| Titel: | Beiträge zur Geschichte der Maschinen zum Kämmen der Wolle; von Friedrich Georg Wieck. | 
| Autor: | Friedrich Georg Wieck | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XCIII., S. 411 | 
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                        XCIII.
                        Beiträge zur Geschichte der Maschinen zum Kämmen
                           der Wolle; von Friedrich Georg
                              Wieck.
                        Wieck, Beiträge zur Geschichte der Maschinen zum Kämmen der
                           Wolle.
                        
                     
                        
                           In der Verspinnung der Schafwolle zu Garn machen sich drei von einander scharf
                              unterschiedene Methoden bemerkbar, deren jede wieder ein Garn mit besonderen
                              Eigenschaften erzeugt. Diese drei Methoden sind: die Streichgarnspinnerei, die Halbkammgarnspinnerei, von den Engländern mit Carded
                                 spinning bezeichnet, und die Kammgarnspinnerei.
                              Man erhält beziehentlich bei diesen Methoden Streichgarn (Woollen, laine cardée), Halbkammgarn (carded, cardée-peignée), Kammgarn (worsted, laine peignée). Das Princip in der
                              Spinnerei erster Art ist, die Wolle, wie sie, lange und kurze untermischt, vom
                              Schafe kommt, und nur nach der Feinheit des Haars sortirt, anzuwenden, dieselbe dann
                              auf einem Wolf und großer Krämpelmaschine zu lockern und zu kardätschen, so daß sie
                              zu gleichförmigem Vließ oder zu offenem bandartigem Vorgespinnst wird, woraus man
                              endlich das Streichgarn spinnt zum Gebrauch für solche Zeuge, welche gewalkt und
                              geschoren werden oder sich durch eine wollige Oberfläche auszeichnen sollen. Man
                              sucht nämlich dem Streichgarn die natürliche Eigenschaft der Wolle, sich leicht zu
                              verfilzen, in ihrer ganzen Stärke zu erhalten.
                           Beim Halbkammgarn wird die Wolle zunächst wie beim reinen
                              Streichgarn behandelt, dann aber, anstatt in Form von lockerem Vließ oder schmalen
                              Vorgespinnst-Bändern gebracht zu werden, in mehrere Zoll breite Bänder
                              verwandelt. Diese läßt man alsdann gestreckt durch heiße Walzen gehen, die eine
                              geradlegende entfilzende Wirkung auf die Wollfasern ausüben. Beim Feinspinnen wird
                              darauf hingewirkt, die Fasern möglichst auszudehnen und dem Garn Glätte zu
                              verleihen, wodurch es sich dem Aussehen nach wirklichem Kammgarn nähert, ohne aber
                              den Grad der Glätte, Gleichheit und Feinheit des Fadens zu erhalten, der letzteres
                              auszeichnet, was daher rührt, daß die kurze Wolle, die Knötchen und Knispeln,
                              nämlich der sogenannte „Kämmling,“
                              nicht zuvor von der langen Wolle, dem „Zuge“ getrennt worden
                              ist. Für dieses Halbkammgarn verwendet man in der Regel von der Natur glänzende und
                              lange Wolle von nicht bedeutender Feinheit, die gemeiniglich weniger mit Wolle von kurzem
                              Stapel untermischt ist.
                           Zum eigentlichen Kammgarn benutzt man nun auch die eben
                              beschriebene Wolle für ordinäre und starke Sorten. Die betreffende Spinnerei wird
                              hauptsächlich in England betrieben, wo man seit langer Zeit darauf eingerichtet ist,
                              und die geeignete lange, zwar harte aber glänzende Wolle besitzt. Das erzeugte Garn
                              nennt man Hard worsted.
                              
                           Ein weiches Kammgarn (Soft worsted) spinnt man aus
                              deutscher und australischer Wolle von langem Stapel. Es ist ein glattes, weiches
                              Gespinnst, welches unter andern für feine Thibets und Shawls verwendet wird, während
                              das glatte, harte Kammgarn für Damaste, Orleans und andere glatte glänzende, reine
                              und gemischte Kammgarnzeuge in Benutzung genommen wird. Will man wirkliches Kammgarn
                              spinnen, so muß die dazu bestimmte Wolle erst von den Kämmlingen befreit werden, so
                              daß man nur Wollfasern von fast gleicher Länge, nicht unter 1 1/2 Zoll, als reinen
                              „Zug“ zum Verspinnen erhält. Diese Abtrennung des reinen
                              Zugs von den Kämmlingen wird durch ein Verfahren bewirkt, welches man „Kämmen“ nennt; und es besteht dem Princip
                              nach darin, daß man die Wolle in heißgemachte stählerne Kämme schlägt, und sie in
                              denselben mit anderen heiß gemachten Kämmen durchkämmt, wobei die kurze und
                              knispliche Wolle hinter den Kammzähnen sitzen bleibt. Die vornheraus stehenden
                              langen Wollfasern, der sogenannte „Wollbart“ wird von den Fingern des Kämmers herausgezogen,
                              wodurch ein Band von einer gewissen Länge entsteht, das man den
                              „Zug“ nennt. Diese Züge werden nun auf den
                              „Strecken“ miteinander verbunden und verzogen, bis sich das
                              dünnere Vorgespinnst bildet, aus dem endlich das feine Garn gesponnen wird.
                           Nachdem wir diese kurze technologische Beschreibung der Behandlung der Schafwolle bei
                              ihrer Verwandlung in Garn vorangeschickt haben, lassen wir die weitere Besprechung
                              des Streich- und Halbkammgarnes fallen, die nicht in unserer heutigen Aufgabe
                              liegt, und bleiben bei der Vorbereitung der Wolle stehen, der sie unterworfen werden
                              muß, um zu reinem Kammgarn versponnen werden zu können. Wir haben gesehen, daß diese
                              Vorbereitung, außer dem Schlagen und Waschen, das wir ebenfalls übergehen, in dem
                              sogenannten „Kämmen“ besteht.
                           Es ist ein altes Verfahren, obgleich nicht so alt als das der Verarbeitung der Wolle
                              zu gefilzten und gewalkten Stoffen, und scheint zuerst in Flandern und Deutschland
                              aufgekommen zu sehn. Das Kammgarn wurde in Deutschland bis noch vor nicht langer
                              Zeit „Klostergarn“
                              genannt, hindeutend auf
                              das Spinnen desselben in Nonnenklöstern. In alten deutschen Kleiderordnungen kommt
                              schon im fünfzehnten Jahrhundert die Bezeichnung Schamalott (Kamlot) vor. Aber erst ungefähr ums Jahr 1567 fing man in
                              Norwich an, die glatten Kammgarnzeuge zu fabriciren, wodurch diese Stadt nicht
                              allein in England, sondern auch in ganz Europa berühmt wurde. Sie wurden von
                              Flammländern herüber gebracht.
                           Französische Flüchtlinge lehrten ums Jahr 1685 den Engländern die Fabrication von
                              leichten Wollstoffen. Das Auskämmen der Wolle geschah, wie früher auch das Kratzen
                              oder Kardätschen derselben, lediglich durch Händearbeit mit Hülfe des einfachen
                              Werkzeuges der zwei Kämme.
                           Aber schon 1790 erfand Edmund Cartwright in Doncaster,
                              Yorkshire, eine Maschine, um die Wolle zu kämmen, mit der ein Mann und 5 bis 6
                              Kinder ebensoviel leisten sollten, als 30 Handkämmer. Der Erfinder behauptete, daß
                              durch Einführung einer solchen Maschine den Fabrikanten jährlich eine Ersparniß von
                              40,000 Pfd. Sterl. erwüchse, und daß diese Summe sich bald auf ein bis zwei Mill.
                              Pfd. steigern würde.
                           Aber schon im Jahre 1794 construirten William Joplis und
                              Cuckney in Nottinghamshire eine Kämmmaschine, die,
                              wie die Erfinder behaupteten, viel besser als die Cartwright'sche sey. Es liegt in
                              der Natur der Sache, daß die Wollkämmer sich entschieden gegen die Kämmmaschine
                              aussprachen, die Fabrikanten sie aber ebenso sehr bevorworteten. Inzwischen machte
                              man sich unnöthige Sorge über die Wirkung jener Maschinen. Sie wurden nicht
                              eingeführt und eine im Jahre 1795 (35. Georg III. c.
