| Titel: | Technische Mittheilungen aus England; von Hrn. Dr. Fr. Heeren. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LIII., S. 208 | 
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                        LIII.
                        Technische Mittheilungen aus England; von Hrn.
                           Dr. Fr.
                              Heeren.
                        Aus den Mittheilungen des hannover'schen Gewerbevereins,
                              1852, Lief. 64 und 65.
                        (Schluß von S. 109 des vorhergehenden
                           Heftes.)
                        Heeren, technische Mittheilungen aus England.
                        
                     
                        
                           3) Die Schießpulverfabrication zu
                                 Waltham-Abbey.
                           Das englische Pulver ist seiner Güte, insbesondere seiner Kraft wegen, weltberühmt,
                              ja es ist von mehreren Seiten zur Erklärung der auffallenden Wirksamkeit die
                              Vermuthung aufgestellt worden, daß es einen Zusatz von Knallquecksilber erhalte.
                              Abgesehen aber von der aus einem solchen Zusatz hervorgehenden übermäßigen
                              Vertheuerung, ist auch durch chemische Analysen der Ungrund jener Verdächtigung
                              vollständig erwiesen, und es läßt sich zur Erklärung der allerdings vorzüglichen
                              Wirksamkeit des englischen Pulvers nur die Art der Fabrication, ganz besonders aber
                              und vorzugsweise die eigenthümliche Art des Körnens und die dadurch bewirkte eckige
                              Gestalt der Körner anführen, von welcher weiter unten die Rede seyn wird.
                           Das große königliche Etablissement zu Waltham-Abbey, welches wir zu
                              besichtigen Gelegenheit hatten, liegt in der Nähe eines kleinen Städtchens gleichen
                              Namens, an einem Arme des Lee. Man fährt von London mit der Eisenbahn nach dem ein
                              paar deutsche Meilen entfernten Orte Waltham und kann von hier auf einem Fußwege in
                              einer guten halben Stunde zu dem StädtchenStädchen Waltham-Abbey gelangen, von wo aus man in etwa 10 Minuten den zu
                              den Pulvermühlen führenden Haupteingang erreicht. Nur mit ausdrücklicher Genehmigung
                              der höhern Militärbehörden ist der Zutritt gestattet; eine sehr erklärliche, sicher
                              aber nicht der Geheimhaltung wegen getroffene Anordnung, da es einem Jeden, der
                              ernstlich den Wunsch hegt das Werk zu sehen, nicht schwer halten wird sich Zutritt
                              zu verschaffen. Leider war es wegen Mangels an Zeit, denn der letzte Bahnzug durfte
                              nicht versäumt werden, uns unmöglich, die Salpeterraffinerie noch zu besuchen; da
                              indessen keinem unserer deutschen Pulverfabrikanten die Mittel, einen reinen Salpeter herzustellen, unbekannt sind, wenn nur
                              der gute Wille da ist, so dürfen wir diesen Mangel des Berichtes der Nachsicht geneigter Leser um so mehr
                              anheimstellen, als Mittheilungen, wie sie aus einem einmaligen cursorischen Besuch
                              eines größeren technischen Etablissements hervorgehen können, in der Regel nur als
                              Beiträge zur Sache, selten als erschöpfende Beschreibung der gesammten Fabrication
                              aufzutreten wagen dürfen.
                           Man denke sich nur nicht ein einzelnes großes Fabrikgebäude, in welchem die ganze
                              Fabrication ihre successiven Stadien durchläuft; weit entfernt davon, vertheilen
                              sich die verschiedenen Operationen auf eine Anzahl kleiner Häuschen oder Mühlen,
                              welche vereinzelt, in bedeutender Entfernung von einander liegen, so daß man nur
                              nach einem förmlichen Spaziergange von dem einen zum andern gelangt. Alle diese
                              kleinen Mühlen sind an dem schon genannten Arm des Lee gelegen, und erlangen dadurch
                              die erforderliche Wasserkraft, während zugleich der Fluß zum Transport des Pulvers
                              von einer Mühle zur andern dient. Vor dem Eintritt in diese Häuschen legt jeder
                              Besuchende ein Paar Filzschuhe in folgender Weise an: Der Zugang zu der Thür besteht
                              in einem schmalen, aus wenigen, neben einander liegenden Brettern gebildeten Wege,
                              über welchen kurz vor der Thür ein Brett der Quere nach auf der Kante stehend
                              angebracht ist, und somit eine Abtheilung bildet. Die Filzschuhe stehen auf der
                              innern, der Thür zugekehrten Seite, und man tritt erst in den einen, sodann mit dem
                              andern Fuße, ohne erst den Fußboden berühren zu dürfen,
                              wodurch möglicherweise Sand unter die Schuhe gelangen könnte, in den andern.
