| Titel: | Ueber die Anwendung des Collodion in der Photographie; von Hrn. Bingham. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XIII., S. 28 | 
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                        XIII.
                        Ueber die Anwendung des Collodion in der
                           Photographie; von Hrn. Bingham.
                        Aus den Comptes rendus, Mai 1852, Nr.
                              19.
                        Bingham, über die Anwendung des Collodion in der
                           Photographie.
                        
                     
                        
                           Die Photographie hat seit zwei Jahren große Fortschritte gemacht, besonders die
                              Darstellung der Lichtbilder auf Papier und auf Glas. Hrn. Niepce gebührt das Verdienst, durch Anwendung der Eiweißschicht auf Glas
                              zur Vervollkommnung dieser Kunst wesentlich beigetragen zu haben; die
                              bewunderungswürdigen Bilder welche Hr. Martens nach
                              dieser Methode erhielt, zeigen eine Schärfe und Feinheit in den Details, welche
                              nichts zu wünschen übrig lassen. Dessenungeachtet kann man diesem Verfahren einen
                              großen Uebelstand zum Vorwurf machen; um ein Bild zu erhalten, muß man nämlich die
                              Platte verhältnißmäßig lange Zeit in der camera obscura
                              exponiren, weßhalb diese Methode für Porträts nicht anwendbar ist, sondern fast nur
                              für Landschaften und Gebäude.
                           Ich will nun ein Verfahren zur Darstellung von Lichtbildern auf Glas mittelst
                              Collodion beschreiben, welches eben so schöne Bilder liefert wie die Eiweißschicht,
                              und in der Empfindlichkeit für das Licht sogar das Daguerreotyp übertrifft.
                           In einer Broschüre über Photographie, welche ich im Jahr 1850 in London herausgab,
                              habe ich die Anwendung des Collodion zu diesem Zweck zuerst erwähnt und damals diese
                              Entdeckung den ausgezeichnetsten Photographen in London mitgetheilt; aber erst seit
                              kurzer Zeit werden die Vortheile dieses Verfahrens gehörig gewürdigt. Dasselbe ist
                              sehr einfach; es besteht bloß darin, die Eiweißschicht durch eine Schicht von
                              Collodion zu ersetzen.
                           Um ein Bild zu erhalten, kann man zwei oder drei verschiedene Methoden befolgen, die
                              ich nun angeben will. Ich werde die Manipulationen in vier besondere Operationen
                              abtheilen: 1) die Bereitung des Collodion; 2) das Auftragen desselben auf die
                              Glasplatte; 3) die Entwicklung des Bildes; 4) das Fixiren desselben.
                           Bereitung des Collodion. – Das Collodion bereitet
                              man durch Auflösen von Schießbaumwolle in Aether (Schwefeläther); sowohl die Schießbaumwolle als der
                              Aether müssen vollkommen rein seyn, d.h. sie dürfen nicht die geringste Menge
                              Schwefelsäure oder Salpetersäure enthalten.
                           Das Collodion ist mehr oder weniger flüssig, nach den Verhältnissen von
                              Schießbaumwolle und Aether welche man anwandte. Es muß so flüssig seyn, daß wenn man
                              es auf eine Glasplatte gießt, es sich leicht auf ihrer ganzen Fläche verbreitet.
                              Wenn es zu dick ist, versetzt man es mit reinem Aether, bis es den geeigneten Grad
                              von Flüssigkeit erreicht hat. Mit einem zu dicken Collodion wäre es schwierig eine
                              gleichförmige Schicht zu erhalten; bei Anwendung eines zu flüssigen Collodion wäre
                              dagegen die Empfindlichkeit der Schicht sehr schwach.
                           Man gießt das Collodion in ein 6 Unzen-Fläschchen, welches 53 Gran Jodammonium
                              und 2 Gran Fluorkalium mit 4 oder 5 Tropfen destillirtem Wasser enthält. Das
                              Verhältniß des Wassers darf nicht hinreichen um das Jodammonium vollständig
                              aufzulösen; es genügt wenn dieses Salz beinahe aufgelöst ist; durch den Zusatz des
                              Collodion erfolgt seine Auflösung vollständig.
                           Es ist wichtig diese Details zu beachten, denn wenn man zuviel Wasser in die Mischung
                              gebracht hätte, so würde die Collodionschicht nicht gut an der Platte haften und
                              könnte in dem Bad von salpetersaurem Silber abspringen. Man schüttle das Fläschchen
                              ein- oder zweimal, und lasse es dann stehen, bis die Flüssigkeit klar und
                              durchsichtig wird, worauf ihre Farbe blaßgelb seyn muß; wäre hingegen der Aether
                              oder das Collodion zufällig durch eine Spur Säure verunreinigt gewesen, so würde
                              eine Zersetzung des Jodammonium erfolgen und das frei gewordene Jod die Flüssigkeit
                              dunkelroth färben.
                           Diese Methode erfordert am wenigsten Zeit, sie ist aber auch etwas schwieriger als
                              diejenige mit jodirtem Collodion, welche folgendermaßen ausgeführt wird.
                           In ein 6 Unzen-Fläschchen bringt man 12 Gran Jodkalium und 7 oder 8 Gran
                              Jodsilber; man setzt einige Tropfen Wasser zu, aber nicht mehr als nöthig ist, um
                              das Jodkalium aufzulösen; hierauf füllt man das Fläschchen mit Collodion (welches
                              die gehörige Consistenz hat), schüttelt einmal oder zweimal, und läßt die Mischung
                              zwei oder drei Tage stehen, bis sie vollkommen durchsichtig wird; sie sollte fast
                              weiß seyn, gewöhnlich ist sie etwas gelblich.
