| Titel: | Ueber Fabrication von Papier aus Aloë- und Bananenfasern; Bericht von Hrn. Amédée Rieder in Mülhausen. | 
| Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. LXVII., S. 300 | 
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                        LXVII.
                        Ueber Fabrication von Papier aus
                           Aloë- und Bananenfasern; Bericht von Hrn. Amédée Rieder in
                           Mülhausen.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhouse, 1850 Nr. 108.
                        Rieder, über die Fabrication von Papier aus Aloë- und
                           Bananenfasern.
                        
                     
                        
                           Hr. Emil Dollfus hat der
                              Mülhauser-Industrie-Gesellschaft von der letzten Pariser
                              Industrie-Ausstellung Proben von Papier aus Aloëfasern und algerischem
                              Bananenstroh zugeschickt, welche dem Comité für mechanische Gegenstände zur
                              Untersuchung übergeben wurden; diesen Proben waren auch Muster jener Fasern
                              beigelegt, nebst dem Bericht über die Versuche welche Hr. Roque mit denselben in der Papierfabrik zu Echarcon angestellt hat.Man vergl. Payen's Bericht über die Anwendung der
                                    Bananenblätter zur Papierfabrication im polytechn. Journal Bd. CXI S. 427.
                              
                           Daß in der Ausstellung vom J. 1849 Proben von im J. 1845 angestellten Versuchen
                              figurirten, können wir uns nur dadurch erklären, daß man nach Verlauf von vier
                              Jahren die praktischen Resultate, oder wenigstens ein in den Handel übergegangenes
                              Fabrikerzeugniß vorbringen wollte.
                           Schon vor mehr als 20 Jahren besaß ein Papierfabrikant der Vogesen eine Sammlung von
                              100 Papierproben aus allen Holzarten und verschiedenen Moosen und Spinnpflanzen.
                              Seitdem wurde Papier aus Stroh, Kräutern und weichem Holze im Großen verfertigt, der
                              Spargenstengel nicht zu vergessen, für welche sich eine Actiengesellschaft
                              bildete.
                           Bekanntlich kann jede faserige Materie zu Papier verarbeitet werden; es frägt sich
                              nur ob das Product gut ist, und wie sich das Rohmaterial, im Verhältniß zu den
                              Lumpen, im Preise stellt. Mit welchem Erfolg hat man sich aber mit diesen verschiedenen
                              Papiersorten beschäftigt? Die Gesellschaften für Benutzung der Spinnpflanzen in
                              Algier haben nichts producirt. Die Strohpapier-Fabriken ruiniren sich durch
                              Verfertigung wohlfeilen, aber schlechten Papiers, oder vielmehr dadurch, daß sie es
                              durch Zusatz von Leinen zwar gut, in Folge davon aber zu theuer machen. Einige
                              deutsche Fabriken setzen den Lumpen weiches Holz zu; allein die Anwendung dieses
                              Stoffes verbreitet sich nicht, weil man sich dazu in der Nähe der Fabrik schönes
                              Holz wohlfeil müßte verschaffen können. Die Zubereitung desselben vertheuert seine
                              Anwendung ungemein, wegen der zu seiner Verarbeitung zu Zeug erforderlichen
                              bedeutenden Triebkraft. Dieß ist die große, schwer zu besiegende Schwierigkeit für
                              die Anwendung des weichen Holzes; außerdem könnte dasselbe, durch Beimengung von
                              Hanflumpen gemildert, der Papierfabrication wahrhaft nützliche Dienste leisten.
                           Nach allem steht fest, daß die Lumpen, d.h. die spinnbare Faser des Hanfs, des Leins
                              und der Baumwolle, das beste Papier geben, bisher aber auch das wohlfeilste, aus dem
                              einfachen Grunde, weil die Lumpen ein Abfall sind, der, wenn er nicht behufs der
                              Papierfabrication gesammelt würde, verloren ginge; während jede Spinnpflanze, deren
                              Anbau, Zubereitung und Zufuhr Kosten verursachen, offenbar theurer zu stehen
                              kommt.
                           Ich will nun erklären, warum trotz der ungeheuren Zunahme der Papierfabrication, die
                              Lumpen doch noch immer hinreichen.
