| Titel: | Ueber die für den Weinstock sich eignenden Dünger in Bezug auf Persoz's neues Verfahren des Weinbaues; von Bouchardat. | 
| Fundstelle: | Band 114, Jahrgang 1849, Nr. LXXXIII., S. 426 | 
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                        LXXXIII.
                        Ueber die für den Weinstock sich eignenden Dünger
                           in Bezug auf Persoz's
                           neues Verfahren des WeinbauesPolytechn. Journal Bd. CXII S. 442.; von Bouchardat.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1849, Nr.
                              1354.
                        Ueber Persoz's Verfahren des Weinbaues.
                        
                     
                        
                           Weinberge mit schweren Weinen bedürfen keines Düngers; gehöriges Umarbeiten und
                              wohlverstandene Belegung mit Fechsern sind bei einem guten Boden ausreichend, nicht
                              nur um ein mäßiges Wachsthum zu sichern, sondern auch um ihn Jahrhunderte hindurch
                              frisch und kräftig zu erhalten. Dünger welche das Erzeugniß vermehren, würden dieß
                              auf Kosten der Dauer und der Qualität desselben thun; Trauben mit größern, folglich
                              gedrängter stehenden Beeren, würden nicht jene vollkommene Reife erlangen, welche
                              der Auvergner Traube (pineaux) so nöthig ist, damit der
                              Wein von feiner Qualität werde.
                           Allerdings bildet der Anbau so bevorzugter Gewächse eine Ausnahme; es müssen sich
                              schwer zu treffende landwirthschaftliche Umstände vereinigen, damit der Wein
                              Bouquet bekommt; in deren Ermangelung muß man dann freilich durch die Quantität zu
                              ersetzen suchen, was man an Qualität nicht erlangen kann, es werden Dünger, also
                              Mittel die den Boden verbessern, eine künstlich erzwungene Cultur nothwendig.
                           Der Weinstock liefert bisher wenig Dünger, dieser muß also vom großen Feldbau erborgt
                              werden, welchem der Weinstock nichts mehr zurück erstattet. Es ist einleuchtend, wie
                              wichtig die Düngerfrage dem Weinbauer seyn muß; Hr. Persoz äußert sich darüber,Polytechn. Journal Bd. CXI S.
                                       231. von einer neuen Ansicht ausgehend, folgendermaßen: „In einem Punkt
                                 unterscheidet sich mein Verfahren von allen andern: ich bringe nämlich alle
                                 Weinstöcke aus einer gewissen Fläche Landes in eine einzige Grube, worin durch
                                 die erste chemische Einwirkung die Entwickelung des Holzes, und dann durch eine
                                 zweite die Entwickelung der Traube hervorgerufen wird. Ich habe mich nämlich
                                 durch directe Versuche überzeugt, daß in den zum Weinbau dienenden Düngerarten
                                 Stoffe enthalten sind, welche ausschließlich das Wachsthum der Zelle, d.h. des
                                 Holzes, und wieder andere, welche die Entwickelung des Keimes (Frucht oder
                                 Traube) befördern, und daß die Einwirkung dieser Stoffe statt einer
                                 gleichzeitigen, eine aufeinanderfolgende seyn sollte. Durch Anwendung dieser
                                 Grundsätze kann ich nach Belieben dem Zuwachse des Holzes Einhalt thun, welchen
                                 man bei dem gewöhnlichen Verfahren nur durch künstliche und empirische Mittel in
                                 der Gewalt hat.“
                              
                           In der That wäre hiemit ein höchst wichtiges Problem gelöst, wenn man nach Belieben
                              auf die Holz- oder Fruchterzeugung hinwirken könnte.
                           Um das Holz möglichst zu entwickeln, schreibt er für jeden Quadratmeter der
                              Oberfläche der Grube 3 Kil. Knochenmehl, 1 1/2 Kilogr. Abschnitzel von Fellen oder
                              Leder (Abfälle bei Schuhmachern oder Gerbern), Horn, Klauen, Blut, und 1/2 Kil. Gyps
                              vor, oder 60 Kilogr. des Gemenges auf die ganze Grube von 12 Meter Länge.
