| Titel: | Ueber einige Eigenschaften des Kautschuks und deren Anwendungen; von Hrn. Brockedon. | 
| Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. XLIV., S. 191 | 
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                        XLIV.
                        Ueber einige Eigenschaften des Kautschuks und
                           								deren Anwendungen; von Hrn. Brockedon.Auszug einer der Royal Institution im März d. I.
                                 										vorgetragenen Abhandlung.
                        Aus dem Edinburgh new philosophical Journal, April
                              									— Juli 1851, S. 67.
                        Brockedon, über einige Eigenschaften des Kautschuks.
                        
                     
                        
                           Die Bäume welche am meisten Kautschuk erzeugen, sind Siphonia
                                 										Caoutschouc, Urceola elastica, Ficus elastica etc.; unter diesen ist die
                              										Siphonia Caoutschouc über einen großen District im
                              									mittleren Amerika verbreitet und das Product dieses Baumes ist das geeignetste für
                              									Kautschukfabricate. Die Ficus elastica wächst zahlreich
                              									auf mehr als 10,000 engl. Quadratmeilen in Assam. Die Urceola
                                 										elastica ist auf den Inseln des indischen Archipelagus sehr verbreitet; sie
                              									wächst so schnell, daß sie in fünf Jahren eine Höhe von 200 Fuß und eine Dicke von
                              									20 bis 30 Zoll erreicht; dieser Baum kann, ohne benachtheiligt zu werden, durch
                              									Anzapfen in einer Jahreszeit 50 bis 60 Pfd. Kautschuk liefern.
                           
                           Einen merkwürdigen Contrast bildet das langsame Wachsthum des Baumes von welchem man
                              									die Gutta-percha erhält, welcher erst nach 80 bis 120 Jahren zu seiner Blüthe
                              									gelangt; um die Guttapercha zu erhalten, muß man diesen Baum auch opfern; man findet
                              									sie im festen Zustande zwischen der Rinde und dem Holz, nachdem man den Baum gefällt
                              									hat.
                           Wenn der Saft der Bäume welche Kautschuk liefern, durch
                              									Abdampfen oder Umrühren geronnen ist, so trennt sich das Federharz von dem
                              									wässerigen Theil des Safts; beide können dann nicht wieder vereinigt werden, so
                              									wenig als die Butter sich mit der Milch vermischen kann, von welcher sie sich
                              									abgesondert hat. Während einige Sorten Kautschuk härter als Gutta-percha
                              									sind, können andere niemals fest werden, sondern behalten die Consistenz von
                              									Vogelleim oder Syrup.
                           Das sogenannte Vulcanisiren des Kautschuks wurde von
                              									Thomas Hancock im Jahr 1843 entdeckt. Taucht man nämlich
                              									ein Kautschukblatt in geschmolzenen Schwefel, so absorbirt es einen Theil desselben
                              									und der Kautschuk erleidet sogleich einige wichtige Veränderungen in vielen seiner
                              									charakteristischen Eigenschaften; der vulcanisirte Kautschuk wird nämlich in der
                              									Kälte nicht mehr hart, und kann jedem Wärmegrad, welcher ihn nicht zerstört,
                              									ausgesetzt werden ohne zu erweichen; er ist überdieß in den Auflösungsmitteln des
                              									gewöhnlichen Kautschuks unauflöslich, während seine Elasticität eine viel größere
                              									und eine bleibende ist.
                           Man erzielt dasselbe Resultat, wenn man mittelst kräftiger Walzen Schwefel in den
                              									Kautschuk knetet; oder man kann in den gewöhnlichen Auflösungsmitteln, Steinöl und
                              									Terpenthinöl, die hinreichende Menge Schwefel auflösen bevor man sie zum Auflösen
                              									des Kautschuks verwendet. Aus dem so behandelten Kautschuk kann man Gegenstände von
                              									jeder gewünschten Form anfertigen, um sie dann erst der Temperatur auszusetzen,
                              									welche erforderlich ist um die erwähnten Veränderungen in den Eigenschaften des
                              									Kautschuks hervorzurufen, nur muß man besorgt seyn daß die Gegenstände während des
                              									Erhitzens ihre Gestalt beibehalten. — Eine massive Kugel aus vulcanisirtem
                              									Kautschuk von 2½ Zoll Durchmesser nahm ihre ursprüngliche Gestalt vollkommen
                              									wieder an, nachdem man sie zwischen zwei Walzen hindurchgezwängt hatte, welche
                              									¼ Zoll von einander entfernt waren. In der That besitzt nur der vulcanisirte Kautschuk die Eigenschaft jede ihm
                              									verliehene Form beizubehalten und diese Form auch wieder anzunehmen, nachdem die
                              									Gewalt beseitigt ist, welche ihn aus derselben brachte.
                           
