sich unter
                              diesen Umständen den Gährungen nicht, lassen aber den Rohrzucker sowohl in der Wärme
                              als in der Kälte unversehrt.
                           Die sauren schwefligsauren Salze, namentlich das Kalksalz, besitzen hingegen sehr
                              beachtenswerthe Eigenschaften. Ihre überschüssige schweflige Säure verhindert jede
                              Gährung, während ihre Basis die Schwefelsäure in dem Maaße neutralisirt als sie sich
                              bildet. Es fragte sich nun, ob sie an und für sich oder durch ihre überschüssige
                              schweflige Säure den Rohrzucker in Traubenzucker verwandeln oder nicht.
                           Ich erhitzte einige Stunden lang kleine Quantitäten in Wasser aufgelösten
                              Candiszuckers mit einer großen Menge zweifach-schwefligsauren Kalks. Der
                              Zucker veränderte sich, er wurde unkrystallisirbar und zerfließend. Der Syrup,
                              welchen er lieferte, besaß bisweilen die den Fabrikanten wohl bekannte Eigenschaft,
                              beim Erhitzen behufs des Abdampfens unbeweglich zu bleiben.
                           Da nun viel von dem Kalksalz erforderlich ist, um den Zucker zu zerstören, hingegen
                              nur eine geringe Menge, um die Fermente zu zerstören, so stellte ich weitere
                              Versuche über seine Anwendbarkeit zu dem beabsichtigten Zweck an.
                           Löst man Candiszucker in der Kälte in Wasser auf, welches ziemlich viel
                              zweifach-schwefligsauren Kalk enthält, so krystallisirt der Zucker
                              vollständig und unverändert durch freiwillige Verdunstung bei niedriger Temperatur
                              heraus. In jedem Falle wäre also die Behandlung in der Kälte vorzuziehen, und man
                              wird weiter unten sehen, daß diese Bemerkung von praktischer Wichtigkeit ist.
                           Nachdem ich ganz weißen Candiszucker in seinem zehnfachen Gewicht Wasser aufgelöst
                              hatte, setzte ich die Hälfte seines Gewichts einer Auflösung des
                              zweifach-schwefligsauren Kalks von 10° Baumé zu und ließ beiläufig eine Stunde lang
                              kochen. Die trübe Flüssigkeit wurde filtrirt, um den niedergefallenen neutralen
                              schwefligsauren Kalk abzusondern und dann in eine Schale gebracht, worin sie
                              gänzlich krystallisirte, ohne eine bestimmbare Spur von Melasse (sie brachte jedoch
                              in einer Auflösung von weinsteinsaurem Kupfer in Kali einen schwachen Niederschlag
                              hervor).
                           Candiszucker von strohgelber Farbe, auf dieselbe Art behandelt, verhielt sich ebenso;
                              nur lieferte er Krystalle welche weniger gefärbt waren als er selbst.
                           Dieser Versuch, mit Zuckern aller Art wiederholt, gab dieselben Resultate, man mochte
                              die dem Abdampfen unterzogenen Flüssigkeiten in saurem Zustande belassen, oder sie
                              nach dem Kochen sorgfältig neutralisirt haben.
                           Diese Versuche, wobei anfangs immer der in Wasser aufgelöste Zucker mit
                              überschüssigem zweifach-schwefligsaurem Kalk gekocht wurde, habe ich auch in
                              der Art abgeändert, daß ich nachher bloß die trübe Flüssigkeit abdampfte oder solche
                              zuvor filtrirte. In allen Fällen krystallisirte der Zucker vollständig und leicht,
                              ohne daß sich Melasse zeigte.
                           Ich habe die Zucker von diesen verschiedenen Behandlungen mittelst des
                              Polarisations-Apparats und nach den von Hrn. Clerget angegebenen MethodenPolytechn. Journal Bd. CIV. S.