                              114) erlassene Verordnung, nach welcher es den Wollkämmern, als Ersatz für den
                              Schaden, den sie, wie sie anführten, durch Einführung der Maschinen erlitten hatten,
                              erlaubt wurde jedes Geschäft, in jeder Stadt und an jedem Orte des Königreichs zu
                              betreiben, brauchte kaum ins Leben zu treten. Die Benutzung der Maschinen gewährte
                              zu wenig Vortheil, als daß die Fabrikanten Luft gehabt hätten, sich mit ihren
                              Arbeitern, den Wollkämmern zu überwerfen. Man ließ die Sache daher noch dreißig
                              Jahre gehen wie sie ging.
                           Dann aber, am Schluß der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts, fingen Fabrikanten in
                              Frankreich und England an, die Kämmmaschine von John Collier in Paris zu benutzen. In England wurde diese Maschine im November
                              1827 auf den Namen John Platt zu Salford patentirt. In Ure's technischem Wörterbuche,
                              deutsch von Karmarsch und Heeren, ist ihre Einrichtung nicht ganz richtig aufgefaßt.
                           Wir berichtigen die Beschreibung in Folgendem: Die Hauptbestandtheile dieser Maschine
                              sind zwei Kämmräder von 8–9 Fuß im Durchmesser, deren eiserne Speichen gleich
                              dem Kranze hohl sind und durch Dampf geheizt werden. Die Kammzähne, in 2–4
                              Reihen stehend, sind am Umkreis der Räder achsenparallel in Messing eingesetzt. Die
                              Achsen der Räder laufen in einem gußeisernen Gestelle schräg gelegt, so zwar, daß
                              sie unter einem spitzen Winkel von 7 bis 11 Grad in ihren Umlaufsebenen sich
                              kreuzen, demnach die Zähne beider Kämmlinge, nachdem Wolle in beide eingeschlagen
                              ist und beide nach einer und derselben Richtung umlaufend, und langsam sich einander
                              nähernd, gegenseitig ihre herausstehenden Wollbüschel durchkämmen bis sie sich fast
                              berühren. Durch diese Thätigkeit der Kämmzähne bringen sie die Kämmlinge hinter sich
                              und lassen die reinen Wollfasern, den Bart vorstehen, der dann auf bekannte Weise
                              mittelst Cylinder ausgezogen wird, wodurch sich ein fortlaufendes Wollband
                              bildet.
                           In späterer Zeit verbesserte man diese Maschine noch durch Anbringung eines
                              mechanischen Einschlägers und erleichterte die Arbeit durch Vorarbeitung eines
                              Bandes aus dem rohen Wollstapel, wie es jetzt bei allen Kämmmaschine üblich ist.
                              Diese Maschine erfreute sich anfangs einer leidlichen Aufnahme, und wird für grobe
                              Wolle auch bis zu diesem Augenblicke noch in verschiedenen Ländern angewendet.
                           In Sachsen ist sie ihrer Zeit von einigen Fabrikanten aufgestellt worden, welche kein
                              Vertrauen zu dem deutschen System Opelt-Wieck
                              hatten, über das wir sprechen werden.
                           Man hat sich aber bald überzeugt, daß Collier's Maschine nur anwendbar ist für starke Wolle, bei deren
                              Verkämmung es keinen Schaden bringt, wenn ein Theil der guten langen Fasern in
                              Kämmlinge verwandelt wird in Folge der Wirkungsart der Maschine, weil jene starke
                              Wolle nicht so theuer ist, und daher der geringe Preis, der für Kämmlinge zu machen
                              ist, keine irgendwie nachtheilige Wirkung auf die Fabrikökonomie zuwege bringt. Denn
                              man kam schnell darüber in Klarheit, daß die obwohl sinnreiche, doch etwas rauhe
                              mechanische Bewegung der Maschine sich nicht wohl eigne, die verhältnißmäßig an sich
                              kurze oder doch mit vielen kurzen Fasern untermischte sächsische Kammwolle so zu
                              verkämmen, daß ein günstiges Kämmlingsverhältniß sich herausstellt.
                           
                           Die Maschinen von Collier sind daher zum größten Theil
                              wieder auf die Seite gesetzt worden, um anderen Kämmmaschine Platz zu machen, die
                              wir später kennen lernen werden.
                           Die sächsische Maschinen-Compagnie in Chemnitz hat sich ihrerseits in den
                              ersten Jahren ihres Bestehens viel Mühe gegeben, jene Collier'sche Maschine zu verbessern. Es wurde aber leider eine
                              Verschlechterung daraus, da der den Bau leitende Techniker zwar ein Mann von vielen
                              Kenntnissen – aber in anderen Fächern und nicht im Kammgarnspinnfache
                              – von der Sache nichts verstand: denn umgekehrt würde er höchstwahrscheinlich
                              keine Zeit verschwendet haben, eine Maschine zu verbessern, deren Princip mangelhaft
                              ist.
                           Sieben Jahre nach dem Patent von Collier nahm James Noble von Halifax ein gleiches auf eine Kämmmaschine, in
                              welcher die Bewegung des Handkämmens nachgeahmt war durch rein mechanische
                              Gliederung. Wenn in dieser Maschine die Kämme mit Wollbärten gefüllt waren, so
                              wurden sie herausgenommen und in einen Rahmen gesteckt, in dem sie nach und nach
                              herunterglitten, während sie ihre reinen Wollfasern einem Paar Auszugswalzen
                              darboten, durch welche sie in einem fortlaufenden Bande ausgezogen wurden. Der in
                              den Kämmen sitzen bleibende Kämmling wurde auf einfache Weise von hinten
                              hinausgeschoben. Diese Maschine ist, wie man auf den ersten Blick sieht,
                              unvollkommener als die Collier'sche. Es ist uns nicht
                              bekannt geworden, ob sie irgend einer praktischen Einführung sich erfreut habe.
                           Im Jahre 1835 erhielten Donisthorpe und Rawson ein Patent auf eine Kämmmaschine; dieselbe machte
                              zu einer Zeit unter dem Namen der Lister'schen unter den
                              Fachgenossen einiges Aufsehen. Hr. Lister schickte Anfangs der vierziger Jahre eine solche Maschine
                              nach Pfaffendorf bei Leipzig in die dortige
                              Kammgarnspinnerei, um ihre Leistungen vor die Augen Deutschlands zu bringen. Sie hat
                              unsers Wissens eine kurze Zeit gearbeitet, ist aber endlich vergessen worden. Es ist
                              das Princip dieser Maschine in etwas veränderter Gestalt – denn es wäre
                              voreilig zu sagen, in verbesserter – dasjenige, was in einem arbeitenden
                              Exemplare auf der Londoner Industrie-Ausstellung im Fache eine gewisse
                              Aufregung erregt hat. Die politischen Zeitungen haben mit ihrer gewöhnlichen
                              technischen Unzurechnungsfähigkeit jener Maschine ein ungeheures Lob gespendet.
                              Keineswegs wollen wir durch diese beiläufige Auslassung der Maschine von Donisthorpe zu nahe treten, welche wir in London arbeiten
                              gesehen haben, und daher ihrem Princip nach kurz beschreiben können, denn unser heutiger Artikel sieht
                              ab von großen technischen Einzelheiten, da er nur den fabrikökonomischen
                              Gesichtspunkt ins Auge faßt.