                           Wenn das die Rebe bildende Holz hinlänglich entwickelt ist, gibt man den Wurzeln die
                              Kalisalze, welche den Trieb der Trauben befördern müssen. Zu diesem Behufe breitet
                              man 3 Zoll von den in die Erde eingegrabenen Wurzelstöcken entfernt, in der Grube
                              per Quadratmeter Oberfläche 2 Kilogr. eines Gemenges von 4 Kilogr. kieselsaurem Kali
                              und 1 Kil. phosphorsaurem Kalikalk aus.
                           Man füllt dann die Grube auf und die Wurzeln, sagt Hr. Persoz, sind für lange Zeit mit der ihnen nöthigen Menge Kali versehen;
                              um ihrer Erschöpfung
                              zu begegnen, thut man gut, jedes Jahr an den Fuß der Weinstöcke eine gewisse Menge
                              Weintrestern zu legen. Diese Weintrestern, welche beim Einäschern 2 1/2 Proc.
                              kohlensaures Kali liefern, ersetzen der Grube jährlich einen guten Theil des ihr
                              entzogenen Kali's wieder.
                           Die von Hrn. Persoz angekündigten, interessanten Resultate
                              als richtig angenommen, wird uns eine aufmerksame Betrachtung der verschiedenen
                              Rebensorten allen Nutzen zeigen, welchen wir daraus ziehen können.
                           In meiner Monographie der Pineaux (Auvergner Traubensorten) habe ich eine
                              vortreffliche Abart der schwarzen Auvergner Traube (franc
                                 pineau noir) beschrieben, die sich dadurch auszeichnet, daß sie herrliche
                              Trauben in Fülle gibt; sie ist wenigstens noch einmal so fruchtbar als die in vieler
                              Hinsicht so merkwürdige Typus-Varietät, aber ihr Holz ist so geringe, so
                              zerbrechlich, so kärglich, daß sie durch Fechser äußerst schwierig zu vermehren
                              ist.
                           Der gute Tresseau, welcher sich mit so vielen und schönen Früchten behängt, daß er
                              sie kaum zu tragen vermag, hat ebenfalls ein so schwaches, elendes Holz, daß der
                              gute Winzer, der sich von seinem Herrn nur gehörig gemachte, auserlesene Fechser
                              zahlen lassen will, darüber verzweifeln möchte.
                           Wie müßte ein Dünger (der nicht zu theuer käme und leicht in erforderlicher Menge
                              herbeizuschaffen wäre), welcher an diesen geschätzten Setzlingen das Holz entwickeln
                              würde, geschickten Landwirthen erwünscht seyn!
                           Dagegen haben wir wieder in unsern Weinbergen von Ausartung herrührende
                              Untervarietäten, welche sich durch Absenker sowohl als durch Fechser fortpflanzen,
                              und zwar ein herrliches Holz haben, aber sehr schlechte Lesen geben. Ich erwähne des
                              pineau demoisellat, welchen ich in meiner
                              Monographie der Pineaux näher beschreiben werde, und der ebenso viele Trauben gibt
                              wie der franc pineau, dessen Beeren aber nicht größer
                              sind als der Hanfsamen; des Silberknopf-Pineau
                              (à bouton d'argent), welcher nur einzelne
                              Trauben gibt; des schlechten Tresseau, welcher sich stets
                              von dem guten durch sein kräftiges Holz, zur Zeit der Weinlese aber durch seine
                              merkwürdige Unfruchtbarkeit im Vergleich mit letzterm unterscheidet.
                           Könnten wir nach Belieben bewirken, daß diese schlechten Setzlinge durch einen
                              geeigneten Dünger schöne und viele Trauben trügen, so wäre hiemit ein großes Problem
                              gelöst; denn diese holzreichen Setzlinge vermehren sich ohne alle Schwierigkeit; es
                              wäre dann diese Gleichgültigkeit der Winzer nicht mehr so zu fürchten, die alles, was gutes
                              Holz hat, einlegen und sagen: „jeder Fechser zahlt sich,“ ohne
                              an die armen Eigenthümer zu denken, welche beinahe gar keine Lese machen.