                           Die Kohle, von deren Beschaffenheit die Wirksamkeit des
                              Pulvers in so hohem Grade abhängt, wird aus drei
                              Holzarten, Weiden, Ellern und Faulbaumholz dargestellt; und zwar dienen die erstem beiden zum
                              Kanonen- und Musketenpulver, das letztere zum Pürsch- und feinen
                              Jagdpulver. Ein großer Theil des Holzes wird auf dem ausgedehnten Areal des
                              Pulverwerkes selbst gezogen; denn da das zugehörige, weit ausgedehnte Terrain sehr
                              flach, niedrig und feucht, fast sumpfig gelegen ist, so gedeihen die genannten
                              Holzarten vortrefflich. Man hat sich demnach das Pulverwerk im Allgemeinen als eine
                              mit Erlen und Weiden bewachsene flache sumpfige Gegend zu denken, durch welche sich
                              ein kleines Flüßchen, mit vereinzelt daran liegenden Mühlen, windet.
                           Bereitung der Kohle. Das gefällte Holz wird entschält, in
                              Stücke von 3 Fuß Länge geschnitten, an der Luft getrocknet, und sodann in Cylindern von starkem
                              Eisenblech verkohlt. Diese Cylinder haben eine Länge von 3 Fuß 8 Zoll, bei einem
                              Durchmesser von 2 Fuß 6 Zoll; am hinteren Ende ist ein kurzes Rohr zum Entweichen
                              der Dämpfe und Gasarten, vorn werden sie, nach dem Einlegen des Holzes, durch einen
                              angeschraubten Deckel geschlossen. Ein Kitt, Lehm oder sonstiges Dichtungsmittel
                              wird dabei nicht angewandt. Diese Cylinder oder Retorten werden nach der Füllung in
                              gußeiserne Retorten von entsprechender Größe geschoben, deren je drei in einem Ofen
                              horizontal eingemauert sind. Das Werk enthält zwei Oefen (also 6 Retorten); es wird
                              täglich dreimal gebrannt; die erste Destillation dauert vier Stunden, die folgenden,
                              weil der Ofen schon durchgewärmt, 3 1/2 Stunden. Die aus dem erwähnten Rohransatz
                              der innern Retorten ausströmenden Dampf- und Gasarten gelangen in ein
                              entsprechendes Rohr der äußeren Retorten und werden so in die Oefen geleitet,
                              woselbst sie verbrennen und zur Heizung mit beitragen. Der bei der Verkohlung
                              angewandte Grad der Glühhitze wird nur übungsmäßig, nicht durch Pyrometer regulirt;
                              doch ist die Kohle, von der wir Proben mitgebracht haben, völlig bis zur schwarzen
                              Farbe gebrannt. Nach beendigter Destillation werden die beweglichen Retorten aus den
                              unbeweglichen herausgezogen, auf einen eisernen Wagen gelegt, geöffnet, und die
                              Kohle, noch rothglühend, in große blecherne Cylinder gestürzt, welche dann sogleich
                              geschlossen werden, und worin die Kohle bis zum völligen Erkalten verbleibt. Als ein
                              eigenthümliches Unterscheidungszeichen zwischen Ellern- und Weidenholzkohle
                              wurde die Gestalt der inneren Markhöhlung angeführt, welche im Querschnitt beim
                              Weidenholz ziemlich kreisförmig, beim Ellernholz dagegen in Gestalt einer
                              langgezogenen Ellipse erscheint.
