| Titel: | Ueber Aubergier's Versuche hinsichtlich der Gewinnung der Milchsäfte aus der Lactuca (Lattich) und dem Mohn; Bericht von Hrn. Chevallier. | 
| Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XXXIII., S. 145 | 
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                        XXXIII.
                        Ueber Aubergier's Versuche hinsichtlich der Gewinnung
                           der Milchsäfte aus der Lactuca (Lattich) und dem Mohn;
                           Bericht von Hrn. Chevallier.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, April 1850, S. 455.
                        Ueber Aubergier's Versuche zur Gewinnung von Opium aus
                           Mohn.
                        
                     
                        
                           Hr. Aubergier baute die Lactuca
                                 sativa im Großen an, um das Lactucarium zu
                              gewinnen. Die Analyse dieses eingetrockneten Milchsafts ergab ihm, daß er eine krystallisirbare
                              Substanz enthält, welche man Lactucin genannt hat, ferner
                              Mannit, Harz, Cerin, Asparamid, einen braunen Farbstoff, Oralsäure und verschiedene
                              Salze.
                           Im J. 1844 lieferte er 50 Kilogr. von ihm erzeugten festen Lattichsafts oder
                              Lactucarium auf die Pariser Industrieausstellung.
                           Hinsichtlich des Opiums war man bekanntlich lange der Meinung, daß der in Europa
                              gebaute Mohn keines liefern könne. Zahlreiche Versuche, welche mit dem Anbau des
                              Mohns und der Gewinnung des Opiums aus demselben in verschiedenen Ländern gemacht
                              wurden, bewiesen aber das Gegentheil.
                           Der Morphingehalt des französischen sowohl als des erotischen Opiums wechselt von
                              3,25 bis 10,75 Procent. Hr. Aubergier suchte nun zu
                              ermitteln, ob diese Verschiedenheiten Folge von Betrug, der Natur des Mohns, seiner
                              Cultur, oder des Klima's seyen; ferner wie sich die Güte des französischen Opiums zu
                              jener des erotischen verhalte, und stellte hiezu Versuche mit weißem Mohn mit rundem Kopf, mit purpurrothem Mohn und mit Oelmohn (pavot oeilleté) an, welcher
                                 letztere am meisten Samen trägt.
                           In der Cultur des Mohns nahm Hr. Aubergier keine
                              Veränderung vor, als daß er ihn in Linien säete statt im Flug; sobald die Kapsel
                              vollkommen entwickelt war, begann er mit den Einschnitten. Der gesammelte Saft wurde
                              Tag für Tag besonders an der Sonne getrocknet (siehe unten).
                           Vor der Analyse jeder Probe eines Opiums bestimmte er dessen Wassergehalt durch
                              Austrocknen von 4–5 Grammen in einem Trockenapparat mit kochendem Wasser; auf
                              diese Weise konnte er das Ergebniß der Opiumsorten an Morphin berechnen, indem er
                              einen normalen Wassergehalt von 7,60 Proc. annahm, um die Resultate mit jenen des
                              Hrn. Payen vergleichbar zu machen, dessen analytisches
                              Verfahren er genau befolgte, mit dem einzigen Unterschiede, daß er die Flüssigkeiten
                              vor der Fällung mittelst Ammoniaks mit Thierkohle entfärbte, welche zuvor mit
                              Salzsäure bis zur Erschöpfung aller auflöslichen Substanzen ausgewaschen worden war.
                              Folgendes sind seine Resultate:
                           
                           
                              
                                 Art des
                                       Mohns.
                                 Erntezeit.
                                   Gewicht des  Opiums nachd.
                                    Austrocknen   im
                                    luftleeren    Raum
                                    bei       80°
                                    R.
                                 Verlust an  Wasser.
                                      Aus 25
                                    Gr.Opium
                                    erhaltenes      Morphin.
                                  Ergebniß an Morphin,wie es sich aus 100
                                    Thl. Opium, das 7,60 Proc.  Wasser enthält
                                    – die  normale Quant.
                                    nach   Payen
                                    – berechnet.
                                 
                              
                                 
                                       1844
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Opium aus weißem Mohn
                                     5.–11.
                                    Juli
                                       90,52
                                      9,48
                                       2,100
                                            8,570Alle Opiumproben aus weißem Mohn vom J. 1844 rühren von einem Gemenge
                                          des Saftes aus weißem Mohn mit rundem und mit
                                             langem Kopf her; letzterer gibt ein Opium von größerem
                                          Morphingehalt als ersterer. Das Opium der ersten Ernte wurde
                                          ausschließlich durch Einschneiden gewonnen.
                                 
                              
                                   deßgl.        deßgl.
                                   17.–20.  
                                    „
                                       92,53
                                      7,67
                                       0,380
                                            1,520Das Opium der zweiten Ernte wurde durch Zusammendrücken des noch auf
                                          dem Stengel stehenden Mohnkopfs zwischen den Händen, nach Entfernung
                                          der die Narbe tragenden Krone, gewonnen. Der Milchsaft vermischte
                                          sich auf diese Weise mit den andern Säften des Samengehäuses; dieses
                                          Verfahren taugt aber nichts, weil die Samen, die doch einen Theil
                                          des Products des Anbaues bilden müssen, verloren gehen, und das
                                          Opium schlechter ausfällt.
                                 
