| Titel: | Ueber die Construction der Endstücke cylindrischer Dampfkessel; von L. G. Treviranus. | 
| Autor: | Ludwig Georg Treviranus [GND] | 
| Fundstelle: | Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XVIII., S. 82 | 
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                        XVIII.
                        Ueber die Construction der Endstücke
                           								cylindrischer Dampfkessel; von L. G.
                              									Treviranus.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. II.
                        Treviranus, über die Construction der Endstücke cylindrischer
                           								Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Die Veranlassung zu dem gegenwärtigen Aufsatze ist insbesondere, was Hr. W. Fairbairn
                              									„über die Construction der Dampfkessel“ im Civil Engineer and Architect's Journal, Mai 1851, S. 266
                              									in England veröffentlichte, dessen Abhandlung in diesem Journal Bd. CXXII S. 81
                              									in Uebersetzung mitgetheilt wurde.
                           Auffallend war mir, daß darin über die Construction der Endstücke cylindrischer
                              									Kessel für hohen Druck gar nichts gesagt ist, als wenn die Wölbung solcher
                              									Endstücke, um gleiche Widerstandsfähigkeit als der cylindrische Theil des
                              									Dampfkessels zu besitzen, eine ganz gleichgültige Sache wäre oder sich etwa von
                              									selbst verstände.
                           Daß dieser Theil der Dampfkessel ganz mit Stillschweigen umgangen wurde, ist aber
                              									nicht etwa bloß in den Mittheilungen des Hrn. Fairbairn,
                              									sondern auch in denen des Prof. W. R. Johnson am Franklin-Institute (polytechn. Journal, 1833, Bd.
                              										XLVIII S. 81), worauf er sich bezieht, der Fall.
                              									Auch besinne ich mich gar nicht, selbst in dem Werke von Tredgold
                              									„On the Steam-Engine“, oder
                              									in Verdam's
                              									„Dampfmaschinenkunde“, noch in Prechtl's technologischer Encyklopädie, Artikel: „Form der
                                 										Dampfkessel“, über die Wölbungsradien der Endstücke der Dampfkessel
                              									je nach der Blechstärke und dem Dampfdruck, etwas gelesen zu haben, welches
                              									Techniker belehren könnte, wie sie sich in dieser Hinsicht zu verhalten haben.
                           Wo man dieses am meisten vermuthen sollte, dieß sind nach meinem Bedünken die
                              									Dampfkessel-Regulative verschiedener Länder; aber soweit ich damit bekannt
                              									geworden bin, gehen sie wohl in der Vorschrift der  Blechstärke des cylindrischen
                              									Theils vom Kessel, der Siede- und Feuerröhren bei dem beabsichtigten
                              									Durchmesser und des Dampf-Ueberdrucks mitunter ins Kleinliche; daß indessen
                              									unter Umständen auch wohl ein Endstück, wenn es unzweckmäßig construirt ist, das
                              									zuerst Nachgebende seyn kann, davon scheinen bis jetzt vielleicht nur Wenige eine
                              									Ahndung gehabt zu haben, indem auch in den Regulativen der Gegenstand, um welchen
                              									sichs hier handelt, gar nicht berührt wird.
                           Ich hoffe demnach kein unverdienstliches Werk zu stiften, wenn ich die Grundsätze
                              									angebe, nach welchen ich seit etwa 15 Jahren die Endstücke der cylindrischen
                              									Dampfkessel construirte, welche sich in der Praxis stets als gut bewährten und deren
                              									theoretische Richtigkeit ich mich nebstdem noch bemühen werde nachzuweisen.
                           Vor jener Zeit, nämlich ehe ich die Regel für den Radius der Wölbung der Endstücke
                              									auffand, glaubte ich doch mit Sicherheit urtheilen zu dürfen, daß, weil ein
                              									Hochdruck-Dampfkessel keine flachen Endstücke ohne Verankerung haben darf,
                              									und weil mir die Wölbung des Halbcirkels (nach dem empirischen Gefühl) größer als
                              									nöthig zu seyn schien, wohl nicht viel gefehlt seyn könne, wenn da ein Mittelweg
                              									genommen, demnach die Segmenthöhe etwa ¼ vom Durchmesser des Kessels gemacht
                              									würde. Es fand sich, daß mich in dieser Sache die Empirie nicht irre geleitet hatte;
                              									meine Kessel wurden starken Wasserproben unterworfen und die Endstücke zeigten sich
                              									nicht minder haltbar als der Cylinder des Kessels.