                           Das hauptsächlichste Organ der Maschine von Donisthorpe
                              ist der stehende Ring mit Kammzähnen; d.h. zwei bis vier Reihen (je nach der Wolle)
                              Kammzähne stehen senkrecht in einem Ringe, der sich horizontal um seine eigene Achse
                              dreht. In diesen Ring mit stehenden Zähnen wird die Wolle eingeschlagen. Die nach
                              dem alten Princip der Cardedspinnerei (nämlich des Halbkammgarns) in breite Bänder
                              gebrachte Wolle wird durch ein Walzenpaar gegen den langsam sich drehenden Ring
                              geführt. Heraustretend aus dem Walzenpaar schlägt in demselben Augenblick ein Kamm
                              von oben mit abwärts gerichteten Zähnen in das Wollband, während ein mit aufwärts
                              gerichteten Zähnen versehener Kamm von unten in das Wollband dicht vor dem
                              Vorstechkamm hineinfährt, aber in demselben Augenblick durch eine Armgelenkbewegung
                              sich wieder vom Walzenpaare entfernt und natürlicherweise einen Wollbart vom
                              Wollbande abzupft. Hinter dem Vorstechkamme bleibt der Kämmling sitzen, der Kamm mit
                              Armgelenk nimmt einen verhältnißmäßig reinen Bart mit sich. Horizontal, ohne sich
                              umzukehren, legt er nun die abgekämmte Wolle oder den Wollbart in den Kammring
                              hinein, wozu ihm noch eine über den Zähnen des Rings umlaufende Bürste behülflich
                              ist; und auf diese Weise durch die gleichzeitige Bewegung des Vorstechkammes und des
                              Kammes mit Armgelenk wird der Ring nach und nach mit Wolle gefüllt, deren Fasern
                              hervorstehen und die dann von dem Cylinderpaar, wie es bei dem größten Theile der
                              Kämmmaschine überhaupt der Fall ist, in einem fortlaufenden Bande ausgezogen werden.
                              Die Kämmlinge werden beim Wiederherumkommen des Ringes aus den Zähnen
                              hinausgeschoben und beseitigt. Es findetsindet hier also ein Uebertragen, auf mechanische Weise, der Wollbärte aus dem
                              sich darbietenden Wollbande in den Kammring statt. Die hinter dem Vorstechkamme
                              sitzen bleibenden Kämmlinge, der nach jedem Griffe des Gelenkkammes wieder
                              emporgeht, werden von diesem gefaßt, wenn er einsticht. Man kann sich den Vorgang
                              nicht besser vorstellen, als wenn man sich ein Wollbüschel denkt, in welches man
                              zwei Kämme dicht an einander einsticht und nachdem dieß geschehen ist, die Kämme von
                              einander entfernt. Die glatten langen Fasern des Wollbüschels werden bartartig vor
                              den Kämmen herausstehen, hinter den Kämmen die kurzen Fasern und die Knötchen sich
                              befinden, falls sie nicht durch die Zwischenräume der Zähne hindurch geschlüpft
                              sind, was allerdings bei dieser Art der Kämmerei der Fall ist, wo jede
                              Wollfaserschicht sich mit einem Kammdurchzuge genügen
                              lassen muß. Sehr unreine
                              knispliche Wolle kann auf dieser Art Maschinen schwerlich so rein gekämmt werden,
                              wie es zur Herstellung eines guten glatten Kammgarns erforderlich ist.
                           Das Verfahren ist demnach: die Wolle vor dem Kämmen zu
                              krämpeln. – Wir behalten uns ein Urtheil über diese Methode vor. Da dem
                              Vernehmen nach in Großenhain eine Kämmerei mit solchen
                              Donisthorpe'schen Maschinen ausgerüstet und betrieben
                              werden wird, so dürfte man wohl Gelegenheit finden, sich durch den Augenschein von
                              den Leistungen jener Maschinen zu überzeugen.
                           Die dem G. E. Donisthorpe und J. Whitehead in Leeds unterm 8. Mai 1849 patentirte KämmmaschineS. 249 in diesem Bande des polytechn.
                                    Journals. ist im Grundprincip dieselbe, wie wir sie eben beschrieben haben, nur daß
                              letztere eine einfachere Gliederung hat. Die Maschine von 1849 hat einen sternförmig
                              stehenden Auszugsring, der durch einen Ofen geheizt wird; die Maschine von 1851 aber
                              einen liegenden Ring mit aufrechtem Nadelstand und wird durch Dampf geheizt.
                              – Der Kamm mit Armgelenk ist eine Neuerung, wodurch mehrere complicirte
                              wunderliche Mechanismen in der Maschine von 1849 entbehrlich werden.
                           Ehe wir zu deutschen Kämmmaschinen-Erfindungen übergehen, wollen wir noch die
                              von Josua Heilmann in Mülhausen (Elsaß) betrachten,
                              welche von dem Maschinenbaugeschäft N. Schlumberger in
                              Gebweiler gebaut und verkauft wird,Man s. über Heilmann's
                                    Maschine polytechn. Journal Bd. CIII S.
                                       255 und Bd. CXXI S.
                                       22–35. und zwar mit der Kraft und Umsicht dieses rühmlichst bekannten Fabrikhauses.
                              Von dem Erfinder der Stickmaschine und mehrerer sinnreichen Maschinen in der
                              Spinnerei, läßt sich von vornherein erwarten, daß die Eigenschaft der Sinnreichheit
                              auch seiner Kämmmaschine nicht fehlen werde, und diese zugleich mit einem gewissen
                              Maaße von praktischer Zweckmäßigkeit gepaart sey.
                           Wir wollen hier zunächst das Princip der Heilmann'schen
                              Maschine, welche sich von denjenigen, die wir bereits oben untersucht haben,
                              grundsätzlich unterscheidet, betrachten. Heilmann ist von
                              dem Gesichtspunkte ausgegangen: 1) die rohe gewaschene Wolle nach und nach durch ein
                              öfter wiederholtes Strecken auf eigenthümlich und sinnreich construirten
                              Igelstrecken aufzulösen, in Bandform fest auf Spulen zu bringen, und diese heißen Dämpfen
                              auszusetzen;Diese Igelstrecken zerfallen in zwei Arten: in die Vließ- und
                                    Trockenmaschine (Napeuse) und die Maschine zum Zerziehen des Stapels oder
                                    die Stapelzugmaschine (Demeloir). Die Napeuse ist namentlich eine
                                    vortreffliche Maschine und bei allen Kämmmaschinensystemen anwendbar. Das
                                    Dämpfen ist beim Heilmannschen Systeme
                                    unumgänglich nothwendig, weil das Princip in demselben schlechterdings die
                                    Anwendung von Hitze beim Trennen des Kämmlings vom Zug ausschließt. Das
                                    Dämpfen der Wolle und das kalte Kämmen wird aber von einsichtigen
                                    Kammgarnspinnern, namentlich beim Spinnen von Kettengarn, für nicht
                                    zuträglich gehalten. Beim Opelt-Wieck'schen Systeme wird nicht gedämpft, aber heiß
                                    gekämmt. 2) die Wollbänder, zu welchen bei allen neueren Maschinen, bei den
                              Engländern neuerdings durch tüchtiges Krämpeln, der rohe Wollstapel verbunden wird,
                              der Kämmmaschine vorzuführen; 3) durch Zangen oder durch ein Cylinderpaar (was
                              dasselbe ist, da letzteres die ersteren in manchen Fällen mit Vortheil vertreten
                              kann) ein Wollbüschel herauszuziehen und es durch das Zangenmaul mit Zähnen oder
                              durch den Druckpunkt des Cylinderpaares in der Mitte festzuhalten. Hält man diesen
                              Gedanken fest, so sieht man leicht, daß sich die hinten und vorn herausstehenden
                              Faserenden (Wollbärte, Wollbüschel) durch eine Krämpelwalze oder Nadelwalze, was im
                              Principe ganz dasselbe ist, auskämmen lassen. Wir werden später sehen, daß dieses
                              Princip des Auskämmens des Wollbarts durch die Krämpel- oder Nadelwalze der
                              Erfindung von Opelt-Wieck angehört, bei der es
                              zuerst angewendet ist. Auch das Princip des Festhaltens des Wollbüschels in der
                              Mitte ist bereits von den Erfindern dieses Systems im Jahre 1835 versucht, aber
                              wieder aufgegeben worden, weil bei dieser Art die Wolle von Kämmlingen zu reinigen,
                              ein Theil der kurzen Wolle in der Mitte desselben, wo das Zangenmaul oder das
                              Cylinderpaar greift, sitzen bleibt. Die auf beiden Seiten von der Nadelwalze
                              ausgekämmten Wollbüschel, etwa von zwölf Zoll Breite und einer Länge, wie sie der
                              Wollstapel zuläßt, werden schuppen- oder dachziegelförmig einer auf den
                              andern gelegt oder vielmehr in einander gestaucht, wodurch ein locker verbundenes
                              breites Band gebildet wird. Dieß wird durch Trichter schmal zusammengerafft, mit
                              mehreren anderen Bändern duplirt, gestreckt und verzogen,
                              bis das Band einen guten „Fluß“ erhalten hat. Die mechanische
                              Gliederung, durch welche Heilmann diese Kämmbewegung
                              ausführt, kann begreiflicherweise nicht ganz einfach seyn. Das Wollband wird,
                              zwischen einem Cylinderpaar oder einem Zangenmaul festgehalten, einem zweiten Paar
                              oder Maul entgegengeführt. Diese beiden Mechanismen bewegen sich wie zwei Hände
                              gegen einander und entfernen sich wieder von einander, wenn das zweite Paar das
                              Wollband gepackt und ein Büschel herausgezogen hat. Der Faserbart, der im ersten
                              Paar herausragt, wird dabei von der zwischen den beiden Zangen oder Cylinderpaaren
                              liegenden Nadelwalze ausgekämmt, und der Faserbart des fortziehenden Zangenpaars
                              wird von derselben Walze, indem sie ihn umschlägt, auf der Rückseite ausgekämmt.