                                       344. untersucht, wobei ich fand:
                           1) daß die krystallisirten Massen eine directe Aufzeichnung gaben, welche sehr nahe
                              mit derjenigen übereinstimmte, welche sie nach dem Umsetzen (mit Säure) liefern: die
                              Unterschiede, bald im einen, bald im anderen Sinne, fielen innerhalb der
                              Beobachtungsfehler und bewiesen in allen Fällen, daß der Zucker keine in der Praxis
                              zu berücksichtigende Veränderung erleidet;
                           2) daß die noch flüssigen Theile, welche ich nach fast beendigter Krystallisation von
                              mehreren Proben zusammengoß, und worin also der veränderte Zucker hätte angehäuft
                              seyn müssen, die optischen Eigenschaften des eigentlichen Rohrzuckers besaßen, die
                              Polarisationsebene nach Rechts ablenkten und eine directe Aufzeichnung gaben, welche
                              mit den nach der Umsetzung beobachteten Aufzeichnungen fast identisch war.
                           Folglich verhält sich der mit zweifach-schwefligsaurem Kalk behandelte Zucker
                              – wenn man weder die Dosis des Kalksatzes noch die Dauer des Erhitzens
                              übertreibt – sowohl im krystallisirten Theil als in den letzten Syrupen ganz so,
                              als wenn er in reinem Wasser aufgelöst auf diese Weise behandelt worden wäre.
                           Ich konnte also hoffen, daß der zweifach-schwefligsaure Kalk, als ein den
                              Sauerstoff begierig anziehender und antiseptischer (die Gährung verhindernder)
                              Körper angewandt, ohne schädliche Einwirkung auf den Zucker bleibt, wenn man ihn bei
                              gewöhnlicher Temperatur auf die Runkelrüben-Reibmaschine oder die Zuckermühle
                              gießt, damit er sich unmittelbar mit dem Saft vermischt, in dem Augenblick wo jede
                              denselben einschließende Zelle zerreißt. Ich konnte hoffen, daß der Zucker bei
                              seiner Gegenwart ohne Nachtheil die Einwirkung der zur Läuterung erforderlichen
                              Temperatur vertragen wird. Bei letzterer Operation – vorausgesetzt daß man
                              sie ausführt wie bisher – würde der angewandte Kalk den sauren
                              schwefligsauren Kalk neutralisiren, so daß er verschwindet, während der Saft von den
                              Fermenten (und den Substanzen welche solche zu erzeugen vermögen) gereinigt und zum
                              Abdampfen geeignet (ohne Zuckerverlust) zurückbleibt.
                           Ich fand aber bald, daß der zweifach-schwefligsaure Kalk ganz besondere
                              Eigenschaften besitzt, welche meinem Zweck zu Statten kommen.
                           Wenn man Eiweiß, Blut, Eigelb, Milch, mit Wasser anrührt und mit
                              zweifach-schwefligsaurem Kalk vermischt, so gerinnen sie bei der Temperatur
                              von 80° R. gänzlich. Die filtrirten Flüssigkeiten geben nach dem Abdampfen
                              Rückstände, worin man nur noch sehr wenig von den stickstoffhaltigen Materien, mit
                              dem Milchzucker oder den Salzen jener Substanzen gemengt, vorfindet.
                           Außer seiner antiseptischen Wirkung und dem Vermögen den Sauerstoff der Luft zu
                              absorbiren, besitzt also der zweifach-schwefligsaure Kalk die Eigenschaften
                              eines kräftigen Läuterungsmittels.
                           Ich mußte ihn nun von diesem Gesichtspunkt aus studiren.
                           Ich mengte 50 Gramme Candiszucker, 250 Kub. Centim. Milch, 250 Kub. Centim. Wasser
                              und 50 Kub. Centim. einer Auflösung zweifach-schwefligsauren Kalks von
                              10° Baumé, ließ kochen und filtrirte dann die Flüssigkeit vom
                              Geronnenen ab. Sie lieferte nach dem Abdampfen eine vollkommen krystallisirte Masse,
                              welche ohne vorhergegangene Austrocknung und Reinigung im rohen Zustande untersucht,
                              92 Procent Zucker gab und durch die directe Aufzeichnung nach dem Umsetzen mittelst
                              Salzsäure 93,5.