                           Später kamen wir dann, wie gewöhnlich, mit der Theorie erst hinterher und
                              									verbesserten die empirische Regel, obgleich, wie ich jetzt einsehe, wohl ganz
                              									füglich das Umgekehrte der Fall hätte seyn können, wenn sich die Herren Theoretiker
                              									nur etwas mehr Mühe gegeben, oder die Sache reiflicher in Erwägung gezogen hätten,
                              									indem, was ich specieller darüber zu sagen habe, doch im Ganzen nur auf sehr
                              									einfachen, längst bekannten physikalischen und mathematischen Sätzen beruht.
                           Diese verschiedenen Sätze bloß in Worten und Zahlen (wie Hr. Fairbairn) auszudrücken, finde ich für meine Art der Beweisführung, in
                              									Bezug auf die Radien der Endstücke, ihre Blechstärke etc., dießmal nicht passend,
                              									sondern die algebraischen Formeln des Professors Johnson
                              									bequemer; auch dessen Bezeichnung der verschiedenen Größen behalte ich, soweit sie
                              									ausreichen, bei.
                           Einmal wird die Frage seyn, wie die Blechstärke der Endstücke im Verhältniß zu der
                              									des cylindrischen Theils für gleiche Haltbarkeit nur zu seyn braucht, wenn die
                              									Endstücke Halbkugeln sind, also der Radius der Wölbung = dem Radius des Cylinders
                              									ist; das anderemal die 
                              									Frage nach dem Radius der Endstücke, wenn deren Blechstärke = der Blechstärke des
                              									cylindrischen Theils angenommen wird. Aus beiden Untersuchungen folgen dann
                              									allgemeine Regeln.
                           A. Die nöthige
                                 										Blechstärke für halbkugelförmige Endstücke.
                           Die Kraft des in einem cylindrischen Kessel eingeschlossenen Dampfes, welche sich
                              									bemüht den Kessel von innen nach außen in der Längenrichtung zu zerreißen, oder den
                              									Ober- vom Untertheil zu trennen, läßt sich ausdrücken durch die Formel:
                           K = d
                              									× I × p,
                           worin d den Durchmesser des
                              									Kessels, l die Länge des cylindrischen Theils in irgend
                              									einem Maaße und p den Ueberdruck des Dampfes, in dem
                              									Gewicht wornach man rechnet, auf eine Fläche = der Quadrat-Einheit des
                              									Längenmaaßes, bedeutet.
                           Wird, wie das Gewöhnlichere ist, d in Zollen angenommen,
                              										l ebenfalls und = 1 gesetzt, p in Pfunden per Quadratzoll, dann ergibt sich
                              									für jeden Theil oder Ring des Kessels von 1″ Länge die auf den Ring von innen
                              									nach außen wirkende Kraft des Dampfes:
                           K = d
                              									× p
                              									I.
                           Weil aber, wenn sichs um das Zerreißen handelt, bei gleichförmiger Stärke des
                              									Blechringes, zwei einander diametral gegenüber liegende Punkte gleichzeitig
                              									zerrissen werden müssen, und diese Punkte nicht etwa bloß in horizontaler oder
                              									verticaler, sondern in jeder anderen Richtung befindlich gedacht werden können, so
                              									vermindert sich die oben gefundene Kraft für jeden Theil des Umfanges und per Zoll Länge auf die Hälfte, weßhalb wird:
                           K 1 = d
                              									× p/2 II.
                           Die Kraft, welche sich bemüht, das eine oder das andere der beiden Endstücke von dem
                              									cylindrischen Theil zu trennen, läßt sich durch die verticale Durchschnittsfläche
                              									des Kessels multiplicirt mit dem Druck auf die Quadrat-Einheit ausdrücken,
                              									also durch:
                           d2
                              									× 0,7854 × p.
                           Da nun der Umfang von d = d
                              									× 3,1416, so wird diese Kraft für jeden Zoll des Umfanges = Textabbildung Bd. 124, S. 83 und abgekürzt
                           K 2 = d
                              									× p/4 III
                           
                           Demnach ist K 1 : K 2 = d × p/2 : d × p/4 = 2 : 1.
                           D. h.: die Kraft, welche der Dampf anwendet um den Kessel in
                                 										der Längenrichtung zu zerreißen, ist doppelt so groß als die Kraft, mit welcher
                                 										er sich bestrebt ein Endstück vom cylindrischen Theil abzureißen.