                              Denn man muß sich vergegenwärtigen, daß die Nadelwalze stets nach einer Richtung
                              umläuft: der Faserbart des zuführenden Zangenpaares wird daher von unten, der
                              Faserbart des fortziehenden Cylinderpaares von oben ausgekämmt, und zwar von einer
                              und derselben, untenliegenden, in einer Richtung umlaufenden Nadelwalze. Ist das
                              fortziehende Cylinderpaar mit seinem Büschel an einem bestimmten Punkte angelangt,
                              so drehen sich die Cylinder rückwärts, und schieben dadurch den reingekämmten
                              Wollbüschel den sie zwischen sich haben, auf Führcylinder, von denen er schließlich
                              in einen Topf geleitet wird. Da nun aber das Zuführen und Hinwegziehen, das Greifen
                              und Anlegen der reinen Faserbüschel in rascher und unausgesetzter Folge geschieht,
                              so werden die Büschel mit etwas Uebergriff ihrer Fasernspitzen so zu sagen
                              ineinander gestaucht und bilden ein lose zusammenhängendes breites Band, welches,
                              mit anderen gleichen zusammengenommen, wie wir gesehen haben, gestreckt und verzogen
                              wird.
                           Wir geben hier noch eine kurze Beschreibung der Art und Weise, wie das Princip
                              praktisch ausgeführt sich in Betrieb befindet.
                           Eine Zange, gebildet durch einen gereifelten Cylinder, an den ein Zuführtisch durch
                              Gewicht gedrückt wird, schiebt die vorbereiteten Wollbänder in nach der Länge des
                              Wollstapels gerichteten Absätzen ruckweise vor.
                           Unmittelbar vor dieser Zange liegt eine sich ununterbrochen drehende Walze, die zum
                              Theil eine Igelwalze, zum Theil einen gereifelten Cylinder bildet.
                           Der mit Nadeln besetzte Theil, der Igel, besorgt das Auskämmen, und der gereifelte
                              Theil das Fortschaffen des ausgekämmten Wollstapels. Das letztere geschieht durch
                              ein Cylinderpaar mit Laufleder, welches der Zuführzange gegenüber steht und durch
                              Hebel und Federbewegung so geleitet wird, daß es sich vor- und rückwärts
                              bewegen kann, und gleichzeitig dabei sich dreht.
                           Sobald nämlich die Nadeln durch die von der Zange vorgeschobene Wolle gegangen sind,
                              tritt der gereifelte Theil vor, auf den sich der vordere Laufleder-Cylinder
                              des Cylinderpaares fest auflegt, und erhält in Folge davon Bewegung, so daß er nicht allein den
                              ausgekämmten Wollstapel aus der Zange heraus zieht, sondern auch diesen, unterstützt
                              durch den mit ihm verbundenen geregelten Cylinder, so fest hält, daß der hintere
                              noch unreine Theil des Stapels von den vorübergehenden Nadeln gereinigt werden
                              kann.
                           Da nun diese Abzugscylinder nur eine Bewegung haben, welche der halben Länge des
                              Wollstapels gleich ist, so legt oder staucht sich die vordere Hälfte des nächsten
                              Stapels in die hintere Hälfte des vorhergegangenen, wodurch ein nothdürftig
                              zusammenhaltendes Band reinen Zugs gebildet wird.
                           Der Kämmling wird durch ein System von Bürst- und Nadelwalzen aus den
                              Kämmnadeln herausgestrichen.
                           Diese Erläuterungen werden hoffentlich ausreichen, um zu zeigen, daß die abgesetzte
                              Bewegung der Zange und der Cylinder, so sinnreich sie auch ist, doch für die Dauer
                              kaum ohne sehr unzukömmliche Stockungen und daraus hervorgehende Reparaturen bleiben
                              dürfte, welche den fabrikökonomischen Gesichtspunkt nachtheilig beeinflussen. Auch
                              hat es seine Schwierigkeiten die Bewegungen der Maschine nach der Länge der
                              Wollstapel zu reguliren, was durchaus geschehen muß, wenn man einen reinen Zug und
                              ein gutes Verhältniß zwischen Zug und Kämmling erlangen will. Einer der
                              geschicktesten Kammgarnspinner Sachsens, der solche Heilmann'sche Kämmmaschinen in gutem Betriebe hat, während sie an anderen
                              Orten zurückgestellt sind, sagte uns, daß es bei der Stellung des abziehenden
                              Cylinders mit Laufleder gegen die Nadelwalze auf eine Postpapierstärke ankomme. Die
                              450 Maschinen, welche bereits in England, Frankreich und auch an mehreren Orten
                              Deutschlands in Betrieb seyn sollen, werden bald zeigen, ob sich obige Befürchtungen
                              rechtfertigen oder nicht. Das Haus Schlumberger thut
                              alles Mögliche um seine Maschinen zur Einführung zu bringen, und verdient deßwegen
                              alle Anerkennung. Denn es gibt Gelegenheit zur Erprobung eines Maschinensystems für
                              einen Fabricationsproceß in der Kammgarnspinnerei, der bisher noch immer sehr
                              unvollkommen mit der Hand ausgeführt wurde, so daß jene Spinnerei nicht zu dem
                              Aufschwung kommen konnte, zu dem sie ihrer Natur nach fähig und berufen ist. Dieß
                              muß und wird anders werden und wir sind bald an dem Punkte angelangt, wo die
                              Kammgarnspinnerei entweder ganz aufhören oder sich mit ganzer Wucht auf die
                              Einführung von zweckmäßigen Kämmmaschinen werfen muß. Wir werden am Schlusse dieses
                              Artikels diese Nothwendigkeit klar zu machen suchen.
                           
                           Nachdem wir nun im Vorstehenden die drei ausländischen Kämmmaschinensysteme, welche
                              bis jetzt zur Einführung gelangt sind – von sporadischen Erfindungen und
                              unausgeführten Vorschlagen stehen wir gänzlich ab – einer Besprechung
                              unterzogen haben, und sie beziehentlich hier noch einmal als Collier'sches, Donisthorpe'sches und Heilmann'sches System bezeichnen, gehen wir zur
                              Betrachtung der deutschen Bestrebungen auf diesem Felde über, soweit sie uns bekannt
                              geworden sind. Denn wir gestehen gern, daß uns mancher sehr verdienstliche Versuch
                              in Deutschland nicht zur Kunde gekommen ist, weil wegen Mangel an Gesetzen, welche
                              Erfindungen wirksam schützen, über die wichtigsten
                              Forschungen und Erfindungen im gewerblichen Gebiete soviel wie irgend möglich der
                              Schleier des Geheimnisses verbreitet wird, und gerade aus diesem Grunde mancher
                              vielversprechende Keim in Folge Mangels an Sonne und Licht nicht zur Entfaltung
                              gelangt, sondern vertrocknet oder in andere sonnigere Länder übergepflanzt wird.
