| Titel: | Die Bereitung der Waldwolle. | 
| Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. CII., S. 463 | 
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                        CII.
                        Die Bereitung der Waldwolle.
                        Die Bereitung der Waldwolle.
                        
                     
                        
                           Im polytechn. Journal Bd. XCII S. 319 wurde
                              über die sogenannten Waldwolle-Fabricate des Hrn. Joseph Weiß zu Zuckmantel im österreichischen
                              Schlesien berichtet, welcher die Entdeckung machte, die Kiefernadeln in zarte Fasern zu verwandeln, um sie dann in Form eines
                              lockeren Filzes zum Polstern der Möbel, für Pferdekissen, Matratzen, Bettdecken etc.
                              anzuwenden. Nach Ablauf der Patentzeit ist dieses Verfahren, welches bisher keine
                              große Verbreitung finden konnte, nun in dem Kunst-
                              und Gewerbeblatt des polytechnischen Vereins für Bayern,
                              Septemberheft 1852, veröffentlicht worden, dem wir es hier entnehmen:
                           
                              „Unter den Pinusarten wurde die Kiefer deßhalb gewählt, weil sie durch
                                 ihre längere Nabel auch die längste Faser gibt.
                              
                           
                              Diese Nadeln müssen im grünen Zustande gesammelt
                                 werden, in welchem sie entweder unmittelbar verarbeitet, oder auch vorher durch
                                 künstliche Wärme oder an der Luft getrocknet werden können, wodurch an ihrer
                                 Brauchbarkeit nach mehrjährigem Aufbewahren nichts verloren geht. Abgefallene
                                 Nadeln sind ganz untauglich und brüchig, wie verrösteter Hanf oder Flachs.
                              
                           
                              Um dieselben zur Zerfaserung tauglich zu machen, werden sie mehrere Stunden
                                 entweder im bloßen Wasser oder in schwachen kalischen Laugen gekocht, um durch
                                 die Auflösung der mancherlei bindenden Bestandtheile die Trennung der Faser möglich zu
                                 machen. Derselbe Zweck wird auch durch Maceration erreicht. Das Zeichen, daß sie
                                 sowohl bei dieser Gährung, als auch beim Kochen hinlänglich gaar sind, ist der
                                 Zustand, wenn die Nadeln durch Reiben zwischen den Fingern sich leicht
                                 zerfasern.
                              
                           
                              Unter den mancherlei Vorrichtungen, welche ich zu diesem Zwecke versuchte, hat
                                 sich eine sanft quetschende oder reibende, und tumultuarisch rührende, und
                                 zugleich bei hinlänglichem Wasserzuflusse waschende Bewegung als die
                                 zweckmäßigste erwiesen. Ich nehme daher keine der hier beschriebenen Proceduren,
                                 sondern die Verwendung der Kiefernadeln zu diesen Zwecken als den Gegenstand des
                                 Privilegiums in Anspruch.
                              
                           
                              Um die vorbereiteten Nadeln zu quetschen und zu trennen, habe ich vorläufig eine
                                 bekannte Vorrichtung nachgeahmt. 2 1/2 Fuß hohe, 1 Fuß breite konische Walzen
                                 bewegen sich in einem Kreise um ihre, an einer stehenden Welle befestigte Achse
                                 auf einer runden Platte, auf der die Nadeln ausgebreitet liegen und auf welche
                                 ein ununterbrochener Wasserstrahl geleitet wird. Um eine gleichmäßige
                                 Zertheilung zu bewirken, sind zwischen den Walzen an besonderen Armen schiefe
                                 Rechen angebracht, welche während des Kreisumlaufes jener die Nadeln immer
                                 wenden.
                              
                           
                              Um nun die so getrennte Faser zu reinigen oder auszuwaschen, ist das
                                 tumultuarische Rühren und Waschen des bei der Papierfabrication üblichen
                                 Holländers sehr geeignet, dessen Zweck und gewünschte Wirkung hier aber solche
                                 Abänderungen fordert, daß diese Vorrichtung außer der äußern Form mit jenem
                                 nichts gemein hat. Statt der metallenen Schienen in der Walze werden breite
                                 Schaufeln von Ahorn oder sonst einem gleichjährigen Holze eingesetzt. Die Platte
                                 unter derselben ist am besten aus glattem Metallblech; statt der Waschscheiben
                                 in der Haube werden Metallbleche mit Löchern von verschiedenen Dimensionen
                                 (welche nach der vorgerückten Wollfeinheit gewechselt werden) angebracht. Auf
                                 diese Weise werden bei genügendem Wasserzufluß alle kürzeren und fremdartigen
                                 Beimischungen von der Faser weggewaschen, und durch das mäßige Nähern der Walze
                                 zur Platte wird noch ein reinigendes Reiben bewirkt. Um die kreisförmige
                                 Bewegung der Masse in diesem Rührtroge (wie ich ihn nenne) zu befördern, welche
                                 sehr stockt, ist es nöthig eine Krücke anzubringen, durch welche das Forttreiben
                                 der Masse befördert wird.
                              
                           
                              Die hier gut ausgewaschene Faser ist noch grob; sie wird daher durch wiederholtes
                                 Kochen – am besten durch einen Dampfapparat in hölzernen Gefäßen –
                                 oder Maceriren zur feineren Zertheilung fähig gemacht, abermal gequetscht und
                                 gewaschen, und so abwechselnd fortgesetzt, bis die Wolle den erwünschten Grad
                                 von Feinheit erlangt hat.
                              
                           
                              Die Farbe der Wolle ist bald grüngelb, bald braun, je nachdem die Nadeln ganz
                                 grün und saftig, oder trocken verarbeitet, oder mit kalischen Laugen behandelt
                                 werden, welche Farbe eine Folge des Niederschlags von der grün-grauen
                                 Brühe aus den löslichen Bestandtheilen der Nadeln ist. Dem gewöhnlichen
                                 Bleichprocesse unterzogen, wird die Faser weiß.
                              
                           
                              Ein Hauptaugenmerk ist das Bestreben, die Faser in ihrer möglich größten Länge zu
                                 erhalten, wodurch ein vortreffliches Polstermaterial erlangt wird, welches nicht
                                 nur alle bisher angewandten Haarsurrogate, sondern auch Kuh- und
                                 Kälberhaare weit übertrifft, selbst Roßhaare zu ersetzen im Stande ist, und
                                 wegen seiner bewiesenen Salubrität und verscheuchenden Einflusses auf viele
                                 Insecten noch vorzuziehen ist, sondern bei der Füllung der Schlafdecken
                                 substituirt diese Waldwolle vollkommen die Baumwolle, welche Decken dem Körper
                                 ein so behagliches und gedeihliches Gefühl geben, wie sie nicht Baum- und
                                 Schafwolle, am allerwenigsten Federbetten zu gewähren im Stande sind.
                              
                           
                              Ist durch ein sorgfältig geleitetes Verfahren die Faser recht fein und weich
                                 gemacht, so liefert sie durch Spinnen einen schönen, runden, sehr festen
                                 Faden.
                              
                           
                              Werden während der Behandlung der Nadeln in erhöhter Temperatur die Dämpfe zur
                                 Condensirung in einen Kühlapparat geleitet, so wird ein schönes ätherisches Oel
                                 gewonnen, das sich vom Terpenthinöl wesentlich unterscheidet und vielseitige
                                 technische und pharmaceutische Anwendung verspricht.“