| Titel: | Ueber Blutlaugensalz-Fabrication. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XXX., S. 110 | 
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                        XXX.
                        Ueber
                           Blutlaugensalz-Fabrication.
                        Aus dem London Journal of arts, Juli 1852, S.
                              40.
                        Ueber Blutlaugensalz-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Bereitung des Blutlaugensalzes mit thierischen
                                 Substanzen.
                           Die Fabrication des Blutlaugensalzes ist vielleicht noch weniger vervollkommnet als
                              diejenige irgend eines andern chemischen Artikels. Die Bedingungen eines sichern
                              Erfolgs sind den Chemikern gänzlich unbekannt, und die Fabrikanten selbst sind in
                              ihren Ansichten über die besten Methoden zur Gewinnung dieses Salzes so getheilt,
                              daß die widersprechenden Resultate ihrer Erfahrung keine genügenden Anhaltspunkte
                              liefern. Während z.B. einige Fabrikanten sorgfältig darauf achten, daß die
                              anzuwendenden Materialien kein Wasser enthalten und dieselben daher nur scharf
                              ausgetrocknet in den Schmelzkessel geben, nehmen andere Fabrikanten auf diesen
                              Umstand keine Rücksicht oder befeuchten sogar noch die stickstoffhaltigen Substanzen
                              in der Absicht deren Wirksamkeit zu verstärken. Der Unterschied in der Theorie ist
                              aber zwischen diesen zwei Methoden so bedeutend, daß er sich schon längst in den
                              praktischen Resultaten gezeigt haben sollte, wenn die Behauptung gegründet ist, daß
                              blausaures Kali durch Wasserdampf bei der Rothglühhitze gänzlich zerstört wird. Daß
                              dieses bei reinem Cyankalium wirklich der Fall ist, läßt sich nicht bezweifeln;
                              inwieweit diese Zersetzung aber in dem Gemenge von kohligen und alkalischen
                              Substanzen, welche der Schmelzkessel enthält, stattfindet, muß erst untersucht
                              werden. Wie man übrigens verfahren mag, so zeigt sich stets ein höchst bedeutender
                              Verlust an blausaurem Kali; volle zwei Drittel des in den angewandten Materialien
                              enthaltenen Stickstoffs entweichen und gehen verloren; nicht selten beträgt der
                              Verlust sogar drei Viertel des Stickstoffs und darüber. Der Zustand des Wetters und
                              die Temperatur des Ofens haben auch einen großen Einfluß auf die Ausbeute an
                              Blutlaugensalz; denn feuchtes, nebeliges Wetter, und eine niedrige, dunkle Hitze des Ofens, sind
                              außerordentlich nachteilig. Die günstigsten Anzeichen sind eine der Weißgluth sich
                              nähernde Hitze, und die Entstehung einer hellen, glänzenden Flamme in dem Augenblick
                              wo die Materialien in den Kessel geworfen wurden.
                           Wollenlumpen und gute amerikanische Potasche mit einem Zusatz von zerkleinertem Eisen
                              liefern eine größere Ausbeule als alle anderen bisher versuchten Materialien,
                              obgleich selbst in diesem Falle zwei Drittel sämmtlichen Stickstoffs als Ammoniak
                              entweichen. Im Allgemeinen geben 20 Cntr. getrocknetes Blut oder Wollenlumpen mit
                              beiläufig 3 Cntr. guter Potasche 2 bis 2 1/4 Cntr. Blutlaugensalz, und eine
                              verhältnißmäßige Menge schwefelsaures Kali. Die Gegenwart von Brucheisen in gehörig
                              zertheiltem Zustande ist jedoch nöthig um dieses Resultat zu erzielen, denn wenn die
                              schmelzende Masse bloß von dem Kessel Eisen aufnehmen kann, erhält man kaum halb so
                              viel Blutlaugensalz. Eine sehr vortheilhafte Mischung erhält man mit 20 Cntrn.