                              
                                   deßgl. aus purpurrotem
                                    Mohn
                                   10.–13.  
                                    „
                                       90,61
                                      9,39
                                       2,640
                                          10,690
                                 
                              
                                 
                                       1845
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Opium aus weißem Mohn
                                     2. Juli
                                       88,42
                                    11,58
                                       1,588
                                            6,630
                                 
                              
                                   deßgl.        deßgl.
                                   28.   „
                                       88,55
                                    11,45
                                       1,329
                                            5,530
                                 
                              
                                   deßgl.        deßgl.
                                   13. August
                                       89,02
                                    10,98
                                       0,777
                                            3,270
                                 
                              
                                   deßgl. aus purpurrotem
                                    Mohn
                                   21. Juli
                                       88,40
                                    11,60
                                       2,659
                                          10,370
                                 
                              
                                   deßgl.        deßgl.
                                   28.   „
                                       87,09
                                    12,91
                                       2,517
                                          10,694
                                 
                              
                                   deßgl.        deßgl.
                                   16.   „
                                       89,95
                                    10,95
                                       2,919
                                          11,230
                                 
                              
                                   deßgl. aus Oel-Mohn
                                    (pavots-oeillettés)
                                   29.–30. Juli
                                       88,29
                                    11,71
                                       4,260
                                          17,833
                                 
                              
                                   deßgl.        deßgl.
                                   21. August
                                       86,69
                                    13,31
                                       3,482
                                          14,780
                                 
                              
                           
                           Vergleicht man das Product der ersten Ernte von 1844 mit dem der ersten Ernte von
                              1845, so findet man ersteres reicher an Morphin als das letztere, und zwar weil dort
                              runde Mohnköpfe mit langen untermengt angebaut wurden, und letztere, wie oben schon
                              bemerkt, mehr Alkaloid enthalten.
                           Das absteigende Verhältniß des Morphingehalts des weißen Mohns in den drei Ernten vom
                              J. 1845 ist Folge seiner fortschreitenden Reife. Hr. Aubergier kann daher mit jenen Reisenden nicht übereinstimmen, welche
                              sagen, daß die Ernte dann beginnen soll, wenn die grüne Farbe der Mohnköpfe in die
                              gelbe übergeht.
                           Er fand, daß wenn die Einschnitte nur in die Fruchthülle (die äußere Fruchthaut)
                              gehen, der Same zur Reife gelangt und zur Oelgewinnung dienen kann, wie auch von
                              Hrn. Hardy bemerkt wurde; wenn der Einschnitt aber auch
                              durch die innere Fruchthaut (Endocarpon) geht, so verhindert der Luftzutritt
                              gänzlich die Samenetwickelung. Wenn man also zweckmäßig zu Werk geht, so kann man
                              das Samenproduct neben dem Opium gewinnen, wodurch allein die Opiumcultur in
                              Frankreich in ökonomischer Hinsicht möglich wird.
                           Ferner bemerkt er, daß der weiße Mohn mit schwarzem Samen (pavot à oeillette) eine so dünne Fruchthülle habe, daß man
                              unmöglich Einschnitte machen kann, ohne den Samen zu verlieren; dennoch empfiehlt er
                              den Anbau dieser Varietät, weil das Morphinergebniß, besonders der ersten Ernte, ein
                              gutes war (17,833 Proc.).
                           Hr. Aubergier schließt aus seinen Versuchen:
                           1) daß die Qualität des Opiums von der Mohnvarietät abhängt, welche es lieferte, und
                              bei derselben Varietät von der mehr oder weniger vorgeschrittenen Reife der Kapseln
                              zur Zeit der Ernte;
                           2) daß die Quantität des im Milchsaft enthaltenen Morphins mit der fortschreitenden
                              Reife der Frucht abnimmt;
                           3) daß das Klima keinen Einfluß auf die Qualität des in Frankreich und Algier
                              gebauten Opiums hat, und der Anbau desselben sehr zweckmäßig sey, um ein besseres
                              und besonders in seinem Morphingehalt constanteres Opium zu liefern als man es im
                              Handel bekömmt.
                           Die Frage reducirt sich nach Hrn. Aubergier auf den bloßen
                              Kostenpunkt. Leider könnte er aber seine begonnenen Versuche nicht vollenden. Nach
                              Hrn. Hardy sind sieben Stunden erforderlich, um das
                              Product zu sammeln, welches durch die in drei Stunden gemachten Einschnitte
                              ausfließt. Dieß ist nach Hrn. Aubergier zu langwierig und
                              setzt beim Arbeiter eine große Geschicklichkeit voraus; zur Abhülfe schlägt er ein
                              Instrument vor, an welchem vier Federmesserklingen in einem Heft parallel so angebracht sind, daß
                              ihre Spitze nur 1 bis 2 Millimet. hervorsteht. Mit demselben werden die Einschnitte
                              von jedem Arbeiter schnell, leicht und richtig gemacht. Sobald dieses geschehen ist,
                              sammelt eine andere Person den Saft. Man soll auf diese Weise 2/3 an Arbeitslohn
                              ersparen, und statt zehn Stunden sollen nur drei zur Ernte erforderlich seyn.
                           Eine Commission des Vereins für Feld- und Gartenbau zu Clermont wohnte im J.
                              1846 einen ganzen Tag den Verrichtungen von sechs Arbeitern bei einer solchen Ernte
                              bei; deren Resultat 2,730 Kil. Milchsaft war, was wenigstens 682 Grammen (22 7/10
                              Unzen) trockenen Opiums entspricht.
                           Schließlich bemerkt Hr. Aubergier, daß die Kosten der
                              Opiumernte den vierten Theil des gewöhnlichen Verkaufspreises (30 Fr. per Kilogr.) nicht übersteigen können. Das Product aus
                              dem Samen, wenn derselbe erhalten wird, deckt die Kosten des Anbaues und den Pacht
                              etc. Der Landwirth dürfte sich von dem Anbau des Mohns also großen Nutzen
                              versprechen und dem Inland viel Geld, welches jetzt dem Ausland zukommt, dadurch
                              erspart werden. Die Menge des in Frankreich eingeführten Opiums betrug in 20 Jahren
                              283,058 Kilogramme.