                           Der Salpeter, dessen Raffinerie bis zu dem Grade getrieben
                              wird, daß er auf Silberlösung kaum merklich mehr reagirt, wird zuletzt geschmolzen
                              und in diesem Zustande der Mühle übergeben.
                           Der Schwefel ist gereinigter sicilischer.
                           Vorläufige Zerkleinerung der Materialien. Salpeter, Kohle
                              und Schwefel werden einzeln in einer Quetschmühle unter
                              zwei schweren, auf einer eisernen Bodenplatte umlaufenden, eisernen Walzen
                              zerdrückt, und so, obwohl nicht sehr fein, zerkleinert.
                           Mengung. Nachdem sie hierauf in dem Gewichtsverhältnisse
                              von 100 Salpeter, 18 Kohle, 13,3 Schwefel abgewogen worden, kommen sie in die Mengtrommel. Es ist dieses eine horizontalliegende
                              Trommel von Eisenblech, etwa 3 Fuß im Durchmesser und 4 Fuß lang, welche sich langsam dreht, durch
                              welche eine horizontale Welle hindurchgeht, die sich ebenfalls, aber in
                              entgegengesetzter Richtung dreht, und an welcher fünf eiserne Arme oder Rechen
                              befestigt sind. Diese Rechen bestehen in breiten eisernen, 1 1/2 Fuß langen
                              Schienen, sind mit einer Reihe großer Löcher durchbrochen und endigen sich in eine
                              Gabel mit drei Zinken. Bei dieser entgegengesetzten Drehung der Trommel und der
                              Rechen erfolgt die Mengung der Materialien in kurzer Zeit und sehr vollkommen.
                           Mahlen des Pulvers. Die Hauptoperation, das Mahlen,
                              erfolgt in einem andern Gebäude. Die ältere Stampfmethode ist längst abgeschafft,
                              und durch die viel bequemere, schneller wirkende, und weniger Triebkraft erfordernde
                              Methode des Walzens ersetzt. Auf einem Bodenstein von Gußeisen laufen, durch eine
                              verticale Welle gedreht, zwei verticale Steine, ebenfalls Gußeisen, jeder von 5
                              Tonnen Gewicht (= 11,200 Pfd.) im Kreise herum, so daß der Kreis von etwa 6 Fuß
                              Durchmesser in der Minute 7 bis 8mal durchlaufen wird. Als das vorzüglichste
                              Material zu den Walzen wurde eine sehr schwere harte Holzart, Dog-wood, bezeichnet, welches jedoch der Kosten wegen selten
                              angewandt wird. Das Pulver, wovon zur Zeit 42 Pfd. unter die Walzen kommen, wird ein
                              wenig, jedoch so unbedeutend befeuchtet, daß es fast trocken erscheint, und in
                              diesem Zustande 3 1/2 Stunden, bei Pürsch- und feinem Jagdpulver 4 bis 4 1/2
                              Stunden, gemahlen.
                           Vorbereitung zum Pressen. Durch das Mahlen ist zwar ein
                              doppelter Zweck der Pulverfabrication, nämlich die feinste Zertheilung und
                              gleichförmigste Mengung der Materialien erreicht, allein es bleibt ein dritter
                              Zweck, größtmögliche Verdichtung, noch ziemlich unerfüllt, weil bei dem Umlauf der
                              Walzen der Druck auf jedem Punkte nur vorübergehend ist, und sich zudem das
                              freiliegende Pulver fortschieben kann. Die Verdichtung durch Pressen muß also einer
                              besondern Operation vorbehalten bleiben, erfordert aber, um alle Theile gleichmäßig
                              zu treffen, eine vorhergehende Zerkleinerung der in unregelmäßigen, größeren und
                              kleineren Stücken bei dem Mahlen erhaltenen Pulvermasse. Diese Zerkleinerung
                              geschieht in einem besonderen Gebäude zwischen Walzen. Die Maschine, welche durch
                              ein Wasserrad in Bewegung gesetzt, diesen Zweck erfüllt, enthält vier horizontal
                              liegende Walzen von Kanonenmetall, etwa 7 Zoll im Durchmesser und 2 Fuß lang, welche
                              paarweise neben einander liegen, so daß das eine Paar in geringer Entfernung unter
                              dem andern sich befindet. Die Walzen sind auf ihrer ganzen Oberfläche mit kleinen,