                           Das bisher Gesagte reicht hin, um die Wichtigkeit des von Persoz angeregten Gegenstandes darzuthun. Die große Wirksamkeit der
                              Dünger, welche viel organische Materien und erdige phosphorsaure Salze enthalten,
                              scheint mir hinsichtlich des Weinstocks festzustehen. Ich nehme mit Persoz an, daß diese Agentien bedeutend auf die
                              Entwickelung der Früchte wirken; doch kann ich, so weit meine Beobachtungen reichen,
                              jenen von Persoz behaupteten scharfen Gegensatz nicht wahrnehmen, wobei ich mich auf
                              folgende Thatsachen stütze.
                           Ein Gerber besaß einen, in demjenigen meiner Mutter eingeschlossenen Weinberg, wohin
                              er Abfälle von Fellen und Horn in Menge bringen ließ. Nach einigen Jahren nahm
                              derselbe eine bewunderungswürdige Entwickelung; man erkannte ihn schon von ferne an
                              seinem kräftigen Aussehen; man erkannte ihn ebenso zur Zeit der Weinlese, wo man
                              zweimal so viel Fässer brauchte, als bei uns, um die Lese einer gleichen Fläche
                              einzubringen.
                           Demzufolge, was Hr. Boussingault über die Wirksamkeit der
                              phosphorsauren Ammoniak-Bittererde als Dünger bemerkte, wandte ich dieses
                              Salz mit dem größten Vortheil in Weinbergen an; es war nicht nur das schönste Holz
                              gewachsen, sondern offenbar auch die Lese eine reichere. Es ist jedoch möglich, daß
                              unser, dem obern Lias oder der großen Oolithformation angehöriger Boden reichhaltig
                              genug an Kalisalz ist, in andern Lagen es hingegen nicht der Fall ist.Es wäre von großem Interesse zu wissen, ob die Natronsalze nicht die
                                    Kalisalze zu ersetzen vermögen; man sollte dieß vermuthen, wenn man die
                                    große Fruchtbarkeit der Weinberge auf der Insel Ré betrachtet, welche
                                    durch den aus der See genommenen Dünger befruchtet wird, worin das Natron
                                    gegen das Kali bedeutend vorherrscht; es sey denn daß der Weinstock das Kali
                                    lieber in sich aufnehme, als das Natron, so wie die Tange das Jod fixiren.
                                    Hr. Balard hat gezeigt, daß das Meerwasser eine
                                    bedeutende Menge Kali enthält. Ich habe heuer die Anwendung des Kochsalzes
                                    in meinen Weinbergen versucht und werde seiner Zeit über meine Versuche
                                    berichten.
                              
                           Persoz berichtet die Beobachtung daß ein mit
                              phosphorsauren Salzen behandelter Weinstock, der in Folge dieses Düngmittels
                              außerordentlich kräftig gewachsen war, auch entsprechend Trauben trug; daß hingegen
                              ein anderer Weinstock, welcher keine phosphorsauren Salze erhalten hatte, gar keine Früchte trug;
                              die phosphorsauren Salze eignen sich folglich sowohl um Holz, als um Früchte zu
                              geben.
                           Kieselsaures Kali ist nach Persoz von großer Wirkung, um
                              in einem an Kali armen Erdreich die Früchte zu vermehren; ich gebe dieß gerne zu; es
                              wird aber längere Erfahrung nöthig seyn, um zu erweisen, daß damit dem Zuwachs des
                              Holzes nach Belieben Einhalt gethan werde. Es ist nämlich möglich, daß bei den
                              Beobachtungen von Persoz ein Fall eintrat, welchen ich
                              bei meinen Versuchen über den Einfluß sehr verschiedenartiger Agentien auf die
                              Pflanzen schon oft beobachtete; wenn man sie nämlich in etwas zu großer Menge
                              anwendet, so leiden die Setzlinge darunter, die Stengel entwickeln sich nicht, und
                              doch gehen, wenn gewisse Gränzen nicht überschritten wurden, Blüthezeit und
                              Befruchtung in Ordnung vor sich und die Früchte sind ebenso groß, wie an vollkommen
                              entwickelten Stengeln.
                           Jedenfalls gewähren Persoz's Beobachtungen großes
                              Interesse und seine Versuche verdienen fleißig wiederholt zu werden, wobei man
                              wahrscheinlich finden wird, daß die angegebenen Dünger nicht leicht genug zu
                              bekommen, oder zu theuer sind.
                           Wenn übrigens die Sache nur einmal wissenschaftlich festgestellt ist, so wird das
                              Uebrige sich später finden.