| Titel: | Ueber die Photographie auf Glas und einige neue darauf bezügliche Thatsachen; von Hrn. Niepce. | 
| Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. IX., S. 34 | 
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                        IX.
                        Ueber die Photographie auf Glas und einige neue
                           darauf bezügliche Thatsachen; von Hrn. Niepce.
                        Aus dem Comptes rendus, August 1850, Nr.
                              8.
                        Niepce, über die Photographie auf Glas.
                        
                     
                        
                           Mein Verfahren zur Beschleunigung der Photographie auf Glas besteht darin, dem Weißen
                              von je einem Ei 2 bis 3 Gramme Honig und 3 bis 4
                              Decigramme krystallisirtes Jodkalium zuzusetzen; das Eiweiß muß vor dem Schlagen der
                              Eier vollständig im Zustand von Schaum seyn, um es sehr rein zu haben.
                           Die Eiweißschicht gleichmäßig auf der Glasplatte zu verbreiten, ist noch immer eine
                              sehr schwierige Operation; wenige Personen verstehen sie gehörig. Man bedient sich
                              dazu gewöhnlich eines Glasstabs oder einer Pipette; oder man breitet sie auch durch
                              eine Bewegung der Hand aus: aber alles dieses erfordert eine sehr große Uebung; es
                              wäre daher zu wünschen, daß man die Eiweißschicht durch ein mechanisches Mittel
                              aufzutragen vermöchte.
                           Nachdem die Eiweißschicht trocken ist, taucht man die Platte in
                              essig-salpetersaures Silber, welches wie folgt zusammengesetzt wurde:
                           
                              
                                 salpetersaures Silber
                                   6
                                 Gramme
                                 
                              
                                 krystallisirbare Essigsäure
                                 12
                                       „
                                 
                              
                                 destillirtes Wasser
                                 60
                                       „
                                 
                              
                           Die Platte darf in dieser Composition höchstens zehn Secunden eingetaucht bleiben,
                              worauf man sie mit destillirtem Wasser waschen muß.
                           Nach dieser Operation läßt man die Platten in der größten Dunkelheit trocknen, um
                              hernach auf trockenem Wege zu operiren; da die Platten aber für das Licht sehr
                              empfindlich sind, so muß man sie wo möglich ohne vorläufige Behandlung mit
                              essig-salpetersaurem Silber aufbewahren.
                           Es ist vortheilhaft, in Camera obscura ein Brettchen mit
                              einem weißen Boden hinter der Glasplatte anzubringen, und um das Bild zum Vorschein
                              zu bringen, ist es auch nöthig die Gallussäure etwas zu erwärmen, um ihre Wirkung zu
                              befördern, ohne jedoch diese Operation zu sehr zu beschleunigen; denn die schönsten
                              negativen Bilder sind oft gerade diejenigen, welche mehrere Stunden mit der
                              Gallussäure in Berührung blieben und von denen man glaubt, daß kein Bild vorhanden sey.
                           Man fixirt die negativen Bilder entweder mit Bromkalium oder mit unterschwefligsaurem
                              Natron, und damit die Eiweißschicht (auf welcher das negative Bild erzeugt wurde)
                              sich nicht abschuppen kann (dieß geschieht, wenn sie zu dick ist oder mit dem Weißen
                              von alten Eiern dargestellt wurde), überzieht man sie mit einer schwachen Schicht
                              Knochenleim oder mit Gemäldefirniß, was sie überdieß dauerhafter macht.
                           Unter allen beschleunigenden Substanzen welche ich versuchte, ist der Honig die
                              geeignetste, weil er die Nachtheile der übrigen nicht besitzt, z.B. der Fluoride,
                              die ich wegen ihrer ätzenden Wirkung (welche sich durch entstehende zahlreiche Ritze
                              beim Austrocknen des Eiweißes offenbart) wenigstens für das Eiweiß aufgeben mußte.
                              Man kann die Fluoride (z.B. flußsaures Ammoniak) jedoch ohne Nachtheil anwenden,
                              wenn man sie mit Honig vermischt; und wenn man sich hiebei des Weißen von alten
                              Eiern bedient, so erzielt man durch die Vereinigung dieser Mittel eine größere
                              Beschleunigung. Ich wiederhole jedoch, daß das alte Eiweiß sich leichter abschuppt
                              als das frische; um diesen Uebelstand zu vermeiden, muß man die mit dem negativen
                              Bild versehene Eiweißschicht vollkommen trocknen lassen, bevor man sie der Sonne
                              aussetzt um das positive Bild zu erzielen, ja sie zu größerer Sicherheit mit einem
                              Firniß überziehen.
                           Durch die Beimischung des Honigs zum Eiweiß erhält das negative Bild eine sehr große
                              Zartheit in den Zügen, daher man durch dieses Mittel vollkommen verschmolzene
                              Halbtinten und Töne erzielt. Durch das Austrocknen dieser Mischung bekommt man eine
                              vollkommen gleichartige sehr glatte Schicht, welche sich nicht mehr spaltet, selbst
                              wenn man sie der Wärme aussetzt, und die das Bild eines durch das zerstreute Licht
                              erhellten Gegenstandes in höchstens zwei bis drei Secunden für eine Landschaft, und
                              in fünf bis acht Secunden für ein Porträt gibt, wenn man ein (französisches)
                              doppeltes Objectiv und eine Viertelsplatte anwendet; für die große Normalplatte sind
                              40 bis 50 Secunden, und mit einem deutschen Objectiv 25 bis 30 Secunden
                              erforderlich.
                           Dieses sind die Resultate der HHrn. Vigier und Mestral, welche die von mir der Akademie übergebenen
                              Bilder dargestellt haben.
                           Man kann auch noch schneller operiren, wenn man alle Beschleunigungsmittel vereinigt,
                              welche mir die Erfahrung an die Hand gab:
                           
