| Titel: | Neues System von Transmissionsrädern ohne Verzahnung; beschrieben von dem darauf patentirten Erfinder A. Cortese in Turin. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Neues System von Transmissionsrädern ohne
                           Verzahnung; beschrieben von dem darauf patentirten Erfinder A. Cortese in
                           Turin.
                        Aus dem Bulletin du musée de l'industrie, März
                              1852, S. 183.
                        Cortese's System von Transmissionsrädern ohne
                           Verzahnung.
                        
                     
                        
                           Eine für die praktische Mechanik, für das Fabrik- und Eisenbahnwesen sehr
                              wichtige Erfindung wurde in Piemont gemacht. Um zwei Transmissionsräder so zu
                              verbinden, daß sie sich nur mit einander bewegen können, hat man bisher ihre
                              Oberfläche mit Zähnen versehen, so daß die vorspringenden
                              Theile der einen Oberfläche in die einspringenden der andern treten und umgekehrt,
                              oder man mußte die beiden Oberflächen durch gespannte Riemen mit einander verbinden.
                              Die Zähne aber oder die Verzahnungen, wie man sie nennt, erfordern eine sorgfältige
                              Construction und Ausführung, sonst sind Stöße und ein schlechter Gang des Räderwerks
                              unvermeidlich, wodurch viel Kraft verloren geht und auch die Maschinen bald
                              verdorben werden. Eine starke Reibung ist bei ihnen unter allen Umständen
                              unvermeidlich, und dadurch wird die Form der Zähne mit der Zeit verändert und die
                              Dauer der Maschine mehr oder weniger vermindert. Zwar ist es einigen Mechanikern,
                              namentlich dem Engländer White gelungen, ein Räderwerk zu
                              construiren, wobei zwischen den Zähnen nur die Reibung des Wälzens stattfindet, aber
                              die Ausführung solchen Räderwerks ist so schwierig, daß man diese Construction in
                              der Praxis nur selten anwenden kann; außerdem kann diese Verzahnung in gewissen
                              Fällen, wo sie gerade von dem größten Nutzen seyn würde, nicht angewandt werden,
                              z.B. bei Dampfschiffen, weil sie nicht im Stande ist den Schrauben die erforderliche
                              Geschwindigkeit mitzutheilen. Dasselbe ist auf Eisenbahnen der Fall, wo die
                              Geschwindigkeit der Bewegung und die unvermeidlichen Stöße der Locomotive es nicht
                              gestatten, sie als Bewegungsmittheilung anzuwenden. Wegen schwieriger Ausführung hat
                              man selbst auf Schienen mit Zahnstangen Verzicht leisten müssen, zu dem Zweck starke
                              Steigungen mit den Locomotiven aufwärts zu fahren.
                           Wenn dagegen andererseits die Laufriemen eine sanftere und gleichförmigere Bewegung
                              veranlassen, und auch Brüche durch Stöße vermeiden, indem sich der Riemen alsdann
                              gleitend um die Rollen oder Scheiben bewegen kann, so haben sie doch den Nachtheil,
                              bei der ununterbrochenen Spannung, welcher sie unaufhörlich unterworfen sind, sich
                              zu verlängern, und wenn die mitzutheilende Kraft etwas bedeutend ist, so muß man
                              ihnen eine übermäßige Breite geben. Die Riemen gleiten sehr leicht, so daß die
                              Bewegung stockt, und stehen in dieser Beziehung dem Räderwerk weit nach.
                           Man hat auch noch ein anderes Mittel zum Uebertragen der Bewegung angewendet, welches
                              Vorzüge vor den schon erwähnten hat; es besteht darin, zwei ebene Oberflächen mit
                              einander in Berührung zu setzen und sie so gegen einander zu drücken, daß die
                              Reibung ihre gegenseitige Bewegung veranlaßt. Da aber die Oberflächen eben sind,
                              oder es doch bald werden, so bringen sie keine genügende Reibung hervor, um etwas
                              bedeutende Widerstände zu überwinden, so daß man die einfachen cylindrischen
                              Frictionsräder nur bei Spinnmaschinen und bei einigen mechanischen Webestühlen
                              u.s.w. anwenden kann. Die einzige Anwendung, welche man bis jetzt von dieser
                              Bewegungsmittheilung bei größeren Kräften gemacht hat, ist diejenige bei den
                              Locomotiven, indem bei denselben die Räder auf den ebenen Schienen den zur
                              Weiterbewegung des Zuges erforderlichen Widerstand finden. Da in diesem Fall die
                              Räder sehr stark belastet sind, so findet die Reibung, oder besser ausgedrückt, die
                              Adhäsion einen hinlänglichen Widerstand, damit sich die Locomotive ohne zu gleiten
                              vorwärts bewegt. Wenn jedoch der Wagenzug ein gewisses Gewicht übersteigt, oder wenn
                              man eine starke Steigung aufwärts fahren muß, so ist keine Kraft hinreichend, wegen
                              Mangel eines Stützpunktes, den Bahnzug in Bewegung zu setzen. Sind die Schienen
                              feucht, oder mit Glatteis oder Eis bedeckt, so vermindert sich die Adhäsion, man
                              kann alsdann ein um so geringeres Gewicht fortbewegenfortbewgen und um so geringere Steigungen aufwärts fahren. Um nun eine größere
                              Adhäsion zu erlangen, ist bis jetzt das beste Mittel, das Gewicht der Locomotiven zu
                              erhöhen, und zwar von 8–10 Ton. bis zu 20 oder 30 Tonnen, und es so
                              einzurichten daß der größte Theil dieses Gewichts auf den Triebrädern ruht. Um aber
                              einen Nachtheil zu vermeiden, ist man in einen andern verfallen, denn je schwerer
                              die Locomotive ist, um so
                              mehr muß man das Gewicht des Bahnzuges vermindern, hauptsächlich auf den Steigungen.
