| Titel: | Der verstärkte Multiplicator, von Dr. E. Romershausen. | 
| Autor: | Dr. theol. Elard Romershausen [GND] | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XLVII., S. 181 | 
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                        XLVII.
                        Der verstärkte Multiplicator, von Dr. E. Romershausen.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        Romershausen's verstärkte Multiplicator.
                        
                     
                        
                           Dieselbe vollständigere Benutzung des elektrischen Stroms, wodurch die
                              Anziehungs- und Tragkraft des Elektromagnets
                              (polyt. Journal 1851, Bd. CXX S. 358) bedeutend verstärkt und die Anwendung
                              desselben in der Telegraphie und Maschinenbewegung wesentlich begünstigt wird,
                              gewährt auch dem Multiplicator eine weit höhere
                              Empfindlichkeit und empfiehlt ihn zu den feinsten wissenschaftlichen
                              Untersuchungen.
                           Zu besserer Verständigung über die Einrichtung und Wirksamkeit dieses Apparats lasse
                              ich der Anleitung zur Anfertigung desselben folgende Bemerkungen vorangehen.
                           1. In Beziehung auf die in diesem Journal Bd. CXVII
                                 S. 321 nachgewiesenen elektromagnetischen Bewegungs- und
                              Richtungsverhältnisse, veranschaulicht hier die Fig. 23 an dem
                              Durchschnitt einer hin- und zurücklaufenden Windung des rechtsgewundenen und elektrisch motivirten Multiplicatordrahts
                              a und b, die polar
                              entgegengesetzte Richtung welche dieselbe den Magnetnadeln I, II und III ertheilt.
                           2. Wenn in die obere Windung
                              a + der Strom eintritt und in der untern
                              b – zurückkehrt, so zeigen die den Leiter a umgebenden Pfeile die elektrisch positive Rechtsumwallung und auf der untern negativen
                                 Seite
                              b –, die wegen der Vorderansicht scheinbar links
                              gerichtete, aber in der Wirklichkeit gleichfalls rechtsum
                              laufende Strömung, nebst ihren polarisirenden Wirkungen.
                           3. Die in der Mitte zwischen der Windung liegende Magnetnadel I erhält daher von oben und unten eine gleiche polare Richtung mit
                              der umkreisenden elektrischen Strömung, wie dieses die Figur 23 anschaulich
                              macht.
                           4. Da nun aber die elektrische Rechtsumwallung des Multiplicatordrahts auf der obern und untern Außenseite eine
                                 entgegengesetzte Richtung hat, so werden die beiden hier angebrachten Magnetnadeln II und III, in Beziehung auf die im Innern liegende Nadel I umgekehrt gerichtet; sie bilden
                              also mit letzterer den polarmagnetischen Kreisschluß, wie dieses die punktirten
                              Verbindungslinien sn zeigen.
                           5. Die Richtigkeit dieser Darstellung weist die Magnetnadel
                              Fig. 24 nach.
                              Die feine Stahlnadel
                              n, s ist geradlinig mit dem Zeigerdraht s, a, m verbunden und nordpolar magnetisirt. Ihre
                              Anfertigung wird unten näher angegeben werden.
                           6. Stellen wir diese Magnetnadel vor einem gewöhnlichen,
                              senkrecht auf den magnetischen Meridian gerichteten Multiplicator, dessen nach Süd liegende
                              Vorderansicht Fig.
                                 25 zeigt, so auf, daß die Nadel
                              n, s mit ihrem Nordpol n in
                              das Innere I desselben eintaucht, und lassen wir den
                              Strom von der Westseite
                              w + eintreten, so ergibt sich das polare Verhältniß wie
                              es die innere Ansicht dieses Multiplicators
                              Figur 26
                              darstellt. Die elektromagnetischen Elemente 1, 2, 3, 4, 5, 6 sind jetzt mit der
                              fixen Polarität der Nadel s, n vollkommen gleich
                              gerichtet – sie wird daher, wie in meinem frühern Aufsatz bei dem Galvanometer bemerkt wurde, in ihrer vorliegenden Nordrichtung unbeweglich festgehalten.
