| Titel: | Ueber die unauflöslichen Verbindungen des Zuckers mit Basen und deren Anwendung zur Fabrication des krystallisirbaren Zuckers; von Dubrunfaut. | 
| Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. LXXV., S. 309 | 
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                        LXXV.
                        Ueber die unauflöslichen Verbindungen des Zuckers
                           								mit Basen und deren Anwendung zur Fabrication des krystallisirbaren Zuckers; von
                           									Dubrunfaut.
                        Aus den Comptes rendus, April 1851, Nr.
                              								14.
                        Dubrunfaut, über die unauflöslichen Verbindungen des Zuckers mit
                           								Basen etc.
                        
                     
                        
                           Meine Untersuchungen über diesen Gegenstand ergaben folgende Resultate:
                           Das Zuckerbleioxyd erhält man durch Einwirkenlassen der Silberglätte  auf Zuckerlösungen ohne
                              									Anwendung von Wärme; nach und nach wird letztern durch das Bleioxyd aller Zucker
                              									entzogen. Das Zuckerbleioxyd ist in der Kälte ganz unauflöslich; es krystallisirt in
                              									Nadeln und wird durch Kohlensäure zersetzt; es hat die bekannte Zusammensetzung
                              									:
                           2P b O(C12
                              									H18
                              									O9)
                           Den Zuckerbaryt erhält man mittelst Aetzbaryt, welchen man durch Glühen von
                              									kohlensaurem Baryt mit Kohle in einem verschossenen Tiegel oder in einem Flammofen
                              									bereitet. Auch kann man den Zuckerbaryt mit Schwefelbaryum darstellen, welches mit
                              									Zucker folgende Reaction gibt:
                           2B a S + (C12
                              									H11
                              									O11) + HO = B a O(C12
                              									H11
                              									O11) + B a S . HS.
                           Ferner kann man ihn mit Schwefelbaryum und Aetznatron bereiten, wo dann die Wirkung
                              									folgender Formel entspricht:
                           2B a S + N
                                 										a O . H O + 2(C12
                              									H11
                              									O11) = 2(B a O . C12
                              									H11
                              									O11) + NaS . SH.
                           Der Zuckerkalk, welchen man zur Zuckerfabrication benutzt, wurde im Jahr 1838 von
                              									Hrn. Peligot zuerst entdeckt. Die Haupteigenschaften
                              									dieses Salzes, seine Zusammensetzung und die Art seiner wohlfeilen Erzeugung, wurden
                              									von mir und Leplay in unsern Patentspecificationen vom
                              									Julius 1849 und Julius 1850 beschrieben, worin wir also den späteren Beobachtungen
                              									von Peligot und Rousseau
                              									zuvorkamen.
                           In Wasser aufgelöster Zucker nimmt je nach der Dichtigkeit und Temperatur
                              									verschiedene Mengen Kalks auf; die so entstehenden Verbindungen enthalten von
                              									¼ bis 2 Aequivalenten Kalk auf 1 Aequivalent Zucker. Das Salz mit ¼
                              									Aequivalent Basis entsteht bei 100° C.; dasjenige mit 2 Aequivalenten bei
                              									0° oder darunter; zur Erzeugung dieses letztern Salzes ist außerdem
                              									erforderlich, daß die Lösung wenigstens 150 bis 160 Gramme Zucker per Liter enthält.
                           Diese auflöslichen Verbindungen des Zuckers mit Kalk zerfallen beim Erhitzen in ein
                              									sehr basisches Salz, welches niederfällt, während in der Auflösung der übrige
                              									Zucker, an etwas Kalk gebunden, zurückbleibt. Der Niederschlag entsteht bei
                              									Temperaturen welche mit der Dichtigkeit der Flüssigkeit wechseln. Die verdünnten
                              									Saccharate beginnen bei 80° C. sich zu trüben, concentrirtere erst bei
                              									100°. Bei zu starker Concentration der Lösungen entsteht gar kein
                              									Niederschlag.
                           Die basischen Zuckerverbindungen, welche sich unter diesen Umständen bilden,
                              									enthalten in der Regel 3 Aequivalente Kalk auf 1 Aequivalent Zucker. Bei den
                              									industriellen Arbeiten entstehen Saccharate, welche 2¼ bis 4¼ Aeq.
                              									Kalk enthalten.
                           
