| Titel: | Ueber die Ursachen der Veränderung der bleiernen Dachrinnen an den Gebäuden des Kriegsministeriums zu Paris; von Hrn. Ebelmen. | 
| Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. IX., S. 40 | 
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                        IX.
                        Ueber die Ursachen der Veränderung der bleiernen
                           								Dachrinnen an den Gebäuden des Kriegsministeriums zu Paris; von Hrn. Ebelmen.
                        Aus den Annales des mines, 1850, Bd. XVIII S.
                              									27.
                        Ebelmen, über die Ursachen der Veränderung bleierner
                           								Dachrinnen.
                        
                     
                        
                           Im December des verflossenen Jahres ernannte der Minister der öffentlichen Arbeiten
                              									eine Commission zur Prüfung der Ursachen, welche die Zerstörung der an den Gebäuden
                              									des Kriegsministeriums befindlichen bleiernen Dachrinnen veranlaßten. Diese
                              									Commission betraute mich mit der chemischen Untersuchung der bei der Veränderung des
                              									Bleies entstandenen Producte, sowie mit der Erforschung der Ursachen, welche
                              									dieselbe veranlaßt haben könnten.
                           Die Bleibleche, aus denen die Rinnen bestehen, sind mit ihrem ganzen horizontalen,
                              									dem Boden der Rinne entsprechenden Theile in Berührung mit Gyps. Sie sind gebogen
                              									und stehen auf der einen Seite unter den Dachziegeln, während sie sich auf der
                              									andern Seite wieder gerade richten und sich der Länge nach an eine eichene Bohle
                              									legen, um so die vordere Seite der Rinne zu bilden. Die Veränderung zeigte sich nur
                              									da, wo das Blei mit dem Eichenholze in Berührung ist; die Bleiplatte war hier sehr
                              									dünn geworden und an mehreren Stellen sogar durchlöchert. Das Metall hatte sich in
                              									eine weiße, sehr schwere Substanz umgewandelt, welche sich leicht von der übrigen
                              									Platte ablöste. Die Rinne wurde im Jahre 1841 gelegt; das Blei war also in weniger
                              									als neun Jahren durchlöchert worden.
                           Ich habe zuerst die weißen Krusten untersucht, welche sich von der Bleiplatte
                              									ablösten. Sie bestehen, wie sich erwarten ließ, aus kohlensaurem Blei (Bleiweiß),
                              									welches sich unter lebhaftem Aufbrausen in Essigsäure oder verdünnter Salpetersäure
                              									vollständig löste. Ich habe alsdann Versuche angestellt, um zu erfahren, ob das
                              									entstandene Product nicht irgend ein lösliches Salz enthält, welches auf seine
                              									Bildung schließen läßt. 100 Gramme der weißen Substanz wurden zu dem Ende mit
                              									destillirtem Wasser behandelt. Die filtrirte Flüssigkeit, vorsichtig zur Trockne
                              									eingedampft, hinterließ einen beträchtlichen Rückstand eines weißen Salzes, welches
                              									sich leicht in Wasser und in Alkohol löste, und überdieß folgende Eigenschaften
                              									zeigte:
                           
                           Bei seiner Behandlung mit schwach verdünnter Schwefelsäure erhielt man einen
                              									reichlichen Niederschlag von schwefelsaurem Bleioxyd. Bei mäßigem Erhitzen der
                              									Flüssigkeit gab sie einen starken sauren Geruch von sich.
                           Die wässerige Lösung des Salzes fällt in der Kälte eine salpetersaure Silberlösung.
                              									Der sich bildende krystallinische Niederschlag löst sich wieder auf, wenn man die
                              									Flüssigkeit mit heißem Wasser verdünnt.
                           Die Lösung des Salzes gibt auch mit salpetersaurem Quecksilberoxydul einen weißen
                              									Niederschlag.
                           Schwefelsaures Eisenoxyd gibt einen weißen Niederschlag von schwefelsaurem Bleioxyd
                              									und eine rothe Flüssigkeit.