                           7. Lassen wir dagegen den Strom, wie Fig. 27 zeigt, von der
                              Ostseite
                              o + in den Multiplicator
                              eintreten, so sind die elektromagnetischen Elemente des innern Raumes 1, 2 ... 6
                              entgegengesetzt gerichtet, und die Nadel
                              s, n wird sogleich mit großer Heftigkeit sowohl nach Ost als nach West aus dem Multiplicator herausgeworfen, je nachdem es die
                              Schwankung ihrer mittleren Gleichgewichtslage veranlaßt. Den Hergang zeigen die
                              punktirten Quadranten nn'. Wenn es die Aufhängungsweise
                              der Nadel gestattete, so würde sie offenbar im Halbkreis herumgeschleudert werden, um zum Anschluß der
                              freundschaftlichen Pole zu gelangen.
                           8. Bringen wir die Nadel über den Windungen des
                                 Multiplicators, also in dem Raum II Fig. 25 an – oder
                              unter denselben im Raum III, so wird sie hier in
                              beiden Fällen gleichförmig in entgegengesetzter Richtung
                              wie im Innern bei I motivirt. Den Grund dieses Hergangs veranschaulicht Fig. 25 bei
                              den Magnetnadeln II und III. Wenn daher der Strom in Ost eintritt, so wird die Nadel, wie Fig. 26 angibt und oben
                              (unter 6) dargestellt wurde, sowohl oben in II, als unten in III festgehalten.
                              Tritt dagegen der Strom in West ein, so wird die Nadel umgekehrt sowohl oben in
                              II als unten in III, wie Fig. 27 zeigt (vergl. 7)
                              herausgeworfen.
                           Ist der Multiplicator links gewunden, oder die Nadel bei der Rechtswindung südlich
                              polarisirt, so zeigen sich sämmtliche hier dargestellte Erscheinungen in umgekehrter
                              Richtung und Polarität.
                           9. Um nun die Wirkungen des elektrischen Stroms (Fig. 23) vollständig in einem Sinne zu benutzen und dadurch einen
                              Multiplicator von höchstmöglicher Empfindlichkeit
                              herzustellen, fertigen wir eine dreifache Magnetnadel
                              Fig. 28,
                              geben der mittleren I Nordpolarität und den beiden äußern II und III Südpolarität. Wird diese Nadel in den Multiplicator
                              Fig. 25
                              eingefügt, und wir lassen den Strom wie bei Fig. 27
                              bei
                              o + eintreten, so werden
                              sämmtliche Magnete in gleichem Sinne motivirt und vom
                              gelindesten elektrischen Hauch in Bewegung gesetzt.
                           10. Die Construction dieses Apparats ist übrigens ganz dieselbe wie sie das Galvanometer des obigen Aufsatzes (Bd. CXVII Tab. V)
                              unter Fig. 1
                              darstellt. Die Nadel hat dort nur bei ihrer transversalen Lage gegen den Zeigerdraht
                              ihre besondern Zwecke und Eigenthümlichkeiten – hier ist aber die mit dem Zeiger geradlinige Richtung derselben
                              vorzuziehen, da sie zugleich leichter auszuführen und zu equilibriren ist.
                           11. Der Multiplicator ist zuerst anzufertigen, um die für
                              die senkrechte Entfernung der Nadeln maaßgebenden
                              Oeffnungen I, II und III, Fig. 25, zum Grunde zu
                              legen. Wir geben den Windungen mehr Breite als
                              gewöhnlich, damit die hier senkrecht auf diesen Windungen liegenden Nadeln sowohl vollständiger motivirt werden, als auch
                              ihre Entfernung verringert wird. Es bedarf keiner Erwähnung, daß sich auch hier die Empfindlichkeit
                              des Instruments mit der Länge und Vielfachheit einer feinen Drahtumwindung steigert,
                              und daß man den Oeffnungen I, II und III nur so viel Höhe gibt, daß sich die Nadeln
                              ohne Anstoß frei darin bewegen können.
