| Titel: | Ueber Rolland's neue Apparate zur Brodbereitung; Bericht von Prof. Payen. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LXXII., S. 303 | 
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                        LXXII.
                        Ueber Rolland's neue Apparate zur Brodbereitung;
                           Bericht von Prof. Payen.
                        Aus den Comptes rendus, Juni 1852, Nr.
                              26.
                        Payen, über Rolland's Apparate zur Brodbereitung.
                        
                     
                        
                           Der Bäcker Rolland in Paris (rue
                                 Descartes) bemühte sich die Bereitung des Brodes regelmäßiger, gesünder und
                              wohlfeiler zu machen mittelst mechanischer Vorrichtungen und eigenthümlicher
                              Anordnungen bei der Heizung. Als er nach zahlreichen Versuchen die Hauptbedingungen
                              eines guten Erfolgs erfüllt zu haben glaubte, verband er sich zur Ausführung der
                              Apparate mit dem Ingenieur Hrn. Menard.
                           Ich wurde nebst den HHrn. Poncelet und Boussingault von der Akademie der Wissenschaften beauftragt, das
                              neue System, welches seit einem Jahre in der Bäckerei des Erfinders in Thätigkeit
                              ist, zu untersuchen.
                           Dasselbe besteht im Wesentlichen einerseits in einem mechanischen Backtroge und
                              andererseits in einem Backofen mit kreisrunder, beweglicher Herdsohle, auf welcher
                              mit erhitzter Luft gebacken wird.
                           Schon seit langer Zeit waren viele Techniker bemüht, eine gute Knetmaschine zu
                              erfinden und haben ihr Ziel mehr oder weniger erreicht. Von den beiden letzten
                              gelungensten Backtrögen wurde der eine von dem Bäcker Fontaine erfunden und von dem Mechaniker Moret
                              verbessert; der andere wurde nach Angabe des ehemaligen Bäckers Boland
                              Polytechn. Journal Bd. CVIII S.
                                       200., Entdeckers des sinnreichen Verfahrens zum Prüfen der Mehle, construirt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 125, S. 303
                              
                           Der Rolland'sche Backtrog hat mit den früheren einige
                              Aehnlichkeit, zeichnet sich aber durch seine einfachere Construction aus. Er besteht
                              aus einem offenen, halbcylindrischen Behälter (Trog), welcher an der gewöhnlich an
                              die Wand anstehenden Seite mit einem kupfernen Sturz versehen ist. Eine horizontale
                              Welle, die auf zwei Zapfenlagern ruht, welche auf den zwei Seitenwänden des Trogs
                              angebracht sind, ist mit zwei Reihen krummer Klingen versehen, welche einander
                              gegenüberstehend, abwechselnd lange und kurze Messer oder zwei Rechen bilden; dieser Rührer wird
                              durch ein großes Zahnrad in Bewegung gesetzt mittelst eines Getriebes, auf dessen
                              Achse sich ein Schwungrad befindet. In dieser Vorrichtung kann aller zu den
                              wiederholten Beschickungen eines Backofens von 4 Meter Durchmesser erforderliche
                              Teig und Sauerteig mit der Kraft eines Menschen regelmäßig geknetet und durchgewirkt
                              werden. Diese erste Arbeit verursacht sonach wenig Mühe, macht kein Geräusch welches
                              die Nachbarschaft hören könnte, ist einfach, wohlfeil und gesund.
                           Rolland's Backofen hat mehrere
                              Einrichtungen, welche man bei andern Erfindern vereinzelt findet, die aber, hier
                              vereinigt und durch mehrere neue Anordnungen vervollkommnet, die Arbeit erleichtern
                              und einen sicherern Erfolg zu versprechen scheinen.
                           Wir glauben jedoch in dieser Hinsicht einige geschichtliche Thatsachen in Erinnerung
                              bringen zu müssen. Vor langer Zeit schon hatten der Graf Chabrol und der Ingenieur Legallois zum Verproviantiren der Armee einen
                              Backofen construiren lassen, der sich in horizontaler Ebene drehte und mit
                              Steinkohlen geheizt wurde; wegen der Schwierigkeit, die Heizung zu reguliren, wurde
                              dieser Backofen wieder aufgegeben.
                           Vor einigen Jahren erfand Coveley eine andere Vorrichtung,
                              worin vier bewegliche Sohlen, welche durch die Bewegung eines in verticaler Ebene
                              sich drehenden Gestells fortgeführt werden, nacheinander alle Stellen der
                              cylindrischen Höhlung des Backofens einnehmen. Diese, wie die Sitze bei einer
                              verticalen Ringelspiel-Vorrichtung (Caroussel) angebrachten hängenden
                              Herdsohlen gelangen eine nach der andern vor die Thüre, durch welche das Einschieben
                              des Teiges und das Ausschieben des Brodes ohne Mühe bewerkstelligt wird. Die
                              drehende Bewegung regulirt die Temperatur, indem sie die Summe der von den vier
                              Herbfohlen bei jeder Stellung erlangten Wärme ins Gleichgewicht setzt; die freie
                              Circulation der erhitzten Luft begünstigt dieses Gleichgewicht der Temperatur. Der
                              Coveley'sche Backofen ist noch heute mit gutem Erfolg
                              in Gebrauch. Da in demselben das Brod durch erhitzte Luft gebacken wird, so kann man
                              sich bei demselben natürlich jedweden Brennmaterials bedienen, doch gibt man in der
                              Regel den Kohks den Vorzug.
                           Endlich haben wir des Backofens von Lemare und Jametel
                              Polytechn. Journal Bd. LXVI S. 208
                                    und Bd. LXXIII S. 79., verbessert von Grouvelle und Mouchot
                              Polytechn. Journal Bd. XCV S.
                                       472., zu erwähnen. In diesem Backofen mit unbeweglicher Herdsohle wird die Luft durch
                              eine große Oberfläche der Backsteinwände erwärmt, welche einen breiten unteren
                              Feuerraum (oder zuweilen einen zur Bereitung von Kohks aus Steinkohlen dienenden
                              Ofen) umgeben; besondere Einrichtungen befördern die Circulation der warmen Luft,
                              wozu die Differenzen ihrer Dichtigkeiten in Folge der Ungleichheiten der Temperatur
                              benützt werden.
                           Bei mehrere Jahre fortgesetzten Versuchen im Großen stellte es sich heraus, daß in
                              keinem dieser Oefen das Commißbrod so wohlfeil gebacken werden kann, als in dem Ofen
                              des Hrn. Lespinasse; dieser
                              hat aber den Nachtheil, daß er ausschließlich mit Holz gefeuert wird welches man auf
                              der Herbsohle verbrennen muß; das Herausnehmen der Löschkohlen, das Reinigen der
                              Herdsohle, das Ein- und Ausschieben der Brode sind daher so mühsam wie bei
                              den alten Backöfen.
                           Wir gehen hier nicht auf den Daveu'schen Backofen ein,
                              welcher den in Großbritannien allgemein gebräuchlichen ähnlich ist und durch einen
                              seitlichen Feuerraum mit Steinkohlen geheizt wird, aber nach jeder Operation
                              dieselbe mühsame Reinigung erfordert, wie die alten Backöfen.
                           Hrn. Rolland's Backofen weicht
                              im Ganzen sowohl als in den meisten Einzelnheiten von seinen Vorgängern bedeutend
                              ab, wie man aus folgender Beschreibung ersehen wird:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 125, S. 305
                              
