| Titel: | Ueber das Gerben leinener, hänfener und baumwollener Gespinnste und Gewebe; von Anton Wimmer. | 
| Fundstelle: | Band 121, Jahrgang 1851, Nr. LXXXIX., S. 372 | 
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                        LXXXIX.
                        Ueber das Gerben leinener, hänfener und
                           								baumwollener Gespinnste und Gewebe; von Anton Wimmer.
                        Aus dem Kunst- und Gewerbeblatt für Bayern,
                              									1851, S. 449.
                        Wimmer, über das Gerben leinener, hänfener und baumwollener
                           								Gespinnste und Gewebe.
                        
                     
                        
                           Es ist eine den Seeleuten längst bekannte Thatsache, daß mit Lohbrühe behandelte
                              									Segel, Taue, Stricke und Netze bei weitem länger dauern als die gewöhnlichen Segel,
                              									Taue u. s. w. Nach Mittheilungen von MilletPolytechn. Journal Bd. CV S. 201. hielten sich
                              									solche mit Eichenrindeabkochung 72 Stunden  lang behandelten Stücke Leinwand völlig unverändert,
                              									obgleich dieselben 10 Jahre lang in einem feuchten, dumpfigen Keller, auf Holzrahmen
                              									gespannt, gelegen hatten. Probestücke von ungegerbter Leinwand fanden sich,
                              									gleichzeitig der Kellerluft ausgesetzt, fast gänzlich vermodert. Auch der mit
                              									Gerbstofflösung behandelte Holzrahmen zeigte sich nach Verlauf von 10 Jahren noch
                              									unverwandelt, während der andere vermodert war. Bei weiter fortgesetzten Versuchen
                              									ergab sich, daß selbst schon durch Vermoderung angegriffene Leinwandstücke durch
                              									Behandlung mit gerbstoffhaltigen Flüssigkeiten vor der weiteren Zerstörung geschützt
                              									wurden.
                           Die Wichtigkeit des Gegenstandes veranlaßte mich, diese Thatsache zu beweisen, und
                              									die erzielten Resultate bestätigen vollkommen die Wahrheit obiger Angabe. Zur
                              									Anstellung der Probe bediente ich mich eines ungefähr ¼ Elle großen Stückes
                              									gewöhnlicher Leinwand, welches ich in zwei gleich große Stücke zerschnitt, wovon ich
                              									den einen Theil mit Lohbrühe gerbte, das andere Stück aber unverändert ließ. Beide
                              									Stücke Leinwand breitete ich nun in einem sehr feuchten Winkel eines mir zu Gebote
                              									stehenden Kellers auf den Boden aus und beschwerte sie mit Steinen, um sie vor dem
                              									Annagen der Mäuse und Ratten zu schützen. In diesem Zustande ließ ich sie ungefähr 8
                              									Monate unberührt liegen. Nach Verlauf dieser Zeit erblickte man bei der ungegerbten
                              									Leinwand durch große Zerbrechlichkeit alle Anzeichen der beginnenden Vermoderung,
                              									während das gegerbte Stück noch eben so unverändert, eben so dauerhaft war, wie
                              									zuvor. Hierauf überließ ich beide Leinwandstücke noch einige Zeit allen Einflüssen
                              									der Witterung, und bald zeigte sich das ungegerbte Stück von den Einwirkungen der
                              									Sonne, des Regens und Windes in Stücke zerfetzt, während die gegerbte Leinwand noch
                              									immer unverändert blieb.
                           Die zur Gerbung dienliche Lohbrühe bereitete ich dadurch, daß ich gute Eichenlohe, wie die Rothgerber sich solcher zum Gerben
                              									der Häute bedienen, in reinem Flußwasser eine gute halbe
                              									Stunde sieden ließ, und die erhaltene Brühe durch Abseihen und Auspressen des
                              									Rückstandes von der Eichenlohe trennte. Ein halb Pfund
                              									Eichenlohe guter Qualität mit 12 Pfund Wasser eine halbe Stunde lang gekocht, liefert nach dem Durchseihen
                              									und Auspressen des Rückstandes ungefähr 4 bayer. Maaß Lohbrühe, welche Quantität
                              									hinreichend ist, eine ganze Elle Leinwand zu gerben.
                           Das Gerben selbst wird dadurch ausgeführt, daß man die noch heiße Lohbrühe über die
                              									zu gerbende Leinwand oder einen andern zu gerbenden  Gegenstand gießt, und die in
                              									der Lohbrühe ganz untergetauchten Gegenstände unter zeitweiligem Umrühren 48 Stunden lang in Berührung läßt, worauf man die nunmehr
                              									gegerbten Gegenstände herausnimmt, auswindet, dann in reinem Wasser zur Entfernung
                              									aller überschüssigen Lohbrühe auswäscht und nach abermaligem Auswinden trocknet.