                              stickstoffreicher Substanz in trockenem Zustande, 3 bis 4 Cntr. gepulverter
                              amerikanischer Potasche, und 44 bis 54 Pfd. altem Eisen in Form von Draht oder
                              dünnen Blechschnitzeln. Man trägt dieses Gemenge nach und nach in einen starken
                              eisernen Kessel ein, welcher vorher auf die helle Kirschrothglühhitze gebracht
                              worden ist; nach jedem Zusatz muß der ganze Inhalt des Kessels mit einer schweren
                              eisernen Stange gut umgerührt werden, bis der Rückstand teigig wird; mit dem
                              Eintragen und dieser Behandlung wird fortgefahren bis der Kessel ungefähr halb voll
                              ist; hierauf kann man die Hitze noch 15 bis 20 Minuten unterhalten; dann muß man
                              aber die dickflüssige Masse (Schmelze) mit einem eisernen Löffel ausschöpfen, um in
                              dem Kessel eine neue Operation beginnen zu können. Die Form des eisernen Kessels muß
                              eine solche seyn, daß sie den Luftzutritt soviel als möglich verhindert, ohne dem
                              Arbeiter beim Eintragen des Gemenges und Ausschöpfen der Schmelze unnöthige Mühe zu
                              verursachen; der Kessel muß wegen der erforderlichen hohen Temperatur aus kalt
                              erblasenem Roheisen gegossen seyn. Die alte Form der Schmelzkessel (Schmelzbirnen)
                              ist fast genau diejenige eines Eies mit abgeschnittenem Obertheil; in ökonomischer
                              Hinsicht läßt dieselbe kaum eine Verbesserung zu; aber die teigige Masse läßt sich
                              aus einem solchen Kessel nur mit großer Schwierigkeit nach jeder Operation
                              ausschöpfen und das Umrühren ist noch beschwerlicher. Dessenungeachtet wenden viele
                              Fabrikanten diese Form noch immer an. In der letzten Zeit kam eine Art länglicher
                              niedriger Tröge in Gebrauch, welche sich sehr leicht beschicken und entleeren
                              lassen; der Verlust an Stickstoff soll aber beträchtlich und die Abnutzung sehr
                              bedeutend seyn. Wir sahen jedoch gewöhnliche Gasretorten zu diesem Zweck mit dem besten
                              Erfolge anwenden; bei diesen ist die Einwirkung der Luft gänzlich verhütet, und das
                              Umrühren geschieht durch eine Oeffnung im Deckel, welcher, da er mit einem Pfropf
                              oder Stopfer versehen ist, die gelegentliche Verdichtung eines großen Theils des
                              sonst verloren gehenden Ammoniaks gestattet; überdieß kann der Fabrikant bei
                              Anwendung verbundener Retorten die aus einer frischen Beschickung entweichenden
                              flüchtigen Substanzen über die glühenden Materialien einer alten oder fertigen
                              Beschickung leiten, um das in denselben enthaltene Ammoniak in Cyan zu
                              verwandeln.
                           Nach dem Schmelzen läßt man die teigige Masse gewöhnlich erkalten und erhärten, um
                              sie dann grob zu pulvern und in Wasser zu kochen. Einige Fabrikanten tauchen sie
                              jedoch noch rothglühend in kaltes Wasser und glauben dadurch einen Vortheil zu
                              gewinnen. Nach der Theorie bestünde das geeignete Verfahren darin, die rothglühende
                              Masse zuzudecken, um den Zutritt von Luft und Feuchtigkeit abzuhalten und dadurch
                              die Zersetzung des Cyankaliums während des Abkühlens zu verhüten. Da das
                              eisenblausaure Kali in kochendem Wasser sehr löslich ist, so zerfällt die
                              geschmolzene Masse schnell in demselben und in kurzer Zeit bildet das Ganze
                              einerseits eine Lösung von eisenblausaurem, kohlensaurem und schwefelsaurem Kali,
                              andererseits einen Brei von Kohle und Eisentheilchen. Die salzige Flüssigkeit wird
                              von dem unauflöslichen Theil durch Filtriren getrennt; nach dem Abdampfen liefert
                              sie Krystalle von Blutlaugensalz, gemengt mit schwefelsaurem Kali, welche durch
                              wiederholtes Auflösen und Krystallen für die technische Verwendung hinreichend rein
                              werden.
                           
                        
                           Bereitung des Cyankaliums mittelst des Stickstoffs der
                                 Luft.
                           Vor mehreren Jahren erhielt Hr. L.
                                 Thompson die goldene Medaille der Society of
                                 arts für seine Entdeckung blausaures Kali mittelst des Stickstoffs der Luft
                              zu fabriciren; seitdem wurden mehrere Verbesserungen an den Apparaten zur Ausbeutung
                              seiner Entdeckung patentirt. Das Verfahren wird gegenwärtig in großem Maaßstab zu
                              Newcastle-upon-Tyne angewandtMan s. über dieses Verfahren polytechn. Journal Bd. CVII S. 444. und scheint dem Zweck zu entsprechen. Ueber die Vortheile dieser Methode in
                              ökonomischer Hinsicht sind wir nicht unterrichtet. Die Thatsache, daß sich der
                              atmosphärische Stickstoff mit dem Kohlenstoff zu Cyan verbinden läßt, ist jedoch
                              durch diese Entdeckung festgestellt und sollte zu fernem Anstrengungen aufmuntern,
                              dieses große Stickstoffmagazin uns nutzbar zu machen. Wenn man den Stickstoff mit
                              dem Kohlenstoff vereinigen kann, warum sollte man ihn nicht auch mit Wasserstoff zur
                              Erzeugung von Ammoniak verbinden können?