                           Alle diese Charaktere weisen die Gegenwart einer sehr beträchtlichen Menge
                              									essigsauren Bleioxyds in dem veränderten Blei nach. Um mich davon noch mehr zu
                              									überzeugen, kochte ich einen Theil des Wassers, womit das Bleiweiß ausgewaschen
                              									worden war, mit ein wenig Bleiglätte. Nachdem das Kochen einige Minuten angedauert
                              									hatte, filtrirte ich, und leitete in die Flüssigkeit kohlensaures Gas, welches
                              									augenblicklich einen perlmutterartigen Niederschlag von kohlensaurem Blei
                              									hervorbrachte.
                           Das Vorhandenseyn von essigsaurem Blei in dem Product des veränderten Bleies ist also
                              									außer allen Zweifel gestellt, und es ist hiernach leicht einzusehen, auf welche
                              									Weise sich letzteres gebildet hat. Die Theorie der Bleiweißfabrication ist jetzt
                              									festgestellt, und man weiß, daß eine sehr geringe Menge essigsaures Blei hinreicht,
                              									um bei Gegenwart von Luft und feuchter Kohlensäure in kurzer Zeit dicke Platten
                              									metallischen Bleies in kohlensaures Blei umzuwandeln; das essigsaure Blei, dessen
                              									Gegenwart in dem aus der Dachrinne gebildeten Bleiweiß nachgewiesen ist, mußte auf
                              									dieselbe Art wirken wie bei der Darstellung des Bleiweißes nach der holländischen
                              									Methode, und als Vermittler dienen zwischen dem Metall einerseits, und zwischen dem
                              									Sauerstoff und der aus der Atmosphäre aufgenommenen oder bei der langsamen
                              									Zersetzung des Holzes entstandenen Kohlensäure andererseits.
                           Ich versuchte nun die Erscheinung bei den Dachrinnen künstlich durch directe Versuche
                              									unmittelbar hervorzurufen. Zu dem Ende wurde Blei in dünnen Platten, welche gut
                              									gereinigt und von glänzendem Ansehen waren, in eine Porzellanschale gelegt und mit
                              									befeuchteten Sägespänen von Eichenholz bedeckt. Nach Verlauf von kaum acht Tagen  zeigten die
                              									Bleiplättchen weiße Stellen von kohlensaurem Blei. Die der äußern Luft zugekehrte
                              									Seite zeigte mehr solche Stellen als die untere. Nach einem Monate war die
                              									Veränderung des Bleies schon sehr vorgeschritten.
                           Solche Bleiplättchen, in eine Porzellanschale mit befeuchtetem Quarzsande
                              									geschichtet, zeigten keine Spur einer ähnlichen Veränderung; sie waren nur blind
                              									geworden und hatten sich auf ihrer Oberfläche schwach oxydirt; man bemerkte aber
                              									keine weißen Stellen von kohlensaurem Blei. Die Umwandlung des Bleies in
                              									kohlensaures Blei kann daher nur durch die Gegenwart und die Berührung des Holzes
                              									bewirkt worden seyn.
                           Zu gleicher Zeit habe ich untersucht, ob noch andere Körper als Eichenholz ähnliche
                              									Veränderungen des Bleies bewirken können. Bleiplättchen, in Berührung mit feuchten
                              									Sägespänen von Tannenholz gebracht, zeigten ebenfalls nach acht oder zehn Tagen
                              									weiße Punkte von kohlensaurem Blei. Die Zersetzung pflanzte sich fort, obgleich
                              									etwas langsamer als mit Eichenholz.
                           Zur Umwandlung des Bleies in kohlensaures Salz scheint dessen Berührung mit den
                              									Sägespänen nicht nöthig zu seyn. Ein Bleiplättchen, welches etwa 9 Linien über
                              									befeuchteten Sägespänen aufgehängt war, erlitt keine Veränderung so lange es nicht
                              									befeuchtet wurde; als man es aber mit einigen Tropfen Wasser besprengte, sah man
                              									bald weiße Schuppen von kohlensaurem Blei auf diesen befeuchteten Stellen
                              									entstehen.
                           Ich mußte auch untersuchen, ob andere Metalle unter denselben Umständen eine ähnliche
                              									Veränderung erleiden. Ich habe dieselben Versuche mit Zink wiederholt. In dünnen
                              									Plättchen in feuchte Sägespäne gelegt, wurde es zwar nach einigen Tagen schwach
                              									oxydirt, aber nach Verlauf eines Monats hatte die Veränderung des Zinks keinen
                              									weiteren Fortschritt gemacht.