                           Zweite Operation. Vorbereitung der Glasplatte für das
                                 Lichtbild. – Man befestigt die Glasplatte auf einem Stück Gutta-percha; diese
                              Substanz klebt sich leicht an das Glas, wenn sie erwärmt ist; man gießt einige
                              Tropfen Ammoniak, mit Tripel gemengt, auf das Glas, und reibt dasselbe dann mit
                              Baumwolle, indem man kleine Kreise beschreibt (wie bei einer Daguerreotypplatte);
                              hierauf entfernt man mit einem andern Baumwollebällchen den auf dem Glase
                              gebliebenen Tripel; man gießt eine zweite Mischung von Tripel und Alkohol auf, und
                              reibt wie mit der ersten Mischung. Es bleiben vielleicht noch einige Theilchen von
                              Tripel und Baumwollefäserchen zurück; um sie zu beseitigen, macht man ein sehr
                              dichtes Bällchen, so daß die Baumwollefäserchen nicht ausgehen, und reibt die Platte
                              mit der größten Sorgfalt; endlich reibt man ein letztesmal mit einem neuen trockenen
                              Bällchen. Die Glasplatte ist zur Anwendung tauglich, wenn beim Daraufhauchen die
                              Feuchtigkeit sich gleichförmig auf ihrer ganzen Fläche verdichtet. Indem man nun die
                              Platte an ihrem Griffe von Gutta-percha hält, gießt man das Collodion langsam
                              darauf, und neigt sie abwechselnd auf die eine und andere Seite, damit sich die
                              Flüssigkeit bis in die Ecken gut ausbreitet; alsdann gießt man von einem Eck aus die
                              überschüssige Flüssigkeit in das Fläschchen zurück; die Flasche erscheint alsdann
                              mit sehr zarten Furchen bedeckt, alle senkrecht in der Richtung des Abfließens; wenn
                              man nun die Platte in einem andern Sinne neigt, verschwinden die Furchen und die
                              Schicht wird dünn und gleichförmig. Bevor noch das Collodion Zeit hatte zu trocknen,
                              bringt man hierauf die Platte in ein Bad von salpetersaurem Silber, die präparirte
                              Seite unterhalb befindlich.
                           Dieses Bad muß 40 Gran salpetersaures Silber per Unze
                              destillirten Wassers enthalten. Die Oberfläche der Platte wird nicht sogleich
                              benetzt, denn der Aether braucht eine gewisse Zeit, um sich mit dem Wasser zu
                              mischen; man läßt daher die Platte in dem Bad wenigstens eine halbe Minute
                              verweilen, indem man sie mit einem Haken von Silber oder Platin hält, damit sie den
                              Boden der Schale nicht berühren kann.
                           Sobald man bemerkt, daß die Platte sich mit einer gleichförmigen weißlichen Schicht
                              überzieht, und daß das Wasser auf ihrer ganzen Oberfläche gut fließt, nimmt man sie
                              heraus und bringt sie sogleich in den Rahmen der camera
                                 obscura; man sollte sie nach spätestens einer Viertelstunde oder zehn
                              Minuten verwenden, je eher desto besser.
                           Entwicklung des Bildes. – Man legt das Glas auf
                              einen Träger und gießt schnell auf seine Oberfläche eine Auflösung, welche aus 2
                              Theilen Pyrogallussäure, 60 Theilen krystallisirbarer Essigsäure und 500 Theilen
                              Wasser besteht. Sollte die Exposition in der camera obscura nicht
                              hinreichend gewesen seyn, so könnte man einige Tropfen salpetersaures Silber
                              beifügen; gewöhnlich ist dieses aber nicht nöthig.
                           Sobald das Bild gut zum Vorschein gekommen ist, was ungefähr zwei Minuten erfordert,
                              wascht man es mit einem Wasserstrom, und fixirt hierauf, indem man auf das Bild eine
                              gesättigte Auflösung von unterschwefligsaurem Natron gießt. Die Schicht von
                              Jodsilber verschwindet, und man sieht das Bild, welches bisweilen positiv ist;
                              hernach wascht man es mit vielem Wasser, um alles unterschwefligsaure Salz zu
                              beseitigen. Dann läßt man die Platte über der Lampe oder von selbst an der Luft
                              trocknen. Vor dem Austrocknen ist die Schicht sehr weich; nach demselben ist sie
                              hart und haftet an dem Glase wie das Eiweiß.
                           Mittelst dieses Verfahrens könnte man auch gleich anfangs ein positives Bild von
                              großer Schönheit erhalten, welches viel kräftiger und reiner ist als die
                              Daguerreotypbilder und nicht wie letztere den Uebelstand der Spiegelung hat, weßhalb
                              dieselben nur in einer bestimmten Lage gut sichtbar sind. Um dieses Resultat zu
                              erhalten, muß die Exposition in der camera obscura viel
                              kürzer seyn als für ein negatives Bild; man muß aber auch dieses Bild, woraus man
                              ein positives machen will, in einer Pyrogallussäure-Mischung, welcher man
                              einen oder zwei Tropfen salpetersaures Silber zugesetzt hat, verweilen lassen. Die
                              lichten Theile bilden sich dann als weiße Schichten, analog den krystallinischen
                              Schichten, welche durch das Quecksilber beim Daguerre'schen Verfahren entstehen.
                              Nachdem das positive Bild gut entwickelt ist, wird es durch dasselbe Mittel fixirt
                              wie das negative.
                           Schließlich muß ich noch bemerken, daß man in der Regel drei bis vier Secunden Zeit
                              braucht, um ein gutes negatives Bild im Schatten mit einem gewöhnlichen deutschen
                              Objectiv zu erhalten, also um die Hälfte weniger Zeit als erforderlich ist, um
                              dasselbe Resultat mit dem Daguerreotyp zu erhalten.