                           Die Läuterung war leicht und vollständig gewesen. Der Zucker hatte sich so zu sagen
                              unversehrt erhalten; daß man in 100 Theilen des Rückstands nur beiläufig 92 Theile
                              Zucker fand, erklärt sich durch das den Krystallen anhaftende Wasser und die
                              zurückgebliebenen Salze der Milch.
                           Bei einem andern Versuch nahm ich 50 Gramme Candiszucker, die Hälfte eines Eies, das
                              Gelbe und Weiße zusammen, 25 Kub. Centim. Milch, 74 Kub. Centim. von der Auflösung
                              des Kalksalzes und 450 Kub. Centim. Wasser. Dieses Gemisch gab nach dem Kochen und
                              Filtriren eine Flüssigkeit, welche ohne merkliche Erzeugung von Melasse
                              krystallisirte. Der Polarisations-Apparat zeigte darin 88,5 Procent Zucker
                              durch die directe Aufzeichnung an, und 86 Proc. nach der Umsetzung. Auch hier hatte
                              man folglich nur Rohrzucker, außer den 13 Procent welche das hygrometrische Wasser,
                              den Ueberschuß von saurem schwefligsaurem Kalk, die Salze der Milch etc.
                              repräsentiren.
                           Der zweifach-schwefligsaure Kalk wirkt also bei 80° R. als
                              Läuterungsmittel.
                           Er scheidet den Eiweißstoff, den Käsestoff ab, und wie wir später sehen werden, die
                              stickstoffhaltigen Materien analoger Natur welche ursprünglich im Zuckerrohr und in
                              der Runkelrübe enthalten sind. Diese Abscheidung geschieht ohne Verlust an Zucker,
                              von welchem höchstens 1 bis 2 Procent verändert werden.
                           Ich hatte jetzt noch zu untersuchen, wie weit der zweifach-schwefligsaure Kalk
                              sich der Färbung der Zuckerauflösungen zu widersetzen vermag.
                           Die Farbe der Zuckerauflösungen, welche die Runkelrübe oder das Rohr liefert,
                              entsteht durch vier Hauptursachen:
                           1) die Rübe sowohl als das Rohr enthält gefärbte Substanzen, welche sich in dem Saft
                              auflösen;
                           2) wenn der Brei mit der Luft in Berührung kommt, entstehen schnell noch neue
                              gefärbte Substanzen;
                           3) beim Abdampfen zersetzt die Wärme einen Theil des Zuckers oder der ihn
                              begleitenden Producte und bildet ebenfalls Farbstoffe;
                           4) beim Abdampfen des freien Kalk enthaltenden Saftes entstehen durch die Einwirkung
                              der Wärme mit Beihülfe der Luft, des Kalks sowie des Ammoniaks, ebenfalls
                              Farbstoffe.
                           Der zweifach-schwefligsaure Kalk bleicht fast augenblicklich und sehr
                              vollständig die gefärbten Materien welche ganz gebildet in dem Rohr und der
                              Runkelrübe enthalten sind; er verhindert die Bildung der gefärbten Substanzen welche
                              die Luft in Berührung mit dem Brei erzeugt, er verhindert auch die Entstehung
                              derjenigen welche sich während des Abdampfens bilden, und besonders derjenigen
                              welche zu ihrer Bildung das Zusammenwirken der Luft und eines freien Alkalis
                              erfordern.