                           Unstreitig ist die große Papierconsumtion ein Zeichen der fortgeschrittenen
                              Civilisation, in deren Folge aber auch mehr Gewebe aller Art verbraucht und
                              abgenützt werden, die wieder mehr Lumpen liefern. Diese aber werden, je höher ihr
                              Werth ist, desto sorgfältiger gesammelt, und überdieß ist es in der neuesten Zeit
                              gelungen, alle Arten Abfälle des ordinären weißen Papiers durch chemische Behandlung
                              wieder mit Vortheil zu verwenden, während man ehedem bloß graues Papier oder Pappe
                              daraus zu machen wußte. Endlich ging durch das frühere Faulenlassen der Lumpen ein
                              großer Theil derselben verloren. An dessen Stelle ist nun allgemein das Kochen der
                              Lumpen in alkalischer Lauge und das Bleichen derselben mit Chlor getreten; bei
                              vorsichtiger Anwendung dieses Verfahrens werden die Lumpen weniger verdorben als
                              durch ein zu weit getriebenes Faulenlassen. Nun noch einige Bemerkungen über die
                              Anwendung der Baumwolle zur Papierfabrication. Gewiß befinden sich, da der Verbrauch
                              der Baumwolle bedeutend zugenommen hat, die Baumwollenlumpen auch in größerer Menge
                              in der Gesammt masse der
                              gesammelten Lumpen. Mittelst der erwähnten chemischen Mittel ist man aber jetzt im
                              Stande, jede Art grober Leinwand, bis zum Packtuch und dem Abfall des Tauwerks herab
                              zu verwenden, welche in geeignetem Verhältniß der Baumwolle zugesetzt, ein
                              vortreffliches Papier geben. Die Güte des Papiers hängt in einer gut arbeitenden
                              Fabrik ganz vom angewandten Material ab, und die Kunst der Fabrikanten besteht in
                              der guten Mischung bei der Auswahl der Stoffe je nach den verschiedenen Zwecken,
                              wozu das Papier bestimmt ist.
                           So muß das Papier für Tapeten nothwendig Baumwolle in ziemlicher Menge enthalten,
                              weil es durch sie weich wird und dann den Druck gerne annimmt. Auch der Letterndruck
                              geht bei einem Papier, welches Baumwolle enthält, besser von statten. Der reine Hanf
                              ist zu Brief- und Altenpapier, überhaupt zu gutem Schreibpapier
                              aufzubewahren. Für letzteres wäre die Beimengung einer noch nicht abgenutzten Faser,
                              wie z.B. des Bananenbaumes, von sehr großem Nutzen, wenn sie nicht nur um gleichen
                              Preis, sondern wohlfeiler zu haben ist. Ich erfuhr mit Verwunderung von Hrn. Gasnier, dem Papierfabrikant welcher die Versuche zu
                              Echarcon angestellt hat, daß der neue Stoff auf 50–60 Francs per 100 Kilogr.
                              zu stehen kommt, während zu derselben Zeit, im October 1845, die weißen Lumpen
                              erster Qualität höchstens 35–40 Franks per 100 Kil. kosteten. Gegenwärtig
                              kosten sie in Paris 30–35 Francs.
                           Ich werde nicht allen Operationen, die mit der Banane und der Aloë vorgenommen
                              worden sind, besonders besprechen. Sie scheinen ziemlich complicirt zu seyn und sind
                              kostspieliger als die Proceduren mit den Lumpen. Der Fabrikant welcher sie anwenden
                              will, müßte sie möglichst zu vereinfachen suchen. Eine der ersten Bedingungen für
                              den Speculanten, welcher die Lieferung der Bananen- und Aloëfaser
                              unternehmen will, wäre jedenfalls sie von aller Rinde und jeder der
                              Papierfabrication etwa nachtheiligen, fremdartigen Materie zu befreien. Man müßte
                              die Banane in dem Lande, wo sie cultivirt wird, schon stampfen, was bestimmt
                              leichter wäre als das Stampfen der bereits ausgetrockneten und erhärteten Fasern in
                              unseren Fabriken vor dem Auswaschen und Behandeln im Holländer. Sie sollte an die
                              Papierfabriken in Form von Kuchen oder großen halbgebleichten Pappen Halbzeugs
                              geliefert werden können, welche höchstens auf 20–25 Francs per 100 Kil. zu
                              stehen kämen. Wenn man dahin gelangen würde, so wäre die Unternehmung von Erfolg und
                              es hieße der Papier-Industrie im allgemeinen einen wahrhaften Dienst
                              erweisen, nicht damit reines Bananenpapier verfertigt, sondern damit alles zu weiche
                              Papier durch Zusatz frischer Bananenfaser verbessert werden könnte, durch welche es
                              sicherlich Nerv erhielte und nichtfließend würde.