                           Dieser Satz gilt wieder nicht bloß für einen gewissen Durchmesser des Kessels,
                              									sondern, wie aus den Formeln ersichtlich ist, für jeden Durchmesser, demnach im
                              									Allgemeinen.
                           Auf den Umstand, daß die Bleche des Kessels durch die Löcher für die Niete geschwächt
                              									werden, ist nicht nothwendig, in Vergleichen wie hier, Rücksicht zu nehmen, weil
                              									gleiche Nietlöcher und gleiche Theilung derselben am cylindrischen Theil und an den
                              									Endstücken vorausgesetzt, beide Theile dadurch gleichmäßig geschwächt werden,
                              									demnach das gegenseitige Verhältniß der Stücke so, wie wenn keine Nietung
                              									stattfände, verbleibt. Doppelte Nietreihen machen jedoch, wie sich aus S. 83 von Fairbairn's Abhandlung ergibt, einen Unterschied; hier
                              									werden nur die gewöhnlichen einfachen Nietreihen angenommen.
                           In diesem Fall ist also, wie dargethan wurde, die Kraft des Dampfes auf jeden Zoll
                              									Umfang der Verbindung des Endstückes mit dem cylindrischen Theil nur halb so groß,
                              									als auf jeden Zoll in der Längenrichtung des Kessels. Die Form des Endstücks, ob es
                              									nämlich mehr oder weniger gewölbt oder auch ganz flach ist, macht hierin auch keinen
                              									Unterschied, und dieß zugegeben, folgt: für gleiche
                                 										Haltbarkeit des Endstücks und des cylindrischen Theils braucht die Blechdicke
                                 										des ersteren an den Verbindungspunkten beider, in allen Fällen nur die halbe
                                 										Blechdicke des letztern zu seyn.
                           In theoretischer Hinsicht wird sich gegen diesen Satz wohl nichts einwenden lassen;
                              									in praktischer Hinsicht setze ich dabei voraus, daß der gestülpte Rand des dünnern
                              									Endstücks in dem dickern Blech des Cylinders eingeschlossen wird, weil im
                              									umgekehrten Falle für einen dampfdichten Schluß zwischen den Nieten nicht wohl
                              									einzustehen seyn möchte.
                           Die Verbindung des Endstücks mit dem Cylinder wird also unter den genannten Umständen
                              									eben so verläßlich als die Verbindung der einzelnen Blechtafeln des Cylinders
                              									untereinander seyn; dieß leidet keinen Zweifel.
                           Aber die Frage ist noch: ob, wenn das Endstück die Form einer Halbkugel durchgängig
                              									in der halben Dicke der Bleche des Cylinders  erhält, es dann in der Halbkugel keine Punkte gibt,
                              									welche sich nachgiebiger als die Verbindungspunkte mit dem Cylinder zeigen
                              									möchten?
                           Man denke sich statt der Halbkugel eine ganze Kugel von dem gleichen Durchmesser d; auch der Dampfdruck p sey
                              									derselbe, so ist wieder gewiß, daß die Kraft welche auf jede Hälfte der Kugel wirkt,
                              									mögen nun die Hälften liegend oder stehend oder in irgend einer sonstigen Lage
                              									angenommen werden, immer dieselbe bleibt, also die Kugel auf allen Punkten gleich
                              									stark ist; die Hälfte demnach auch nicht weniger als das Ganze und die darauf
                              									wirkende Kraft nach Formel III
                           K 2 = d
                              									× p/4.
                           Die Hälfte der Kugel ist aber das angenommene Endstück, und weil gleichzeitig auf den
                              									Umfang des Kessels nach Formel II eine Kraft wirkt: K 1 = d × p/2, nämlich die doppelte, so wird sich auch zuletzt der
                              									Schluß machen lassen, daß proportional den wirkenden Kräften K 2 : K 1 auch nur die Blechstärken δ =
                              									0,5 δ : δ zu seyn brauchen, nämlich: bei dem
                                 										halbkugelförmigen Endstück auf allen Punkten desselben die halbe Blechstärke wie
                                 										für den cylindrischen Theil genügt.
                           B. Radius der
                                 										Endstücke bei gleicher Blechstärke mit dem cylindrischen Theil.
