| Titel: | Ueber den sphäroidischen Zustand der Körper; von E. N. Horsford, Professor in Cambridge, Amerika. | 
| Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. XIII., S. 56 | 
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                        XIII.
                        Ueber den sphäroidischen Zustand der Körper; von
                           									E. N. Horsford,
                           								Professor in Cambridge, Amerika.
                        Aus der Chemical Gazette, 1851, Nr.
                              								203.
                        Horsford, über den sphäroidischen Zustand der Körper.
                        
                     
                        
                           Nachdem in Folge der früheren Beobachtungen von Leidenfrost, in der letzten Zeit Boutigny
                              									ausgedehnte Untersuchungen über den sogenannten sphäroidischen Zustand der Körper
                              									angestellt hatte, erregten die interessanten unter dieser Benennung betrachteten
                              									Erscheinungen umsomehr Aufmerksamkeit, da man sie auf ein neues Gesetz zurückführen
                              									zu müssen glaubte. Der Zweck meiner Mittheilung ist, zu zeigen daß diese
                              									Erscheinungen nicht selten sind, und daß sie zu ihrer Erklärung kein neues Gesetz
                              									erfordern.
                           Bei dem Versuch, Wasser auf eine heiße polirte Metallfläche zu tropfen, z. B. in
                              									einen heißen Platintiegel, sind drei Körper an der  eintretenden Erscheinung
                              									betheiligt, nämlich die tragende Oberfläche, das Wasser und die zwischen ihnen
                              									befindliche Dampfschicht. Das Wasser ruht auf einem Kissen von Dampf, welcher durch
                              									die Wärme beständig aus dem Wasser entbunden wird, und es nimmt runde Ränder an, in
                              									Folge der Anziehung seiner Theilchen gegen seinen eigenen Mittelpunkt. Sein Zustand
                              									nähert sich demjenigen einer Flüssigkeit, welche gänzlich von einem
                              									gleichförmig-elastischen Medium umgeben ist (wie z. B. ein Tropfen
                              									geschmolzenen Bleies in der Luft) und gestattet ihm eine verhältnißmäßige Annäherung
                              									zur Kugelgestalt.
                           Wesentlich ist nur, daß zwei Körper, von denen einer flüssig ist, vorhanden sind,
                              									zwischen welchen die Verwandtschaft fehlt.
                           In Verbindung mit Wasser können bei dem gewöhnlichen sogenannten Leidenfrost'schen Versuch, Aether, Alkohol, Terpenthinöl,
                              									viele wesentliche Oele und andere flüssige Köper angewandt werben. Die Bedingungen
                              									sind dieselben. Die Flüssigkeit entbindet einen Dampf, welcher beständig austretend,
                              									die Berührung mit der tragenden Oberfläche verhindert. Hier haben wir drei Körper
                              									und eine hohe Temperatur.
                           Aether und Oel, auf Wasser getropft, nehmen den sphäroidischen Zustand an. Sie haben
                              									keine Verwandtschaft zum Wasser. Hier sind also nur zwei Körper und keine Wärme
                              									erforderlich. — Quecksilber, auf Glas gegossen, nimmt den sphäroidischen
                              									Zustand an. Es hat keine Verwandtschaft zum Glase. Hier sind nur zwei Körper
                              									betheiligt. — Wasser, auf Glas getropft, welches mit Kohlenstaub bestreut
                              									ist, nimmt den sphäroidischen Zustand an. — Kalium und Natrium, auf Wasser
                              									geworfen, nehmen diesen Zustand an. Bei der Zersetzung des Wassers entsteht Kali und
                              									es wird Wasserstoff entbunden; durch die Wärme, welche einerseits bei der Oxydation
                              									des Kalium und andererseits bei der Vereinigung des Kali mit Wasser zu Hydrat sich
                              									entbindet, wird Wasser verdampft, welches mit dem Wasserstoff die schwimmende Kugel
                              									und das Wasser gesondert erhält. — Der Thautropfen zeigt ebenfalls den
                              									sphäroidischen Zustand ziemlich vollkommen; er ruht meistens auf den Haaren oder dem
                              									Flaum womit die Blätter überzogen sind, und ist nicht mit den Blättern oder Zweigen
                              									in Berührung.