                           
                        
                           Gewinnung von Berlinerblau und Blutlaugensalz beim Reinigen
                                 des Steinkohlengases.
                           Erst in der letzten Zeit hat man den Cyanverbindungen, welche bei der Destillation
                              der Steinkohlen zur Leuchtgasbereitung frei werden, eine besondere Aufmerksamkeit
                              geschenkt. Die Menge von Cyan, welche während der Zersetzung von 22 1/2 Cntrn.
                              gewöhnlicher Newcastle-Steinkohlen entbunden wird, reicht hin um beiläufig
                              sieben Pfund Berlinerblau zu bilden, dessen gegenwärtiger Preis den Gesammtwerth der
                              Kohlen weit übersteigt. Das Cyan wird höchst wahrscheinlich in Form von Cyanammonium
                              frei, und erfordert daher Eisenoxydul, um es als Salz zu fixiren. Wenn man also die
                              gasförmigen Bestandtheile der Steinkohlen durch Eisenoxydul oder Eisenoxyd streichen
                              läßt, so bildet sich eine Quantität Berlinerblau und eisenblausaures Ammoniak; und
                              dieser Proceß kann wiederholt werden, bis fast alles Eisenoxyd in Eisenblausäure und
                              Berlinerblau verwandelt worden ist. Das Eisenoxyd eignet sich zu diesem Zweck eben
                              so gut wie das Oxydul; die Wirkung wird aber immer durch das Eisenoxydul
                              hervorgebracht, well das unreine Steinkohlengas stets Schwefelwasserstoff enthält,
                              welcher bekanntlich die Eigenschaft hat, das Eisenoxyd zu Oxydul zu reduciren; beide
                              Oxyde sind daher gleich geeignet um Eisenblausäure zu bilden. Angenommen man habe
                              eine Quantität Eisenoxyd mit Sägespänen gemengt und das unreine Gas
                              hindurchgeleitet, welches bei der Destillation von 122 Cntrn. Steinkohlen entbunden
                              wird, so muß sich genug Cyan mit dem Eisen verbunden haben, um fünfunddreißig Pfund
                              Berlinerblau zu erzeugen, welches man so ohne alle Kosten gewinnt. Behandelt man nun
                              diese 35 Pfd. Berlinerblau mit Aetzkalk und schwefelsaurem Kali, so entstehen durch
                              doppelte Zersetzung Eisenoxyd, schwefelsaurer Kalk und eisenblausaures Kali;
                              letzteres braucht man nur aus der Flüssigkeit, worin es aufgelöst ist,
                              krystallisiren zu lassen, während der Gyps und das Eisenoxyd ebenso zum Verdichten
                              einer neuen Portion Cyan benutzt werden können, wie vorher das Eisenoxyd allein, und
                              so fort. Wir sahen
                              einige Centner Blutlaugensalz, welche Hr. Laming in der chemischen Fabrik zu Millwall nach dieser MethodeMan sehe über dieses Verfahren die Abhandlung im polytechn. Journal Bd. CXVI S. 294. bereitet hatte.
                           Hr. Laming hat auf ähnliche
                              Weise schönes Berlinerblau erzeugt. Um ein gut
                              verkäufliches Berlinerblau von der im Handel verlangten Farbe und Cohäsion zu
                              erzielen, genügt es jedoch nicht, reine Materialien anzuwenden, sondern es ist noch
                              ein besonderer Kunstgriff erforderlich. Früher pflegte man diesen Artikel dadurch in
                              gehörigem Zustande darzustellen, daß man eine Auflösung von schwefelsaurem
                              Eisenoxydul (Eisenvitriol) durch eine gemischte Auflösung von kohlensaurem und
                              eisenblausaurem Kali fällte und den aus Eisenoxyd und blausaurem Eisen bestehenden
                              Niederschlag drei Wochen lang in Berührung mit der Luft ließ, worauf er durch Zusatz
                              einer verdünnten Säure, gewöhnlich Salzsäure, geschönt wurde. Die Theorie dieses
                              Verfahrens scheint folgende zu seyn: zuerst werden Eisencyanür und kohlensaures
                              Eisenoxydul mit einander gefällt, welche an der Luft nach und nach in Eisenoxyd und
                              Berlinerblau übergehen; das Eisenoxyd wirkt unterdessen mechanisch, es verhütet, daß
                              die Berlinerblau-Theilchen zusammenhängen und zu einer harten Masse werden,
                              was ohne die Gegenwart eines die Cohäsion verhindernden Körpers unvermeidlich
                              geschehen würde; endlich wird verdünnte Salzsäure angewandt, um das überflüssige
                              Eisenoxyd aufzulösen und so ein glänzendes Blau zu erhalten, welches häufig mit
                              heißem Wasser ausgesüßt und dann in einer Trockenkammer getrocknet wird, worauf es
                              die bekannte schwammige und zerreibliche Beschaffenheit besitzt.