                           
                           Die dem Rohr oder der Runkelrübe eigenthümlichen Farben werden durch den
                              zweifach-schwefligsauren Kalk nicht absolut entfärbt. Es scheint anfangs eine
                              farblose Verbindung zwischen der Farbe dieser Vegetabilien und der schwefligen Säure
                              zu entstehen. Wenn in den behandelten Stengeln oder Wurzeln eine ziemliche Menge
                              grüne Materie enthalten ist, findet man daß der Saft – welcher anfangs in
                              Folge der Wirkung des zweifach-schwefligsauren Kalks farblos war –
                              sich während des Abdampfens schwach färbt, um sich später beim Verkochen zu
                              entfärben.
                           Hingegen widersetzt sich der zweifach-schwefligsaure Kalk der Färbung des
                              Breies eben so vollständig als andauernd. Ich habe Rübenbrei in
                              schlechtverschlossenen Gefäßen sechs Monate lang aufbewahrt, welcher durch die
                              Wirkung jenes Kalksalzes beständig farblos blieb, während er bekanntlich unter
                              gewöhnlichen Umständen durch die Einwirkung der Luft stark gebräunt wird.
                           Ich getraue mich zu behaupten, daß der zweifach-schwefligsaure Kalk in vielen
                              Fällen mit dem besten Erfolg angewandt werden könnte, um die Bildung mancher
                              Farbstoffe zu verhindern, welche man später nur mit großer Mühe fortschaffen oder
                              zerstören kann; solche sind z.B. diejenigen welche die Fasern des Flachses und
                              Hanfes nach dem Rösten, den Indigo nach seiner Fällung, den Saft der zum Gerben
                              benutzten Rinden, die Extracte gewisser Farbhölzer etc. verunreinigen; aber alle
                              diese Punkte werde ich später untersuchen.
                           Gegenwärtig begnüge ich mich gezeigt zu haben, daß die Farbstoffe welche sich von
                              selbst bei gewöhnlicher Temperatur in dem Zuckersaft beim Zutritt der Luft bilden,
                              bei Gegenwart von zweifach-schwefligsaurem Kalk niemals erscheinen. Ich füge
                              bei, daß niemals eine Färbung eintritt, wenn man entweder 1) eine Auflösung von
                              Rohrzucker in Wasser, oder 2) Saft des Zuckerrohrs, oder 3) Runkelrübensaft bei
                              gewöhnlicher Temperatur verdampfen läßt.
                           Ich bemerke noch, daß wenn man dieselben Flüssigkeiten unter denselben Umständen in
                              der Wärme abdampft, die Färbung kaum merklich ist; der Saft von der rothen
                              Runkelrübe wird sogar vollständig entfärbt und der erhaltene Zucker ist weiß.
                           Ich habe eine ziemliche Färbung nur in ganz ausnahmsweisen Fällen beobachtet, und
                              selbst dann entstehen nur Spuren von Farbstoffen, welche bei der Fabrication im
                              Großen keinen Nachtheil bringen können.
                           Man kann also den zweifach-schwefligsauren Kalk bei der Zuckerfabrication aus
                              dem Rohr und der Runkelrübe benutzen:
                           
                           1) als einen vorzugsweise antiseptischen Körper, welcher die Entstehung und
                              Einwirkung jedes Ferments verhindert;
                           2) als einen Körper welcher den Sauerstoff begierig anzieht und folglich den
                              nachtheiligen Einfluß desselben auf den Saft verhüten kann;
                           3) als ein Läuterungsmittel, welches bei 80° R. den Saft klärt und ihn von
                              allen eiweißartigen oder gerinnbaren Substanzen befreit;Es bleibt jedoch in so geläuterten Säften eine eigenthümliche Substanz
                                    zurück, welche sich unter dem Einfluß der Alkalien und der Luft anfangs
                                    violett und dann braun färbt, es wäre möglich daß sie stickstoffhaltig
                                    ist.
                              
                           4) als Bleichmittel der bereits vorhandenen Farben;
                           5) als einen Körper welcher sich der Bildung der Farbstoffe im höchsten Grade
                              widersetzt;
                           6) als einen Körper welcher alle schädlichen Säuren die im Saft vorhanden seyn oder
                              entstehen könnten, neutralisirt, wobei eine fast unwirksame Säure, die schweflige
                              Säure an deren Stelle tritt.