                           Der Kautschuk hat die Eigenschaft sich bei den Temperaturveränderungen in schwachem
                              									Grade auszudehnen und zusammenzuziehen; durch Druck kann er auch verdichtet werden.
                              									Ein Kautschukcylinder von 2¼ Zoll comprimirte sich unter einer Belastung von
                              									200 Tonnen um 1/10 und es entwickelte sich dabei viel Wärme.
                           Hr. Brockedon erhöhte die Temperatur einer Unze Wasser in
                              									beiläufig 15 Minuten um 2 Fahrenheit'sche Grade dadurch, daß er die Wärme sammelte
                              									welche beim Ausdehnen eines Kautschukfadens frei wurde. Die Wärme-Entbindung
                              									beim Ausdehnen des Kautschuks schreibt er der Veränderung im specifischen Gewichte
                              									der Substanz zu; von der Reibung kann sie nicht herrühren, weil bei der
                              									Zusammenziehung des Kautschuks ebenso viel Reibung wie bei seiner Ausdehnung
                              									verursacht werden muß, durch diese Zusammenziehung der Kautschuk aber auf seine
                              									anfängliche Temperatur herabsinkt.
                           Die neuesten Anwendungen der Elasticität des Kautschuks
                              									sind folgende:
                           1) Hr. E. Smith benutzt Röhren von vulcanisirtem Kautschuk
                              									als Torsionsfedern für Roll-Jalousien, sowohl für
                              									die schwersten Jalousien außerhalb der Häuser, als für die zartesten
                              									Kutschen-Jalousien; mit solchen Federn werden auch Uhren und andere Apparate
                              										getrieben.Smith's Uhr, welche durch eine Kautschukfeder
                                    											getrieben wird, im polytechn. Journal Bd.
                                       													CXVI S. 20.
                           2) Hr. Hodges hat den vulcanisirten Kautschuk zum Heben von Lasten benutzt; kurze Kautschukstreifen (vulcanized powerpurchases genannt) werden nach einander
                              									von einem unbeweglichen Lager herabgezogen und an einer zu hebenden Last befestigt;
                              									nachdem eine hinreichende Anzahl dieser Streifen an der Last befestigt ist, wird
                              									ihre vereinigte Elasticität letztere vom Boden heben. So heben zehn Streifen, deren
                              									jeder eine elastische Kraft von 50 Pfd. hat, 500 Pfd.; jeder Streifen ist sechs Zoll
                              									lang und enthält beiläufig 1½ Unzen vulcanistrten Kautschuk; bis zu ihrer
                              									Elasticitätsgränze (nicht ihrer Cohäsionsgränze) ausgespannt, werden diese zehn
                              									Streifen 650 Pfd. heben.
                           Diese neue mechanische Kraft — die Anhäufung von Spannkraft — hat man
                              									auch mit Vortheil bei Bougsirbooten benutzt, besonders  um die Anstrengung der Taue zu
                              									verringern, wo mehrere Boote ein Schiff bugsiren.
                           3) Gespannte Kautschukfedern wurden auch als Wurfkraft
                              										benutzt.Shaw's Windbüchse mit Kautschukfeder, im
                                    											polytechn. Journal Bd. CXVII S. 349. So hat man
                              									die Spannkraft des vulcanisirten Kautschuks beim Handbogenschießen angewandt, indem
                              									man bloß die Sehne des Bogens elastisch machte; ein solcher Bogen treibt einen
                              									30zölligen Pfeil 170 Yards weit.
                           Ferner hat man den Kautschuk benutzt, um scheu werdende Pferde im Zaum zu halten
                              									— zu Hängebändern für Pferde deren Glieder gebrochen sind — um
                              									bettlagerige Personen in Stand zu setzen sich selbst zu helfen etc.