                           Die gegerbten Gegenstände haben sodann eine angenehme schwach lederartige Farbe
                              									angenommen, und widerstehen in diesem Zustande allen Einflüssen der Nässe und der
                              									Witterung wohl doppelt besser, als wenn sie nicht gegerbt worden wären.
                           Zum Gerben eignet sich gebleichte und ungebleichte Leinwand gleich gut, nur muß
                              									letztere vor dem Gerben jedenfalls entschlichtet seyn, sowie es auch gleichgültig
                              									ist, ob man verarbeitete oder unverarbeitete Gegenstände gerbt. Kupferne, thönerne
                              									und hölzerne Geschirre passen vollkommen zu diesem Geschäfte, nur muß man sich ja
                              									hüten, eiserne Kessel oder irgend etwas von Eisen hiebei anzuwenden, weil man dann
                              									statt Lohbrühe eine sehr verdünnte schwarze Tinte bekommen würde. — Was den
                              									stets mit in Betracht zu ziehenden Kostenpunkt betrifft, so ist bei dem billigen
                              									Preise der Eichenlohe (im Ermangelungsfalle können auch andere Gerbstoff haltende
                              									Ingredienzien genommen werden), bei der geringen Mühe und dem großen Gewinn durch
                              									erzweckte Dauerhaftigkeit der gegerbten Gegenstände, das Lucrative dieser Arbeit
                              									wohl nicht in Zweifel zu ziehen.
                           Mancher wird nun die Frage aufwerfen: ja wie kömmt es denn, daß Lohbrühe eine so
                              									conservirende Wirkung auf leinene, hänfene und baumwollene Gespinnste und Gewebe zu
                              									äußern vermag? In der Eichenrinde, den Galläpfeln und Knoppern, der Weiden-
                              									und Birkenrinde, sowie in noch gar vielen Pflanzentheilen findet sich bekanntlich
                              									Gerbesäure, welche die Eigenschaft besitzt, mit der thierischen Haut sich zu einer
                              									der Fäulniß widerstehenden Substanz zu verbinden, welche man Leder nennt. Jedermann weiß, welch lange Zeit erforderlich ist, bis Leder
                              									verfault, sowie daß selbst schon gebrauchte Lohe noch lange Zeit der Fäulniß
                              									widersteht. Da nun durch die oben angeführte Behandlung leinener, hänfener und
                              									baumwollener Gespinnste und Gewebe eine ähnliche Verbindung der in der Lohbrühe
                              									enthaltenen Gerbesäure mit diesen aus lauter Pflanzenfasern bestehenden Gegenständen
                              									hervorgerufen wird, so wird es nunmehr vollkommen erklärlich seyn, daß die
                              									Gerbesäure der Lohbrühe auch hier die nämliche fäulnißwiderstehende Wirkung
                              									hervorbringen muß, wie dieß bei der Umwandlung der Haut in Leder stattfindet. Daß
                              									die Gerbesäure sich wirtlich mit der Flachs-, Hanf- und Baumwollfaser
                              									verbindet, dieß beweist schon der Umstand, daß die  Gerbesäure von gegerbter
                              									Leinwand auch durch längeres Kochen nicht mehr getrennt werden kann, obwohl sie für
                              									sich schon in kaltem Wasser sehr leicht auflöslich ist. — Durch die
                              									Behandlung mit Lohbrühe werden also Leinwand und sonstige aus Pflanzenfasern
                              									bestehende Gespinnste und Gewebe wirklich gegerbt und dadurch tauglich gemacht, der
                              									Fäulniß, sowie den Einflüssen der Witterung lange Zeit kräftigen Widerstand zu
                              									leisten.
                           Bedenkt man nun, wie viele tausende von Ellen Gespinnste und Zeuge von Hanf, Flachs
                              									und Baumwolle jährlich auf Segel, Taue und Netze, auf Marquisen, Rouleaur, Zelte,
                              									Getreidesäcke, Eisenbahnwägen u. s. w. verwendet werden; bedenkt man, daß diese
                              									Gegenstände theils durch den Einfluß der Witterung, theils auch in Folge schlechter
                              									Aufbewahrung in kurzer Zeit wieder unbrauchbar werden, so wird man keinen Augenblick
                              									anstehen, die Wichtigkeit dieses Gegenstandes anzuerkennen.