                           12. Die Nadeln werden von feinem englischen Stahldraht
                              cylindrisch und an den thätigen Polenden zugespitzt angefertigt. Nachdem sie gut
                              gehärtet sind, löthen wir sie mit Zinnloth an den dazu passend vorgerichteten Querdraht
                              c, d, Fig. 28, und zugleich an
                              den Zeigerdraht
                              a, m, mit der Vorsicht daß sie genau in einer verticalen
                              Ebene übereinander liegen. Die Biegung des Drahts a, in
                              welche die feine Stahlspitze ebenfalls mit Zinnloth zu
                              befestigen ist, wird so eingerichtet, daß der Schwerpunkt der gesammten Vorrichtung
                              überwiegend unter die in dem Achathütchen des Trägers b
                              ruhende Spitze fällt, wodurch eine ruhige und nicht wankende Bewegung erlangt wird.
                              Um das Gleichgewicht zu beiden Seiten leicht herzustellen, läßt man den feinen,
                              geradlinig gerichteten und zum Zeiger bestimmten Neusilberdraht anfangs so lang, daß er das Uebergewicht hat, und verkürzt
                              denselben nachgerade bis zu vollkommnem Gleichgewicht. Nun werden die Nadeln
                              sorgfältig magnetisirt, wie dieses ihre vorliegende polare Richtung verlangt.
                           13. Der Limbus für den Zeiger a,
                                 m in wird nun zuletzt gefertigt, da die Länge a,
                                 m den Radius des Halbkreises bestimmt. Die Fig. 1 des Galvanometers (Bd. CXVII Tab. V) zeigt die Theilung der
                              beiden Quadranten, wie auch die Aufstellung des Trägers b der Nadel außerhalb des Multiplicators in dem Mittelpunkt des Kreises.
                              Zu Vermeidung der Collimation und zu einem sehr sichern Ablesen ist es vortheilhaft,
                              die Theilung auf einer Spiegelscheibe zu machen.
                           Das Ganze verschließt ein Kästchen mit Glasdecke und Schraubenfüßen zur Horizontalstellung. Auf der Rückseite
                              des Multiplicators werden nach außenhin zwei Klemmschrauben eingelassen, an welche die Enden des
                              Multiplicatordrahts verlöthet sind, um damit die Zuleitungsdrähte der
                              Elektricitätsquelle in Verbindung zu setzen.
                           14. Wenn die drei Nabeln gleich stark magnetisirt sind, so
                              gleicht sich die im Multiplicator auf sie wirkende Kraft dadurch aus, daß die mittlere Nordnadel I von oben
                              und unten, also eben so stark vom Strom motivirt wird,
                              als die beiden nur einseitig
                                 erregten Südnadeln II und III. Der polare
                                 Kreisschluß
                               derselben (Fig. 23)
                              scheint sie dabei im Innern des Multiplicators gegen die Richtkraft des Erdstroms zu
                              schützen. Indessen muß es fernem Versuchen überlassen bleiben, ob es vortheilhafter
                              ist, die gegenseitige Richtkraft dieser Nadeln außerhalb des Multiplicators durch Verstärkung der mittleren
                                 Nordnadel I zuvor auszugleichen.
                           15. Jeden Falles wird aber die Empfindlichkeit des gewöhnlichen Nobili'schen Multiplicators mit zwei Nadeln vermehrt werden, wenn man, wie hier, die äußere Strömung der untern
                                 Windung durch Anbringung einer dritten Nadel in
                              Wirksamkeit setzt.
                           16. Die Aufhängung meiner Nadel
                              Fig. 28
                              vermittelst eines Coconfadens ist zwar leicht ausführbar
                              und würde sie vielleicht noch empfindlicher machen. Dieses wird aber durch die
                              Stetigkeit ihrer Bewegung, die Bequemlichkeit der Behandlung und größere Sicherheit
                              der Beobachtung, bei vorliegender Einrichtung vollkommen aufgewogen. Bei großer Leichtigkeit meiner Nadel und
                              der höchst geringen Friction ihrer Stahlspitze in dem Achathütchen, trug sie im
                              Vergleich mit einem guten Instrument gewöhnlicher Art stets den Sieg davon, und
                              leidet auch nicht an den, wenn auch geringen Einflüssen der durch wandelbare Nässe
                              und Trockenheit veränderlichen Torsionskraft der Fäden.