                           1) je dicker die Eiweißschicht ist, eine desto größere Beschleunigung findet
                              statt;
                           2) je älter die Eier sind, desto größer ist die Beschleunigung;
                           3) je mehr die Composition von essig-salpetersaurem Silber gebraucht ist,
                              desto größer ist die Beschleunigung.
                           Endlich findet auch hinsichtlich des Eiweißes ein sehr großer Unterschied statt und
                              zwar, wie ich gefunden habe, je nach der Nahrung des Huhns. Das Eiweiß der Enteneier
                              spaltet sich weniger als dasjenige der Hühnereier. Das Eiweiß des Bluts ist zwar
                              sehr beschleunigend, aber man kann es nicht für sich allein anwenden, weil es mit
                              dem essig-salpetersauren Silber nicht so stark gerinnt um dem Glase
                              anzuhaften; man müßte es vorher mit Salpetersäure zum Gerinnen bringen.
                           Die Beschleunigung hängt auch zum Theil vom Waschen der Platte ab; denn wenn man
                              dieselbe nicht genug wascht, bildet sich beim Aufgießen der Gallussäure eine
                              rothgelbe Schicht; wascht man sie aber zu stark, so beseitigt man einen großen Theil
                              der Beschleunigung.
                           Ich habe auch gefunden, daß wenn man das Eiweiß im Wasserbad fünf bis sechs Stunden
                              lang auf 36° Reaumur erwärmt, man im Vergleich mit dem nicht so behandelten
                              Eiweiß eine sehr große Beschleunigung erhält.
                           Folgende Thatsachen glaube ich ihrer Merkwürdigkeit wegen mittheilen zu müssen. Wenn
                              man eine Auflösung von salpetersaurem Silber mit einer Auflösung von Kochsalz oder
                              Salmiak vermischt, so entsteht Chlorsilber. Wenn dieser Niederschlag in der
                              Flüssigkeit blieb worin er sich bildete, so färbt er sich am Licht; setzt man ihn
                              alsdann der Wärme aus, so wird das Chlorid wieder weiß.
                           Bekanntlich macht der Alkohol das Eiweiß gerinnen; wenn man aber in dem Alkohol zuvor
                              Jod aufgelöst hat, so gerinnt das Eiweiß nicht mehr.
                           Wenn man Brom in das Eiweiß bringt, so wird das Brom sogleich von dem Eiweiß
                              eingehüllt, ohne daß letzteres gerinnt und es entweichen aus der Flüssigkeit keine
                              Bromdämpfe mehr.