                              vierseitig pyramidalen Zähnen von ungefähr 3 Linien Höhe und eben so viel unterer Basis besetzt, und
                              greifen in einander, so daß das zwischen sie gebrachte Pulver in ziemlich kleine
                              Körner zerbröckelt wird. Die zu einem Paar gehörigen Walzen werden durch eine
                              Hebelvorrichtung gegen einander gedrückt und enthalten auf ihren Achsen gezahnte in
                              Eingriff stehende bronzene Räder, so daß sie gleichmäßig, obwohl natürlich in
                              entgegengesetzter Richtung, umlaufen. Das durch das erste Paar vorläufig
                              zerkleinerte Pulver fällt auf das zweite, welches die Zerkleinerung noch weiter
                              fortsetzt, so daß es ungefähr in der Größe wie Kanonenpulver erhalten wird. Zum
                              gleichmäßigen Aufschütten ist eine besondere, sehr zweckmäßige Einrichtung
                              vorhanden. Es läuft nämlich ein Streif Leinwand ohne Ende über zwei Walzen, deren
                              eine (die obere) sich über dem ersten Walzenpaar befindet, während die andere
                              niedriger, weit zur Seite liegt, so daß der Leinenstreif sich in geneigter Lage
                              befindet, und, indem er sich langsam fortbewegt, das aufgebrachte Pulver mit in die
                              Höhe nimmt und auf die Walzen schüttet. Um zu verhindern daß das Pulver zurückfalle,
                              sind lederne Riemen in etwa 1/2 Fuß Entfernung von einander quer über den
                              Leinenstreif genähet. Die Pulvermasse fällt aus einem Kasten auf das Leinen, wird
                              von ihm langsam mitgenommen, aber durch ein Streichmesser so weit abgestrichen, daß
                              nur gerade soviel, wie füglich von den Walzen verarbeitet werden kann, darauf liegen
                              bleibt.
                           Pressen des Pulvers. Das Pressen wird in einer
                              hydraulischen Presse bewirkt, welche wieder zwei kleine ganz für sich gelegene
                              Gebäude einnimmt. In dem einen befindet sich die Presse, in dem andern sind die vier
                              kleinen Druckpumpen, welche, durch ein Wasserrad in Bewegung gesetzt, durch ein
                              langes Rohr das Wasser in die Presse treiben; auch halten sich in diesem Gebäude die
                              zur Bedienung der Presse angestellten Arbeiter auf, welche der Gefahr wegen, so
                              lange die Presse im Gange ist, ihre Nähe meiden. Das Pulver, so wie es von der
                              vorhin beschriebenen Vorbereitungsmaschine kommt, wird zwischen bronzenen Platten
                              von 2 1/2 Fuß im Quadrat, deren 44 Stück gleichzeitig in die Presse kommen,
                              gebracht, wozu wieder eine besondere Vorrichtung dient. Man stellt nämlich zwei
                              Platten, welche mit 3/4 Zoll von einander entfernten Nuthen versehen sind, in 2 1/2
                              Fuß Entfernung einander gegenüber auf, und schiebt in je zwei correspondirende
                              Nuthen eine Preßplatte ein, so daß zwischen den 44 Preßplatten 43 Zwischenräume oder
                              Abtheilungen von 3/4 Zoll Breite entstehen, welche man mit Pulvermasse füllt. Das
                              Ganze wird sodann, natürlich in horizontaler Lage der Platten, auf die Platte der Presse gebracht, die
                              mit den Ruthen versehenen Seitenplatten weggenommen, und die Pumpen angelassen. Da
                              sich das Pulver in beinahe trocknem Zustande befindet, so ist an ein Herausquetschen
                              aus dem Zwischenraume der Platten nicht zu denken; dennoch aber wird der ganze
                              Stapel mit einem dicht anschließenden Kasten umgeben. Der Druck wird bis auf 700
                              Tonnen (1,568,000 Pfund) getrieben, so daß jeder Quadratzoll eine Pressung von 1742
                              Pfund erhält. Nach beendigter Pressung findet man das Pulver bis auf 1/4 Zoll, also
                              1/3 der früheren Dicke, comprimirt; es hat ganz das Ansehen und fast die Härte von
                              Dachschiefer.