                           16. Wenn es der Leitungswiderstand gestattet, so wäre es vielleicht vortheilhaft (wie
                              bei dem verstärkten Elektromagnet) den einfachen rechtsgewundenen Multiplicator, welcher die Oeffnung I, Fig. 25 bildet, mit einer bei gleicher Stromrichtung in gleichem Sinne wirkenden, zweiten, die Oeffnungen II und III überwölbenden
                              linksgewundenen Drahtrolle zu umgeben. Die Wirkung
                              auf die Nadeln würde dadurch erhöht werden; doch fehlen
                              mir hierüber entscheidende Versuche, und die Resultate der vorliegenden Einrichtung
                              scheinen mir nichts zu wünschen übrig zu lassen.
                           ––––––––––
                           Zu dem Schluß dieser Mittheilungen muß ich noch bemerken:
                           1. Daß wenn auch die hier dargestellten und viele andere elektromagnetische
                              Erscheinungen unter Beihülfe einiger Hypothesen, durch die Ampère'schen Kreisströmchen erklärlich
                              sind – ich es doch der wissenschaftlichen ForschungForschnng angemessener erachte, neue, außer aller Erfahrung liegende Kräfte, nur
                              dann erst zu Hülfe zu rufen, wenn die längstbekannten, naturgemäßen Potenzen zu
                              einer einfachen und consequenten
                                 Erklärung
                                 sämmtlicher Erscheinungen nicht mehr zureichen.
                           2. So groß auch das Verdienst Ampère's ist, daß er
                              bei den elektromagnetischen Erscheinungen die Nothwendigkeit
                                 der kreisenden Bewegung eines der thätigen Factoren feststellte und durch
                              den scharfsinnigsten Verfolg dieses Grundsatzes, in dem damals noch umnachteten
                              Gebiete des Elektromagnetismus Licht und Fortschritt verbreitete – so wenig
                              erklärlich ist es mir doch, daß er zu diesem Zweck dem Magnetismus seine Selbstständigkeit raubte und seiner überall
                              hervortretenden geradlinigen Spannung, diese wunderbaren,
                              allen feststehenden Eigenschaften der Elektricität widersprechenden elektrischen Kreisströmchen substituirte – während
                              die spiralförmig fortschreitende Bewegung der strömenden
                                 Elektricität um ihren Leiter schon damals aus vielen Naturerscheinungen im
                              Großen bekannt war. Vielleicht wurde er durch die zum Theil auch noch jetzt
                              herrschende Idee veranlaßt, welche alle Thätigkeiten der Natur auf eine Grundkraft zurückführen will.
                           3. Nachdem nun aber in neuerer Zeit diese kreisende
                                 Bewegung der Elektricität durch vielfache
                              sichere Thatsachen zureichend bestätigt ist – und mehrere unserer
                              ausgezeichnetsten Naturforscher auch in anderer Beziehung die Unzulänglichkeit der
                              Ampère'schen Ansicht nachgewiesen haben
                              – ist es mir noch weniger erklärlich, warum immer noch so viele erleuchtete
                              Physiker diese elektrischen Kreisströmchen als ein
                              unantastbares Gut festhalten.
                           4. Habe ich weder die Absicht noch die Anmaßung einen Feldzug zu eröffnen gegen ein
                              durch so viele ausgezeichnete Talente ausgebildetes, und nach der angegebenen
                              geringen Veränderung des kreisenden Factors, unwandelbar gültiges und
                              wissenschaftlich vollendetes System des Elektromagnetismus. Der Zweck dieser anspruchlosen und der Vervollkommnung
                              noch sehr bedürftigen Mittheilungen ist lediglich, mich über einige, der Beachtung
                              und Prüfung wohl nicht ganz unwerthe Thatsachen besser zu
                                 verständigen; denn wenn der wissenschaftliche Mann nicht selbst stehet und
                              sich überzeugt, daß eine Theorie der Wahrheit gemäß ist, so ist wenig daran gelegen,
                              wenn er hört, sie sey von diesem oder jenem Naturforscher behauptet worden.
                           Marburg, im Juli 1852.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