                           Die sogenannten Perlen oder Blasen, welche an der Oberfläche einiger Flüssigkeiten
                              									nach heftigem Schütteln erscheinen (wovon das Wasser um das obere Vordertheil eines
                              									anrückenden Segelbootes uns ein Beispiel im Großen darbietet), sind ein sehr
                              									interessantes Beispiel des sphäroidischen Zustandes. Was die schnelle Vereinigung
                              									des Schaumes mit der Masse verhindert, ist nicht so klar.
                           
                           Folgende Beobachtung, welche beim Anfertigen von Barometern gemacht wurde, verdient
                              									Beachtung und dürfte von Einfluß auf die Erklärung dieser Erscheinung seyn. Wenn
                              									reines Quecksilber in eine Barometerröhre gebracht und hernach gekocht worden ist,
                              									bis alle Luft ausgetrieben wurde, so zeigt beim Aufstellen der Röhre in dem
                              									Quecksilberbehälter die Spitze der Säule eine gewisse Curve (den Meniscus), deren
                              									Charakter von der Zusammensetzung des Glases und dem Durchmesser der Röhre abhängt.
                              									Wenn man nun eine Luftblase einführt, und sie dann dadurch entfernt, daß man das
                              									Quecksilber sorgfältig die Länge der Röhre auf und nieder steigen läßt, so wird beim
                              									Aufstellen des Barometers das Quecksilber auf derselben Höhe wie vorher stehen, aber
                              									der Meniscus wird weniger convex seyn. Wie bei dem Schaum das Wasser, so dürfte hier
                              									das Quecksilber eine unendlich dünne Luftschicht auf seiner Oberfläche verdichtet
                              									haben, welche die Erscheinung des sphäroidischen Zustandes im ersteren Falle
                              									hervorruft, und die Verwandtschaft des Quecksilbers zum Glase im letzteren Falle
                              										modificirt.Die Verdichtung von Gasen auf der Oberfläche fester Körper ist eine bekannte
                                    											Thatsache; dahin gehört z. B. die Entzündung eines Wasserstoffstrahls durch
                                    											Platinschwamm.
                           Von den Thatsachen dieser Classe erregten die neuen Untersuchungen Boutigny's mit geschmolzenen Metallen bei weitem das
                              									größte Interesse. Ihm verdanken wir die erste wissenschaftliche Betrachtung dieses
                              									Gegenstandes, obgleich Taschenspieler das Kunststück, die Hände in geschmolzenem
                              									Blei zu waschen, schon seit vielen Jahren ausführten. Vor eilf Jahren war ich Zeuge
                              									einer Explosion, welche durch die Berührung geschmolzener Schlacke mit Wasser
                              									entstand und ihre Kraft hauptsächlich auf das Gesicht und die Brust eines nahen
                              									Arbeiters äußerte; derselbe wurde niedergeworfen und gequetscht, aber nicht
                              									gebrannt.
                           Hierher gehört ein Versuch, welcher in den Laboratorien täglich vorkommt, das Richten
                              									des Dochts einer brennenden Weingeistlampe mit den Fingern.
                           Bei dem Versuch, mit der Hand durch geschmolzenes Eisen zu fahren, welchen ich öfters
                              									angestellt habe, ist es nur nöthig, wie schon Boutigny
                              									und Andere bemerkten, daß die Oberfläche der Haut naß oder mit einem Körper, z. B.
                              									gepulvertem Harz, überzogen ist, welcher beim Erhitzen leicht verdampft. Daß der
                              									Versuch ohne Gefahr angestellt werden kann, davon kann man sich leicht überzeugen;
                              									man braucht nur mit einer sehr verbrennlichen Substanz, z. B. einer
                              									Siegellackstange,  welche
                              									zuvor befeuchtet wurde, durch die geschmolzene Masse zu fahren. Wenn man die vorher
                              									befeuchtete Hand in das flüssige Metall steckt, wird das Wasser verdampft und es
                              									legt sich zwischen das Metall und die Haut eine Dampfscheide. Bei seiner Verwandlung
                              									in Dampf absorbirt das Wasser Wärme, und dieß schützt die Haut noch weiter. So war
                              									es in dem oben erwähnten Falle; das Gesicht des Arbeiters war mit Schweiß überzogen,
                              									und die geschmolzene Schlacke kam nicht mit der Haut in Berührung, sondern mit der
                              									Dampfschicht, welche sich auf der Hautoberfläche bildete als die heiße Masse ihr
                              									nahe kam.