                           Körnen des Pulvers. Zu dieser so einflußreichen Operation
                              dient eine, wieder in einem aparten, ganz isolirt gelegenen Gebäude befindliche
                              Maschine, die im wesentlichen mit der vorhin beschriebenen Maschine, welche die
                              Pulvermasse zum Pressen vorbereitet, übereinkommt, sich jedoch durch größere
                              Vollständigkeit, durch eine größere Zahl der Walzen, und durch das Hinzukommen von
                              Sieben unterscheidet. Eine ordentliche Zeichnung dieser ziemlich zusammengesetzten
                              Körnmaschine konnte begreiflicher Weise während der kurzen Besichtigung nicht
                              aufgenommen werden, und ich muß den Mangel einer Abbildung so gut es geht durch eine
                              Beschreibung ersetzen, welche nach einer hinterher aus dem Gedächtnisse entworfenen
                              Skizze gemacht ist. Zugleich ist zu bemerken, daß zur Zeit meines Besuches nur
                              Kanonen- und Musketenpulver gekörnt wurde, denn da zum Jagdpulver nicht
                              dieselbe Masse wie zu den gröberen Sorten, sondern, wie schon erwähnt, Faulbaumkohle
                              und längere Zeit zum Mahlen angewendet wird, so bereitet man das Pürsch- und
                              Jagdpulver für sich. Die Maschine nun enthält drei paar horizontaler Walzen,
                              ebenfalls mit pyramidalen Zähnen besetzt, jedoch von ungleicher Größe; die des
                              oberen, ersten Walzenpaares sind, so weit dieß nach dem Augenmaaß zu beurtheilen und
                              im Gedächtnisse zu behalten war, etwa drei Linien hoch (im Durchschnitt bilden diese
                              Pyramiden gleichseitige Dreiecke); die des zweiten Walzenpaares sind kleiner und
                              etwa zwei Linien, endlich die des dritten untern Walzenpaares eine Linie hoch.
                              Durchmesser und Länge der Walzen, so wie die Verbindung durch gezahnte Räder ist der
                              im vorhergehenden beschriebenen Vorbereitungsmaschine gleich. Die Walzen eines jeden
                              Paares also liegen neben einander, das zweite Paar aber niedriger, obwohl nicht
                              vertical, sondern schräg seitwärts; das dritte Paar abermals niedriger zur Seite, so
                              daß also die drei Walzenpaare sich in einer schrägen Linie befinden, die mit dem
                              Horizonte einen Winkel von 35° bilden mag. Zum Aufschütten des Pulvers dient
                              eine ähnliche Vorrichtung mit einem Leinwandstreif ohne Ende, wie sie oben beschrieben wurde, nur ist die
                              Art wie das Pulver auf ihn gelangt, eigenthümlich. Es befindet sich nämlich unten,
                              da wo der Streif anfängt aufzusteigen, ein viereckiger Kasten, dessen Boden nach Art
                              eines Kolbens sich heben und senken kann. Nachdem dieser Kasten mit gepreßter
                              Pulvermasse gefüllt worden, steigt der Boden, durch die Maschine in Bewegung
                              gesetzt, langsam aufwärts, und läßt aus einer seitlichen Oeffnung die Pulvermasse
                              gleichmäßig auf den Streif fallen.