                           Die Sohle desselben besteht aus gußeisernen Platten, welche mit Ziegeln belegt sind;
                              sie muß sich in horizontaler Ebene drehen, zu welchem Behufe diese Sohle auf dem
                              Ende einer verticalen Achse aufliegt und daselbst von eisernen Bändern gehalten
                              wird. Die 2 1/2 bis 3 Meter unter die Sohle hinabreichende und von einem Ring
                              gehaltene Achse steht in einer Pfanne; letztere ist in einem Gerüst befestigt,
                              welches mittelst Stellschrauben höher oder tiefer gestellt werden kann. Man
                              begreift, daß auf diese Weise die Sohle nach Belieben erhöht oder herabgelassen und
                              folglich die Höhe des Ofens zum Volum oder der Höhe der Brode in Verhältniß gesetzt
                              werden kann.
                           Der Ofen wird durch einen im Mauerwerk unter der beweglichen Sohle angebrachten
                              Feuerraum geheizt; der Rauch zieht in Canäle und sechs gußeiserne Röhren, welche auf
                              einem etwas abhängigen Steinbett auseinandergehen.
                           Diese Röhren communiciren mit verticalen Leitungen, welche die Seitenwände erwärmen
                              und die in einen freien Raum zwischen der eisenblechernen Decke des Backofens und einer zweiten,
                              gußeisernen Plattform ausmünden, welche letztere mit einer dicken Schicht Asche oder
                              eines andern die Wärme schlecht leitenden Körpers bedeckt ist.
                           Man sieht, daß der Ofen wirklich wie eine Muffel, ohne directe Communication mit dem
                              Brennmaterial oder den Verbrennungs-Producten geheizt wird.
                           Man brennt nach Belieben Steinkohlen oder Holz; in letzterm Fall, der in Paris und in
                              Städten, wo an einen Theil der Kundschaft Löschkohlen abgegeben werden müssen, der
                              gewöhnlichere ist, bringt Hr. Rolland einen Kohlendämpfer unter dem Feuerraum an.
                           Dieser Kohlendämpfer befindet sich unter einem Trichter (Rumpf), der durch ein
                              oscillirendes, leichtes, mittelst eines Gegengewichts im Gleichgewicht erhaltenes
                              Ventil verschlossen ist; jedes Stück gebildeter Löschkohle fällt sogleich durch die
                              Roststangen auf das Ventil, welches hinuntergeschnellt wird, die Kohle in den
                              Dämpfer hinabgleiten läßt und sogleich wieder in die Höhe geht.
                           Um die Löschkohlen zu sammeln, braucht man daher nur einen andern Kohlendämpfer an
                              die Stelle des angefüllten zu bringen, was nicht viel Mühe macht.
                           Das Einschießen der Brode verursacht ebenfalls nicht viel Mühe, weil alle Theile der
                              sich drehenden Sohle nacheinander vor der Thür des Ofens ankommen; sobald die leicht
                              zugängliche Oberfläche der Sohle beschickt ist, dreht der Arbeiter eine kleine
                              Kurbel, welche die Bewegung mittelst einer Vaucanson'schen Kette einer liegenden Welle mittheilt, die sie wieder durch
                              ein Getriebe auf ein am großen Wellbaum angebrachtes Kegelrad überträgt. Die Sohle
                              dreht sich, bringt vor die Thür eine freie Fläche, welche man beschickt, und sofort
                              alle Theile nach einander. Man beschickt nur auf einer Länge gleich dem Halbmesser
                              der Sohle; es lassen sich dabei die Brode viel besser ordnen als bisher, weil die
                              Werkzeuge, welche man bei einem Ofen von 4 Meter Durchmesser anwendet, höchstens 2
                              Meter lange Stiele haben.
                           Die Ueberwachung des Backens ist ebenfalls sehr leicht; ein an der Thür angebrachtes
                              Guckloch und ein Loch mit Reflector, welches das Innere des Backofens vor dem
                              Mundloch erhellt, lassen das Aussehen der Brode an dieser Stelle erkennen und durch
                              Drehen der Sohle kann man alle an sich vorüberkommen lassen. Indem man ein
                              Thermometer zu Hülfe nimmt, kann man die Hitze mäßigen und selbst die Richtung der
                              Flamme verändern.
                           