                           Die ersten Versuche, in Deutschland Kämmmaschinen zu bauen, soll der verdienstvolle
                              Fabrikant Christian Weiß in Langensalza,Christian Weiß studirte schon zu Anfang dieses
                                    Jahrhunderts die Maschinenspinnerei in England, und wendete deren
                                    Mechanismus geschickt auf die Maschinenspinnerei von Kammgarn an. Im Jahr
                                    1807 begründete er in Verbindung mit seinem Vater und seinem Onkel Andreas
                                    und August Weiß unter der Firma Weiß
                                    jun. und Comp. die erste Maschinenspinnerei von
                                    Kammgarn in Deutschland. der Einführer der Maschinenspinnerei des feinen Kammgarns (Merinogarn) in
                              Deutschland, gemacht haben, jedoch ohne Erfolg. Auch Schreiber von Langensalza, ein Mann von vieler Unternehmungslust, beseelte
                              die Idee Kämmmaschinen zu bauen, und sie gewinnen später in den Versuchen von Daeche in Chemnitz, über den weiterhin berichtet werden
                              wird, einige Gestalt.
                           Der Wollhändler Köhler, der sich durch die Erfindung eines
                              Wollmessers bekannt gemacht hat, und der etwas später als Weiß anfing Kammgarnmaschinen in Schedewitz, einem Dorfe unweit Zwickau,
                              an der Mulde, zu bauen, trug sich ebenfalls mit dem Gedanken eine Kämmmaschine zu
                              construiren. Wir haben diese Maschine im Anfang der Dreißiger-Jahre noch in
                              Schedewitz bei Köhler gesehen. Sie bestand aus einer
                              großen schmalen Holztrommel, auf der gewöhnliche Wollkämme dachziegelartig
                              hintereinander aufgesteckt waren. Die Wolle wurde nun diesen Kämmen vorgeführt und
                              von ihnen ausgekämmt.
                           
                           Dem Eingangspunkt der Wolle gegenüber, auf der andern Seite der Trommel, befand sich
                              der Gegenkamm, woran der Bart sich rein abstrich. Waren die Kämme gefüllt, so wurden
                              sie hintereinander in eine Art Rahmen gelegt, in den sie niederglitten und ihre
                              Faserbärte einem Cylinderpaar darboten, das die reine Wolle, „den Zug,“ aus den Zähnen herauszog, wie es
                              in den meisten Maschinen außer der Heilmann'schen der
                              Fall ist. Es hätte etwas aus Köhler's Maschine werden können, aber die Zeit war noch nicht
                              gekommen, wo die Zustände reif für Einführung von Kämmmaschinen waren. Es ging und
                              geht zum Theil noch der Kämmmaschinen-Erfindung wie jeder andern von
                              bedeutendem Tiefgang, daß sie erst dann ankern wird, wenn alles zu ihrem Empfange
                              gehörig vorbereitet ist. Dann wird sie aus Land treten und keine Macht der Erde
                              vermag ihr ein Hinderniß entgegenzustellen.
                           Köhler's Maschine krankte noch
                              an vielen Unvollkommenheiten. Die Trommel war viel zu groß im Durchmesser, die
                              Wollkämme erkalteten im Umlaufen, die Wolle wurde wie bei einer Krämpel im Vließ und
                              in natürlichen Wollbüscheln den Kämmen vorgeführt und nicht in einem schon
                              vertheilten und verzogenen Bande. Dadurch entstanden viel Kämmlinge. Die großen,
                              langen Stahlzähne der gewöhnlichen Wollkämme eignen sich wohl für das Werkzeug eines
                              Wollhandkämmers, der einschlagen kann wie er will und seinen Wollbart so zu
                              behandeln vermag, wie die Wolle es verlangt, aber sie passen nicht für die
                              Maschinenkämmerei. Erst durch die Annahme kurzer, feiner, engstehender Nadelkämme
                              zum Kämmen, was zuerst durch Opelt und Wieck versucht wurde, erhält das System des Kämmens:
                              „mittelst Nadelkammreihen auf den Umfang einer Trommel, parallel mit
                                 der Trommelachse gesetzt,“ eine praktische Brauchbarkeit. Aber es
                              ließ sich diese auch nur herbeiführen dadurch, daß man das erste Verfahren bei der
                              Spinnerei von Halbkammgarn, nämlich das Verfahren die natürlichen Wollbüschel in ein
                              zerzogenes Wollband zu verwandeln, angemessen modificirt in Anwendung brachte.
                              Dieses Princip ist nun, man darf dieß mit Wahrheit behaupten, nach dem Vorgange von
                              Opelt und Wieck, in
                              sämmtliche Kämmmaschinensysteme aufgenommen.
                           Es fällt Niemanden mehr ein, von rohem Wollvließ wegzukämmen, obgleich man bei
                              einigen Systemen erst ganz neuerlich zu dieser Einsicht gekommen ist. Doch zerfällt
                              bezüglich der Zerziehung und Verwandlung der natürlichen Wollbüschel in ein
                              Wollband, die Vorbereitung der Wolle für die Maschinenkämmerei in zwei sich scharf
                              von einander
                              unterscheidende Methoden. Bei der erstem, jetzt in England allgemein gebräuchlichen
                              Methode, wird die gewaschene Wolle durch eine Krämpel (Kratzmaschine, Droussette)
                              genommen und eine gänzliche Auflösung aller Knoten und verkripten kurzen Haare
                              herbeigeführt. Bei der zweiten, zuerst von Opelt-Wieck in Anwendung gebrachten und
                              von Heilmann später etwas modificirten Methode, wird
                              zunächst die Auflösung der Wolle durch eine wolfartige Maschine (Napeuse bei Heilmann) eingeleitet und das erhaltene Vließ durch
                              wiederholte Streckungen auf Stapelzugmaschinen (Demeloirs bei Heilmann) und über Stachelwalzen in ein Wollband verwandelt, wobei aber
                              nur die eigentliche Kammwolle langgezogen wird, alle Knötchen und verkripten kurzen
                              Haare aber unaufgelöst bleiben. Ohne uns in eine tiefere Würdigung der Vortheile
                              dieser beiden Maschinen einzulassen, was uns hier zu weit führen würde, können wir
                              nicht umhin zu bemerken, daß sich für gewisse sehr reine und lange Kammwollen,
                              welche man in England zu verspinnen gewohnt ist, das völlige Krämpeln mit gehöriger
                              Vorsicht angewendet manche Vortheile haben kann, daß sich aber für sehr gemischte
                              mit vielen Knötchen und Knispeln durchmengte feine Continentalwolle die zweite
                              Methode empfehlen dürfte, weil bei Anwendung der erstern Methode der milde Glanz und
                              die Glätte des schönen sächsischen und französischen Kammgarns, in deren Folge es
                              dem thibetanischen Schalgarn ähnelt, ganz verloren geht, und das Gespinnst matt und
                              todt, Streichgarn ähnlich wird, auch weniger haltbar ist.
                           Johann Opelt in Leipzig (†), Kaufmann, ein Mann von
                              erfinderischem Geiste und seltener Beharrlichkeit, nicht nur großer Wollkenner und
                              mit der Kammgarnspinnerei vertraut, sondern auch die Wichtigkeit einer Maschine zum
                              Wollkämmen vollkommen würdigend, widmete einen großen Theil seiner Zeit und seiner
                              Geldmittel Versuchen, dieses Ziel zu erreichen. Schon im Jahre 1829 arbeitete er mit
                              einem gewissen Walter und Zeugarbeiter Mühlstädt in Rochlitz, darauf mit dem bekannten
                              Maschinenbauer C. G. Haubold in Chemnitz und später mit
                              dem verdienstvollen Mechanikus Christian Hoffmann in
                              Leipzig. Inzwischen führten alle diese Versuche zu keinem befriedigenden
                              Ergebniß.