                           Es ist nun noch die Anordnung der Siebe zu beschreiben, wobei allerdings der Mangel
                              einer Zeichnung sich besonders fühlbar macht. Unter den in schräger Richtung auf
                              einander folgenden drei Walzenpaaren liegt ein langes, ebenfalls geneigtes Sieb,
                              dessen Maschen so klein sind, daß sie das Kanonenpulver nicht, wohl aber das
                              Musketenpulver so wie den Staub durchlassen; unter ihm in paralleler Lage ein
                              zweites feineres Sieb, welches nicht das Musketenpulver, sondern nur den Staub
                              hindurchfallen läßt; endlich unter diesem, ebenfalls schräg, der Boden des
                              Siebapparates, auf welchem der Staub sich sammelt und herabgleitet. Indem das Ganze
                              in schüttelnde Bewegung gesetzt wird, gleitet das Kanonenpulver auf dem oberen, das
                              Musketenpulver auf dem zweiten Siebe, endlich der Staub auf dem Bodenbrett herab,
                              jedes in einen besonderen Kasten fallend. Nun aber sind noch zwei kleinere Siebe
                              vorhanden, die wir A und B
                              nennen wollen, deren Maschen so groß sind, daß sie selbst das Kanonenpulver
                              hindurchlassen, also nur die noch nicht hinlänglich zerkleinerten Pulverstückchen
                              zurückhalten, und eben diese Siebe sind es, welche das Pulver dem zweiten und dem
                              dritten Walzenpaare zuführen. Das eine derselben, A,
                              befindet sich unmittelbar unter dem obersten Walzenpaare, nimmt also das durch diese
                              Walzen zerkleinerte Pulver auf, und läßt alles, bis auf die zu groben Stückchen,
                              hindurch. Das Durchfallende gelangt auf das vorhin erwähnte lange Sieb, wodurch es
                              weiter sortirt wird, während die groben Stückchen auf A
                              liegen bleiben, bei der etwas geneigten Lage desselben herabgleiten und auf das
                              zweite Walzenpaar gelangen, wo sie eine weitere Zerkleinerung erfahren. Unter diesen
                              zweiten Walzen ist das zweite Sieb B angebracht, welches
                              wieder die noch nicht genügend zerkleinerten Theile zurückhält und sie auf das
                              dritte Walzenpaar leitet, wodurch der letzte Rest dann auch noch gekleint wird.
                           Bei Anfertigung von Jagdpulver kommt eine ähnliche Maschine zur Anwendung, nur sind
                              die Zähne der Walzen kleiner, und die Walzen des letzten Paares sind ganz glatt,
                              ohne Zähne. Da ich diese Maschine zu sehen nicht Gelegenheit hatte, so muß ich auf eine
                              nähere Beschreibung verzichten.
                           Es ist zu verwundern, daß bei dem Körnen nicht häufiger Unglücksfälle vorkommen, denn
                              die Maschine läßt so viel Pulver herabfallen, daß der Fußboden des Zimmers ganz mit
                              Pulver bedeckt ist, und der Arbeiter wie der Fremde nichts wie Pulver unter den
                              Füßen fühlt. Die Arbeiter halten sich indessen, da die Maschine keine fortwährende
                              Bedienung erfordert, in einem kleinen Hause auf, welches durch einen hohen Wall von
                              dem Körnlocale getrennt ist. Die letzte Explosion soll, wenn ich nicht irre, vor 10
                              Jahren stattgefunden haben, wo eine Körnmühle in die Luft flog.
                           Vergleicht man nun die englische Körnung mit der älteren, noch in vielen deutschen
                              Fabriken üblichen, so erklärt sich leicht der Unterschied der Kraft des englischen
                              und des nach der alten Methode dargestellten Pulvers. Nach der älteren Methode
                              geschieht das Zerkleinern der Pulvermasse dadurch, daß sie in einen, mit siebartig
                              durchlöchertem Boden versehenen Kasten gebracht, eine linsenförmige Scheibe von
                              schwerem Holze darauf gelegt, und nun dem Kasten eine rotirende Bewegung ertheilt
                              wird, in Folge deren die Scheibe auf dem Pulver im Kreise herum gleitet, es
                              zerbröckelt und zugleich durch die Löcher des Kastens hindurch arbeitet. Es ist nun
                              leicht begreiflich daß eine solche, mehr reibende
                              Bearbeitung die Pulvertheilchen abrundet, weßhalb die nach dieser Methode
                              entstehenden Körner eine unregelmäßige ei- oder kugelförmige Gestalt
                              besitzen. Ganz anders wirkt die Körnung zwischen gezahnten Walzen, wobei das
                              Zerbröckeln nur durch Druck zwischen scharfkantigen und spitzen Zähnen erfolgt. Jede
                              Abrundung wird dabei vermieden, und die Körner, eben sowohl die des gröbsten
                              Kanonenpulvers, wie die des feinsten Jagdpulvers (letzteres unter der Loupe
                              betrachtet), erscheinen in Gestalt höchst unregelmäßiger, scharfkantiger und eckiger
                              Bruchstückchen. Daß aber diese eckige Form die schnelle Entzündung sehr befördert
                              und daher auf die Erhöhung der Kraft einen merklichen Einfluß übt, ist eine
                              anerkannte Thatsache. In den Pulverfabriken unseres Königreichs ist die englische
                              Körnmethode unseres Wissens noch nicht zur Anwendung gekommen.