                           Wie das Einschießen, wird auch das Ausschieben der Brode vorgenommen, indem man alle
                              Theile der sich drehenden Sohle nach einander vor sich hin führt.
                           Hrn. Rolland ist es auch
                              gelungen, das Streumehl (Weizen- oder
                              Welschkornkleie) entbehrlich zu machen, womit man jetzt das Ankleben des Teiges an
                              der Schaufel verhütet; er bewirkt nämlich, nachdem das Brod mit Wasser bestrichen
                              worden ist, mittelst eines Luftzugs die Bildung eines trocknen Häutchens, welches
                              hinreicht um das Abgleiten zu erleichtern. Manche Veränderungen des Brodes sind
                              daher jetzt nicht mehr so zu befürchten, namentlich die Entwickelung von Schimmel,
                              zu welchem die Bestreuung manchmal die Keime legte.
                           Folgendes sind die Vortheile, welche das Rolland'sche
                              Verfahren im Vergleich mit den bisherigen Methoden bereits in mehreren Bäckereien
                              gewährt:
                           1) das Kneten des Teiges geht mittelst eines einfachen und nicht kostspieligen
                              Apparats reinlich, gesund, regelmäßig und ohne Lärm vor sich;
                           2) das Ein- und Ausschießen der Brode ist leicht und geschieht mit kürzern,
                              leichter zu handhabenden Werkzeugen;
                           3) Anwendung beliebigen Brennmaterials;
                           4) beträchtliche Ersparung an Heizkosten;
                           5) Wegfallen der mühsamen Reinigung der Herdsohle nach jedem Gebäcke;
                           6) regelmäßiges und sehr leicht zu beaufsichtigendes Backen;
                           7) selbstthätiges Sammeln der Löschkohlen, wodurch das ermüdende Herausnehmen
                              derselben und die der Gesundheit des Arbeiters nachtheilige strahlende Wärme
                              vermieden wird;
                           8) endlich die Erzielung von Broden, welche frei sind von jeder Spur von Asche, Kohle
                              oder Streumehl, kurz mit schönem Aussehen und vollkommener Sauberkeit beste Qualität
                              verbinden.
                           Unsere Nachkommen werden sicher dereinst, wenn sie die Technologie des 19ten
                              Jahrhunderts lesen, sich fragen, ob man denn wirklich zu dieser Zeit des
                              industriellen Fortschritts unser erstes Nahrungsmittel auf die rohe Weise bereitete,
                              wie es jetzt noch geschieht, indem man die Arme in den Teig steckt, ihn mit einer
                              die Kraft des halbnackten Wirkmeisters erschöpfenden Anstrengung herauszieht und
                              wieder hineinwirft, so daß sein Schweiß in das Nahrungsmittel hinabrinnt; ob denn
                              wirklich in dem Feuerraum selbst, aus welchem man so eben Kohle und Asche herauszog,
                              gebacken wurde; ob es glaublich sey, daß während dieser anstrengenden Arbeit der
                              größte Theil der Wärme eher dazu verwendet wurde die Arbeiter unmäßig zu erhitzen,
                              so zu sagen zu rösten, als Brod zu backen. Möchte doch die Zeit nahe seyn, wo die
                              seit mehr als sechzig Jahren unternommenen zahlreichen Verbesserungen sich zu einem
                              praktischen Verfahren einigen, welches den gegenwärtigen Zustand in allen Bäckereien
                              einer Besserung zuführt.