                           Nun fragte es sich noch, in welcher Form und Dosis der zweifachschwefligsaure Kalk
                              bei der Bearbeitung des Zuckerrohrs und der Runkelrübe im Großen angewandt werden
                              muß, und ob die Vortheile welche er zu versprechen scheint, etwa durch Nachtheile
                              wieder aufgewogen werden; dieses will ich nun auf Grund meiner Experimente ohne
                              Uebertreibung, aber auch ohne Zaghaftigkeit untersuchen.
                           Was mich im Verlauf meiner Untersuchungen hauptsächlich anspornte, war die Hoffnung
                              daß, wenigstens in den Aequatorgegenden, der Zucker durch bloße Anwendung der
                              Sonnenwärme gewonnen werden könnte. Warum sollte der Saft des Rohrs, wenn er einmal
                              unveränderlich gemacht ist, nicht der langsamen Krystallisation an freier Luft
                              überlassen werden können? Diese Meinung, dieser Wunsch, erklären die Richtung welche
                              ich meinen Versuchen gab.
                           Es wurden für mich einige Centner frisches Zuckerrohr in Murcia (Spanien) bestellt;
                              sie kamen in gutem Zustand in Paris an, wo ich sie im Laboratorium der Sorbonne
                              behandelte. Personen aus den Colonien, welchen man ein sicheres Urtheil zutrauen
                              mußte, erklärten daß sie nicht vollkommen reif seyen, daher auch ihre Bearbeitung
                              kein ganz genügendes Resultat versprach. Dennoch setzte der erste Versuch, welchen
                              ich damit machte, die erwähnten Personen, welche mit der Bearbeitung des Zuckerrohrs
                              vertraut sind, in Erstaunen.
                           Der Rohrsaft wurde durch grobes Zerreiben auf der Maschine mit Zusatz von saurem
                              schwefligsaurem Kalk gewonnen. Er war durch Kochen geläutert und dann bloß durch Wollenzeug
                              filtrirt worden. Der abgedampfte Syrup wurde noch einmal filtrirt und dann der
                              langsamen Krystallisation überlassen. Diese dauerte fast bis zur vollkommenen
                              Trockne fort. Eine Analyse mit Weingeist hätte weder besseren noch mehr Zucker
                              geliefert; der erhaltene war noch weniger gefärbt.
                           In diesem Falle geht aller im Saft enthaltene Zucker in den festen Zustand über und
                              krystallisirt. Die Krystalle sind groß und fest. Sie sind nicht stärker gefärbt als
                              der gewöhnliche Candiszucker, welchem sie gleichen. Sie enthalten nur unbestimmbare
                              Spuren von umgesetztem Zucker.
                           Wenn ich die fast absolute Reinheit des Rohrsafts berücksichtige, welcher nach
                              geschehener Läuterung als bloßes Zuckerwasser zu betrachten ist, wenn ich bedenke
                              wie leicht sich der Rohrzucker in große Krystalle verwandeln läßt (was bei dem
                              Rübenzucker nicht in demselben Grade der Fall ist), so zweifle ich nicht, daß der
                              erste Colonist, welcher einige Hektoliter Syrup unter günstigen Umständen dieser
                              langsamen Krystallisation überläßt, Krystalle davon bekommen wird, deren Größe,
                              Ansehen, Weiße und Menge genügen wird, um alle Zweifel zu heben und die Frage zu
                              entscheiden.
                           Ich habe das Verhältniß des zweifach-schwefligsauren Kalks sowie die Umstände
                              beim Abdampfen abgeändert; ich habe sowohl das reifste als das unreifste Rohr für
                              sich behandelt, und es blieb bei allen meinen Versuchen nur Zucker in Krystallen
                              zurück. Das Ergebniß an Zucker bei dieser höchst einfachen Behandlung des Safts
                              stimmte mit dem bei der chemischen Analyse gefundenen Gehalt überein.
