| Titel: | Ueber Metallkolik, vorgekommen bei Arbeitern in einer Zinkweißfabrik; von Hrn. Bouvier. | 
| Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XXIX., S. 127 | 
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                        XXIX.
                        Ueber Metallkolik, vorgekommen bei Arbeitern in
                           einer Zinkweißfabrik; von Hrn. Bouvier.
                        Im Auszug aus den Comptes rendus, Juni 1850, Nr.
                              19.
                        Bouvier, über Zinkvergiftung.
                        
                     
                        
                           Am 19. April d. J. trat Louis Nafteux, 42 Jahr alt,
                              Büttner, bei mir ins Spital Beaujon ein und zeigte alle Symptome einer Metallkolik.
                              Er sagte, daß er seit dem 4ten des Monats in der Fabrik zu Asnières mit fünf
                              andern Büttnergesellen zum Einpacken des Zinkweißes in Fässer, oder vielmehr bloß
                              zum Einsetzen der Deckel in die damit schon gefüllten Fässer verwendet worden sey;
                              daß man ihnen acht Tage darauf andere, schon gebrauchte Fässer zu repariren gegeben
                              habe, wobei sie sich beständig in einer staubigen Atmosphäre befanden; von da an
                              habe er und seine Cameraden Kolik verspürt; es ekelte ihnen vor den Speisen, im
                              Munde hatten sie einen pappigen Geschmack. L. N. konnte seine neue Arbeit nur noch
                              zwei Tage fortsetzen und wurde am 14ten von Brechen, heftiger Kolik, in Verbindung
                              mit Verstopfung, befallen. Diese Zustände dauerten fünf Tage, während welcher er
                              keinen Stuhl hatte und alles was er zu sich nahm wieder ausbrach.
                           Am 20sten wich die Verstopfung 2 Unzen Bittersalz und einem abführenden Lavement.
                              Nach zahlreichen Ausleerungen und der Verabreichung von 2 2/5 Gran Opium hörte das
                              Brechen auf und die Schmerzen nahmen ab. Der Kranke fuhr fort abzuführen, nach
                              Bedarf Klystiere und abwechselnd Schwefel- und Seifenbäder zu nehmen. Am
                              27sten war er wieder hergestellt und am 4ten Mai verließ er das Spital.
                           Es unterlag keinem Zweifel, daß er in Folge einer Vergiftung durch Zinkoxyd eine
                              wahrhafte Zinkkolik hatte, deren Symptome jenen der Bleikolik ganz ähnlich waren.
                              Daß kein Blei im Spiele war, ging schon daraus hervor, daß das Zahnfleisch keine
                              gefärbte Einfassung hatte, und daß die Haut nach dem Gebrauch der Schwefelbäder
                              nicht schwarz gefärbt war, obschon sich auf der Oberfläche des Körpers an
                              verschiedenen Stellen feste, weißliche Flecken zeigten, die von einem metallischen
                              Körper herzurühren schienen. Als der Körper am 2. Mai gewaschen wurde, überzeugte
                              man sich durch chemische Untersuchung des Waschwassers, daß dieses eine merkliche
                              Menge Zinks, aber weder Blei, noch Kupfer, noch Arsenik enthielt.
                           
                           Wenn die Berichte des Kranken über seine Cameraden richtig waren, so folgt daraus,
                              daß der Staub des Zinkoxyds, mit den Deckhäuten des menschlichen Körpers in
                              Berührung gebracht, in seinen ersten Wirkungen mit jenen des Bleiweißes ziemlich
                              übereinstimmt. Ob er die späteren Folgen auf das Nerven- und Muskelsystem
                              ebenfalls hat, muß erst die Zukunft lehren.
                           ––––––––––
                           Obigem Artikel reihen wir nachfolgenden aus den Comptes rendus
                                 No. 21 an.
                           
                        
                           Ueber Zinkvergiftung der Arbeiter welche den galvanisirten
                                 Draht zusammenwickeln; von Landouzy und Maumené zu Rheims.
                           Der zum Verbinden des Champagnerweins dienende Eisendraht wird in Ringen von 1 bis 10
                              Kilogr. den sogenannten tordeurs übergeben, welche
                              mittelst eines sinnreichen Stuhls 10 bis 20 Drahtstücke zugleich abschneiden und
                              wickeln. Diese Drähte werden dann in Pakete von 1 Kilogr. gebracht und mit einem
                              hölzernen Hammer geschlagen, um sie zurecht zu richten und in Bündel zu vereinigen.
                              Jeder Arbeiter fertigt so täglich 40 bis 50 Pakete Eisendraht.
                           Wiewohl diese Arbeit bisher unter der Gesundheit durchaus nicht zuträglichen
                              Umständen verrichtet wurde, war doch niemals ein Unfall vorgekommen, bis in den
                              ersten Tagen des J. 1850 statt des gewöhnlichen Eisendrahts der sogenannte galvanisirte, d.h. verzinkte, eingeführt wurde, wo dann
                              dieselben Arbeiter sich bald über einen süßlichen Staub im Halse, beständigen Reiz
                              zum Husten und Ausspucken, Frost und allgemeines Unwohlseyn etc. beklagten. Dieser
                              galvanisirte Draht nämlich, eilfertig und nachlässig verfertigt, war mit einer
                              ziemlich dicken Schicht Zinkstaub, Zinkoxyd und kohlensaurem Zinkoxyd überzogen, die
                              bei der Arbeit reichlich davon flog.
                           Von sechs Arbeitern bekamen drei heftige Bräune und Mundfäule (stomatie) mit Geschwür der Mandeln, weißen Häutchen auf dem Zahnfleisch,
                              Speichelfluß, übelriechenden Athem, Kolik und Diarrhöe. Bei drei andern waren die
                              Zufälle viel leichterer Art und einfacher. Bei einigen waren sie schon in 6–8
                              Tagen eingetreten, bei andern später; bei den meisten dauerten sie 3–6 Tage,
                              nur eine Arbeiterin war über 14 Tage im Fieberzustand.
                           
                           Dieselben Arbeiten mit galvanisirtem Draht, der frei von Staub war, wurden später
                              ohne alle üble Wirkung fort verrichtet.
                           Hinsichtlich des Verbindens des Champagnerweins mit Draht geht aus obigem also
                              hervor, daß 1) die Ringe des galvanisirten Drahts den Drahtwicklern staubfrei
                              geliefert werden müssen; 2) der galvanisirte Draht von den Büttnern ohne Anstand
                              angewandt werden kann; 3) der Wein von zerbrochenen und übergelaufenen Bouteillen
                              möglicherweise Zinksalze enthalten kann und darauf untersucht werden muß, ehe man
                              ihn in den Handel liefert.
                           Im Allgemeinen beweisen diese Mittheilungen, daß mit dem Ersetzen des Bleiweißes
                              durch Zinkweiß in sanitäts-polizeilicher Hinsicht nicht viel gewonnen zu seyn
                              scheint.