                           Die HHrn. Chevreul und Péligot sagen in ihrem Berichte über das Bananenpapier, daß die
                              Fabrication des geschöpften (Hand- oder Form-) Papiers sich unter
                              anderm dadurch von der des Maschinenpapiers unterscheide, daß bei jener die Fasern
                              in der Regel länger seyen und im Zustand des geleimten Papiers keine fremdartige
                              Materie zwischen sich enthalten; darin irren sie aber. Bei der Maschinenfabrication
                              kann man ganz denselben Zeug anwenden, wie bei der Handfabrication. Es können sogar
                              mit der Maschine so harte Papiere und Pergamente dargestellt werden, daß sie zum
                              Schreiben ganz untauglich wären. Es ist durchaus nicht die Fabricationsweise weder
                              mit der Bütte, noch mit der Maschine, welche das gute Papier bedingt. Das Verfahren
                              beim Trocknen jedoch ist von Einfluß auf die Güte des erzeugten Papiers. An der
                              freien Luft ziehen sich die das Papiergewebe bildenden Fasern zusammen und verfilzen
                              sich so zu sagen während des Trocknens, wodurch das Papier eine rauhe Oberfläche
                              bekommt. Beim Trocknen des über heiße Cylinder ausgebreiteten Papiers mittelst Dampf
                              werden hingegen die Fasern gestreckt und zusammengedrückt, und das Papier, indem es
                              sich glättet, wird spröder.
                           Wir wiederholen es, die Güte des Papiers hängt von dem dazu verwendeten Material und
                              von der Art seiner Verarbeitung ab, beim Handpapier sowohl, als beim
                              Maschinenpapier. Beide Verfahrungsarten können sehr gutes, aber auch sehr schlechtes
                              Papier liefern. Allerdings ist, seitdem Maschinenpapier fabricirt wird, schlechtes
                              Papier allgemeiner verbreitet und der Handel damit überschwemmt; daran sind aber
                              hauptsächlich zwei Dinge Schuld:
                           1) die Anforderung des Consumenten, der sehr weißes, sehr wohlfeiles und schön
                              durchsichtiges Papier will, was sehr fein verarbeiteten Zeug voraussetzt;
                           2) die Nothwendigkeit, wohlfeiles, mittelmäßiges, oft zu stark gemahlenes Material
                              anzuwenden, um diese Wünsche zu erfüllen.
                           Allerdings kann durch die allgemeine Anwendung der Baumwolle die Dauerhaftigkeit des
                              Papiers in der Folge immer mehr beeinträchtigt werden, und es ist daher zu wünschen,
                              daß Hrn. Roque's Project der Bananencultur in Algier zur
                              Ausführung gelangt. Wenn derselbe dazu kräftig Hand anlegt, und Preise stellt, wobei
                              den Fabrikanten Vortheile geboten werden, ohne daß dem Unternehmer dabei ein billiger Nutzen
                              entgeht, so können schöne Resultate erzielt werden.
                           Eine uns vorliegende Sammlung von Papiermustern aus verschiedenen Zeiten und
                              verschiedenen Materialien, mit beigefügten Notizen, ergibt folgende Resultate:
                           1) daß im J. 1802 in Elsaß ein gutes, aber nicht schönes Papier fabricirt wurde,
                              welches damals gewiß theuer bezahlt wurde, gegenwärtig aber nicht verkäuflich
                              wäre;
                           2) daß die Papiere vor 20 Jahren in der Regel besser waren, als sie jetzt sind, aber
                              theurer und nicht so hübsch;
                           3) daß die Papiermaschinen ein eben so kräftiges Papier zu liefern vermögen, als das
                              mit der Form geschöpfte Fabricat ist;
                           4) daß das Maschinenpapier eben so gut mit thierischem Leim geleimt werden kann, als
                              mit Harzleim;
                           5) daß jedoch beim Trocknen an der freien Luft die Papierfasern mehr Nerv behalten,
                              als wenn sie, über gußeiserne, durch Dampf erhitzte Cylinder ausgebreitet,
                              getrocknet worden, welche Operation die Papierfasern allerdings leicht spröder
                              macht;
                           6) daß reine, nicht abgenutzte Baumwolle ein sehr dauerhaftes Papier liefert;
                           7) daß sogar reine Wolle Papier liefert;
                           8) daß aus Stroh oder Heu, den Leinenlumpen beigemengt, ein gutes Papier erhalten
                              werden kann; daß man vorzüglich in England aus weißem Stroh sehr schönes Papier
                              verfertigte, dieser Industriezweig aber niemals recht gedieh, ohne Zweifel weil
                              solches Papier im Preise mit dem Papier aus Lumpen nicht concurriren kann;
                           9) daß Lumpen, zur Hälfte mit Tannenholz-Zeug gemischt, ein gutes Papier
                              geben;
                           10) daß endlich Papier aus Bananen- oder Aloëfasern große Aehnlichkeit
                              mit dem vorausgehenden hat, daß es sogar zu hart, zu spröde und zu durchsichtig ist,
                              und durch einen Zusatz von Lumpen sehr verbessert würde.