                              Außerdem sind zu schwere Locomotiven den Schienen nachtheilig, so daß nach Stephenson mehrere englische
                              Eisenbahn-Gesellschaften auf Locomotiven von höchstens 10–12 Tonnen
                              Gewicht zurückkommen mußten.
                           Wir wollen hier nicht von der neuerlich versuchten Anwendung des Elektromagnetismus
                              zum Eisenbahnbetrieb reden, welcher sehr bedeutende Kosten und eine noch
                              bedeutendere Complicirung veranlaßt, und einem Druck von 15 bis 20 Tonnen nur einige
                              Hunderte von Kilogrammen hinzufügt.
                           Es gibt jedoch eine sehr einfache Verbindung, welche fast alle Vortheile des
                              Räderwerks und diejenigen der ebenen in Berührung stehenden Oberflächen vereinigt.
                              Dieselbe besteht in der Anwendung des Keils zur Erzeugung der Reibung bei
                              Frictionsrädern. Eine Gesellschaft, welche diese Erfindung ausbeuten will, wird in
                              Piemont durch A. Cortese und Professor Johannes Minotto vertreten, während in Frankreich und England ein
                              Patent auf den Namen des Grasen v. Fontainemoreau
                              genommen wurde.
                           Man denke sich ein Rad, dessen Peripherie eine Kehle hat, wie es bei einem Schnurrade
                              der Fall ist. Die inneren Flächen dieser Kehle können zu einander unter einem Winkel
                              von 10, 20 oder 30 Grad geneigt seyn, und haben daher im Querschnitt die Form eines
                              V. Nun denke man sich ein anderes Rad, dessen Peripherie unter demselben Winkel von
                              10, 20 oder 30 Grad abgeschrägt ist, und daß diese beiden Räder mit einander in
                              Berührung und ineinander gedrückt sind, also die vorspringende Peripherie des
                              zweiten in die Vförmige Kehle des ersten tritt. Man steht, daß das zweite Rad wie
                              ein Keil in dem ersten wirkt, und daß es folglich eine große Adhäsion oder einen
                              großen Widerstand gegen das Gleiten haben wird.
                           Angestellte Versuche haben ergeben, daß bei einem Winkel von 30° die Adhäsion,
                              welche bei zwei cylindrischen Frictionsrädern 1 betrug, 4 wird; natürlich muß sich
                              mit einem noch spitzeren Winkel ein noch größeres Verhältniß herausstellen.
                           Man hat daher ein Räderwerk, dessen Sanftheit und Regelmäßigkeit nichts zu wünschen
                              übrig läßt, und welches man auch leicht auf der Drehbank wie ein gewöhnliches Rad
                              anfertigen kann; man erhält so ein Räderwerk, welches die zur Uebertragung der Kraft
                              erforderlichen Peripherien durchaus nicht schwächt, welches nur eine Reibung des Wälzens zeigt, und
                              daher nur einen unbedeutenden Kraftverlust veranlaßt. Man hat bei den Versuchen
                              gefunden, daß der Reibungswiderstand 0,0025 der Last beträgt, während er bei den
                              besten Zahnrädern 0,0143 beträgt. Das neue Räderwerk ist selbst bei den heftigsten
                              Stößen der Gefahr eines Bruches nicht ausgesetzt, und besitzt die kostbare
                              Eigenschaft, durch Abnutzung sich zu vervollkommnen, da es sich an denjenigen
                              Theilen, wo die Geschwindigkeiten beider Räder verschieden sind, mehr abnutzt als an
                              den andern Theilen, also das Bestreben hat, sich immer auf die Theilkreise zu
                              reduciren, an welchen nur rollende Reibung stattfinden kann.
                           Hinsichtlich der Locomotiven verspricht man sich, daß diese Erfindung die Aufgabe,
                              welche man sich bis jetzt bei deren Construction gestellt hat, gänzlich verändern
                              werde. Statt die Locomotiven sehr schwer zu machen, um die erforderliche Adhäsion zu
                              erlangen, wird man ihnen bei möglichster Leichtigkeit ein großes Adhäsionsvermögen
                              ertheilen können. Bei den jetzt gebräuchlichen Locomotiven braucht man zu diesem
                              Zweck nur einige Räder hinzuzufügen, ohne die übrigen Einrichtungen der Maschine zu
                              verändern. Die Form der neuen Räder (Keilräder), welche die Schienen von zwei Seiten
                              umfassen, wird den Maschinen einen sicherern Gang ertheilen und die jetzt so
                              häufigen Schwankungen derselben vermindern, so daß sie nicht so leicht aus den
                              Schienen kommen können.
                           Bei den erst zu construirenden Locomotiven wird man zur Lösung einer sehr wichtigen
                              Aufgabe gelangen, nämlich die jetzt übliche und selbst eine größere
                              Fahrgeschwindigkeit bei geringerer Kolbengeschwindigkeit zu erreichen, indem man
                              zwei Triebräder anwendet, welche an einer Achse stecken, auf die die Bewegung von
                              der Kurbelachse aus durch ein paar Transmissionskeilräder übertragen wird, wobei die
                              Kurbelachse langsamer umläuft als die Triebräderachse. – Man könnte aber auch
                              statt der beiden Triebräder, wie sie jetzt die gewöhnlichen Locomotiven haben, nur
                              ein einziges mit einer Kehle auf der Kranzperipherie und mit einer keilförmigen
                              Schiene in der Mitte der Eisenbahn anwenden.