| Titel: | Ueber Eisendrahtfabrication in England; vom Director Tunner zu Leoben in Steyermark. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XVI., S. 47 | 
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                        XVI.
                        Ueber Eisendrahtfabrication in England; vom
                           Director Tunner zu
                           Leoben in Steyermark.
                        Auszugsweise aus dessen montanist. Jahrbuch, Bd. II S.
                              277.
                        Tunner, über Eisendrahtfabrication in England.
                        
                     
                        
                           Die englische Fabricationsmethode der Eisendrähte bietet im Vergleich mit der
                              deutschen mehrere wesentliche Verschiedenheiten dar.
                           Jede große englische Drahtfabrik hat mehrere Sorten in- wie ausländisches
                              Materialeisen, die in der Qualität wie im Preise verschieden sind. Das ausländische
                              Drahteisen wird meist aus Schweden und Norwegen bezogen, und wird dort aus weißem,
                              nöthigenfalls raffinirtem Roheisen nach der sogenannten Lancashire-Methode
                              gefrischt, in Gasflamme-Schweißöfen ausgeschweißt und unter meist sehr
                              schweren Hämmern zu Prügeleisen ausgereckt. Letzteres wird auf den englischen
                              Drahtwalzenwerken mit einer gelinden Hitze ausgewalzt, und sofort in den Drahtzug
                              abgegeben. Die besten Sorten des englischen Drahteisens werden in ganz ähnlicher
                              Weise aus raffinirtem Kohksroheisen, mit Holzkohlen in kleinen geschlossenen Herden gefrischt,
                              unter schweren Stirnhämmern gedrückt und endlich ausgereckt. Außerdem wird aber auch
                              sehr viel, ja sogar vorzugsweise Puddlingeisen von verschiedenen bessern Sorten
                              verwendet. Es ist kein Zweifel, daß diese englische Wallonschmiede, in Verbindung
                              mit schweren Hämmern und dem Ausheizen in Flammöfen ein besseres, namentlich
                              gleichförmigeres Drahteisen liefert, als unser Drahteisen ist, und daß der erste
                              Vorzug der englischen Drahtfabrication in dem für jede Drahtsorte entsprechend
                              gewählten Materialeisen zu suchen ist.
                           Der vorerst ausgeglühte Walzendraht wird in gußeisernen Reibfässern mit Sand und
                              Wasser blank gerieben, und in dieser Gestalt zum ersten Zuge abgegeben.
                           Nach dem ersten Zuge (wobei die Abnahme in der Stärke des Drahtes ungefähr im
                              Flächenverhältnisse von 7 zu 4 steht) kömmt der Draht zum Ausglühen, welches in
                              cylindrischen, gußeisernen Kesseln, von 2 1/2 bis 3 1/2 Fuß Durchmesser und 7 Fuß
                              Höhe geschieht, welche Kessel von zwei Seiten mit Flammfeuerung umgeben, und mit
                              einem Essenmantel mit Abzugsrohr versehen sind. Der ausgeglühte Draht wird in
                              hölzernen mit sehr verdünnter Schwefelsäure gefüllten Bottichen gebeizt, und um
                              dieses zu befördern, wird in den untern Theil des Bottiches Wasserdampf
                              eingeleitet.
                           Der genügend gebeizt erscheinende Draht wird in kaltem oder besser warmem Wasser
                              ausgelaugt, im Freien trocknen gelassen, und sonach zum zweiten Zug abgegeben.
                              Sollte der Draht mit dem zweiten Zug schon fertig seyn, so wird der gebeizte Draht
                              zur bessern Entfernung der Säure in Kalkwasser umgerührt, welches bei allen groben
                              Drähten vor dem letzten Zuge geschieht. Diese Arbeiten werden in gleicher Weise
                              2–3mal wiederholt, bis der Draht als fertige Nummer der gröbern Sorte, oder
                              als Material für die nächst feinern Drähte abgegeben werden kann. Später folgen dann
                              schon mehrere Züge, bevor noch einmal ausgeglüht wird. Die immer aus Gußstahl
                              hergestellten Zieheisen werden hierbei bloß mit Talg oder einem ähnlichen trockenen
                              Fette geschmiert, und man bezeichnet diese Art des Drahtziehens mit dem Ausdrucke
                              das trockene Ziehen, im Gegensatze vom nassen Ziehen, welches letztere Verfahren für die
                              feineren Drähte in Anwendung kommt, die nach einer gewissen Feinheit (ungefähr 1/4
                              Linie stark) gar nicht mehr ausgeglüht werden.
                           Beim nassen Ziehen befindet sich der Drahtkranz mit seinem Haspel vor dem Zieheisen
                              in einer Brühe von etwas saurer Bierhefe und darüber ein wenig Baumöl, welche Brühe zur Reinigung
                              und zur Schmiere dient, und wesentlich dazu beiträgt, dem Drahte ein schönes reines
                              Aussehen und weniger Neigung zum Rosten zu geben. Außerhalb dieser Brühe läuft der
                              Draht vor dem Zieheisen noch über einen mit Oel fett gehaltenengehalteten Lederlappen. Es ist begreiflich, daß beim trocknen Ziehen das entstehende
                              Gemenge von Talg, feinem Glühspan und anderen Unreinigkeiten keine passende Schmiere
                              für die feinen Zieheisen seyn könnte. Das nasse Ziehen ist daher für die feineren
                              Drähte eine wesentliche Eigenthümlichkeit.
                           Bei sehr feinen Drähten, die eine bedeutende Länge erhalten und wo deßhalb die
                              Oeffnung des Zieheisens sich nothwendig merkbar erweitern müßte, bis die ganze Länge
                              durchgezogen wäre, wird nebst dem nassen Ziehen noch ein Kunstgriff zu Hülfe
                              genommen. Der feine Draht wird nämlich vor dem Durchziehen in eine verdünnte Lösung
                              von Kupfervitriol getaucht, und sogleich in klarem Wasser wieder abgespült, wodurch
                              er einen feinen Ueberzug von Kupfer erhält. Hierdurch wird bezweckt, daß beim
                              Durchziehen nicht das Eisen, sondern das weichere Kupfer an den Seitenwänden der
                              Oeffnung des Zieheisen streift, letzteres daher nicht angegriffen und doch der
                              Eisendraht gedehnt wird. Das Durchziehen des verkupferten Drahtes wird in immer
                              feineren Oeffnungen mehrmals wiederholt, wobei sich das Kupferhäutchen zuletzt
                              abstreift und solchergestalt der Eisendraht von selbst wieder rein wird; sollte es
                              sich jedoch nicht genügend oder nicht frühe genug abschälen, so wird der Draht
                              vorsichtig einmal trocken durchgelassen, wobei das Kupferhäutchen gleich abfällt.
                              Das Kupfer dient hierbei folglich nur gleichsam als Schmiere zur Schonung des
                              Zieheisens. Hieraus erklärt sich die gleiche Dicke der feinen Drähte, bei denen
                              bisweilen auch noch ein röthlicher Schimmer von Kupfer wahrzunehmen ist. Je feiner
                              und je härter der Draht ist, desto nothwendiger ist es, zu diesem Kunstgriffe seine
                              Zuflucht zu nehmen. – Wahrscheinlich hat der verkupferte Eisendraht, wie er
                              absichtlich öfters erzeugt wird, auf dieses Auskunftsmittel geführt.
                           Der feinste Eisendraht, den der Verfasser in England sah, hatte 2/1000 eines Zolles,
                              der feinste Messingdraht 1/1000 Zoll Durchmesser.