                           Die Erklärung, welche Berzelius vor mehreren Jahren gab
                              									und die durch alle meines Wissens bis jetzt angestellten Versuche bestätigt wird,
                              									ist folgende:
                           Bei dem Leidenfrost'schen Versuch bildet eine Schicht von
                              									Dampf — welcher sich von der unteren Oberfläche der Flüssigkeit beständig
                              									entwickelt — ein luftförmiges Medium, das die Wärme nicht leitet, sondern
                              									bloß strahlende Wärme hindurchläßt, welche, indem sie durch die Flüssigkeit (wie
                              									durch die meisten durchsichtigen Substanzen dringt), letztere nur schwach erhitzt.
                              									Die Verdampfung ist daher eine langsame. Die Temperatur der Flüssigkeit bleibt
                              									bekanntlich constant unter derjenigen des Siedepunkts. Dieß erklärt uns, warum das
                              									Wasser auf einer geölten Oberfläche eine viel längere Zeit zum Verdampfen braucht,
                              									als wenn es mit Holz oder Metall in Berührung ist; aus demselben Grunde können
                              									Thautropfen auf Spinnengeweben der Sonne viel längere Zeit ausgesetzt bleiben, als
                              									erforderlich wäre um eine gleiche Menge Wasser von einer Fläche zu verdampfen, wo
                              									eine wirkliche Berührung auf einem beträchtlichen Raum stattfindet und also eine
                              									Leitung erfolgen kann.
                           Die Explosionen, welche bisweilen auf die erste Berührung eines Stückes Kalium oder
                              									Natrium mit Wasser folgen, erklären sich durch die Vermischung entbundenen
                              									Wasserstoffs mit atmosphärischer Luft. Die Explosion am Schluß des Verbrennens von
                              									Kalium oder Natrium hat einen anderen Charakter; sie beruht auf der plötzlichen
                              									Berührung des Kalihydrats, wenn die Temperatur hinreichend gesunken ist, um dieselbe
                              									zu gestatten; es ist dieselbe Erscheinung, welche man beobachtet, wenn man die
                              									Fläche, welche eine im sphäroidischen Zustand befindliche Wassermasse trägt,
                              									abkühlen läßt bis Berührung stattfindet. Dahin gehören auch die Explosionen, welche
                              									schon öfters beobachtet wurden, wenn eine große Menge geschmolzenen Salpeters mit
                              									Wasser in Berührung kam.
                           
                           Man hat neuerlich die Explosionen von Dampfkesseln in mehreren Fällen den
                              									Eigenschaften des Dampfs zugeschrieben, welcher sich aus dem im sphäroidischen
                              									Zustand befindlichen Wasser entbindet, oder der sich in dem Augenblick entbindet, wo
                              									zwischen dem Wasser und Kessel die Berührung wieder erfolgt. Diesen Dampf hat man
                              									stark explodirenden genannt, ohne jedoch durch Versuche zu beweisen, daß zwischen
                              									diesem und dem gewöhnlichen Dampf ein Unterschied stattfindet. Man denkt sich, daß
                              									auf irgend eine Weise die Wassermasse in einem Kessel von der inneren Oberfläche des
                              									Metalls getrennt wird, wie bei dem Leidenfrost'schen
                              									Versuch; daß nach dem Abkühlen auf beiläufig 110 bis 119° Reaumur die
                              									Berührung wieder eintritt und dann wegen der plötzlichen Dampfentwickelung die
                              									Explosion erfolgt. Aber Kessel von gewöhnlicher Stärke würden jeden Druck aushalten,
                              									der durch Dampf ausgeübt werden könnte, welcher innerhalb derselben bei einer
                              									Temperatur von 119° R. erzeugt wurde; und in dem angenommenen Falle war das
                              									Wasser im Kessel schon stärker erhitzt, sonst könnte es nicht auf diese Temperatur
                              										abgekühlt worden seyn. Eine höhere Temperatur muß den
                              									Kessel größerem Druck ausgesetzt haben, und doch ertrug er diesen größeren
                              									Druck.