                           Durch die vorstehenden Versuche dürfte bewiesen seyn, daß die Berührung oder selbst
                              									die Nähe feuchter holzartiger Substanzen mit Bleiblech, die Oxydation und Umwandlung
                              									dieses Metalls in Bleiweiß mit einer gewissen Schnelligkeit bewirkt, welche
                              									zweifelsohne von der mehr oder weniger schnellen Zersetzung des Holzes bei seiner
                              									Berührung mit Luft und mit Wasser abhängt. Das Vorhandenseyn von essigsaurem Blei in
                              									den von der Oberfläche der Dachrinnen sich ablösenden Schuppen beweist daß die
                              									Bildung des kohlensauren Bleioxyds in diesem Falle  durch ähnliche Reactionen
                              									erfolgt, wie bei der Darstellung des Bleiweißes.
                           Die Essigsäure, welche man in der Verbindung findet, kann nur in dem Holze selbst
                              									ihren Ursprung haben. Bekanntlich ist die Essigsäure eines von den
                              									Destillationsproducten des Holzes; ihr Vorkommen in den Producten der Veränderung
                              									des Holzes bei gewöhnlicher Temperatur unter dem Einflusse von Luft und Wasser, war
                              									aber bisher nicht nachgewiesen. Die Zersetzung des Holzes wird durch diejenige der
                              									stickstoffhaltigen Substanzen veranlaßt, welche sich in der Holzfaser befinden und
                              									nach Art der Fermente wirken, indem sie die Veränderung der Cellulose und des
                              									Holzstoffs hervorrufen. Die Cellulose, welche in der Zusammensetzung mit dem
                              									Stärkmehl isomer ist, und sich unter dem Einfluß der Schwefelsäure in Zucker
                              									umwandelt, kann wohl dieselbe Modification durch die Einwirkung dieser Fermente
                              									erleiden. Wenn der Zucker einmal gebildet ist, wird er sich unter demselben Einfluß
                              									in Alkohol, und dieser in Essigsäure verwandeln. Der eigenthümliche und ziemlich
                              									starke Geruch, welchen die feuchten Sägespäne entwickeln, zeigt deutlich, daß sich
                              									bei der Zersetzung noch andere Substanzen bilden als Wasser und Kohlensäure.
                           Nachdem ich nun die Ursache nachgewiesen habe, welche die Veränderung der bleiernen
                              									Dachrinnen bewirkt, will ich noch die Mittel angeben, welche zur Verhütung derselben
                              									für die Folge anzuwenden seyn dürften.
                           Eine ungehinderte Erneuerung der Luft an den Berührungsflächen zwischen dem Holze und
                              									dem Blei, wird wahrscheinlich eines der besten Präservativmittel seyn. Ein
                              									ununterbrochen andauernder Luftstrom muß nämlich die bei der Fäulniß des Holzes
                              									entstehenden essigsauren Dämpfe und die Kohlensäure in dem Maaße entfernen als sie
                              									sich bilden, und deren Einwirkung auf das Blei verhindern. Daß unter zahlreichen
                              									Umständen das mit Holz in Berührung befindliche Blei nach mehreren Jahren nicht
                              									verändert worden ist, scheint dem Umstande zugeschrieben werden zu müssen, daß sich
                              									die Luft zwischen den Berührungsstellen fortwährend erneuern konnte.
                           Wasser, welches sich an den Berührungsflächen zwischen Holz und Blei oft erneuert,
                              									müßte die gebildete Essigsäure und das essigsaure Blei beseitigen, und folglich das
                              									wirksamste Agens der Veränderung des Metalles entfernen; dieses Verfahren wäre aber
                              									in dem vorliegenden Falle ganz unausführbar.
                           
                           Wenn die angegebenen Mittel nicht hinreichen sollten, so könnte man auch antiseptisch
                              									zubereitete Hölzer anwenden, solche jedoch ausgenommen, welche mit holzsaurem Eisen
                              									zubereitet worden sind, weil diese ohne Zweifel eine noch schnellere Veränderung
                              									veranlassen würden, als das Holz im natürlichen Zustande.
                           Dachrinnen aus Zink dürften in Berührung mit Holz
                              									schwerlich oxydirt oder zerstört werden; man sollte daher mit ihnen Versuche
                              									anstellen.