                           Poliren des Pulvers. Es dient hierzu eine Maschine,
                              welche wieder in einem besonderen Gebäude aufgestellt ist, und durch ein Wasserrad
                              ihre Bewegung erhält. Eine horizontal liegende, am äußeren Umfange mit feinem
                              Stramin bezogene Trommel von 8 Fuß Länge und 22 Zoll Durchmesser wird mit mäßiger
                              Geschwindigkeit, so daß sie 35 Umgänge in der Minute macht, gedreht. Sie wird mit
                              270 Pfund Pulver besetzt
                              und 1 1/4 Stunden lang in Bewegung gehalten, worauf das Pulver durch gegenseitiges
                              Abreiben der Körner aneinander die nöthige Politur erlangt.
                           Trocknen des Pulvers. Nun erst, also nach dem Poliren,
                              folgt das Trocknen. Die Trockenanstalt, welche abermals in einem besonderen Gebäude
                              sich befindet, enthält einen von Brettern construirten, sehr großen Kasten, in
                              welchen von beiden Seiten Horden eingeschoben werden können, nämlich mit Leinwand
                              bespannte Rahmen, auf welchen das Pulver in einer etwa 1 Zoll dicken Schicht
                              ausgebreitet ist. In dem unteren Raum des Kastens ist ein System kupferner
                              Dampfröhren angebracht, die durch einen, in einem besondern Häuschen eingemauerten
                              Dampfkessel geheizt werden. Die Temperatur des Trockenraums beträgt etwa 35 bis
                              40° R. Zwischen den Horden und den Dampfröhren ist Leinen ausgespannt, um das
                              etwa herabfallende Pulver aufzufangen; jedoch sind in dieser leinenen Zwischenwand
                              mehrere 1/2 Fuß breite Spalten oder Oeffnungen, damit die warme Luft besser
                              aufsteigen und zu dem Pulver gelangen könne. Oben führt ein Canal die mit Dampf
                              beladene Luft ab. Es kann zur Zeit 1 Tonne (2240 Pfd.) Pulver getrocknet werden,
                              welche 24 Stunden in dem Apparate verbleibt, so jedoch, daß nur während der ersten
                              12 Stunden geheizt wird.
                           Letzte Politur. Nach beendigter Trocknung wird in
                              derselben schon beschriebenen Trommel das Pulver nochmals eine kurze Zeit
                              bearbeitet, womit es dann fertig ist.
                           Auf der Londoner Ausstellung waren, offenbar zur Vermeidung von Gefahr, keine
                              Pulverproben ausgestellt; das Werk zu Waltham-Abbey aber hatte doch ein sehr
                              niedliches Stück geliefert, welches wohl eine Erwähnung verdient. Ein großer Kasten,
                              an der Vorderseite mit Glas geschlossen, war im Inneren an allen Wänden mit feinen
                              Krystallen von sublimirtem Schwefel gelb ausgekleidet; in diesem Kasten war von
                              geschmolzenem Salpeter eine Grotte ausgeführt, indem der Salpeter zapfenförmig zur
                              Nachbildung von Tropfstein gegossen, und aus solchen tausendfältig gestalteten
                              Salpeterstalaktiten eine Grotte sehr geschmackvoll zusammengesetzt war. Innerhalb
                              dieser natürlich ganz weißen Grotte befand sich wieder ein aus Schwefel vom
                              schönsten Gelb gegossener Bienenkorb. Aus verkohlten Zweigen endlich war eine
                              Umgebung von Buschwerk um die Grotte nachgebildet.