                           Für diesen Fall läßt sich nach dem Vorangegangenen jetzt schon leichter beweisen, daß
                              									der Radius R, welcher zu der Wölbung der Endstücke
                              									gehört, doppelt so groß als der Radius des Kessels, also gleich dessen Durchmesser =
                              										d seyn muß.
                           Denn denkt man sich jetzt statt des Kugelsegmentes des Endstücks wieder die volle
                              									Kugel, also von einem Durchmesser = 2 d, so ist die
                              									Kraft welche wieder in jeder Richtung auf die Trennung der beiden Hälften wirkt = 2
                              										d2 × 07854
                              									× p, und alle einzelnen Theile der Kugel setzen
                              									wie immer der Dampfkraft gleichen Widerstand entgegen; auf 1 Zoll des Umfanges vom
                              									Kugel-Durchmesser reducirt, wird
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 124, S. 85
                              
                           übereinstimmend mit der Formel II:
                           K 1 = d
                              									× p/2,
                           weßhalb in diesem Fall das Kugelsegment des Endstücks auf
                              									allen  Punkten seiner
                              									Wölbung, bei gleicher Blechstärke des cylindrischen Theils vom Kessel, auch gleiche
                              									Haltbarkeit als dieser hat.
                           Am Vereinigungspunkt der Wölbung mit dem Cylinder ist aber, wie schon gesagt, ohne
                              									Rücksicht auf den Radius der Wölbung, die Haltbarkeits doppelt so groß. Man sieht,
                              									daß der Radius der Wölbung bei den Dampfkesseln keine gleichgültige Sache ist,
                              									indem, wenn er im vorliegenden Fall größer als der Kessel-Durchmesser wäre,
                              									das Endstück in der Wölbung schwächer als der cylindrische Theil seyn würde.
                           Dagegen folgt aus der Untersuchung, daß bei allen Radien der Endstücke, welche
                              									innerhalb 0,5 d und 1 d
                              									fallen, die Blechstärke der Endstücke geringer als δ die des Cylinders seyn
                              									darf, und daß wenn δ als Norm angenommen wird, im Allgemeinen seyn muß: d : R = δ : x und
                           x = R
                              									× δ /d
                              									IV,
                           wobei man sich hinsichtlich des wirklichen δ nach dem
                              									bestehenden Dampfkessel-Regulativ wird zu richten haben.
                           Bei allen den Dampfkesseln, welche ich im Laufe von etwa 15 Jahren zum Theil mit und
                              									zum Theil ohne Feuerrohr im In- und im Auslande anfertigen ließ, sind die
                              									Blechstärken des cylindrischen Theils und der Endstücke gleich, weßhalb die Wölbung
                              									von letzteren correspondirt (wie meine Regel für diesen Fall besagt) zu einem Radius
                              									= dem Durchmesser des Kessels.
                           Es sind mehrere unter diesen Kesseln, welche mit 15 Atmosphären Ueberdruck probirt
                              									wurden, ohne daß sich an den Hälften der Endstücke, nämlich an der Naht der Wölbung,
                              									je etwas Besorgnißerregendes gezeigt hätte, so daß man meine theoretischen Schlüsse
                              									auch in der Praxis als stichhaltig betrachten kann.
                           Die Segmenthöhe oder der horizontale Vorsprung der Endstücke, von dem cylindrischen
                              									Theil gerechnet, beträgt bei R = d etwa d/7,5, wobei die Anbringung eines
                              									Feuerrohrs in den Endstücken keine Schwierigkeiten hat, was bei den
                              									halbkugelförmigen im bedeutenden Maaße der Fall ist. Ohne Feuerrohr wird es ziemlich
                              									gleichgültig seyn, welche der beiden Endstücke man wählt.
                           Zu dem theoretischen Schluß, daß bei gleicher Blechstärke der Radius R = d seyn müsse, kam ich
                              									zwar, wie gesagt, schon vor etwa 15 Jahren, aber erst später, im Anfang des Jahres
                              									1840, fiel mirs ein, doch auch einmal einen Versuch im Kleinen anzustellen, wie sich
                              									solch ein Kessel gestalten würde, wenn man das Blech über seine Elasticitätsgränze
                              									und zuletzt bis zum Zerreißen anstrengt?
