| Titel: | Verfahren Kornbranntwein ohne Anwendung von Hefe zu fabriciren; von Hrn. Bockhorst in Saint-Omer. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LXXXVII., S. 392 | 
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                        LXXXVII.
                        Verfahren Kornbranntwein ohne Anwendung von Hefe
                           zu fabriciren; von Hrn. Bockhorst in Saint-Omer.
                        Aus Armengaud's Génie industriel, Juli 1852, S.
                              39.
                        Bockhorst, Verfahren Kornbranntwein ohne Anwendung von Hefe zu
                           fabriciren.
                        
                     
                        
                           In Frankreich wenden die Fabrikanten welche Kornbranntwein erzeugen, beständig
                              Bierhefe für die Gährung der Maische an.Im Original ist durch ein Versehen hinsichtlich des gewöhnlichen Verfahrens
                                    der Branntwein-Fabrikanten gesagt: ils
                                       opèrent constamment avec de la levure
                                    et sans
                                    fermentation. A. d. Red. Das Verfahren von Bockhorst (welches am 13.
                              Junius 1846 für fünfzehn Jahre patentirt wurde) besteht hingegen darin, die Gährung
                              ohne Hefe zu bewerkstelligen. Nach dem neuen Verfahren erhält man in derselben Zeit
                              mehr Product, welches von besserer Qualität ist, mit einer beträchtlichen Ersparung
                              an Kosten, weil die Anwendung der Hefe ganz wegfällt.
                           Um das neue Verfahren zu erläutern, wollen wir als Beispiel einen Bottich von 20
                              Hektoliter (2000 Liter) Inhalt wählen, worin man 200 Kilogr. Getreidemehl mit 600
                              Liter Wasser vermischt, welches vorher auf 75° C. (60° R.) erwärmt
                              worden ist.
                           Nach dreistündigem Verweilen im Bottich gießt man in diese Mischung ein neues Quantum
                              Wasser von 25 bis 30° C. (20 bis 24° R.), und zu gleicher Zeit ein
                              Gemisch von 200 Litern Gerstenmalz-Trebern (von der Würzebereitung) mit 125
                              Litern eingeteigten Materials von der Operation des vorhergehenden Tags. Dieses
                              Gemisch wird in den Bottich auf einer Temperatur von ungefähr 20° C.
                              (16° R.) gegeben.
                           Die so mit dem Wasser gemischten Substanzen läßt man in diesem Bottich bis zum
                              dritten Tag gähren. Vorher hat man aber 100 bis 125 Liter der Mischung
                              herausgenommen, welche man mit 200 Litern klarer Gerstenmalz-Würze in eine besondere Kufe von
                              beiläufig 350 Liter Inhalt gießt, um sie am folgenden Tag zu verwenden. Diese
                              besondere Kufe ist die sogenannte Gährungskufe.
                           Nachdem die Gährung drei Tage gedauert hat, kann man destilliren, und man erhält vom
                              Inhalt des Bottichs 110 Liter Branntwein von 50 Graden (Volumprocenten) für die 200
                              Kilogr. Mehl.
                           Wie man sieht, besteht die neue von Bockhorst erfundene
                              Methode darin, die eingeteigten im Bottich enthaltenen Materialien gähren zu lassen.
                              Diese Gährung modificirt die Fabrication gänzlich, und gestattet ohne Hefe zu
                              arbeiten, wenigstens so lange als das Malz oder die andern eingeteigten Substanzen
                              von guter Qualität sind. Wenn sie schlecht sind, läßt man die Gährung länger dauern,
                              z.B. nöthigenfalls 14 bis 15 Tage.
                           Seitdem dieses Verfahren in mehreren Fabriken eingeführt ist, erhält man wirklich
                              sehr merkwürdige Resultate.
                           So ist die Ausbeute eines Bottichs von 21 Hektoliter (2100 Liter) Inhalt, welcher mit
                              230 Kilogr. Mehl beschickt wurde, 130 bis 135 Liter Branntwein von 50 Graden.
                           Das alte Verfahren, bei welchem man die Hefe anwendet, liefert von demselben Quantum
                              Material nur 90 Liter von 50 Graden, und in den besten Brennereien bisweilen 110
                              Liter.Die französischen Branntweinbrenner erhielten also in einem Bottich von 21
                                    Hektoliter Inhalt bisher von 100 Kilogr. Mehl
                                    meistens nur 19,6 Liter absoluten Alkohol; bei Anwendung des Verfahrens von
                                    Bockhorst bekommen sie wenigstens 26 Liter,
                                    durchschnittlich 28 und höchstens 29,35 Liter
                                    absoluten Alkohol.Das Verfahren von Bockhorst, welches die Kosten
                                    der Hefe erspart, liefert folglich – wie
                                    sich dieses voraussehen ließ – keine größere Ausbeute an Alkohol, als
                                    die bisherige Methode ermöglicht: nach den Angaben von Schubarth, dessen Zahlen den günstigsten durchschnittlichen
                                    Betriebsresultaten der deutschen Brennereien entsprechen dürften, liefern
                                    nämlich (im lufttrocknen Zustande) 100 Kilogr.Gerste28,0 LiterabsolutenAlkoholGerstenmalz35,1    –      –    
                                          –Roggen29,4    –      –    
                                          –Weizen30,5    –      –    
                                          –Kartoffeln11,0    –      –    
                                          –A. d. Red.
                              
                           Folglich liefert jeder Bottich per Tag wenigstens 30
                              Liter mehr, und daher im Jahr zu 300 Arbeitstagen : 9000 Liter.
                           Rechnet man die Steuer für den Doppel-Liter zu 70 Centimes und den Preis des
                              Branntweins zu 75 Centimes den Doppel-Liter, so ergibt sich mit der Ersparniß
                              an Hefe, welche 6000 Fr. beträgt, ein jährlicher Gewinn von 7125 Fr. per Bottich.
                           
                           Mehrere Fabrikanten im nördlichen Frankreich haben das System von Bockhorst angenommen und als gewissenhafte Männer nicht
                              nur die Prämie für den Erfinder bezahlt, welche 600 Fr. per Bottich (ein für allemal) beträgt, sondern entrichten auch die Steuer
                              an den Staat im Verhältniß von 120 Liter (anstatt 90 Liter) per Bottich für jede Tagesarbeit. Da das Verfahren außerordentlich einfach
                              ist, und man es nur zu kennen braucht um es auszuüben, so haben sich auch manche
                              Fabrikanten nicht gescheut es ohne Genehmigung des Erfinders anzuwenden.
                           Eine besondere Beachtung verdient bei Bockhorst's Methode auch noch der Umstand, daß das Malz
                              (Gerstenmalz) welches die Gährung ohne Hefe durchgemacht hat, eine gesunde Nahrung
                              für das Vieh gibt, im Gegensatz mit den Trebern welche man bei dem alten System
                              bekommt.
                           Hr. Bockhorst erhielt im Jahr
                              1847, wo die Kartoffeln schlecht waren, mit 6 Hektolitern Kartoffeln und 100 Kilogr.
                              Mehl 120 Liter Branntwein von 50 Graden; mit guten Kartoffeln bekäme man 135 bis 140
                              Liter.
                           Nach derselben Methode kann man in einem Bottich von 21 Hektoliter Inhalt 230 Kilogr.
                              Melasse vergähren lassen.