                           Im Jahre 1829 trat Opelt in Verbindung mit den Technikern
                              F. G. Wieck und Heinrich Wieck, und es war in Harthau bei Chemnitz, wo durch Zusammenwirken jener
                              Männer das gegenwärtige Opelt-Wieck'sche Kämmmaschinen-System zur Entwicklung
                              kam, wenigstens bezüglich des Urprincips, welches bis diesen Augenblick unverändert
                              geblieben ist, wenn auch die mechanische Ausführung sowohl in Sachsen als in England
                              mannichfaltigen Abwandlungen unterlegen hat, wie sie die fortschreitende Ausbildung
                              des Maschinenbaues und die fachgemäße Handhabung der Maschinen in der Spinnerei und
                              im Wollgeschäft bedingen. Einer fernem Entwickelung erfreute sich die Maschine in
                              der Maschinenbauwerkstätte von Cokerill in Lüttich, in
                              der Schönherr'schen Werkstatt in Schlema bei Schneeberg,
                              deren Besitzer, der Kreisoberforstmeister v. Leipziger
                              (†), ein Mann voll edlen Eifers für industrielle Unternehmungen, nicht
                              unbedeutende Summen der Ausbildung der Maschine zuwendete. Der Mechaniker Heinrich
                              Wieck leitete überall den Bau. Aber die Zeit war
                              immer noch nicht gekommen und die Einführung dieser, wie Kämmmaschinen anderer
                              Systeme, wurde beanstandet von den Kammgarnspinnerei-Besitzern selbst in
                              erster Reihe, welche sich fürchteten vor dem bedeutenden Anlagekapital jener
                              Maschinen, was allerdings dem für den Spinnmaschinenstatus so ziemlich gleichkommt.
                              Dann war es die Rücksicht auf die Wollkämmer, die ihr keineswegs unbedeutendes
                              gewerbsociales Gewicht in die Waagschale gegen die Maschinen warfen, vielleicht auch
                              noch kleine Mängel an der Maschine, die sich nur erst während des Betriebes selbst
                              auszuschleifen vermochten, wodurch die Maschinen an ihrem kräftigen Aufschwung
                              gehindert wurden. Die kleineren Spinner aber blicken in der Regel auf die größeren
                              Geschäfte und führen selten etwas neues ein, bevor es sich nicht bei diesen als gut
                              bewährt hat.
                           In Bezug auf die Kämmmaschine fanden nun aber die großen Spinnereibesitzer, welche
                              mit gut eingerichteten billigen Handkämmereien versehen sind, es nicht ganz in ihrem
                              Interesse eine Maschine zu begünstigen, mit deren Hülfe es überall möglich wird mit
                              Vortheil die größten Kammgarnspinnereien zu errichten. Auch walteten und walten noch
                              jetzt in manchen Fällen ganz eigenthümliche Rücksichten für Erhaltung der
                              Handkämmerei ob, über die wir hier hinweggehen wollen.
                           Die Hauptschwierigkeit war und ist bis jetzt noch, billige und gute Handkämmerei zu
                              haben, da ohne diese an Anlage einer Spinnerei für eigene Rechnung, d.h. nicht auf
                              Kaufzug oder nur für Lohnspinnerei berechnet, gedacht werden kann. –
                              Oesterreich würde schon längst größere Kammgarnspinnereien besitzen, wenn ihm die
                              billigen Handkämmer von Thüringen, dem Erzgebirge und Voigtlande zu Gebote
                              stünden.
                           Mehrere Unternehmungen, welche mit Opelt-Wieck'schen Maschinen begonnen worden waren, wurden
                              wieder aufgegeben und Versuche damit in Großenhain und Pfaffendorf nicht
                              fortgesetzt. Um diese Zeit, 1837 bis 1840 war es auch, daß ein Patent auf die Maschine in England
                              genommen wurde, wobei sich ein Leipziger und ein Londoner Handelshaus
                              interessirten.
                           Johann Opelt betrieb die Angelegenheit mit lebhaftem
                              Eifer. Einer der bedeutendsten Kammgarnspinner, Addison
                              in Bradford, fing an sich für die Sache zu interessiren, indem ein tüchtiger
                              Fachmann, der Kämmmeister Brückner von Schlema, ein Mann,
                              der nicht ohne Verdienst für manche praktische Verbesserungen an der Maschine ist,
                              und sich gerade in England befand, um dort die Behandlung der Maschine zu lehren,
                              sich erbot in seiner Spinnwerkstatt die Zeichnungen für die Modelle anzufertigen und
                              bei dem Maschinenbauer Bary und Comp. in Bradford dann
                              bauen zu lassen. Die deutsche Kämmmaschine wurde nun mit der Tüchtigkeit, die dem
                              englischen Maschinenbauer eigen ist, gebaut und erregte bald Aufmerksamkeit im Fach,
                              so zwar, daß gegenwärtig in England in mehreren Etablissements, welche nur mit
                              diesen Maschinen arbeiten, wohl an die fünfzig Maschinensätze im Gange sind, und der
                              Bau im Zunehmen ist, trotz der lebhaften Bewegung, welche die Förderer der Heilmann'schen und Donisthorpe'schen Maschinen in den betreffenden Kreisen zu bewirken
                              wissen.
                           In Deutschland gehen ebenfalls vielleicht 20 Maschinen an drei bis vier Orten, von
                              denen inzwischen nur zwei Etablissements meines Wissens mit Maschinen neuester Art
                              ausgerüstet sind, und die Bürgschaft eines tüchtigen Betriebs darbieten, nämlich die
                              Kammgarnspinnerei in Schedewitz, und die Maschinenkämmerei, welche von den HHrn.
                              Trinius und Weithas in Eutritzsch bei Leipzig
                              mit aus England bezogenen Maschinen des Systems Opelt-Wieck betrieben wird. Denn die Abweichung in der
                              Auszugsmaschine, welche principiell in der alten Köhler'schen Gleitbahn besteht, in welche die von der Kämmmaschine
                              abgenommenen Kämme gesteckt werden, hat durchaus keinen Einfluß auf die Wirkung der
                              Kämmmaschine, deren Princip klar und deutlich vorliegt und in bestimmte Formeln zu
                              fassen ist, wie weiter unten zu thun versucht werden wird. Es ist ein Umstand, der
                              für die Ausbreitung des Opelt-Wieck'schen Systems
                              nicht günstig wirkte, daß bis vor kurzem sich kein speculatives Maschinenbaugeschäft
                              mit dem Baue jener Maschinen in Deutschland beschäftigte, woran allerdings schuld
                              war, daß die ursprünglichen Erfinder die Sache nicht mehr in Händen haben; wie es
                              denn überhaupt in der Geschichte der Erfindungen sehr häufig vorkommt, daß nicht
                              diejenigen, welche sie geboren und gesäugt haben, sondern andere den Nutzen ziehen.
                              Den Betreibern 
                              Opelt-Wieck'scher Maschinen kann man es nicht im
                              geringsten verargen, wenn sie nicht viel Wesens davon machen, wodurch nur die
                              Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf eine Sache gelenkt werden und allerdings den
                              großen Nutzen nicht mehr für sie lassen würde, wenn auch andere Fabrikanten sich
                              damit versorgten. Gegenwärtig kann aber eine Maschinenfabrik nachgewiesen werden,
                              welche die in Rede stehenden Maschinen besser bauen wird, als dieß in England
                              geschieht. Es ist Richard Hartmann in Chemnitz.
                           Das Princip der Opelt-Wieck'schen Kämmmaschine, das
                              durch die angewendeten Maschinenglieder zur Verwirklichung gebracht ist, besteht
                              darin, den Wollbart schichtweise von der Spitze bis zur Wurzel der Faser von kurzer
                              Wolle, Knispeln und Flocken zu befreien; und geschieht dieß durch Abstreichen des
                              Wollbarts, der nach und nach vom zugeführten Wollbande abgestochen wird, auf eine
                              oder mehrere Krämpel- oder Nadelwalzen, welche Abstreichmethode Heilmann von Opelt-Wieck entlehnt hat, im Fall er nicht selbst darauf gekommen
                              ist. Da nun aber bei Opelt-Wieck der Kamm sich
                              füllt, und nicht wie bei Heilmann, jede Bartschicht
                              fortgelegt wird, ehe eine zweite wieder ergriffen und abgestrichen wird, so ist es
                              nöthig, daß sich die Krämpel- oder Nadelwalze je weiter von den Kämmen
                              entferne, je stärker der Wollbart wird. Dieses Princip ist das eigenthümliche,
                              ursprüngliche der Opelt-Wieck'schen Construction
                              und hierauf basirt im wesentlichen ihre Erfindung und ihr Patentrecht. Denn wenig
                              kommt im Grunde darauf an, wie jenes Princip mechanisch ins Leben geführt wird,
                              nämlich so weit es die Erfindung betrifft.