                           Bekanntlich enthält aber der Saft, welchen man durch Zerquetschen des Zuckerrohrs
                              gewinnt, oft nur die Hälfte, höchstens zwei Drittel des Zuckers welchen man aus dem
                              Rohr ziehen könnte, so daß in den ausgepreßten Stengeln wenigstens ein Drittel des
                              Zuckers zurückbleibt. Man kann nicht daran denken, diesen Zucker durch Auswaschen in
                              den heißen Klimaten zu gewinnen; die Luft, die Fermente, der Zucker, die Wärme alles
                              hilft zusammen, um eine rasche Gährung einzuleiten, durch welche die Frucht eines
                              solchen Versuchs zerstört wird. Mit Wasser, welches ein wenig
                              zweifach-schwefligsauren Kalk enthält, ist dieses Auswaschen leicht, und man
                              kann es ohne Veränderung des Zuckers nach Belieben in einigen Stunden oder in
                              einigen Tagen bewerkstelligen. Durch systematisches Auswaschen der ausgepreßten
                              Stengel kann man aber allen Zucker daraus gewinnen; man kann dabei ein Waschwasser
                              erzielen, welches fast soviel Zucker enthält als der Rohrsaft, welches man dann eben so
                              behandelt – nämlich bei 80° R. läutert, filtrirt, an freier Luft zur
                              Syrupconsistenz abdampft und dann der langsamen Krystallisation überläßt. Ich habe
                              die ausgepreßten Stengel meines Rohrs auf diese Art behandelt und so allen Zucker
                              daraus in großen scharfen Krystallen gewonnen; hinsichtlich der Farbe übertraf er
                              noch den schönsten Zucker welchen uns die Kolonien senden. Was noch mehr ist, der
                              Schaum von den Läuterungen und die benutzten Filter lieferten mir ihren
                              zurückgehaltenen Zucker unversehrt und krystallisirt, obgleich er mehrere Tage mit
                              der Luft und gährungerregenden Substanzen in Berührung geblieben war. Ich brauchte
                              dazu den Schaum und die Filter bloß mit Wasser zu waschen, welches ein wenig
                              zweifachschwefligsauren Kalk enthielt und dasselbe dann abzudampfen.
                           Der zweifach-schwefligsaure Kalk machte also den Zucker fast so unveränderlich
                              wie ein Mineralsalz; aus dem Rohrsaft wurde er wie aus den gepreßten Stengeln, dem
                              Schaum und den Filtern, in gleichem Zustande, in großen farblosen oder schwach
                              gelblichen Körnern erhalten. Dabei braucht der Arbeiter weder eine besondere
                              Sorgfalt anzuwenden, noch sich zu beeilen; so lange die Flüssigkeit noch eine
                              merkliche Menge zweifach-schwefligsauren Kalk enthält, verhindert er jede
                              Veränderung derselben.
                           Dieses Verfahren dürfte die Vertheilung des Eigenthums in den Colonien möglich
                              machen, indem es die Neger in den Stand setzt die Zuckergewinnung als häusliche
                              Beschäftigung zu betreiben. Man wende mir nicht ein, daß zum Zerquetschen des Rohrs
                              kräftige Mühlen erforderlich sind; eine Wurzelschneidmaschine, eine Reibmaschine
                              sind hinreichend, weil man das in Scheiben zerschnittene oder gröblich zerrissene
                              Rohr nur mit Wasser auszuziehen braucht, welchem man zur Verhinderung jeder Gährung
                              ein wenig zweifach-schwefligsauren Kalk zusetzte.