                           
                           Der cylindrische Theil wurde von ¼′″ dickem gewalztem
                              									Kupferblech, 4″ im Durchmesser, gehörig zusammengezinkt und hartgelöthet; das
                              									Endstück von demselben Blech nach einem Radius von 4″ ausgetrieben, dann der
                              									Rand ¼″ lang cylindrisch so weit eingezogen, daß das Endstück in
                              									ersteren Theil paßte; beide Theile an den Vereinigungspunkten zum Behuf der Löthung
                              									vorbereitet; der Rand des Cylinders etwa ¼″ über das Endstück
                              									gebärtelt und zuletzt die Löthung selber mit Zinn verrichtet. Das zweite offene Ende
                              									des Versuchskessels bekam einen auswärtsstehenden Rand, um denselben mit Hülfe eines
                              									über ihn geschobenen eisernen Ringes, einiger Schrauben, nebst etwas
                              									Dichtungsmaterial, wasserdicht an der Flansche des Druckrohrs einer
                              									Kesselprobirpumpe befestigen zu können. Durch ein Löchelchen im Kessel wurde die
                              									Luft ausgeblasen und dasselbe dann wieder mit einem Stift verschlossen.
                           Zur leichteren Beobachtung der Veränderungen, welche sich entweder am cylindrischen
                              									Theil oder am Endstück zuerst einstellen möchten, wurde auf ersteren der Länge nach
                              									ein kurzes Lineal gelegt und vor letzteres eine Blech-Schablone gehalten, wo
                              									sich dann, als der Druck auf den Hebel der Pumpe ein gewisses Maaß erreicht hatte,
                              									fand: daß ganz gleichzeitig am cylindrischen Theil eine
                                 										Vergrößerung des Durchmessers, sowie am Endstück eine Verkleinerung des Radius
                                 										oder eine Erhöhung der Wölbung eintrat, wie es auch, wenn beide Theile
                              									ursprünglich gleichen Widerstand leisteten, nicht anders zu erwarten war.
                           Bei vermehrtem Druck bekam indessen der cylindrische Theil zuerst einen Riß neben der
                              									harten Löthung, wo das Blech durch das Feuer wohl etwas mochte gelitten haben.
                           Mir selber hat das Resultat des Versuches merkwürdig genug geschienen, um mir das
                              									Kesselchen aufzuheben, weßhalb ich noch im Stande bin, dessen letzte Form und Maaße
                              									in Figur 12
                              									darzustellen, welche in halber Naturgröße gezeichnet ist und wo die punktirten
                              									Linien die anfängliche Form angeben.
                           Die gewählte Vereinigung des Endstücks mit dem cylindrischen Theil zeigte sich in dem
                              									Versuch als ganz vorzüglich dauerhaft, indem auf diesem Punkt der anfängliche
                              									Durchmesser nicht nur gar nicht zunahm, sondern auch in der Zinnlöthung nicht einmal
                              									eine Undichtheit stattfand.
                           Auf die gleiche Art als den Versuchskessel habe ich seitdem die Windkessel für
                              									Feuerspritzen und Druckpumpen stets mit gutem Erfolg anfertigen lassen, und dabei im
                              									Vergleich mit der gewöhnlichen Art das  Kopfstück in der Form einer Halbkugel zu treiben und mit
                              									hartem Loth an den Cylinder zu löthen, viel an Zeit und Arbeitslohn gespart.
                           Man gibt da, wie dargethan wurde, dem Kopfstück mehr Stärke als noththut; dagegen
                              									habe ich bei den Cylindern der Wasserpressen öfter gefunden, daß die Bodenstücke, im
                              									Vergleich mit den Seitenwänden, schwächer waren als sie seyn sollten. Die Formel IV lehrt wie dick das Bodenstück seyn muß, wenn es die
                              									Form eines Kugelsegmentes bekommt, und daß es sich, wenn man auch beim flachen
                              									Endstück sicher gehen will, in diesem sollte beschreiben lassen.
                           Die Formel IV ist jedenfalls auch auf die Fälle
                              									anwendbar, wo der Dampf, statt von innen nach außen, umgekehrt auf die Oberfläche
                              									einer Kugel oder eines Kugelsegments wirkt. Nur wird man in diesem Falle (wie bei
                              									den Feuerröhren der Dampfkessel im Vergleich mit den Siederöhren) eine größere
                              									Zugabe in der Blechstärke machen müssen, weil, wenn bei dem Kugelsegment und dem
                              									Cylinder die Dampfkraft von innen nach außen wirkt, sie ein Bestreben hat, die Form
                              									der Hülle zu verbessern, im umgekehrten Fall sie aber zu verschlechtern, d. h.