                           Diese Zuckerverbindungen, von dem Wasser, worin sie sich bildeten, getrennt, sind im
                              									Wasser, sowohl kaltem als warmem, wenig löslich.
                           Die geringe Löslichkeit des Kalks in den auf 70 bis 80° C. erhitzten
                              									Zuckerlösungen rechtfertigt die in gut geleiteten Rübenzuckerfabriken üblichen
                              									Kalkzusätze. Sie widerlegt ferner die Theorie, durch welche man einen übertrieben
                              									großen Zusatz von Kalk bei der Läuterung des Runkelrübensaftes zu rechtfertigen
                              									vermeinte, während sie zugleich die vollkommene Nutzlosigkeit dieses Quantums
                              									darthut.
                           Der Kalk, anstatt auf den Zuker bei den Fabrikarbeiten nachtheilig einzuwirken,
                              									ertheilt ihm, wie schon Kuhlmann gefunden hat, im
                              									Gegentheil Beständigkeit.
                           Eine Zuckerlösung, welche mit ½ Aequivalent Kalk 48 Stunden lang gekocht
                              									wurde, erlitt nicht die geringste Veränderung, während dieselbe Lösung, unter
                              									gleichen Umständen ohne Kalk gekocht, nach 12 stündigem Kochen allen ihren Zucker
                              									verloren hatte.
                           Dieser Versuch beweist entscheidend, daß es zweckmäßiger ist in den Fabriken einen
                              									alkalischen Saft zu verarbeiten, anstatt eines neutralen, was in neuerer Zeit als
                              									eine Verbesserung empfohlen wurde. Er rechtfertigt das Princip, welches Hrn. Kuhlmann leitete, als derselbe im Jahr 1838 eine
                              									Arbeitsmethode vorschlug, welche auf der Beständigkeit des Zuckerkalks beruhte.
                           Ich besitze einen seit 25 Jahren aufbewahrten Zuckerkalk, in welchem der Zucker nicht
                              									die mindeste Veränderung erlitten hat.
                           Die Zuckerlösungen verlieren, indem sie Kalk auflösen, einen Theil ihres
                              									Drehungsvermögens, welches sich mit dem Verhältniß des aufgelösten Kalks ändert.
                           Beim einfach-basischen Zuckerkalk ist die Drehung um 0,13; beim
                              									zweifach-basischen um das Doppelte, also um 0,26 geschwächt.
                           Wird Zucker im Wasser mit einem Aequivalent Kali oder Natron aufgelöst, so verliert
                              									er 0,13 seiner Drehung; daraus schließe ich, daß es ein dem Zuckerkalk
                              									entsprechendes einfach-basisches Zuckerkali und Zuckernatron gibt, aber keine
                              									anderen Verbindungen des Zuckers mit Kali oder Natron.
                           Strontian und Baryt modificiren die Drehung des Zuckers nicht.
                           Ich beobachtete im Laufe des vorigen Jahres die Auflöslichkeit des kohlensauren Kalks
                              									im Zuckerkalk und bestimmte sie quantitativ.
                           
                           Hr. Bareswill hat zuerst unlängst diese Thatsache
                              										veröffentlicht.Polytechn. Journal Bd. CXX S. 306. — Hr. Bobierre hat bei Versuchen, welche er in der
                                    											Absicht anstellte, die Ursachen der Auflöslichkeit des phosphorsauren Kalks in den Rückständen der Raffinerien zu
                                    											ermitteln, sich überzeugt daß der Zuckerkalk diese Auflöslichkeit auffallend
                                    											begünstigt. Eine ziemlich starke Auflösung von Zuckerkalk nahm schon bei
                                    											gewöhnlicher Temperatur hydratischen phosphorsauren Kalk auf. (Comptes
                                       												rendus, Junius 1851, Nr. 23.)
                           Ich habe bei dieser Gelegenheit zu bemerken:
                           1) daß schon Hr. Rose das auffallende Auflösungsvermögen
                              									der Verbindungen des Zuckers mit Alkalien beobachtete;
                           2) daß Peligot die Eigenschaft des Zuckerkalks, die
                              									Metalloxyde aufzulösen, außer Zweifel setzte;
                           3) daß Kuhlmann im Jahr 1838 das verschiedene Verhalten
                              									der verdünnten oder concentrirten Zuckerkalk-Lösungen an der Luft beobachtete
                              									und nachwies, daß die letzteren sich nicht trüben, die andern hingegen stark
                              									trüben.
                           Ich fand, daß der einfach-basische Zuckerkalk, mit Kohlensäure behandelt, sich
                              									erst dann trübt, wenn die Auflösung ⅓ Aequivalent kohlensauren Kalk auf 1
                              									Aequivalent Zucker enthält; in diesem Fall hält der Zucker noch ⅔ Aequivalent
                              									Kalk zurück. Bei andauernder Einwirkung der Kohlensäure fährt die Flüssigkeit fort
                              									sich zu trüben, und gesteht endlich zu einer gallertartigen Masse. In diesem Zustand
                              									untersucht, enthält sie ⅔ Aequivalent im Zustande äußerst feiner Zertheilung
                              									niedergeschlagenen kohlensauren Kalks und das Aequivalent Zucker bleibt mit ⅓
                              									Aequivalent Kalk in Auflösung, welcher nur noch Spuren von kohlensaurem Kalk
                              									zurückhält.
                           Diese Versuche erklären Erscheinungen, welche theils in Laboratorien, theils in
                              									Zuckerfabriken oft beobachtet wurden, ohne daß man ihre wahre Ursache erkannte.
                           Schließlich noch die Bemerkung, daß der Zuckerkalk die Erzeugung und Auflösung des
                              									Einfach-Schwefelcalciums und des Schwefelwasserstoff-Schwefelcalciums
                              									im Wasser auffallend begünstigt. Wenn man dem Kalkhydrat, welches man in Wasser
                              									einrührt, ein wenig Zucker oder Melasse beigibt, so kann man in diesem Wasser große
                              									Mengen von Schwefelwasserstoffsäure auflösen. Es dürften sich von diesen Thatsachen,
                              									namentlich für die Reinigung des Leuchtgases, mehrere nützliche Anwendungen machen
                              									lassen.