| Titel: | Ueber das fäulnißverhindernde Vermögen und die physiologische Wirkung der Pikrinsäure, des Nicotins, Opiums, Chinins etc.; von Hrn. Robin. | 
| Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. XVI., S. 70 | 
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                        XVI.
                        Ueber das fäulnißverhindernde Vermögen und die
                           								physiologische Wirkung der Pikrinsäure, des Nicotins, Opiums, Chinins etc.; von Hrn.
                           									Robin.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1851, Nr.
                              								20.
                        Robin, über das fäulnißverhindernde Vermögen der Pikrinsäure, des
                           								Nicotins etc.
                        
                     
                        
                           Pikrinsäure (Welter's Bitter).
                              									— Da diese Säure sich mit der Seide, der Wolle, der Haut direct verbindet und
                              									zwar in hinlänglicher Menge, um denselben ihre Farbe mitzutheilen, so vermuthete
                              									ich,  daß sie sich auch
                              									mit den verschiedenen thierischen Substanzen verbinden müßte. Da nun die
                              									Verbindungen der Gerbesäure mit verschiedenen Geweben von feuchtem Sauerstoff
                              									bekanntlich weniger angegriffen werden als die freien Gewebe, so vermuthete ich, daß
                              									die Pikrinsäure, wenn sie sich mit den organisirten Substanzen verbindet, dieselben
                              									vor der langsamen Verbrennung und folglich auch vor Fäulniß schützen könne; dieß ist
                              									wirklich der Fall.
                           Die Pikrinsäure wird folglich, bei lebenden Thieren angewandt, in schwacher Dosis als
                              									ein das Nervensystem beruhigendes Mittel (Sedativum) und als ein sehr kräftiges
                              									Antiphlogisticum wirken; in größerer Dosis als ein asphyktisch tödtendes Gift.
                           Organische Alkalien. — Die zwischen den
                              									Kohlenwasserstoffverbindungen bestehenden chemischen und physiologischen Analogien
                              									brachten mich auf den Gedanken, daß mehrere organische Alkalien im Kreislauf sowohl
                              									an und für sich, als durch ihre Zersetzungsproducte, die Rolle der gegen langsame
                              									Verbrennung schützenden Körper spielen müssen; daß sie ferner durch diese
                              									Wirkungsart in starker Dosis den Tod, in schwächerer Dosis aber eine Verminderung
                              									der Lebenskraft, Beruhigung, Betäubung und Empfindungslosigkeit hervorbringen
                              									müssen.
                           Die organischen Alkalien bilden zweierlei Gruppen, die sauerstoffhaltigen und
                              									diejenigen ohne Sauerstoff; ich studirte jede besonders.
                           Pflanzenalkalien ohne Sauerstoffgehalt. — Ich habe
                              									noch wenige Versuche mit ihnen angestellt; aber in einer früheren Notiz über das
                              									Nicotin habe ich gezeigt, daß sich meine Erwartungen vollkommen bestätigten. Ich
                              									bemerke noch, daß sich das Nicotin, und zwar sehr kräftig, der milchsauren Gährung
                              									widersetzt.
                           Sauerstoffhaltige Pflanzenalkalien. — Dieselben
                              									entfernen sich mehr von dem Charakter der flüchtigen
                              									Kohlenwasserstoff-Verbindungen; dennoch weisen ihr allgemeines
                              									Auflösungsvermögen und ihre physiologischen Eigenschaften auf eine offenbare
                              									Verwandtschaft aller dieser Verbindungen hin. Die Alkalien dieser Gruppe scheinen
                              									zum Theil Wachs- und Harzarten zu seyn, welche durch einen Ammoniakgehalt
                              									basisch wurden.
                           Die Analogie schien mir groß genug zu seyn, um ihr fäulnißverhinderndes Vermögen des
                              									Studiums werth zu erachten.
                           Chinin und seine Verbindungen. — Man wußte, daß die
                              									Chinarinde die Fäulniß thierischer Stoffe aufhält; da sie aber eine ziemlich große
                              									Menge von Gerbesäure, diesem starken Conservirmittel, enthält, so wußte man nicht,
                              									ob das Chinin dabei eine Rolle spielt. Da dieser Umstand aber für die Therapie von
                              									großem Interesse ist, so 
                              									stellte ich mit dem Chinin und seinen Salzen Versuche an. Das Chinin und seine
                              									auflöslichen Verbindungen sind fäulnißverhindernd, und zwar in geradem Verhältniß
                              									ihrer Auflöslichkeit. Das basischschwefelsaure Chinin ist das mindest auflösliche,
                              									sohin auch am mindesten wirksame Salz; das auflöslichere Chinin ist wirksamer, und
                              									das noch leichter auflösliche saure schwefelsaure Salz ist es in noch höherm
                              									Grade.
                           Strychnin und seine Verbindungen. — Zu den
                              									fäulnißverhindernden Agentien aus der Classe der sauerstoffhaltigen Pflanzenalkalien
                              									gesellt sich, außer dem Chinin, auch das Strychnin und seine Verbindungen. —
                              									Das Strychnin erfordert, um sich aufzulösen, 6667 Theile kalten Wassers; diese
                              									Auflösung, welche aber kaum 1/6000 ihres Gewichts an Strychnin enthält, zeigt keine
                              									merkliche fäulnißverhindernde Kraft; das salpetersaure Strychnin hingegen, ein sehr
                              									auflösliches Salz, besitzt dieselbe in sehr auffallendem Grade. In jüngster Zeit
                              									stellte ich auch mit salzsaurem Strychnin, einem sehr auflöslichen Salze, Versuche
                              									an; es ist ebenfalls fäulnißverhindernd, wirkt vielleicht aber doch nicht so kräftig
                              									wie das salpetersaure Salz.
                           Opium und Morphin-Verbindungen. — Smyrnisches Opium, zerrieben, dann
                              									in Wasser gerührt und auf dem Boden des Gefäßes darin gelassen, gibt eine Auflösung,
                              									welche die Fäulniß hineingelegter thierischer Stoffe kräftig aufhält.
                           Schwefelsaures und essigsaures Morphin zeigten ein sehr schwaches Vermögen die
                              									Fäulniß zu verhindern.