                              									etwaige flache Stellen des Segmentes und des Cylinders noch flächer zu machen,
                              									zuletzt sie förmlich einzudrücken, somit die Zerstörung der Hülle zu veranlassen,
                              									wie dieses in Runkelrüben-Zuckerfabriken, bei den Defecations-Kesseln,
                              									den Vacuum-Pfannen, und den Nachwärmern häufig genug vorkommt.
                           Alles was ich hier über den Gegenstand der Endstücke cylindrischer Dampfkessel etc.
                              									mittheilte, erscheint in der That mir selber so einfach und ungelehrt, daß ich mich
                              									nicht leicht zu einer Veröffentlichung würde entschlossen haben, wenn, wie gleich
                              									Anfangs gesagt, die Abhandlung des Hrn. W. Fairbairn über
                              									die Construction der Dampfkessel, mit gänzlicher Umgehung der Endstücke, mich nicht
                              									gewissermaßen zu dem Glauben berechtiget hätte, daß selbst auch in England, von
                              									welchen insbesondere in technischen Sachen uns belehren zu lassen wir doch halb und
                              									halb angewiesen sind, der von mir besprochene Gegenstand auch noch im Dunkeln liegen
                              									muß.
                           Sollte ich mich darin irren, so wird doch hoffentlich mir nicht zur Last gelegt
                              									werden können, an dem Irrthum Schuld zu seyn.
                           Zusatz.
                           Nachdem Obiges geschrieben war, kam mir noch das 2te Novemberheft v. J. des
                              									polytechn. Journals (Bd. CXXII) zu Händen, wo S. 245  Hr. W. Fairbairn
                              									„Verbesserungen in der Construction der Dampfkessel“ in
                              									Vorschlag bringt, welche indessen nur darauf hinauslaufen, flache Endstücke der
                              									Kessel statt durch Anker mittelst Winkeleisen zu verstärken, worauf ich demnach hier
                              									keine weitere Rücksicht zu nehmen habe.
                           Dagegen machte mich ein Freund darauf aufmerksam, daß doch, schon früher, eine
                              									Abhandlung von Lamé
                              									„über die Stärke und die Krümmung der Dampfkessel“ im
                              									polytechn. Journal, 1850, Bd. CXVI S. 1 erschienen und
                              									mir vermuthlich unbekannt geblieben sey. Dieß ist nun allerdings der Fall, weil ich
                              									gerade in jener Zeit oft verhindert war die Hefte dieses Journals regelmäßig lesen
                              									zu können, gegenwärtig bin ich indessen mit dem Inhalt der Abhandlung bekannt.
                           Ich hätte nun wirklich geglaubt es sey gar nicht möglich zu andern Schlüssen als
                              									welche ich machte zu kommen, bemerke aber dennoch eine wiewohl nur kleine und
                              									unschädliche Differenz. Hr. Lamé findet nämlich, wenn das
                              									Endstück halbkugelförmig ist und desselben Blechdicke = 1 gesetzt wird, so muß die
                              									des cylindrischen Theils für gleiche Haltbarkeit beider Theile = 2⅓ seyn;
                              									wogegen nach meinen Schlüssen sich das Verhältniß nur als 1 : 2 stellt.
                           Hr. Lamé findet ferner: wenn die Blechdicke beider Theile
                              									gleich seyn soll, dann muß der Radius der Wölbung des Endstückes um 2⅓mal
                              									größer als der Radius des Kessels oder um 1 1/6mal größer als der Durchmesser seyn;
                              									bei mir = 1 : 1.
                           Wie im ersten Falle das ⅓ und im zweiten das 1/6 hinzukommt, weiß ich nicht,
                              									indem Hr. Lamé nur sagt, daß die von ihm gegebenen Regeln
                              									aus der mathematischen Theorie der elastischen Körper abgeleitet seyen und man ihm
                              									deren Richtigkeit aufs Wort glauben muß. Bei mir dagegen finden sich auch die leicht
                              									verständlichen Gründe, weßhalb ich hoffe, daß was ich über die Construction der
                              									Endstücke mittheilte, mindestens für Praktiker annehmlicher als jenes seyn möchte,
                              									und zwar noch um deßwillen, weil wenn man die Blechstärke des cylindrischen Theils
                              									vom Kessel als Norm für die der Endstücke annimmt, man sich bei meinen Regeln in
                              									beiden Fällen auf der sichereren Seite befindet.
                           Brünn, Mitte Januar 1852.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