                           Auf folgende Weise habe ich nach einigen vorläufigen Versuchen das mir zugekommene
                              Zuckerrohr behandelt:
                           1) ich zerkleinerte das Zuckerrohr auf einer Runkelrüben-Reibmaschine, indem
                              ich den entstandenen Brei mit einer Auflösung von zweifach-schwefligsaurem
                              Kalk begoß. Dann preßte ich denselben aus; der erhaltene Saft wurde zum Sieden
                              erhitzt, filtrirt, über freiem Feuer abgedampft – bis der kalte Syrup etwa
                              1,3 spec. Gew. zeigte, neuerdings filtrirt und der langsamen Krystallisation
                              überlassen; er lieferte in einigen Tagen eine Masse Candis, welche keine Melasse
                              enthielt;
                           2) der ausgepreßte Rohrbrei wurde mit Wasser versetzt und neuerdings ausgepreßt; so erhielt ich einen
                              weniger zuckerreichen zweiten Saft, welcher wie der erste behandelt, dieselben
                              Resultate gab; 3) nöthigenfalls wurde die zweite Operation wiederholt.
                           Im Ganzen habe ich von einer Auflösung zweifach-schwefligsauren Kalks, welche
                              10 Grade an Baumé's Aräometer zeigte, 1 Procent vom Gewicht des Rohrs
                              angewandt, aus welchem aller Zucker ausgezogen und in fester Form gewonnen
                              wurde.
                           Ich komme nun auf einen Einwurf welchen man meinem Verfahren machen könnte.
                           Der erhaltene Zucker behält einen schwefligen Geschmack, verliert ihn aber in drei
                              Fällen:
                           1) wenn man ihn zerstoßt und einige Tage der Luft aussetzt, so verwandelt sich der
                              schwefligsaure Kalk in geschmacklosen schwefelsauren Kalk;Da der krystallisirte Zucker keinen zweifach-schwefligsauren Kalk
                                    enthält weil dieses Salz nicht in fester Form bestehen kann, sondern bloß
                                    neutralen schwefligsauren Kalk, so kann dieser bloß neutralen schwefelsauren
                                    Kalk (Gyps) liefern. Wenn die Zucker eine saure Reaction besitzen, so wird
                                    dieselbe durch den sauren phosphorsauren Kalk veranlaßt, welcher durch die
                                    Wirkung der schwefligen Säure auf den phosphorsauren Kalk des Safts
                                    entstand.
                              
                           2) in einer ammoniakalischen Atmosphäre verliert der Zucker seinen schwefligen
                              Geschmack und nimmt oft einen sehr angenehmen, der Vanille ähnlichen Geruch an, aber
                              er färbt sich bisweilen ein wenig;
                           3) wenn man ihn mit Zuckersyrup so behandelt (deckt), daß er beiläufig 10 Procent an
                              Gewicht verliert, so erhält man ein Product, welches mit dem reinsten und weißesten
                              Zucker den Vergleich aushält. Das Decksel liefert beim Abdampfen einen eben solchen
                              Zucker.
                           Für die Fabrication im Großen würde ich das dritte Verfahren empfehlen.
                           Die schwefelsauren und schwefligsauren Salze reduciren sich bekanntlich in Berührung
                              mit organischen Substanzen und liefern Sulfuride. Bei keiner der zahlreichen
                              Zuckerproben, welche ich besitze und die schon sehr alt sind, hat sich jedoch eine
                              Bildung von Sulfuriden oder als Folge davon frei gewordener Schwefel gezeigt.
                           Ich fasse nun das Vorhergehende zusammen: 100 Kilogr. Zuckerrohr enthalten in gutem
                              Zustande beiläufig 18 Kil. Zucker; man erhält daraus bei guter Arbeit 60 Kil. Saft
                              und diese enthalten 12 Kil. Rohzucker. Aus diesem Saft gewinnt man nach dem
                              bisherigen Verfahren 6 bis 7 Kilogr. Rohzucker; man verlor also beim Verarbeiten des Safts 5 bis 6 Kil.