                           Das jetzt gebräuchliche Verfahren ist viel einfacher und schneller ausführbar;
                              anstatt in drei Wochen, ist das Berlinerblau in kaum drei Tagen fertig. Gewöhnlich
                              löst man einerseits schwefelsaures Eisenoxydul und anderseits Blutlaugensalz, in dem
                              Verhältniß worin sie sich gegenseitig zersetzen, jedes besonders in heißem Wasser
                              auf; dieses Verhältniß muß durch directe Versuche bestimmt werden, weil die
                              stöchiometrischen Zahlen dieser Substanzen kein gutes Resultat geben. Wenn man also
                              gefunden hat, daß ein bestimmtes Gewicht der einen Flüssigkeit mit einem gewissen
                              Verhältniß der andern vermischt, nach dem Filtriren eine Flüssigkeit gibt, worin man
                              weder Eisen noch Eisenblausäure entdecken kann, so macht man die Mischung in diesem
                              Verhältniß, worauf man dem Niederschlag eine Quantität frisch gefälltes Eisenoxyd
                              zusetzt und das Ganze
                              mehrere Minuten rasch kocht; hierauf läßt man es erkalten, schönt dann den
                              Niederschlag mit verdünnter Säure, wascht ihn mehrmals mit warmem Wasser aus, und
                              trocknet ihn endlich in einem geheizten Raum. Vor dem Trocknen wird die Farbe sehr
                              oft mit Stärke, feingemahlenem weißen Thon oder Thonerdehydrat versetzt, um dem Blau
                              mehr Körper zu geben und es heller und wohlfeiler zu machen.
                           
                        
                           Fabrication des rothen eisenblausauren Kalis auf trockenem
                                 Wege.
                           Das rothe eisenblausaure Kali, welches gegenwärtig in bedeutender Menge in den
                              Färbereien und Zeugdruckereien verbraucht wird, wurde früher auf die Art bereitet,
                              daß man Chlorgas durch eine Auflösung von gelbem Blutlaugensalz strömen ließ, bis es
                              kein Eisenoxydsalz mehr niederschlug; diese Operation erheischte einige
                              Geschicklichkeit, weil ein Ueberschuß von Chlor nicht nur unnütze Kosten
                              verursachte, sondern auch das bereits gebildete rothe blausaure Kali wieder
                              zerstörte. Jetzt wird aber dieses Salz ohne Schwierigkeit auf trockenem Wege
                              bereitet. Dazu verwandelt man gelbes Blutlaugensalz in ein sehr feines Pulver und
                              leitet Chlorgas hindurch, wobei das Pulver wiederholt umgerührt werden muß; auf
                              diese Weise wird das Chlor rasch absorbirt, indem es Chlorkalium und rothes
                              eisenblausaures Kali erzeugt. Sobald man findet, daß das Chlor durch das Gemenge
                              zieht, ohne absorbirt zu werden, so muß man die Operation unterbrechen und das
                              Pulver wegnehmen. Wenn man dieses Pulver in der möglich kleinsten Menge Wasser
                              auflöst, welches auf etwa 66° R. erwärmt ist, so liefert es beim Erkalten
                              lange nadelförmige Krystalle von rothem Blutlaugensalz, welche man durch
                              Umkrystallisiren reiner und größer erhalten kann, wobei das Chlorkalium in der
                              Mutterlauge aufgelöst bleibt.
                           Wahrscheinlich könnte man dieses Salz mittelst übermangansauren Kalis (mineralischen
                              Chamäleons) bereiten, da die aufgelöste Mangansäure ihren Sauerstoff außerordentlich
                              leicht abgibt; dieses Verfahren wäre schon deßwegen viel vortheilhafter, weil dabei
                              kein Chlorkalium gebildet würde.