                           Auf die mechanische Ausführung kommt praktisch sehr viel, ja ziemlich alles an. Das
                              Abstreichen des Wollbarts an der Krämpelwalze, die allmähliche Entfernung dieser von
                              dem nach und nach stärker werdenden Wollbart, ist das Princip, welches, wenn in
                              Deutschland das Eigenthum des Geistes nicht geringer geachtet werden soll, als ein
                              Stück geprägtes Metall oder gedrucktes Papier, niemand ohne Bewilligung derer, die
                              es angeht, benutzen darf.
                           Wenn in der jetzt besprochenen Kämmmaschine die Kämme mit Wolle gefüllt sind, die
                              sich hinter einander auf einer Trommel parallel mit der Achse laufend befinden, so
                              hält sie von selbst an; Arbeiterinnen stechen dann rasch mit Handkämmen die reinen
                              Wollbärte aus den Kämmen herunter, und schieben sie in den Auszugring, der ähnlich,
                              wenn auch von kleinerem Durchmesser, wie der alte Cartwright'sche Nadelring gestaltet ist, und dessen sich Collier und Donisthorpe
                              ebenfalls bedienen. Man
                              hat gegen die Opelt-Wieck'sche Maschine die
                              Nothwendigkeit dieses Umstechens als einen Mangel oder vielmehr als eine
                              Unvollkommenheit bezeichnet. Es würde dadurch, behauptet man, noch zu viel Zeit
                              verloren und noch zu viele Hände beschäftigt. Ein sehr müßiges Vornehmen wäre es,
                              sich mit den Gegnern in eine Erörterung über diesen Punkt einzulassen; aber die
                              gedachten Einwürfe werden am besten durch die bestimmte Versicherung zurückgewiesen
                              werden, daß das Pfund reiner Zug von der gewaschenen Wolle ab, wie sie der
                              Lohnkämmer bekommt, an Löhnen bei A nur 7 Pf. kostet,
                              und eingeschlossen alle Unkosten des Betriebes, der Zinsen, Seife etc. für die
                              Maschine für
                           AA/6 A/5 B/(4 1/2) C/3
                              Neugroschen
                           gekämmt wird, während andererseits die Handkämmerei inclusive
                              aller Spesen in Sachsen und Thüringen, wo am billigsten in der ganzen Welt gekämmt wird, angenommen werden können zu:
                           AA/11 A/10 B/9 C/8 Neugroschen
                           oder an reinem Kämmerlohn, wo die Kämmer die gewaschene Wolle
                              ins Haus bekommen:
                           AA/(6 1/2) A/(5 1/2) B/5 C/4 Neugroschen
                           das Pfd. reinen Zug; in der Regel stehen sie aber viel
                              höher.
                           Das Abstechen der Wollbärte von den Nadeln der Kämme und ihr Uebertragen in die
                              Nadeln des Auszugsrings hat aber noch den großen Vortheil, daß die
                              Kämmlingsverstrickung hinter den Nadeln dadurch gelockert wird und man alle langen
                              Fasern herausziehen kann und keine derselben zerreißt, was häufig der Fall ist, wenn
                              unmittelbar aus denselben Nadeln ausgezogen wird, in die man eingeschlagen hat. Wir
                              unsererseits sind daher nicht im Stande, irgend einen Werth auf die Einrichtungen zu
                              legen, welche dahin zielen das Umstechen der Wollbärte zu ersparen und ohne
                              Zwischenarbeit aus den Kammnadeln unmittelbar auszuziehen. Die Versuche in jener
                              Richtung, welche von Laaß und Comp. in Zwickau (durch Laukner in Schlema sinnreich und schön ausgeführt), und
                              von Lahr, früher in Gera, jetzt in Hohenelbe in Böhmen,
                              gemacht worden sind, haben zu keinem zufriedenstellenden Ergebniß geführt, obgleich
                              die zu dem Ende construirte Maschine höchst mechanisch war. Lahr hatte nämlich die Einrichtung getroffen, daß die mit Wolle gefüllten
                              Kämme der Opelt-Wieck'schen Kämmtrommel während des Umlaufs
                              dieser Trommel zur Seite in eine Strahlenscheibe, wie man sich ausdrücken kann,
                              geschoben wurden, in welcher die Nadeln radial oder strahlenförmig standen. Diese
                              vertical gestellte ScheibeIn der oben erwähnten Patentbeschreibung der Maschine von Donisthorpe und Whitehead vom 8. Mai 1849 haben wir diese Strahlenscheibe wieder
                                    erblickt. Die Strahlenscheibe aber ist schon von Daeche 1845 benutzt worden. drehte sich langsam um, während wie gewöhnlich mit Cylindern ausgezogen
                              wurde. Die leeren Kämme, nachdem der Kämmling auf die bekannte Weise aus ihnen
                              entfernt war, wurden wieder auf die umlaufende Trommel geschoben, und somit ging
                              alles ohne Stillstand, aber freilich nicht immer ohne Stockung vor sich, denn das
                              Ueberspringen der Kämme gelang nicht immer. Aber noch schlimmer war es, daß der
                              Wollbart nicht immer ganz rein gekämmt wurde; denn die abstreichenden kleinen
                              Krämpeltrommeln, welche in gleicher Entfernung von der Kämmtrommel blieben,
                              bestrichen die ersten Lagen der von den Zähnen gefaßten aus dem Wollband gezogenen
                              Wollfasern nicht, und kämmten dahingegen zu tief wenn die Zähne voll waren, was sich
                              leicht einsehen läßt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die vollen Kämme einer nach
                              dem andern in die Strahlenscheibe geschoben wurden, und demnach ganz leere bis zu
                              ganz vollen Kämmen zu gleicher Zeit sich auf der Kämmtrommel befanden. Dieser
                              Uebelstand ließ sich nicht heben, denn er war eine nothwendige Folge des
                              ungleichzeitigen Herausschiebens der Kämme in die Strahlenscheibe, aus der
                              ausgezogen wurde. Das Kämmmaschinensystem von Daeche aus
                              Eisenach, früher im Hause Schreiber aus Langensalza,
                              stützte sich ebenfalls auf diese radiale Nadelscheibe (Strahlenscheibe), sie war
                              inzwischen ohne Kämmtrommel, denn Daeche benutzte ein
                              Cylinderpaar, welches das Wollband nicht allein vorschob, sondern das Vorgeschobene
                              auch zugleich durch eine Auf- und Niederbewegung in die Zähne oder Nadeln der
                              verticalen und radialen Strahlenscheibe einschlug. Unterhalb dieses Cylinderpaars
                              war aber eine kleine Krämpelwalze angebracht, die bei jedesmaligem Einschlagen den
                              Wollbart abstrich. Die Strahlenscheibe rückte dabei allmählich weiter, und die Wolle
                              wurde, wie schon oft erwähnt, wie gewöhnlich mit Cylindern ausgezogen. Diese
                              Maschine machte einige Zeitlang Aufsehen in Chemnitz; inzwischen hat man in neuerer
                              Zeit nichts von ihr gehört. Man sieht, daß auch bei dieser Maschine das Princip der
                              Opelt-Wieck'schen abstreichenden Krämpelwalzen
                              modificirt angewendet wurde.