                              Zucker und 6 Kil. Zucker ließ man in den ausgepreßten Stengeln zurück. Daraus geht
                              hervor, daß wenn man das neue Verfahren bloß auf den Rohrsaft anwendet, anstatt 6
                              bis 7 Kil. Rohzucker fast 12 Kil. weißer Zucker gewonnen werden; behandelt man aber
                              sowohl den Saft als die ausgepreßten Stengel nach dem neuen Verfahren, so wird man
                              aus 100 Kilogr. Zuckerrohr 17 bis 18 Kilogr. Zucker erhalten.
                           Als ich daher behauptete, daß man nach meiner Methode aus dem Rohr zweimal so viel
                              Zucker wie bisher gewinnen könne, blieb ich noch unter der Wahrheit.
                           Die Frage, ob man durch Siedenlassen bis zum Ende abdampfen oder den Syrup nur auf
                              beiläufig 1,3 spec. Gewicht concentriren und dann in ein geheiztes Local stellen
                              soll, oder ob man das Abdampfen gänzlich in Kästen an der Sonne bewerkstelligen
                              soll, vermag ich nicht zu beantworten. Sie muß durch Versuche an Ort und Stelle nach
                              den localen Umständen entschieden werden.
                           Da der zweifach-schwefligsaure Kalk die Bildung und Einwirkung der Fermente
                              verhütet, so ist man im Stande große Kästen oder Kufen aus Holz anzuwenden, welche
                              wenig tief und sehr weit sind, und ebenso gut wird man eigentliche Gradirhäuser
                              anwenden können. Ich hatte keine hinreichende Menge Rohrsaft zu meiner Verfügung, um
                              solche Arbeitsmethoden zu versuchen. Runkelrübensaft, welchen ich mit 4 Procent
                              meiner Normalauflösung von saurem schwefligsaurem Kalk versetzt hatte, goß ich nach
                              dem Läutern in einen kleinen Bottich aus Tannenholz, der zuvor mit einer Auflösung
                              von saurem schwefligsaurem Kalk gut ausgewaschen worden war. Durch jedes der
                              zahlreichen engen Löcher im Boden hatte ich einen herabhängenden Bindfaden gezogen;
                              so waren dem Saft zahlreiche Stellen zum Ablaufen und eine große Verdunstungsfläche
                              dargeboten. Sobald sich Saft in einer unter die Bindfäden gestellten Schale
                              angesammelt hatte, goß ich ihn in den Bottich zurück. Nachdem auf diese Art der
                              Syrup concentrirt war, brachte ich ihn in ein flaches Gefäß, wo er fast gänzlich
                              krystallisirte. In der wenigen Melasse, welche von den Krystallen abgegossen wurde,
                              bildeten sich neue Krystalle, und letztere zeigten wie die ersteren die
                              charakteristische Form des Rohrzuckers. Da nun bei dem Rübensaft der Versuch mit
                              einem so unvollkommenen Apparat gelang, warum sollte er nicht mit dem reineren und
                              gehaltreicheren Rohrsaft in den heißen Klimaten bei freiem Luftzutritt und mit
                              zweckmäßigen Apparaten gelingen? Warum sollte man die Sonnenwärme, wo sie so
                              intensiv ist, nicht als Surrogat der mangelnden Brennmaterialien benutzen?
                           
                           Ich würde meine ganze Aufmerksamkeit dem Zuckerrohr zugewandt haben, für welches mein
                              Verfahren einen unbestreitbaren, schnellen und leichten Erfolg versprach, wenn ich
                              es nicht im Interesse meines Vaterlandes (Belgien) – das keine Kolonien
                              besitzt und wo die Runkelrüben schon in großem Maaßstab angebaut werden – für
                              meine Pflicht gehalten hätte, mit allen Kräften dahin zu arbeiten, daß zwischen dem
                              Rohr- und Rübenzucker das Gleichgewicht erhalten bleibt. Dieß war der Zweck
                              vieler Versuche, welche ich über die Runkelrübe angestellt habe, die mir natürlich
                              viel größere Schwierigkeiten als das Zuckerrohr darbot.
                           
                              
                                 (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)