                           
                           Unsere Leser werden sich durch die vorstehenden Mittheilungen überzeugt haben, daß
                              die Aufgabe mit Maschinen zu kämmen, technisch und fabrikökonomisch praktisch gelöst
                              ist, und daß es sich gegenwärtig nur noch um die allgemeine Einführung der
                              Maschinenkämmerei und darum handelt, welches von den Systemen die Oberhand behaupten
                              wird. In Bezug auf die letztere Frage wollen wir niemand unsere Meinung aufdringen;
                              aber gestützt auf eine ziemliche Kenntniß des Fachs und der bezüglichen
                              Wirkungsweise der in Frage kommenden Maschinen, glauben wir, daß das Opelt-Wieck'sche System im Laufe der Zeit den Sieg
                              davon tragen wird, und zwar 1) weil die Anschaffungskosten eines Maschinenstatus, um
                              ein gewisses Maaß reinen Zugs zu liefern, geringer sind als bei allen andern
                              Kämmmaschinensystemen, welche bis jetzt praktisch angewendet worden sind. Die Schlumberger'schen Maschinen kosten z.B. dreimal soviel
                              als die Opelt-Wieck'schen. Aber dieser Vortheil
                              würde nichts gelten, wenn nicht zugleich auch 2) es in jenem Systeme läge die Wolle
                              in ihrer natürlichen Faserstapellänge zu erhalten und dabei doch ganz rein zu
                              kämmen. Sehr wichtig ist aber 3) die Eigenschaft des Systems, daß es fest, compact,
                              und ohne leicht in Unordnung gerathende, feingegliederte Mechanismen construirt ist,
                              und dadurch das Vorkommen von Stockungen und Reparaturen auf das größte Minimum
                              gebracht ist. Endlich 4) ist uns aber noch keine Berechnung über einen Betrieb mit
                              Kämmmaschinen bekannt geworden, welche alles in allem gerechnet, so wohlfeil zu
                              kämmen vermag. Denn selbst angenommen, aber nicht zugegeben daß mehr Mädchenhände
                              dazu gebraucht würden als bei den anderen Systemen, so sieht jeder ein daß der
                              bezahlte Arbeitslohn nicht der alleinige Factor für die Berechnung bei einer
                              Fabrication ist, und sind wir nebenbei der Ansicht, daß es nicht zum Nachtheil einer
                              Maschinenconstruction spreche, wenn sie Menschenhände beschäftigt und doch alle
                              Vortheile einer Maschinenleistung gewährt. Ein Mädchen, welches einen Thaler die
                              Woche Lohn erhält, ist einem Arbeitscapital von tausend Thalern zu vergleichen, aber
                              mit dem großen Vorzuge zu Gunsten des Fabrikanten, der mit einer Maschine von
                              tausend Thalern Werth arbeitet, daß jenes Arbeitscapital kein solches ist, das sich
                              zu Lasten des Fabrikanten abnutzt. Wir wissen freilich, daß wir hier eine zarte,
                              namentlich in Arbeiterkreisen oft besprochene, gewerblich sociale Frage
                              berührenDa nur junge weibliche Personen in Frage kommen, welche selten länger als 5 Jahre Fabrikarbeit betreiben wollen
                                    oder können, so verliert die sociale Frage viel von ihrer Tragweite. In
                                    einer sächsischen Spinnerei z.B., wo seit 15 Jahren  nur Mädchen (circa 300) beim Betrieb beschäftigt wurden, sind
                                    etwa fünf, welche 10 Jahre ununterbrochen gearbeitet haben, der größte Theil
                                    bleibt nicht länger als 3 bis 5 Jahre, wo sie dann entweder in Dienst gehen
                                    oder sich verheirathen., inzwischen halten wir uns an das Thatsächliche, und dieß kann nicht abgeläugnet
                              werden, während wir auf socialem gewerblichem Gebiete gern geneigt sind, die
                              Gerechtigkeit der Forderung der Arbeiterclasse anzuerkennen, welche dahin geht, daß
                              etwa durch Unterstützungs-, Pensions- oder Invalidencassen eine
                              Ausgleichung für das mit dem Alter abnehmende Arbeitscapital des einzelnen gesucht
                              wird.
                           Die Thatsache, daß Kämmmaschinen mit Vortheil im großen Betrieb eingeführt sind, ruft
                              uns die Aufstellung einiger Vortheile der Maschinenkämmerei ins Gedächtniß zurück,
                              die bereits vor zwanzig Jahren gemacht wurde. Dazumal
                              schlug sie nicht durch, gegenwärtig aber klingt sie wie eine sehr ernste Mahnung.
                              Sie lautet:
                           1) die Arbeit bei der Maschinenkämmerei ist nicht ungesund noch nachtheilig und in
                              einigen Tagen zu erlernen. Sie ist es nicht bei der Handkämmerei. Es wird sich
                              leichter wie bei jedem andern Betrieb mit Maschinen ein Arbeiterstamm ohne
                              Schwierigkeit heranbilden lassen.
                           2) Es werden nur Mädchen gebraucht, die weniger anmaßend und leichter zu behandeln
                              sind als Männer.
                           3) Die Wollcontrole läßt sich sicher handhaben, weil die Wolle nicht an die einzelnen
                              Arbeiter abgeliefert wird. Die Hausindustrie geht zur Fabrication in geschlossenen
                              Etablissements über.
                           4) Man braucht, um einen hinreichenden Zug zum Betriebe der Spinnerei zu erhalten,
                              weder Wollvorräthe aufzukämmen noch aufzukaufen, weil die Kämmerei Jahr aus Jahr ein
                              wie die Krämpelei der Baumwolle und Streichwolle regelmäßig betrieben wird. Das
                              erforderliche Betriebscapital wird daher mindestens auf 2/3 zurückgebracht.
                           5) Bei dem kleinen Wollvorrathe, den der Kammgarnspinner, besonders wenn er nur
                              sortirte Kammwolle kauft, bei Benutzung von Kämmmaschinen gebraucht, wird er fast
                              ganz unabhängig von Conjuncturen in Rohstoff. Der Widerspruch zwischen seinem
                              Interesse als Wollhändler wird beseitigt, da er fast ganz aufhört Wollhändler zu
                              seyn, und in die Kategorie der Lohnspinner treten kann. Ueberhaupt werden erzielt:
                              alle Vortheile eines geschlossenen Etablissements im Gegensatze des zerstreuten
                              Fabrikbetriebes; alle Vortheile des selbstständigen emancipirten Fabrikanten, im Gegensatze des
                              mit den kaufmännischen Aufgaben des Händlers und Speculanten mißbräuchlich
                              überladenen Fabrikanten.
                           Diesen Vortheilen fügen wir noch hinzu, daß der maschinengekämmte Zug sich feiner in
                              der Nummer ausspinnen läßt als der handgekämmte, ferner daß die Kämmlinge, welche
                              bei der Maschinenkämmerei sich ergeben, viel höher zu verwerthen sind als
                              diejenigen, welche die Handkämmerei macht. Denn jene sind so locker und schön, weiß
                              und ohne Unreinigkeiten, daß die Streichgarnspinnerei welche jene Kämmlinge
                              verwendet, viele sonst nöthige Vorbereitung dabei erspart. Aber noch viel mächtiger
                              als alle diese berührten Vortheile drängt die Concurrenz, welche sich jetzt in
                              England erhebt, wo man bald mit Hülfe der Kämmmaschinen und der schönen
                              australischen Wolle ein Gespinnst erzeugen wird, und bereits, wie die Londoner
                              Ausstellung gezeigt hat, erzeugt, dessen sich der beste deutsche Merinogarnspinner
                              nicht zu schämen hat, und dabei so wohlfeil, daß die deutschen Kammgarnspinner mit
                              allem Rechte für die Sicherheit ihrer Capitalien zu fürchten haben, wenn sie sich
                              nicht ebenfalls mit Kämmmaschinen versehen. Wir haben Einsicht in Berechnungen
                              genommen, aus denen hervorgeht, daß bei Einführung von Kämmmaschinen ein
                              erfreulicher Nutzen an einem Kammgarnspinngeschäft bleibt, während bei einer und
                              derselben Conjunctur mit Handkämmerei ein nicht unbedeutender Verlust sich
                              herausstellte. Das sind erweisliche Thatsachen in Deutschland. Aber weil dem so ist,
                              so wird sich jeder Weitersehende sagen müssen, daß wenn dieser Umstand in diesem
                              Augenblicke auch nur dann bei einem Kammgarnspinngeschäft eintreten kann, wenn es
                              flaut, die Zeit nicht fern ist, wo jener Umstand ein normaler wird und alle
                              diejenigen nach und nach zu Grunde gehen müssen, welche nicht zur Einsicht gelangen
                              können, daß eine Fabrication auf ihrer Höhe gehalten werden muß, und daß Schutz und
                              Unterstützung nur und aus keinem andern Grunde gegeben wird, als um zu ermuntern,
                              jene Höhe ohne allen Verzug zu erreichen.